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§ 22 Organisiertes Verbrechen

Schrifttum: Beck, Bekämpfung der Organisierten Kriminalität speziell auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität unter besonderer Berücksichtigung der VMann- Problematik. Frankfurt/M. 1990; Block (ed.), The Business of Crime. A Documentary Study of Organized Crime in the American Economy. Boulder 1991; Bundeskriminalamt (Hrsg.), Organisierte Kriminalität in einem Europa durchlässiger Grenzen. Wiesbaden 1991; dass. (Hrsg.), Lagebild Organisierte Kriminalität Bundesrepublik Deutschland 1993-1995 (Kurzfassung). Wiesbaden 1994-1996; Fijnaut, Organized Crime: The Forms it Takes, Backgrounds Methods Used to Control it in Western Europe and the United States. In: Crime and Criminal Policy in Europe. Proceedings of the IInd European Colloquium, ed. by Kaiser u.a. Freiburg 1990, 53-97; Mayerhofer/Jehle (Hısg.), Organisierte Kriminalität. Heidelberg 1996; President’s Commission on Organized Crime. The Impact: Organized Crime Today. Report to the President and the Attorney General. Washington/D.C. 1986; Rebscher/Vahlenkamp, Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1988; Sieber/Bögel, Die Logistik der organisierten Kriminalität: Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsansatz und Pilotstudie zur internationalen KFZ-Verschiebung, zur Ausbeutung von Prostitution, zum Menschenhandel und zum illegalen Glücksspiel. Wiesbaden 1993; Weschke, Organisierte Kriminalität als Netzstrukturkriminalität. Berlin 1990.and

  1. Begriff und Abgrenzung
    Das organisierte Verbrechen beschäftigt in wachsendem Maße Strafverfolgung, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Der Versuch jedoch, das Phänomen des organisierten Verbrechens begrifflich, geschweige empirisch, zu erfassen, stößt wegen Vielfalt und Besonderheit der Erscheinungsformen auf Schwierigkeiten. Wegen mangelnden Zuganges der Wissenschaft und fehlender Dokumentation wird die organisierte Kriminalität nicht selten zwischen „Mythos und Wirklichkeit‘ eingeordnet. Genauer betrachtet handelt es sich um ein pragmatisches Konzept, das von der polizeilichen Verbrechensbekämpfung her definiert wird. Folgende Merkmale gelten als Indikatoren organisierten Verbrechens:

Oh verdammt! „das Phänomen des organisierten Verbrechens“ kann dieses schonlang nicht mehr sein Das Buch ist von 1997 Ein „Phänomen“ ist das es noch immer gibt ® Auf Dauer angelegter Zusammenschluß von mindestens drei Personen als gewinnorientierte solidarische Interessengemeinschaft, ® Organisationsstruktur, gekennzeichnet durch einerseits straffen Führungsstil, Disziplin der Mitglieder, aber auch Sorge für deren Sicherheit, oder andererseits Straftäterverflechtungen mit lockerem Führungsstil, ® planmäßiges und arbeitsteiliges Vorgehen unter Abschottung nach außen, ° Verknüpfung von legalen mit illegalen Geschäften, die an die jeweiligen Bedürfnisse der Bevölkerung angepaßt sind, kriminelle Nutzung von persönlichen und geschäftlichen Verbindungen („connections“), ° flexible Verbrechenstechnologie und Vielfalt in der Wahl der Verbrechensmethoden von Ausbeutung, Drohung, Erpressung, Gewalt, Zwangsschutz, Terror bis zur aktiven Bestechung, wobei Gewalt gegen Personen zurücktritt zugunsten von Druckausübung jeglicher Art, ° bewußte Ausnutzung der Infrastruktur wie Funkverkehr, Telefon und länderübergreifende Transportmöglichkeiten sowie ° Internationalität und Mobilität.

Kriminelle Organisationen suchen Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz und Wirtschaft zu unterwandern. Dabei beschränkt sich die versuchte Einflußnahme nicht auf Bereiche Nordamerikas, Japans, Italiens oder Rußlands, sondern wird auch bereits in Deutschland beobachtet.

Das organisierte Verbrechen unterscheidet sich von traditionellen Formen der Gruppenkriminalität wie der Bande dadurch, daß mehr als drei der erwähnten Merkmale vorliegen, insbesondere daß nicht mehr der Täter, sondern der Kunde die Tat bestimmt sowie die persönlichen Beziehungen erheblich zurücktreten. Die Bande weist demgegenüber keine derart verfestigte Organisationsstruktur und Qualität der Verbrechensplanung auf. Sie besteht in der Regel noch aus einem überschaubaren personenbezogenen Kreis (siehe auch unten § 31, 2 m.N.).

