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Prolog: Ein kurzer Bericht über das Schlagen

Im Juni 1990 hatte sich der US-amerikanische Schriftsteller Bill Buford nach Sardinien aufgemacht. In Italien fand zu dieser Zeit die Fußball-WM statt und das Stadion von Cagliari war Austragungsort der Vorrundenbegegnung England gegen die Niederlande. Buford interessierte sich nicht so sehr für das Spiel. Ihm ging es vor allem darum, das Verhalten der wegen ihrer Gewaltbereitschaft berüchtigten britischen Fans zu beobachten. Tatsächlich war es einige Stunden vor dem Beginn der Partie zu blutigen Zusammenstößen zwischen mehreren tausend Engländern und der italienischen Polizei gekommen. Buford hatte sich dabei gleichermaßen fasziniert wie angewidert inmitten der gewalttätigen Menge bewegt und somit die Ausschreitungen hautnah miterlebt. Am späten Nachmittag war es den Einsatzkräften jedoch gelungen einen großen Teil der britischen Fans in die Enge zu treiben. Für Buford und zahlreiche andere gab es kein Entkommen mehr. Die anschließenden, von Polizeibeamten verübten Gewaltexzesse trafen auch den Schriftsteller. In einem Bericht versuchte Buford seine persönlichen Wahrnehmungen und Emotionen während des Geschehens zu beschreiben:

„Während sie mich verprügelten, dachte ich darüber nach, wie es war, verprügelt zu werden. [...] Hauptsächlich aber dachte ich über den Schmerz nach. Es war anders als alles, was ich bisher erlebt hatte, und ich wollt ihn mir merken. [.] Ich wunderte mich über die Intensität des Gefühls, das von den Gesichtern der Polizisten abzulesen war. Es wäre für mich unmöglich gewesen, mich mit ihnen zu verständigen, ihnen irgendetwas mitzuteilen, das stark genug gewesen wäre, um gegen die Kraft ihres Hasses zu bestehen. Ich war kein menschliches Wesen. Ich war irgendein Objekt, ein Ding. Seltsamerweise hielt ich mich selbst für eine Tatsache, für ein Faktum, dem sie wehtun wollten, und ließ ich mich wieder zu Boden fallen, rollte mich zusammen und schützte den Kopf mit den Händen, und der eine Polizist zielte auf
meine Niere, der andere auf meinen Kopf und der dritte auf meine Schultern. Ich hatte das Interesse verloren, dieses Erlebnis beschreiben zu wollen.“1

Ortswechsel: Im Juli 2003 mussten sich sechs Beamte der Kölner Polizei vor dem Landgericht wegen „Körperverletzung mit Todesfolge“ verantworten. Die Männer wurden beschuldigt, im Mai 2002 den 31-jährigen Stefan Naisius, der in seiner Wohnung randaliert hatte, bei dessen Festnahme und später auf der Wache mit Fausthieben und Fußtritten traktiert zu haben. Unmittelbar nach den Misshandlungen kollabierte Naisius, fiel ins Koma und verstarb zwei Wochen später.

Klaps“ und Schlagstock - Annäherungen an das Schlagen

So unterschiedlich die Beispiele im Einzelnen auch sein mögen: Beide Ereignisse werfen grundsätzliche Fragen nach den Formen, Grenzen und Entgrenzungen polizeilicher Gewaltausübung auf. Der Bericht von Bill Buford verdeutlicht darüber hinaus die Schwierigkeiten, erlittene oder beobachtete physische Gewalt zu beschreiben. Dem Schriftsteller verschlägt es angesichts der auf ihn einprügelnden Polizisten im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache.

Im Prozess gegen die Kölner Polizisten stellte die Anwältin eines der Angeklagten fest: „Polizeiliche Gewaltausübung ist nun mal nicht schön, sondern brutal. Das liegt in der Natur der Sache“.2 Die Aussage mag skandalös wirken, scheint ihr doch die Vorstellung einer notwendigerweise gewalttätig agierenden Polizei zu Grunde zu liegen. Dennoch drängt sich angesichts regelmäßiger Berichte3 über vermeintlich oder tatsächlich von Polizisten begangene Gewaltexzesse die Frage auf, ob die Feststellung der Anwältin nicht doch eine Facette des polizeilichen Alltags nüchtern und zutreffend beschreibt. Polizeidirektor Udo Behrendes, der nach dem Tod von Naisius die Leitung der Kölner Innenstadtinspektion übernahm, in deren Zuständigkeitsbereich sich der Vorfall ereignet hatte, vertrat die Auffassung,

