Anerkennung Zum Gehalt des Begriffs für ein universales Rechtsprinzip
I. Die Grundlegung des Rechts bei Kant
Transzendentalphilosophische Grundlegungen
Man kann über Fichtes1 Begriff der Anerkennung und seinen Gehalt für das Recht nur dann ertragreich nachdenken, wenn man Kants praktische Philosophie einbezieht. Denn sie ist Ursprung und Quelle des Deutschen Idealismus. Damals haben, wie zu Recht gesagt wurde, Genies die Werke von Genies gelesen[1] [2] - und seit 1785 (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten) bzw. 1788 (Kritik der praktischen Vernunft) lagen zentrale Schriften Kants zur praktischen Philosophie vor und wurden studiert - studiert in weltbewegter Zeit, in der jahrhundertealte Ordnungen in Frankreich einstürzten und in Deutschland immerhin zu bröckeln begannen. In solchen Zeiten wird geradezu zwangsläufig das Recht zum Thema,[3] und aus Kants
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[1] Im folgenden Text werden Fichtes Werke nach der Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit dem Kürzel GA, der Abteilung und der Bandzahl zitiert: Fichte: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. v. Reinhard Lauth u. Hans Jacob, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 ff.; die Grundlage des Naturrechts dabei nur als GA I, 3. Kants Werke werden an erster Stelle nach der Akademieausgabe zitiert, an zweiter Stelle nach der Paginierung der Originalausgaben (A für die erste, B für die gegebenenfalls zweite Auflage), die sich in der verbreiteten Ausgabe von Weischedel (Darmstadt 1956 u. ö.) findet; die Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, wird nur mit MdS zitiert.
[2] Vgl. zur Veranschaulichung Fichtes Brief an Johanna Rahn vom 12. August 1790 („[sage Deinem Vater,] daß ich mich jetzt über Hals und Kopf in die kantische Philosophie würfe, und sichtbar spürte, daß Kopf und Herz dabei gewönnen" (GA III, 1, 166). Oder der Bericht von Rosenkranz über Hegels Kant-Studium: „Als aber Kant 1797 seine Rechtslehre und Tugendlehre herausbrachte, unterwarf er beide Werke samt (sic!) der Metaphysik der Sitten vom 10. August 1798 ab einem strengen Studium. Er wollte sich hier nichts unbegriffen, nichts unerörtert lassen." (Karl Rosenkranz: Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben, Berlin 1844, ND 1977, 87). Siehe schließlich die Eintragung Goethes in sein Tagebuch, 14. März 1797, Jena: „Abends zu Schiller, wo Legat. R. v. Humboldt war und Fichtens neue Darstellung der Wissenschaftslehre aus dem Philosophischen Journal vorgelesen wurde" (J. W. v. Goethe: Tagebücher 1775-1809, München 1963, 171).
[3] Dazu auch Kant selbst, MdS, Vorrede: „Gegen das Ende des Buches habe ich einige Abschnitte mit minderer Ausführlichkeit bearbeitet, als in Vergleichung mit den vorhergehenden erwartet werden konnte: teils, weil sie mir aus diesen leicht gefolgert werden zu können schienen, teils auch, weil die letzte (das öffentliche Recht betreffende) eben jetzt so vielen Diskussionen unterworfen und dennoch so wichtig sind, daß sie den Aufschub des entscheidenden Urteils auf einige Zeit wohl rechtfertigen können." (AA VI, S. 209 = AB X).