2. Erscheinungsformen in den USA
Inbegriff des organisierten Verbrechens war lange Zeit in den USA die Mafia. Diese entwickelte sich aufgrund der spezifischen Sozialstruktur und Geschichte Siziliens zu einem hierarchisch aufgebauten „Staat im Staat‘, indem an der Spitze einer jeden „Familie“ ein „Padrone“ steht, der die Familie leitet, für Ordnung sorgt und die kriminelle Aktivität bestimmt, während von den einzelnen Mitgliedern Disziplin und absoluter Gehorsam sowie Verschwiegenheit verlangt werden. Das „organized crime“ in den USA bildet sich aus der durch die italo-amerikanischen Einwanderer importierten sizilianischen Mafia und aus einem bunten Gemisch von Randexistenzen verschiedener Nationalitäten, die im Untergrund der Großstädte eine Beschäftigung am Rande oder außerhalb der Legalität suchten. Es war immer gekennzeichnet durch den Handel mit illegalen Gütern und Dienstleistungen, nach denen dennoch eine starke Nachfrage bestand.

In der Gegenwart ist das organisierte Verbrechen in den USA aber nicht mehr mit der ursprünglichen Mafia, der konspirativen Kriminalität von ethnischen Minderheiten, identisch, sondern verfügt über eine große Reichweite von Aktivitäten, die fest verbunden sind mit dem System der freien Marktwirtschaft. Es entspricht in Organisation und Planung modernen Wirtschaftsunternehmen und bedient sich der Methoden moderner Volkswirtschaft. Die einzelnen Einnahmequellen sind heute in den USA je nach Region unterschiedlich. So sind z.B. im Westen die häufigsten Formen der organisierten Kriminalität Versicherungs- und Landbetrug, Mißbrauch von Rentenfonds, Hehlereiorganisationen, Wucher, illegale Spiele, Buchmacherei, Drogenimport und -handel, Pornographie und Prostitution sowie vor allem in kleineren Städten Korruption. Im Südosten der USA werden dagegen Hotels und Rennbahnen für illegales Glücksspiel, Fracht- und Fluggesellschaften für Drogen-, Waffen-, Juwelen-, Zigaretten- und Alkoholschmuggel benutzt WPresident’s Commission 1986, 33 ff., Block 1991). Außerdem ist das organisierte Verbrechen in den USA maßgeblich an der illegalen Giftmüll-Beseitigung beteiligt.

3. Erscheinungsformen in Europa
Das „organized“ oder „syndicated crime“ kann nicht von den spezifisch sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in den USA gelöst und uneingeschränkt auf europäische Verhältnisse übertragen werden. „Mafia- artig“ ausgebaute Organisationen finden sich aber auf dem europäischen Kontinent vorwiegend noch immer in Italien. Das organisierte Verbrechen entwickelte sich in den einzelnen europäischen Staaten unterschiedlich. Die skandinavischen Länder, ferner die Schweiz und Belgien haben mit der Kontrolle geringere Sorgen als die Niederlande, Großbritannien, Deutschland oder die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Jedoch besteht gegenwärtig ein verstärkter Trend zur Internationalität. Dabei spielen sowohl die Öffnung und der Abbau von Grenzen als auch die wachsende Dimension der Vergabe europäischer Subventionen mit entsprechenden Mißbrauchsmöglichkeiten eine bedeutsame Rolle.

Oh verdammt! Zum Glück machen die anderen die Verbrechensarbeit na wie man eben sagt der eine Hält die Hand auf der andere erledigt die Arbeit
Als Schwerpunkte des organisierten Verbrechens kommen vor allem die folgenden Kriminalitätsfelder in Betracht:

  • Handel und Schmuggel von Rauschgift und Zigaretten (sog. Zigarettenmafia),
  • Waffenhandel und -schmuggel sowie Nuklearkriminalität,
  • Diebstahl von und Handel mit gestohlenen Kunstgegenständen, Zuhälterei, Prostitution, Menschenhandel sowie illegales Glücks- und Falschspiel,
  • Schutzgelderpressung,
  • unerlaubte Arbeitsvermittlung und Beschäftigung,
  • illegale Einschleusung von Ausländern,
  • illegale Entsorgung von Sonderabfall (Müllmafia) und illegaler Technologietransfer,
  • Kapitalanlagebetrug,
  • Subventionsbetrug und Abgabenhinterziehung,
  • Herstellung und Verbreitung von Falschgeld sowie Fälschung und Mißbrauch unbarer Zahlungsmittel,
  • Diebstahl und Verschiebung hochwertiger Kraftfahrzeuge, LKW-, Container und Schiffsladungen sowie
  • professioneller Wohnungseinbruch.