„dass jeder Polizist, der ,auf der Straße‘ arbeitet, bei selbstkritischer Betrachtung einräumen muss, dass er schon einmal ,überzogen‘ hat, in welcher Situation und Intensität auch immer. [...] Auch ich habe in stressigen Einsätzen durch verbale Provokationen ,Öl ins Feuer‘ geschüttet und in Widerstandssituationen sicherlich auch den einen oder anderen ,Schlag zuviel‘ verabreicht“.4

Die Polizei in der Bundesrepublik ist in eine rechtsstaatliche Ordnung eingebunden. Die Bestimmungen der Polizeigesetze und des Strafgesetzbuches sollen das Handeln von Polizisten kalkulierbar machen. Der Einsatz polizeilicher Gewalt darf nicht willkürlich erfolgen und ist an den Grundsatz der „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ geknüpft.1 Aus juristischer Perspektive scheinen Ausmaß und Formen der Gewaltanwendung durch die Polizei eindeutig reglementiert zu sein. Dennoch starb Stefan Naisius an den Folgen eines Polizeieinsatzes. Grund genug, sich eingehender mit historischen wie aktuellen Erscheinungsformen und Wahrnehmungen einer ganz bestimmten - nicht ausschließlich polizeilichen - Gewaltpraxis zu beschäftigen: der des Schlagens.

Die Ohrfeige, der Faustschlag oder der Hieb mit dem Stock: Die Art und Weise des Zuschlagens ist ebenso variabel wie dessen Intensität, die vom einfachen „Klaps“ bis hin zum exzesshaften Erschlagen reichen kann. Das Schlagen stellt die unmittelbarste und alltäglichste Form physischer Gewalt dar. Diese Feststellung gilt auch für Polizisten. Zum einen geraten Polizeibeamte oftmals in Situationen, in denen ihnen die Anwendung physischer Gewalt unumgänglich erscheint. Zum anderen sind es aber auch Polizeibeamte, die regelmäßig zu Zielfiguren gewalttätiger Übergriffe werden. Im Zeitraum zwischen 1980 und 2000 wurden in der Bundesrepublik jährlich bis zu acht Beamte im Dienst getötet.2 Dieses Spannungsverhältnis zwischen Schlagen und Geschlagen-Werden, zwischen Aktionsmacht und potentieller Verletzungsoffenheit des eigenen Körpers3 prägt wesentlich die Wahrnehmungen und Verhaltensweisen von Polizisten.

Ein auf den ersten Blick simples, aber für die Ausübung unmittelbarer Gewalt sehr funktionales Einsatzmittel ist der Schlagstock, der zudem die Autorität des staatlichen Gewaltmonopols am markantesten symbolisiert. So mangelt es nicht an Darstellungen von Polizei und polizeilichem Handeln, in denen der Schlagstock allgegenwärtig ist. Die jeweils eingenommenen Perspektiven könnten unterschiedlicher jedoch nicht sein. Während der damalige Bundesinnenminister Otto Schily im Februar 2001 beim Besuch einer Bundesgrenzschutzeinheit im brandenburgischen Forst vor Pressefotografen mit Helm und erhobenem Gummiknüppel posierte, um auf diese Weise die Prinzipien der „wehrhaften Demokratie“ zu verdeutlichen, ist es das ständig wiederkehrende Motiv des prügelnden Polizisten, das auf Plakaten politischer Protestbewegungen den „Bullenstaat“ illustrieren soll.4 Die Hannoveraner Band „Hans-A-Plast“ brachte diese Interpretation in einem Songtext aus dem Jahr 1980 musikalisch auf den Punkt: „Ich bin Ordnung, Staatsgewalt / was sich mir in den Weg stellt, mach ich kalt / unter mir wird alles weich / ich mach Deutschland zum Reich / zack zack hau rein / rechts

links rechts mir kommts / ich bin ein Polizeiknüppel.“

Nicht zuletzt taucht der „Schlagstock“ immer wieder in den Erzählungen von Polizeibeamten auf, in denen diese ihre Einsätze sowie die damit verknüpften Zumutungen und Erfahrungen beschreiben, verarbeiten oder stilisieren.