Philosophie der Freiheit ließen sich auch dafür Anregungen genug entnehmen. An ihrem Grund ist für diese Philosophie die Gestaltung der Welt durch den Menschen, das endliche Vernunftwesen, eine Wandlung dieser Welt vom bloß hingenommenen Vorfindlichen zum Ausdruck und Urbild der Leistung der praktischen Vernunft - „die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht", wie Hegel später in der Rechtsphilosophie sagen wird.[1] Im Grundsatz nicht anders denkt Kant, wenn er formuliert: „Nur ein vernünftiges Wesen hat das Vermögen, nach der Vorstel - lung der Gesetze, d. i. nach Prinzipien, zu handeln, oder einen Willen . Da zur Ableitung der Handlungen von Gesetzen Vernunft erfordert wird, so ist der Wille nichts anderes, als praktische Vernunft."[2] „Freie Wirksamkeit" - so heißt das später in § 1 von Fichtes Grundlage des Naturrechts.[3] Schon bei diesem Kantzitat ist ein Punkt festzuhalten, der später auch beim Rechtsbegriff von Bedeutung werden wird: Praktische Vernunft ist nicht identisch mit dem kategorischen Imperativ; er bildet nur die dem Geist eigenste, weil von äußeren Bedingungen unabhängige Weise der Selbstbestimmung des Menschen; zu Recht hat Kant daher diese Leistung in den Mittelpunkt der Kritik der praktischen Vernunft gestellt. Doch auch die technischen Imperative und die Ratschläge der Klugheit sind Leistungen der einen praktischen Vernunft, bei denen freilich die Endlichkeit äußerer Zwecksetzungen und die Endlichkeit des Menschen selbst eine prägende Bedeutung besitzen.[4] Festzuhalten aber bleibt, daß mit Kants Konzept der Selbstbestimmung des Menschen der Mensch als lebendige Einheit verstanden ist, die sich über die Gesamtheit ihrer Äußerungen selbst bestimmt und selbst versteht, und das ist auch lebensgeschichtlich aufzufassen. In der 1797 erschienen Metaphysik der Sitten nimmt der zweite Satz der Einleitung die Formulierung einer Fußnote der Kritik der praktischen Vernunft auf, aber in etwas gewandelter systematischer Bedeutung: „Das Vermögen eines Wesens, seinen Vorstellungen gemäß zu handeln, heißt das Leben."[5] In dieser Formulierung deutet sich etwas an, das Kant in der Rechtslehre der Metaphysik der Sitten verfolgt und das man thesenhaft als die Verschmelzung der phänomenalen und noumenalen Betrachtung des Menschen bezeichnen könn- te.[6] Dieser Begründungsgang ist von
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[1] G.W.F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), § 4 in: G.W.F. Hegel: Gesammelte Werke, Hamburg 2009, Bd. 14.1, 31.
[2] Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: AA IV, 412 = BA 36.
[3] GA I, 3, 329. Sowohl beim Hegel- wie beim Fichte-Zitat bleiben andere und weitere systematische Bedeutungen der Begriffe hier unberücksichtigt.
[4] Vgl. dazu auch Clemens Schwaiger: Kategorische und andere Imperative, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, 19 u. ö. Aufschlußreich für Kants Gesamtverständnis der Moralphilosophie sind auch seine Sätze in der Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre von 1765-1766, AA II, S. 303 ff. (312) = A 15: Die zweite Abteilung der physischen Geographie „betrachtet den Menschen nach der Mannigfaltigkeit seiner natürlichen Eigenschaften und dem Unterschiede desjenigen, was an ihm moralisch ist, auf der ganzen Erde; eine sehr wichtige und eben so reizende Betrachtung, ohne welche man schwerlich allgemeine Urteile vom Menschen fällen kann (...)".
[5] MdS, Einleitung in die Metaphysik der Sitten, in: AA VI, S. 211 = AB 1; in der Kritik der praktischen Vernunft: Vorrede, AA V, 9, Anm.* = A 15- 17 (dort Anm.**) [Abgek. KpV].
[6] Dazu auch Verf.: „Einheit des Grundes. Grund der Differenz von Moralität und Legalität", in: Jahrbuch für Recht und Ethik 14 (2006), 311 ff.
Kant in mühsamen Schritten in der Besitzlehre des Privatrechts der Metaphysik der Sitten durchgeführt.
Kant war überzeugt davon, daß er in seiner praktischen Philosophie und ihren Formen der Selbstbestimmung ein universalgültiges Konzept bewußten menschlichen Handelns entwickelt hatte. Aber - stimmt das?
Im Jahr 2008 erschien in einer deutschen Tageszeitung ein Bericht über einen Kongreß in Peking, auf dem darüber verhandelt wurde, was der Begriff „Aufklärung" in China und im westlichen Denken bedeute.[1] [2] Überschrieben war der Bericht mit einem Satz, der offenbar die Ansicht der chinesischen Tagungsteilnehmer wiedergab: „Kommt uns bloß nicht mit Kant!" Dem Text des Artikels zufolge war damit die Abwehr eines universalgültigen Begriffs von „Vernunft" formuliert worden; dieser Begriff sei gleichsam nur als regional, nämlich westlich beschränkt zu verstehen.