Die modernen Formen des organisierten Verbrechens reichen daher von der sogenannten Schutzgelderpressung gegenüber Lokalinhabern sowie unter Ausländern bis in den Bereich der Wirtschaftskriminalität und der Korruption. Dazu zählt das Ausnutzen von Steuerunterschieden bzw. Zolldifferenzen, z.B. durch organisierten Schmuggel von Gold und Geld, der Handel mit Wertpapieren, systematischer Versicherungsbetrug oder organisierter Konkurs und Stoßbetrug. Zu den neuesten Entwicklungen gehört das Anzapfen von Datenbanken und die Computerkriminalität. Soweit Bedienstete im Datenverarbeitungsbereich nicht selbst beteiligt sind, führt der Weg zum Erfolg über Bestechung oder besondere elektronische Verfahren, durch welche man den Datenzugang ermöglicht, ohne Personen einbeziehen zu müssen. Bei der Verschiebung von Kraftfahrzeugen in den Vorderen Orient oder nach Osteuropa werden hochwertige Fahrzeuge auf Bestellung in Deutschland gestohlen und mit anderen Daten versehen ins Ausland verbracht. Auch der illegale Waffenhandel setzt eine perfekte Planung und eine Vielzahl williger Helfer in allen Funktionsebenen voraus. Besondere Hinweise ergeben sich für die Bekämpfung des internationalen Waffenhandels deshalb, weil im Ausland häufig die politische Polizei oder militärische Dienststellen den illegalen Waffenhandel als Geheimsache verfolgen und daher nur bedingt Auskünfte erteilen.

Die Ausbreitung der genannten Formen des organisierten Verbrechens in der Bundesrepublik und im übrigen Europa werden durch das Recht der Freizügigkeit und der damit zusammenhängenden Mobilität begünstigt, ferner durch die Durchlässigkeit der Grenzen, die erleichterten Reise- und Transportbedingungen, die verbesserten Möglichkeiten der Kommunikation auf internationaler Ebene sowie durch die engen wirtschaftlichen Verflechtungen der Staaten untereinander. Deshalb ist verständlich, wenn die Bekämpfung große Schwierigkeiten bereitet (siehe Rebscher u.a. 1988, 2 ff., 152 ff.; Bundeskriminalamt 1991, Mayerhofer/ Jehle 1996; Vorschläge zur Bekämpfung für die USA President’s Commission 1986, 129 ff.).

Nicht weniger problematisch erscheint der Stand theoretischer Analyse. Obwohl die weitverbreiteten und vielfältigen Aktivitäten im Rahmen organisierter Kriminalität nicht länger eine allgemeine Interpretation als Einrichtungen der Selbsthilfe erlauben, die vom späten Feudalsystem überkommen sind und in weitem Maße sowohl für die Mafia als auch für die japanischen Yakuza zutreffen, bleibt die theoretische Durchdringung des organisierten Verbrechens hinter dem Stand der Wahrnehmung erheblich zurück. Immerhin herrscht hier die Profitorientierung im „Geist des Kapitalismus“ genauso vor wie im Fall des legalen Handelsverkehrs. Daher bieten sich Interpretationen im Lichte der Entscheidungstheorie, der Unternehmenstheorie oder allgemeiner im Lichte der Kriminalökonomie an. Entsprechend schwierig und komplex gestalten sich die Anstrengungen in den Bereichen polizeilicher und justizförmiger Verbrechenskontrolle. Dies gilt namentlich für verdeckte Ermittler, Rasterfahndung, Telefonüberwachung, den Schutz von Zeugen und Sachverständigen, die Gewinnabschöpfung und die Geldwäsche. Dies sind sämtlich wichtige und wahrscheinlich auch unverzichtbare Maßnahmen, und dennoch bergen sie Gefahren für den Rechtsstaat und die Menschenrechte. Die schleppende und kontroverse Diskussion über gesetzliche Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität in der Gegenwart verdeutlicht dies. Ist die optimale Problemlösung auch nicht in Sicht, so doch die Notwendigkeit wissenschaftlicher Beobachtung, Dokumentation, Analyse und empirischer Forschung.

Oh verdammt! nich lügen das macht das auch nicht besser wenn man es verharmlost an was das wohl liegen möchte