Empirische Befunde indes sind rar. Im Gegensatz zum polizeilichen Schusswaffengebrauch gibt es in der Bundesrepublik über die Häufigkeit und die Auswirkungen polizeilicher Schlagstockeinsätze keinerlei Erhebungen. Bemerkenswert ist ebenso, dass auch in den Texten polizeikritischer Protestbewegungen, der Schlagstock und das polizeiliche Schlagen bislang nur selten ausführlicheren Analysen unterzogen wurden. Hier waren eher andere, vermeintlich spektakulärere „Technologien politischer Unterdrückung“1 2 von Interesse, wie etwa Hochdruckwasserwerfer, chemische Reizstoffe (CS-Gas) oder die besonders während der 1980er Jahre wiederholt diskutierten Erwägungen, die Polizei in der Bundesrepublik mit Gummigeschossen auszustatten.

Der Beitrag nimmt drei Aspekte in den Blick: Erstens versucht er in groben Zügen die Geschichte des Polizeischlagstocks und seiner Verwendung zu skizzieren, wobei sich die Darstellung auf die Entwicklungen in der „alten“ Bundesrepublik konzentriert. Zweitens möchte ich der Frage nachgehen, welche Bedeutung dem Schlagstock als Stilmittel kriegerisch-männlich geprägter polizeilicher Subkulturen zukommt. Drittens geht es um die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Emotionen, die mit dem Schlagen und Geschlagen-Werden verbunden sein können.

Streifzüge durch die Geschichte des Schlagstocks

Der Schlagstock setzte sich als charakteristische Polizeiwaffe und Symbol des staatlichen Gewaltmonopols endgültig erst nach 1945 durch. Die obrigkeitsstaatliche Polizei des Kaiserreichs hatte beim Einschreiten gegen Demonstranten vor allem die unter Protestteilnehmern gefürchteten „Blankwaffen“ wie etwa den Säbel zum Einsatz gebracht.11 Für die Niederschlagung größerer Unruhen stand das Militär als entscheidende innenpolitische Ordnungsmacht bereit. Allerdings galt schon damals vor allem in einer linksliberalen bzw. sozialdemokratischen Öffentlichkeit die Anwendung quasi militärischer Gewalt im Protestgeschehen als „barbarischer Skandal“, der die politische Rückständigkeit des Kaiserreichs handfest dokumentierte.3

mokratisch geführte preußische Innenministerium Anstrengungen, die Polizei zu „zivilisieren“. Die Reformbestrebungen verdichteten sich in der Frage, welche Waffen die Polizei im Alltag sowie bei Demonstrationseinsätzen tragen sollte. Bis zum Beginn der 1930er Jahre gehörten „Blankwaffen“ weiterhin zu den polizeilichen Ausrüstungsgegenständen, denen allerdings vorwiegend repräsentative Bedeutung zukam. Säbel und Degen fungierten einerseits als symbolische Manifestationen militärischer Hierarchien, die innerhalb der Polizei weiterhin wirkungsmächtig waren. Andererseits brachten zahlreiche Beamte indem sie die Waffen demonstrativ in der Öffentlichkeit mitführten, ihre weiterhin existierenden Ansprüche auf besondere gesellschaftliche Anerkennung zum Ausdruck.

In Preußen wurden seit 1924 die Polizeidienststellen für den Einsatz „auf der Straße“ mit Gummiknüppeln ausgestattet.1 Das Preußische Innenministerium erhoffte sich von dieser Maßnahme die Auswirkungen polizeilicher Gewaltanwendung zu minimieren. Die Beurteilung des Schlagstocks durch Polizei selbst fiel jedoch ambivalent aus. Während das „Waffentechnische Unterrichtsbuch für den Polizeibeamten“ vermerkte: „Besonders beim Einsatz geschlossener Verbände findet der Polizeischläger in der vordersten Linie vorteilhaft Verwendung“,2 schätzten zahlreiche „Praktiker“ dessen Einsatzwert als eher gering ein. Die ultima ratio für die Bewältigung von Unruhen stellte weiterhin die Schusswaffe dar. Dementsprechend vertraten einzelne Polizeiführer in aller Offenheit die Auffassung im Falle gewalttätiger Auseinandersetzungen eher früher als später den Schießbefehl zu erteilen und „mit dem Einsatz von Schusswaffen nicht allzu zurückhaltend“ zu sein.3 Das Selbstverständnis und die Leitbilder der Institution Polizei während der Weimarer Republik erwiesen sich demnach als wenig kohärent. Einerseits gab es zweifellos Tendenzen zu einer Entmilitarisierung. Andererseits blieben vor dem Hintergrund der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen am Beginn der 1920er und in den frühen 1930er Jahren militärische Handlungsoptionen in den Einsatztaktiken sowie im Selbstverständnis zahlreicher Polizeiführer unübersehbar.