Nun gibt es gewiß unterschiedliche Weisen, sich auf Vernunft zu berufen, und eine dieser Weisen (der westliche Individualismus, wie er faktisch anderen Kulturen begegnet) ist nicht nur eine Werbung für sie. Aber deshalb muß nicht der Anspruch aufgegeben werden, daß in einem zu explizierenden Sinn von „Vernunft" Elemente liegen, die ihn in der Tat zu einem Menschheitsbegriff machen.
Im Verfolg dieser Aufgabe ist unmittelbar auf die Substanz einer Freiheitsphilosophie (und damit notwendig auch auf deren Ausarbeitung durch Kant und Fichte) zu sprechen zu kommen und zu zeigen, daß das Rechtsprinzip ein elementarer Bestandteil des bewußten Lebens ist, eben weil es ermöglicht, Einheit mit anderen und Distanz zu ihnen zugleich zu denken. Für das Folgende ist es daher auch nicht von Bedeutung, daß Fichtes Naturrecht 1796 und damit ein Jahr vor Kants Rechtslehre erschien. Vielmehr ist zu zeigen, daß in Kants und Fichtes Rechtslehre ein Gedanke zur Entfaltung kommt, den Fichte im Begriff der Anerkennung angemessen in Sprache gebracht hat.
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[1] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.4. 2008, 40.
[2] Vgl. Hans-Ludwig Ollig: „Die Frage nach dem Proprium des Neukantianismus", in: R. Alexy (Hrsg.): Neukantianismus und Rechtsphilosophie, Baden- Baden 2002, 69 ff. (73 f.), der das philosophische Konzept des (Marburger und Südwestdeutschen) Neukantianismus in Anlehnung an Hans-Dieter Häußer: Transzendentale Reflexion und Erkenntnisgegenstand, Bonn 1989, in drei Punkten zusammenfaßt:
„1. Aufgabe der Philosophie ist es, die Geltung sämtlicher kultureller Objektivationen auf Konstitutionsleistungen der transzendentalen Subjektivität zurückzuführen.
2. Da die Geltungsprinzipien eine gänzlich andere Struktur haben als das durch sie Prin- zipierte, muß auch das Subjekt, in dem die Geltungsprinzipien verankert sind, sich von allen Gegenständen abheben. Alle anthropologischen, empirischen und psychologischen Bestimmungen sind also von ihm fernzuhalten.
3. Aufgrund der Vermitteltheit aller Sachverhalte durch die transzendentale Subjektivität kann die Erkenntnis nie zu einem außerhalb der Vermittlungsweisen der Subjektivität liegenden Sein gelangen. Jeder ontologische Objektivismus ist daher abzuweisen."
Kants philosophische Leistung wird erheblich unterbestimmt, wenn man sie auf die ja nun schon in der Tat für sich gewaltige Revolution der Denkart in der Kritik der reinen Vernunft beschränkt, wie das bekanntlich im Neukantianismus geschehen ist. Dort wurde Praxis als Gegenstand (Objekt) von Erkenntnis theoretisch reduziert11: Das Subjekt, das als praktisches Subjekt Ich und Welt verbindet, wurde theoretisch (als Subjekt einer transzendentalen Erkenntniskritik) scheinbar stark gemacht, dabei in seiner in der Praxis wahren Stärke (dem Vermögen der Selbstbegründung wirklichen Handelns) aber aus dem Weltzusammenhang entfernt. Bis in das Denken der Gegenwart hinein verhindert diese Verkürzung der praktischen Vernunft ein angemessenes Verständnis handelnder Subjekte und in der Folge (für das hier zu behandelnde Thema) ein angemessenes Verständnis des Rechts. Fichte hat einen solchen Fehler von Anfang an vermieden und er konnte sich dabei auf Kant selbst stützen. In der Kritik der praktischen Vernunft behandelt Kant den „Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der spekulati- ven".[1] Die reine spekulative Vernunft stößt an Grenzen des Erkennbaren, aber die praktische Vernunft hat weitergehend „für sich ursprüngliche Prinzipien a priori"[2], die festen Grund für das Handeln abgeben. Obwohl also stets „nur eine und dieselbe Vernunft" urteilt[3], besitzt doch die praktische Vernunft den Primat, ohne der spekulativen dabei etwas zu benehmen. Vollzieht man diesen fundamentalen Schritt zur Eigengesetzlichkeit der praktischen Vernunft nicht mit, bleibt man unweigerlich beim Freiheitsdenken der Kritik der reinen Vernunft stehen. Dabei war es Kant schon dort in der dritten Antinomie der reinen Vernunft gelungen, jedenfalls die Denkmöglichkeit der Freiheit als ebenso wahr auszuweisen wie die kausale Fest- gelegtheit allen Handelns.[4] Beläßt man es bei dieser Alternative und überträgt diesen Stand auf die Konzeption der Beschaffenheit menschlichen Handelns überhaupt, begeht man einen Fehler, der in unserer Gegenwart besonders gut zu beobachten ist: Man schwankt dann permanent zwischen der scheinbar zulässigen verdinglichenden Betrachtung des Menschen einerseits und einer scheinbar genauso zulässigen weltentrückten Vergötterung der Freiheit, die (erneut scheinbar) mit der Not und dem Glück des Menschen nichts zu tun hat.