4. Entwicklung und Lage in Deutschland
Obwohl kriminelle Organisationen in Deutschland schon seit Jahrzehnten bekannt sind (z.B. die sogenannten Ringvereine Berlins), hat das organisierte Verbrechen erst in den letzten Jahren besondere Schubkraft erhalten. Daher wurden nicht nur die Polizei, sondern auch der Gesetzgeber mobilisiert. Internationale Organisationen wie die italienische Mafia haben den durch die Wiedervereinigung bedingten hohen Bedarf an Investitionskapital z.B. für die Privatisierung von Treuhandunternehmen schnell erkannt und Investitionen in den neuen Bundesländern als schier unerschöpfliche Möglichkeit der Geldwäsche für sich entdeckt. Neben den vorhandenen Stützpunkten ausländischer krimineller Organisationen aus Europa, Asien und den USA, hat sich auch eine speziell „deutsche“ Form des organisierten Verbrechens im Bundesgebiet etabliert. Deren kriminelle Aktivitäten und Ziele unterscheiden sich nicht von denen ausländischer Organisationen entsprechender Art. Einer Expertenbefragung der achtziger Jahre ist zuentnehmen, daß die Strukturen des organisierten Verbrechens in Deutschland im Gegensatz zu der italienischen Mafia oder der japanischen Yakuza weder starrhierarchisch noch mitgliedschaftlich angelegt sind. Vielmehr haben sich inzwischen flexible Straftäterverflechtungen mit lockeren, wechselnden Beziehungsstrukturen gebildet (z.B. sogenannte connections). Aber auch hier werden die Gruppierungen von zentral dominierenden Personen geleitet. Ein Stab von kriminellen Spezialisten kann gezielt und überregional eingesetzt werden. Die „Netzstruktur‘ wird vervollständigt durch korrupte Beamte, Politiker, Rechtsanwälte und Finanzberater. Sie dient zugleich der Abschottung nach außen sowie der Informationsbeschaffung. Die Logistik und Vorgehensweisen sind speziell auf die Betätigungsfelder abgestimmt. Sie unterscheiden sich von der legaler Wirtschaftsunternehmen jedoch nicht nur in der Zielsetzung, sondern auch im Hinblick auf Besonderheiten des „illegalen Handels“. Gerade die Verhinderung von Tataufdeckung und -nachweis, also die Geheimhaltung, ist für das Funktionieren der kriminellen Organisation unabdingbar. Die logistische Umsetzung dieses Zieles ist am ehesten mit einer Militärlogistik vergleichbar. Der Einsatz modernster Technik, internationaler Kontakte und konspirativer Methoden erlaubt es, auf neue Ermittlungs- und Bekämpfungsmethoden der Polizei rasch und flexibel zu reagieren (vgl. Schwind 1996, 511 ff.).

Die Bedeutung und das Ausmaß der organisierten Kriminalität in Deutschland sind wegen der Unschärfe und Pragmatik des Begriffs sowie des bisher kaum überzeugend erforschten Dunkelfeldes schwerlich abzuschätzen. Zur Bekämpfung derartiger Straftaten hat das Bundeskriminalamt inzwischen etwa 1000 Mitarbeiter eingesetzt. Als Anhaltspunkte derartiger Aktivitäten können die Berichte des Bundeskriminalamts über das Lagebild der organisierten Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland aus den Jahren 1993 bis 1995 dienen. Allein 1994 wurden 789 Ermittlungsverfahren mit 9256 Tatverdächtigen und einer Gesamtschadenshöhe von rd. 3,5 Milliarden DM ausgewertet. Dabei spielten in fast 18% aller Ermittlungsverfahren Korruptionshandlungen gegen Justiz, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Medien eine Rolle. Nach dem Lagebild organisierter Kriminalität waren 1995 insgesamt 787 einschlägige Ermittlungsverfahren anhängig mit rd. 52 000 Einzeidelikten und 7922 Tatverdächtigen 87 verschiedener Nationalitäten. Der Anteil deutscher Tatverdächtiger betrug nur etwa 36%. Die größte Gruppe der nichtdeutschen Tatverdächtigen stellten die türkischen Staatsangehörigen mit einem Tatverdächtigenanteil von rd. 15%. Ein stetiger Anstieg ist insbesondere bei Tatverdächtigen aus Osteuropa zu verzeichnen. Lediglich in 13,5% aller Verfahren wurde gegen rein deutsche Tätergruppen ermittelt. Demzufolge waren auch über zwei Drittel der Verfahren durch eine internationale Tatbegehung gekennzeichnet. In etwa 80% aller Verfahren wurden von den Ermittlern geschäftsähnliche Strukturen und in fast der Hälfte der Verfahren die Anwendung von Gewalt oder anderer Mittel zur Einschüchterung festgestellt. Außerdem ist eine Zunahme von Geldwäscheaktivitäten zu verzeichnen (1995: 42 Verfahren mit 320 Delikten). Der durch Aktivitäten krimineller Organisationen verursachte Schaden betrug 1995 annähernd 700 Millionen DM. Der seit 1991 ermittelte Gesamtschaden wird auf knapp 10,5 Milliarden DM geschätzt.

5, Strafrechtliche Kontrolle organisierten Verbrechens
Die Entwicklung und Ausbreitung des organisierten Verbrechens in Deutschland wie im übrigen Europa werden durch das Recht auf Freizügigkeit und die damit eröffnete Mobilität begünstigt, ferner durch die Durchlässigkeit der Grenzen, die erleichterten Reise- und Transportbedingungen, die verbesserten Möglichkeiten der Kommunikation auf internationaler Ebene sowie durch die engen Verflechtungen der staatlichen Wirtschaftssysteme untereinander. Dem steht die allgemein an die nationalen Grenzen gebundene polizeiliche Strafverfolgung gegenüber. Deshalb ist verständlich, wenn die Bekämpfung große Schwierigkeiten bereitet.

Neuere Analysen haben die ausgefeilte Logistik krimineller Organisationen verdeutlicht. Als Reaktion auf derartige Erkenntnisse wurden 1992 mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG)“ besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt. Der Einsatz von Rasterfahndung, technischer Mittel zu Observationszwecken und verdeckter Ermittler soll die „Waffengleichheit‘ zwischen Polizei und organisiertem Verbrechen wiederherstellen.