An diese strukturellen und mentalen Dispositionen konnten die Nationalsozialisten nahtlos anknüpfen, als sie unmittelbar nach der Machtübernahme im Januar 1933 daran gingen, die bestehenden Polizeikonzepte zu beseitigen. Schon bald setzte sowohl im Bezug auf die Ausbildungsinhalte als auch in organisatorischer Hinsicht ein gezielter Militarisierungsprozess der deutschen Polizei ein. Nationalsozialistische Polizeitheoretiker beabsichtigten die Trennungslinien zwischen Polizei und Armee vollständig aufzulösen. Zum neuen polizeilichen Leitbild avancierte, zumal seit Beginn des Zweiten Weltkrieges der Typ des „Po-

lizei-Soldaten“.1 Das „Jahrbuch der deutschen Polizei“ resümierte bereits im Jahr 1936 unter der Überschrift „Soldatentum in der neuen Polizei“ mit großer Befriedigung:

„Im nationalsozialistischen Staat braucht der Polizeibeamte, um seine Autorität zu beweisen, keinen Gummiknüppel. Dafür aber gab man ihm die moralischen Grundlagen einer solchen Autorität, seine Soldatenehre wieder. Disziplin und Manneszucht, alles was das vergangene System als zu militärisch beseitigt hatte, sollten das ,Knüppelregiment‘ ersetzen. Der Polizeioffizier erhielt den Degen wieder, der Wachtmeister das Seitengewehr, geschlossene Einheiten durften als äußeres Zeichen der Wandlung wieder Fahnen mit sich führen, die Polizei [...] durfte die Orden und Ehrenzeichen, an der Front des Weltkrieges erworben wieder zur Dienstuniform tragen. An die Stelle parlamentarischer Gebräuche traten militärische Vorschriften, die das Dienstverhältnis zwischen Offizier und Beamten klar und eindeutig regelten.“2

Der Gummiknüppel galt als Symbol der demokratischen „Systemzeit“. Das Reichsinnenministerium untersagte bereits im Juli 1933 das Tragen von Schlagstöcken im Straßendienst. Im Jahr 1935 wies das Reichsinnenministerium schließlich sämtliche Polizeidienststellen an, die noch vorhandenen Gummiknüppel an die polizeiliche Materialverwaltung in Berlin-Treptow einzusenden. Ebenso wurden die Gemeindepolizeibehörden aufgefordert, die Gummiknüppel einzuziehen und der Altgummiverwertung zu zuführen. Die Maßnahmen verdeutlichten die Abkehr vom polizeilichen Verhältnismäßigkeitsprinzip in der Zeit des Nationalsozialismus In den „Grundsätzen für die Polizei“ hieß es: „Tiefe symbolische Bedeutung hatte es daher, als der Polizeibeamte den Polizeiknüppel ablegen durfte: Nicht Schlagen ist Art des deutschen Mannes, sondern wenn es sein muss, Kämpfen. [.] Wer sich gegen Führer, Volk und Vaterland stellt, den trifft die Waffe, dann aber auch bis zur Vernichtung.“3 Ein weiterer Aspekt mag die Tatsache gewesen sein, dass nach der schnellen Konsolidierung des NS-Regimes schlechterdings keine größeren Demonstrationen oder sonstige Protestaktionen mehr stattfanden, die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich gemacht hätten.

Es bedarf keiner näheren Erläuterungen, dass die Abschaffung des Schlagstocks keineswegs das Ende physischer Gewaltausübung bedeutete. Ob in den Konzentrationslagern oder bei der Gestapo: Allenthalben wurde Ge- und Erschlagen. Sei es durch den Einsatz der Fäuste, sei es unter Verwendung von Hilfsmitteln wie der Stahlrute, die zu den polizeilichen Ausrüstungsgegenstän- den gehörte. Besonders für die Zeit des Nationalsozialismus hat Alf Lüdtke auf die

Bedeutung von Schlägen als „Teil eines alltäglichen Prozesses der Ausgrenzung“ hingewiesen:

„Für die Angehörigen des Staatsapparates, zumal die Polizisten scheint diese Gewalt nicht Vorstufe, sondern kalkulierter Teil der physischen Ausgrenzung und dann der Ermordung gewesen zu sein - eine Bedeutung die bystanders wohl hinnahmen, sofern sie ihnen dämmerte. Für die Geschlagenen waren die Hiebe und Schläge hingegen Tortur, zugleich alltäglich und außeralltäglich. In jedem Fall bedeutete sie eine ebenso konstante wie peinigende Todesdrohung.“1

Das Ende des NS-Regimes hatte in mehrfacher Hinsicht Konsequenzen für die deutsche Polizei. Deren Selbstverständnis und Praktiken standen den britischamerikanischen Vorstellungen einer entmilitarisierten „Bürgerpolizei“ diametral entgegen. Die vorläufige Etablierung angelsächsischer und amerikanischer Polizeikonzepte durch die alliierten Militärverwaltungen in den westlichen Besatzungszonen bedeutete daher einen grundlegenden Bruch mit dem traditionellen deutschen Polizeisystem. Für Unmut in Polizeikreisen sorgte die von den Alliierten zunächst betriebene Entwaffnung der Beamten. Die Ausstattung mit Schusswaffen wurde untersagt oder streng reglementiert. Stattdessen führten die Besatzungsmächte den im Nationalsozialismus abgeschafften Schlagstock wieder ein. Die in der britischen Zone ausgegebenen Holzknüppel stießen jedoch bei deutschen Polizisten oftmals auf Ablehnung. So beschwerte sich etwa die Oldenburger Polizei im Jahr 1950: „Beim Gebrauch des Holzknüppels bricht dieser in 9 von 10 Fällen ab, so dass der Beamte dann schutzlos ist, wenn er nicht mit einer Schusswaffe ausgerüstet ist.“2

Seit Beginn der 1950er Jahre knüpfte die Polizei in der Bundesrepublik wieder an die Ausbildungs- und Ausrüstungsstandards der Weimarer Zeit an. Im Zentrum polizeilicher Bedrohungsanalysen bis zur Mitte der 1960er Jahre stand der durch bewaffnete Umsturzversuche hervorgerufene staatliche Ausnahmezustand. Die seit 1951 in allen Bundesländern aufgestellten Bereitschaftspolizeien wiesen paramilitärische Züge auf. Die Einheiten wurden in der Bandenbekämpfung geschult und verfügten über Karabiner, Maschinengewehre und Granatwer- fer.3 Im Demonstrationsgeschehen der frühen Bundesrepublik kam es jedoch nur vereinzelt zu Gewalteskalationen, die sich mit den Vorfällen während der 1920er und 1930er Jahre vergleichen lassen. Der polizeiliche Schusswaffengebrauch bei Protestereignissen stellte eine große Ausnahme dar.

Obgleich die Polizei im Falle von Auseinandersetzungen fast ausschließlich

den Gummiknüppel gebrauchte, verschwand der Karabiner nicht vollständig aus dem Protestgeschehen der 1950er Jahre. Im Verlauf gewalttätiger Ausschreitungen während des „Münchner Ladenschlusskrieges“ in den Jahren 1953/1954 traten etwa Polizeieinheiten in Erscheinung, die mit Wehrmachtsstahlhelmen und Karabinern ausgestattet waren.1 Letztere galten für die Umsetzung polizeilicher Maßnahmen vor allem aufgrund ihrer psychologischen Wirkung als besonders effizient. Ein von der Bayerischen Bereitschaftspolizei vorgelegter Erfahrungsbericht über einen Demonstrationseinsatz im Juni 1953 konstatierte befriedigt: „Die Mitnahme des Karabiners hat sich als zweckmäßig erwiesen, da dadurch eine gewisse moralische Wirkung ausgelöst wurde. Außerdem hat er sich beim Räumen gut bewährt. Überall, wo mit Karabiner geräumt wurde, ging die Räumung flott und zügig vonstatten, da mit dem Karabiner gedrückt und erforderlicherweise gestoßen werden konnte.“2 Allerdings wurde mit den Karabinern nicht nur „gedrückt“ oder „gestoßen“, sondern bisweilen auch kraftvoll zugeschlagen. Die Karabiner enthielten ein doppeltes Drohpotential: einerseits die realen physischen Gefahren, die von den Schlägen mit dem Gewehrkolben ausgingen, andererseits enthielt ihr Gebrauch immer auch die Option, den polizeilichen Gewalteinsatz zu verschärfen.