Kants Denken trifft das aber nicht. Schon in der Auflösung der dritten Antinomie deutet sich an, daß phänomenale und noumenale Betrachtung in der Einheit des Subjekts zu verbinden sind,[5] eines Subjekts, das sich nicht über seine Reflexion in zwei Hälften zerreißen kann. Zwar greift Kant auch in Texten nach 1781 bzw. 1787, also nach der ersten und zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, immer wieder
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[1] KpV, in: AAV, 119 ff. = A215ff.
[2] KpV, in: AAV, 120 = A 216.
[3] KpV, in: AAV, 121 = A 218.
[4] Kritik der reinen Vernunft, AA 3, 308-313, 322ff. = B 472-479, 490ff./ A 444-451, 462 ff. - Eine eindringliche, insbesondere textnahe Analyse mit Blick auf die praktische Vernunft findet sich bei Norbert Hinske: „Kants Auffassung der Freiheitsantinomie oder Der unantastbare Kern des Gewissens", in: Trierer Theologische Zeitschrift 109 (2000) 169 ff.
[5] S. dazu auch Hinske: „Kants Auffassung...", a.a.O., Fn. 15, 176.
auf die Denkbahnen dieses Werks zurück. Aber er war sich zugleich bewußt, daß die im Leben wirkende praktische Vernunft zusätzliche Denkschritte fordert, die die ganz eigene Gesetzlichkeit bewußten menschlichen Handelns aufschließen, bei dem sich, zum Beispiel, die dynamische Kategorie der Kausalität in eine Kausalität durch Freiheit wandelt.[1] Gleich zu Beginn der Vorrede der Kritik der praktischen Vernunft begründet Kant, weshalb diese Schrift nicht „Kritik der reinen praktischen Vernunft" betitelt ist: Sie solle nur dartun, daß es reine praktische Vernunft gebe, welches Vermögen dann aber nicht noch kritisch zu befragen sei: „Denn wenn sie, als reine Vernunft, wirklich praktisch ist, so beweist sie ihre und ihrer Begriffe Realität durch die Tat, und alles Vernünfteln wider die Möglichkeit es zu sein, ist vergeblich."[2]
Für das hier zu behandelnde Thema kann man bei diesem Schritt aber noch nicht stehenbleiben. Denn in der Rechtslehre der Metaphysik der Sitten erweitert Kant die praktische Vernunft durch den von ihm selbst verwendeten Begriff der rechtlichpraktischen Vernunft.[3] Nun ist zwar - um Bekanntes zu wiederholen - Kants Rechtslehre ein Jahr nach dem Naturrecht Fichtes erschienen und Kant geht auch nicht auf Fichtes Werk ein. Hier soll aber die These vertreten werden, daß man beide Rechtslehren ineinanderfügen kann, eben weil sie aus dem gleich begründeten, gleich begründenden Prinzip der Freiheit entspringen. Und wie zu zeigen sein wird, gewinnen dadurch beide voneinander.