Ob dieser Zweck allerdings schon allein deswegen verfassungskonform und damit legitim ist, weil er erfolgversprechend zu sein scheint, bleibt sowohl nach dem Inkrafttreten des OrgKG 1992 wie auch des VerbrechensbekämpfungsG aus dem Jahre 1994 umstritten. Auf Kritik stoßen vor allem neuere Bestrebungen, auch sogenannte „Vorfeld“-Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität zu ermöglichen. Die Verfechter einer verstärkten polizeilichen Ermittlungstätigkeit im Vorfeld konkreter Straftaten befürchten besonders den Vertrauensverlust des Staates, falls sich die organisierte Kriminalität als eine feste Institution etablieren könnte. Sie sehen die erfolgreiche Bekämpfung vor allem in der Penetrierung und Zerschlagung verbrecherischer Organisationen und fordern deshalb auch, den Geheimdiensten die dafür nötigen Eingriffsbefugnisse zu bewilligen. Nach Meinung einiger Fachleute ist allerdings diese Zuständigkeit für die Sonderermittler des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes bereits gegeben, weil die organisierte Kriminalität in ihrer Bedrohungsqualität dem Terrorismus schon gleichstehe. Ihre Erkenntnisse könnten durch ein Datenaustauschsystem auch den Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden. Allerdings erheben sich dagegen Bedenken, weil es mit dem repressiven Charakter der Strafprozeßordnung schwerlich vereinbar ist, der Polizei unmittelbar oder indirekt Zugriff auf Erkenntnisse im Vorfeld von Straftaten zu gewähren und damit eine präventive Verbrechensbekämpfung zu ermöglichen.

So wichtig derartige Bekämpfungsmaßnahmen auch sein mögen, sie können nur ein erster Schritt zu einem Gesamtkonzept zur Bekämpfung der fraglichen Erscheinungsformen von Kriminalität sein, da der Erfolg solcher Ermittlungsmethoden bestenfalls in der Verurteilung einzelner Mitglieder, jedoch kaum in der totalen Zerschlagung krimineller Organisationen liegen dürfte. Nicht nur Strafverfolger fordern daher strukturelle Bekämpfungsmaßnahmen im präventiven Bereich, die an den „Grundsäulen “ der kriminellen Vereinigungen ansetzen. Da diese Organisationen nicht anders als legale Wirtschaftsunternehmen die Gewinnmaximierung anstreben und illegale Gewinne in großem Umfang inden legalen Wirtschaftskreislauf zurückschleusen müssen, lag es nahe, im OrgKG – in Umsetzung einer EG-Richtlinie — einen neuen Straftatbestand der Geldwäsche zu schaffen und die Vermögensstrafe einzuführen, um der organisierten Kriminalität die finanziellen Grundlagen zu entziehen. Ergänzend hierzu wurde 1993 mit dem Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (GwG) eine Anzeige-, Identifizierungs- und Meldepflicht für Bankgeschäfte bei einer bestimmten Höhe vorgeschrieben. Mit Hilfe der Banken und Kreditinstitute soll der Verbleib illegaler Gewinne nachvollziehbar gemacht werden. Dieses legislatorische Vorgehen entspricht einem Weg, den die USA schon im Laufe der achtziger Jahre beschritten hatten. Aber selbst nach Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes 1994, das die Zugriffsmöglichkeit noch erweitert, lassen die derzeitigen gesetzlichen Regelungen eine wirksame Kontrolle des Geldflusses nur lückenhaft zu. Zwar weist die Polizeiliche Kriminalstatistik 1995 insgesamt 321 Fälle aus mit 399 Tatverdächtigen, davon 244 Nichtdeutschen. Jedoch kommt es nur selten zur Anklage, geschweige zur Verurteilung, insbesondere in gravierenden Fällen. Vor dem Hintergrund international agierender Verbrecherorganisationen ist vor allem die Beschränkung der Meldepflicht auf inländische Zweigstellen der Kreditinstitute unbefriedigend. Auch eine kriminalpolitisch wünschenswerte Möglichkeit der Verwertung so gewonnener Erkenntnisse in steuerlicher und steuerstrafrechtlicher Hinsicht, wie es sie seit Jahren in den Vereinigten Staaten gibt, ist bisher im GwG nicht vorgesehen.

Um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden im europäischen Bereich voranzubringen, ist im Maastrichter Vertrag die Schaffung einer europäischen Polizeibehörde „ EuroPol “ mit dem Sitz in Den Haag beabsichtigt, die mit Fachleuten aus den Kriminalämtern aller Mitgliedsstaaten besetzt werden soll. Anfang 1994 hat die Übergangsform dieser Kooperationsstelle ihre Arbeit aufgenommen und ist unter dem Namen EuroPoV/EDU zunächst für die Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels zuständig. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Informationssammlung und -auswertung, aber auch der Aus- “und Weiterbildung. Ihre Kenntnisse sollen die nationalen Polizeibehörden unterstützen und deren Arbeit international koordinieren. Vor allem im Bereich der Datensammlung und -auswertung sowie der Koordinationsfunktion gehen ihre Aufgaben über die bis dahin u.a. im Schengener Abkommen festgelegte grenzüberschreitende Zusammenarbeit der nationalen Ermittlungsbehörden hinaus. Doch erst nach Inkrafttreten und Implementierung der Europäischen Konvention über EuroPol wird man Unterstützung und Ermittlungshilfe erwarten dürfen.

Internationale Zusammenarbeit ist vor allem im Bereich der grenzpolizeilichen Aufgaben zur Behandlung der organisierten Schleuser- und Zuwanderungskriminalität geboten. Im Bereich der europäischen Union gibt es Bestrebungen, mobile internationale Einsatzeinheiten zu bilden und auch auf höherer Ebene durch den Austausch von Beamten Kooperationsstrukturen zu schaffen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Sanktionierung von privaten Beförderungsunternehmen, die Ausländer ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente befördern. Nicht nur im Exekutivbereich ist die internationale Zusammenarbeit nach Meinung von Praktikern verbesserungsbedürftig. Auch im Bereich der Rechtshilfe im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren fordern Praktiker eine europäische Koordinationsbehörde, um die Effektivität zu erhöhen (zum Ganzen Schwind 1996, 556 ff.).

Weitergehender Handlungsbedarf besteht, bei der Bekämpfung der Korruption, die Experten als wesentliches Element der organisierten Kriminalität betrachten. OrgKG und VerbrechensbekämpfungsG sehen weder spezielle Bekämpfungsmaßnahmen für Vorteilsannahme und Bestechlichkeit vor, noch lassen sie Korruptionsverdacht für die Einleitung „besonderer Ermittlungsmaßnahmen“ ausreichen. Anders ist dies z.B. in Italien, der Schweiz und den Vereinigten Staaten, wo der Bedeutung derartiger Straftaten für den Bereich deso rganisierten Verbrechens durch Eröffnung spezieller Bekämpfungsmethoden Rechnung getragen wurde. Schließlich müssen auch gesamtgesellschaftliche Ursachen der organisierten Kriminalität wie z.B. die Nachfrage nach illegalen Gütern, die nur durch kriminelle Organisationen beschafft werden können, strukturell bekämpft werden. So vielschichtig das Problem „organisierte Kriminalität“ ist, so umfassend müssen auch die Maßnahmen der gesellschaftlichen, polizeilichen und justitiellen Verbrechenskontrolle sein. Dabei sind der Konflikt zwischen Sicherheitsbestreben mit den Freiheits- und Grundrechten ebensowenig wie die Defizite der Effektivität zu verkennen. Jedoch lassen sich auch keinerlei überlegene Alternativen ausmachen. Freilich zeigt die schleppende und recht kontroverse Diskussion über gesetzliche und praktische Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität an, wie schwierig sich die Bekämpfung gestaltet. Man denke nur an die Hindernisse beim Aufspüren von oder dem Zugriff auf Verbrechensgewinn und bei der Überwachung ausländischer Organisationstäter. Zum Teil mag dies dazu führen, daß die bislang ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens zwar erforderlich und angemessen, aber wenig effektiv sind (z.B. bei der Geldwäsche). Im Hinblick auf die unumgänglichen Einschränkungen grundrechtlicher Positionen können aber die Maßnahmen jedenfalls nur dann hingenommen werden, wenn eine sorgfältige Kontrolle und Dokumentation der Eingriffe sowie die damit gebotene Transparenz, Rechenschaftslegung und Glaubwürdigkeit gewährleistet werden. Ist die optimale Problemlösung auch nicht in Sicht, so doch die Notwendigkeit wissenschaftlicher Beobachtung, Dokumentation, Analyse, theoretischer Durchdringung und empirischer Forschung.

§ 23 Kriminalität der Mächtigen
1. Begriff und Bedeutung

Schrifttum: Jünschke/Meertens, Risikofaktor innere Sicherheit. Argumente gegen den Law-and-Order-Staat. München 1994; Lampe, Systemunrecht und Unrechtssysteme. ZStW 106 (1994), 683-745; Maue, Macht macht Kriminalität. Eine strukturelle Analyse und ein Methodenkonzept zur Psychologie der Macht und des kriminellen Subjekts. Frankfurt/M. u.a. 1989; Pearce, Crimes of the Powerful. Marxism, Crime, and Deviance. London 1976; Scheerer, Kriminalität der Mächtigen, KKW 1993°, 246-249; Triffterer, Kriminologische Erscheinungsformen des Machtmißbrauchs und Möglichkeiten ihrer Bekämpfung. ZfRVergl 1991, 184-210; Weber, Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft (1922). In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg.v. Winckelmann. Tübingen 1968°, 475-488.