Die besondere Leistung der rechtlich-praktischen Vernunft bei Kant ist ihre Verbindung von Wechselseitigkeit und Welthaltigkeit im Begriff des Handelns. Inneres und äußeres Mein und Dein sind die bestimmenden Elemente des Rechts, die Freiheit der Menschen ist in ihrer Wirklichkeit nur wechselseitig-freilassend denkbar. Nach Kant folgt das Rechtsprinzip analytisch aus dem Begriff der Freiheit des Menschen, das Prinzip also, daß die Freiheit der Willkür des einen mit der Freiheit der Willkür des anderen verbunden ist. Der Begriff der Willkür fügt sich dabei in die Bestimmung der Welthaltigkeit des Handelns ein. Kant versteht Willkür als ein „Vermögen, nach Belieben zu tun oder zu lassen", das „mit dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objekts verbunden ist", und „freie Willkür" heißt, wenn es „durch reine Vernunft bestimmt werden kann".[4] Zwecke mag der Mensch sich dabei setzen, welche er wolle; die Maxime der daraus folgenden Handlungen ist a priori bestimmt: Sie muß mit der Freiheit des anderen vereinbar sein.[5] Dies ist die Wechselseitigkeit der rechtlichpraktischen Vernunft.
Die Welthaltigkeit des Rechts zeigt sich daran, daß es Zweckverwirklichungen
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[1] S. dazu auch Hinske: „Kants Auffassung.", a.a.O., Fn. 14, 180ff.
[2] KpV, in: AAV, 7 = A3.
[3] Vgl. z.B. MdS § 7 (AA VI, 254 = AB 71).
[4] MdS, in: AA VI, 213 = AB 5.
[5] MdS Tugendlehre, in: AA VI, 382 = A 7 und dazu die Einleitung in die Rechtslehre, § D und § E (AA 6, S. 231 - 233 = AB 35 - 39).
über Handlungen in der äußeren Welt zu seinem Gegenstand hat. Phänomenale und noumenale Betrachtung lassen sich hier nicht mehr auseinanderhalten. Fast wie verwundert schreibt Kant in seinen Ausführungen zum Besitz einer äußeren Sache, daß hier anders als in der theoretischen Philosophie der Gegenstand, den ich besitze, „als Sache an sich selbst betrachtet wird"[1]. Und mehrfach benutzt er in der Metaphysik der Sitten das Argument von der Geschlossenheit der Erdoberfläche wegen ihrer Kugelgestalt.[2] Dieses Argument übrigens - bei Fichte ist darauf zurückzukommen - ist von Kant nicht etwa so eingesetzt, daß daraus die Notwendigkeit von Konflikten zwischen Menschen folgt. Vielmehr wird es als Grund dafür gebracht, daß diese Tatsache den Menschen zur Einsicht bringen muß, daß er über die Einheit der äußeren Welt auch zu einer Einheit im Zusammenleben mit anderen finden muß. Das Rechtsprinzip entspringt rechtlich-praktischer Vernunft. Es ist ein mit praktischer Vernunft zugleich gesetztes, also positives Prinzip, es ist nicht bloß (sekundär) die Antwort auf die Unvernunft oder die Bösartigkeit des Menschen.
Die Nachzeichnung von Kants Rechtslehre soll an dieser Stelle noch nicht weitergeführt werden. Festgehalten sei, daß nach Kant der Rechtsbegriff ein Vernunftbegriff ist und universale Geltung in Anspruch nimmt, die Kant dann auch in der Rechtslehre in sehr differenzierter Weise ausführt. Nur am Rande sei aber auch bemerkt, daß Fichtes Aussage in seiner Rechtslehre von 1812, bei Kants Rechtslehre handele es sich um „alte Hefte ohne Klarheit"[3] nicht richtig ist.
Worin besteht aber nun Fichtes zusätzliche Einsicht in den Grund des Rechts? Kant hatte aus der inneren Gesetzlichkeit bewußten menschlichen Handelns entwickelt, daß der eine und der andere im inneren und äußeren Mein und Dein selbständig und verbunden zugleich sind. Fichte hat den Grund des Zusammenhangs aber noch um eine Schicht tiefer bestimmt. Er hat - um es zusammenfassend zu sagen - die Notwendigkeit der Interpersonalbeziehung für die bewußte Existenz des Menschen selbst dargetan. Die Festigkeit, die dieser Begründungsschritt dem
Rechtsprinzip verleiht, bildet, wie zu zeigen ist, das Fundament, auf dem es zu einem universalen Rechtsprinzip werden kann, ja werden muß.
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[1] MdS, in: AA VI, 249 = AB 62.
[2] S. z.B. MdS, in: AA VI, 262; 311; 352 = AB 84; A 162/ B 192; A 229/B 259.
[3] Fichte: System der Rechtslehre (1812), in: GA II, 13, 199.
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