Kriminalität der Mächtigen (in Anlehnung an Pearce 1976) gilt als herrschaftskritischer Topos und entstammt offensichtlich der Konfliktkriminologie. Danach schafft das Bestreben, die Verfügungsbefugnis über die stets knappen Mittel zur Bedürfnisbefriedigung zu erlangen, Konflikte und die Kontrolle über die Mittel Macht. Diese Macht wiederum wird eingesetzt, um die Herrschaftsgrundlage zu sichern, zu erweitern, und’ zwar auf Kosten anderer, weniger mächtiger Gruppen. Zwar neigt und verführt die Macht, besonders die ungesicherte oder bedrohte, zum hemmungslosen Einsatz aller Machtmittel. Auf derartigen Beobachtungen mag die Auffassung beruhen, wonach „die Macht an sich böse“ sei (vgl. Triffterer 1991,.187) und den Menschen korrumpiere. Doch die kriminologische Deutung „Macht macht kriminell“ (Maue 1989) ist jüngeren Datums. Solcher Deutung folgend hat man etwa zu Protestaktionen und Kampagnen gegen das Verbrechensbekämpfungsgesetz aufgerufen, da man sich fragen müsse, ob nicht die Gefahren aus den Chefetagen der Banken und Konzerne, aus dem Bundestag, dem Bundesinnenministerium, dem Bundeskriminalamt und den geheimen Diensten kommen könnten (so Jünschke/Meertens 1994, 10, 302, 331, 351). Dementsprechend begreift man unter Kriminalität der Mächtigen die Summe der Straftaten, die zur Stärkung oder Verteidigung überlegener Macht begangen werden (in diesem Sinne Scheerer 1993, 246).

Macht bedeutet nach der klassischen Definition Max Webers jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen das Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht, bzw. den eigenen Willen einer Gemeinschaftshandlung auch gegen den Willen anderer daran Beteiligter durchzusetzen. Würde man von dieser Begriffsbestimmung ausgehen, so fiele bereits jede Durchsetzung des kriminellen Willens innerhalb einer Sozialbeziehung, und zwar auch ganz alltäglich zwischenmenschlicher Art unter den Begriff Kriminalität der Mächtigen. Damit bestünde die Gefahr der uferlosen Ausdehnung, weil dann fast jede interpersonelle Straftat als einschlägig und relevant erschiene. Die ethnozentrische Gewalt durch rechtsextremistische Skinheads würde ebenso wie die Gewalt in der Familie konzeptuell miteinbezogen. Denn durch die Verwirklichung einer Straftat zeigt sich bereits, daß der Täter seinen Willen auf Kosten des Opfers durchsetzen und damit Macht ausüben kann (so zutreffend der Einwand von Triffterer 1991, 198). Eine solche Ausweitung führte aber zu einer fast vollständigen Sinnentleerung des Begriffs, nähme ihm jede eigenständige Bedeutung und raubte ihm das kritische Potential. Zwar ist zuzugeben, daß die feministische Perspektive innerhalb der Konfliktkriminologie dem Machtgefälle zwischen den Geschlechtern den gleichen Rang einräumt wie den Machtunterschieden nach Schicht, Rasse und Lebensalter. Doch um Aussagekraft zu gewinnen, muß der Begriff „Kriminalität der Mächtigen“ notwendig enger gefaßt werden. Als „Mächtige“ sollten daher nur solche Personen betrachtet werden, die eine über die jedermann zugänglichen Einflußmöglichkeiten hinausgehende (Macht-) Position innehaben, indem sie etwa ein System pervertieren und ihrem Willen unterwerfen. Durch eine solche Eingrenzung auf herausgehobene Machtstellungen lassen sich die Formen des Machtmißbrauchs innerhalb alltäglicher zwischenmenschlicher Beziehungen unterscheiden und als hervorhebenswert aus diesem Zusammenhang nehmen. Unter Kriminalität der Mächtigen ist daher die Summe der Straftaten zu verstehen, welche von Personen mit besonderen Positionen und einer sich darauf gründenden herausragenden Machtstellung zur Stärkung oder Verteidigung dieser Macht begangen werden.

Aufgrund kollektiven Handelns oder gar politisch motivierten Organisationsverbrechens werden die Erscheinungen der Kriminalität der Mächtigen gelegentlich auch mit der sogenannten organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht (vgl. dazu oben § 22). Dafür spricht, daß man bei Unrechtssystemen mehrere Erscheinungstypen findet. So lassen sich kriminell ausgerichtete Systeme (z.B. organisiertes Verbrechen) von kriminell anfälligen Systemen (z.B. Wirtschaftsunternehmen) und kriminell pervertierten Systemen (z.B. staatliche Unrechtsinstitutionen) unterscheiden (in diesem Sinne die instruktive Typologie von Lampe, 1994, 695). Zwar ist ihr gemeinsames Kennzeichen das Systemunrecht, das als spezifische Unrechtsform neben das normale strafrechtliche Beziehungsunrecht tritt (Lampe 1994, 702). Trotz mancher Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen, die sich einfach aus dem korporativen Zusammenschluß oder der Verflechtung mehrerer Personen ergeben, handelt es sich jedoch um verschiedene Phänomene, da die Mächtigen im hier gemeinten Sinne gewöhnlich die Legalität in Anspruch nehmen und die Macht des Staates für sich mobilisieren, während organisiertes Verbrechen als Gegenmacht generell gegen den Staat gerichtet ist, ihn korrumpiert oder sogar in symbiotischen Beziehungen mit staatlichen Funktionsträgern lebt und allenfalls durch Korruption, Erpressung und Unterwanderung Formen der Scheinlegalität erlangt. Deshalb erweist sich auch der Hinweis, wonach formal zwischen dem Idealtyp einer kriminellen und einer legalen Organisation kein Unterschied bestehe, als wenig aussagekräftig. Wir kennen unterschiedliche Typen des Systemunrechts. Aber gerade Abschottung, Geheimhaltung und Agieren im Verborgenen kennzeichnen die organisierte Kriminalität. So gefährlich sie dadurch auch sein mag, sie bleibt trotz aller Schwierigkeiten der Bekämpfung prinzipiell in Reichweite der strafrechtlichen Sozialkontrolle; sie befindet sich nicht grundsätzlich außerhalb des geltenden Strafrechts, wie dies nicht selten für die Kriminalität der Mächtigen zutrifft und zu deren weitgehender Immunisierung führt. Nur dort, wo sich staatliche oder wirtschaftliche Machtträger auf Korruptionspraktiken einlassen, finden sich eine enge Verknüpfung und auch eine partielle Identität. Doch nicht jede Korruption öffentlicher Funktionsträger läßt zugleich auch Verbindungen mit dem sogenannten organisierten Verbrechen erkennen. Überdies wird eine Strafverfolgung gewöhnlich erst nach einem politischen Systemwechsel möglich (siehe das neuere Beispiel in Südkorea mit der Verurteilung zweier früherer Staatspräsidenten im Jahre 1996).

Daher inuß zwischen der öffentlichen Gewalt, dem Staat und der Machtstellung des Täters eine unmittelbare Verknüpfung bestehen. Um eine genaue Zuordnung zu ermöglichen, sind bestimmte Merkmale oder Indikatoren notwendig.

Charakteristisch ist zunächst, daß der Täter eine herausragende Machtposition ge- bzw. mißbraucht, indem er die ihm verfügbaren Mittel und Einrichtungen ausnutzt, und zwar unabhängig davon, ob diese sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Art sind. Typisch ist, daß der Täter bestehende hierarchische Strukturen, innerhalb deren er selbst eine gehobene Stellung innehat, in der Weise nutzt, daß er in der Hierarchie ihm unterstehende Personen für seine Zwecke einspannt und damit deren Abhängigkeit, sei sie persönlicher oder wirtschaftlicher Natur, zu seinen Gunsten ausnutzt. Darüber hinaus können nicht nur einzelne Personen, sondern auch ganze Institutionen für die Taten benutzt werden. Für das Verhalten erscheint typisch, daß häufig nicht nur die an der Tat selbst Interessierten die Tathandlung selbst ausführen, sondern auch solche, die den Unterschichten entstammen und damit dem typischen Bild des Kriminellen entsprechen. Insgesamt läßt sich die Begehungsweise innerhalb der Kriminalität der Mächtigen als ein spezifisch arbeitsteiliges Vorgehen unter Ausnutzen und Umgestaltung bestehender oder Schaffung neuer Organisationen oder Netzwerke kennzeichnen.

Als weiteres Merkmal für die Kriminalität der Mächtigen gilt der besonders hohe materielle und immaterielle Schaden. Für Machtmißbräuche durch Korruption und Folterung ist eine solche Charakterisierung offenkundig.

Ferner steht der besonderen Höhe der Schäden die Schwierigkeit von Entdeckung und Überführung der Täter mit rechtsstaatlichen Mitteln gegenüber. Weil die Taten überwiegend komplexere Strukturen als das „normale“ Verbrechen aufweisen, sind sie auch schwer zu durchschauen und zu fassen. Dem entsprechen die reichen Verdunkelungsmöglichkeiten der Handelnden, welche eine Aufdecküng der Straftaten auf erhebliche Hindernisse stoßen lassen. Daher wird auch das Dunkelfeld innerhalb der Kriminalität der Mächtigen als besonders groß vermutet. Damit korrespondiert die relativ seltene Sanktionierung aufgrund hoher Sanktionsimmunität. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Straf- und auch das Strafprozeßrecht überhaupt dafür gerüstet sind bzw. geeignet sein können, mit der Kriminalität der Mächtigen effektiv umzugehen. Außerdem erschweren internationale Verflechtungen der Täter die Strafverfolgung.

Die Kriminalität der Mächtigen läßt sich nach mehreren Äußerungsformen kennzeichnen. Dabei ragen Amtsmißbrauch, Korruption sowie Folter und Makrokriminalität heraus.