Die „Schwabinger Krawalle“ im Juni 19623 sowie die „Beatkrawalle“ der Jahre 1965/664 verdeutlichten jedoch, dass die auf die Bewältigung von Bürgerkriegsszenarien fixierten polizeilichen Einsatztaktiken und Ausrüstungsstandards der Wirklichkeit in der Bundesrepublik nicht entsprachen. Mehrere gleichzeitig verlaufende Entwicklungen führten so zu einer Umrüstung der Polizei. Hier spielten die Erfahrungen mit den Demonstrationen und Aktionsformen der 68er-Bewegung eine Rolle, bei denen es zwar zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war, die jedoch kaum als Umsturzversuche „bewaffneter Banden“ bezeichnet werden konnten.

Auf administrativer Ebene leiteten die Notstandsgesetze im Jahr 1968 eine strukturelle Entmilitarisierung der Polizei ein. Die Gesetze, die seither in Krisenfällen den Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren ermöglichen, führten zu einem Funktionswandel der Bereitschaftspolizeien und des Bundesgrenzschutzes (BGS), die ihre Bedeutung als potentielle „Bürgerkriegsarmeen“ verloren. Die militärischen Waffen verschwanden allmählich aus den Arsenalen der Polizei.5 Gleichzeitig setzten Diskussionen über die Ausstattung der Polizei mit nicht-tödlichen Zwangsmitteln ein. Die für die späten 1960er beziehungsweise frühen

1970er Jahre charakteristische Reformeuphorie sowie die Vorstellungen von technischer „Machbarkeit“1 zeigten sich auch im Bereich der Polizeibewaffnung. Während etwa das Bayerische Landeskriminalamt der Frage nachging, ob eine in Finnland entwickelte „Krawallabwehranlage auf Basis von Schaumerzeugung“2 für den Einsatz geeignet sei, erwog man im Polizeipräsidium München, unfriedliche Versammlungen durch gleißendes Licht und unerträgliche Schalleffekte zu zerstreuen.3

Aber auch den Schlagstock bezogen Polizeitechniker in ihre Überlegungen mit ein. Zum Beispiel testete die Bereitschaftspolizei in Nordrhein-Westfalen Modelle, die es ermöglichen sollten, Elektroschocks auszuteilen.4 Allerdings kamen weder die Licht- und Schallkanonen der Münchner Polizei noch die „Krawallabwehranlage“ jemals über Versuchsstadien hinaus. Ähnliches galt für die technisch nachgerüsteten Schlagstöcke.

Dennoch änderte die Polizei ihr Erscheinungsbild erheblich. Wehrmachtsstahlhelme und der Tschako verschwanden zugunsten neuartiger Kunststoffhelme mit Plexiglas-Visieren. Zusätzlich erhielten vor allem die Angehörigen der Bereitschaftspolizeien Schilder, die Schutz vor Wurfgeschossen bieten sollten. Der „klassische“ Gummiknüppel wurde um härtere und längere, meist aus Holz oder Hartplastik gefertigte Schlagstöcke ergänzt.

Die Entmilitarisierung der Polizeiverbände seit dem Ende der 1960er Jahre war auch Ausdruck eines neuen hegemonialen Leitbildes, das die Polizei als einen integralen Bestandteil des expandierenden Sozialstaates definierte.5 Polizeiliches Einschreiten sollte präventiv und weniger repressiv erfolgen, die Anwendung physischer Gewalt bei Demonstrationseinsätzen minimiert werden. Die Reformeuphorie innerhalb der Polizei verlor jedoch angesichts der Anschläge der RAF und des Geiseldramas während der Olympischen Spiele im September 1972 in München an Elan. Nun wurde wieder die Frage nach Bedeutung und Notwendigkeit des „.Militärischen' im polizeilichen Handeln“ intensiver diskutiert.6

Zudem kam es gerade bei Protesten der 1970er Jahre zu heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrationsteilnehmern, die die Bereitschaft zu kommunikativen Formen der Konfliktbewältigung nicht gerade förderten. Schauplätze für Konfrontationen gab es viele: der „Frankfurter Häuserkampf“7 in den Jahren 1971-1974, die Auseinandersetzungen um das besetzte Haus in der Ham
burger Ekhofstraße im Jahr 1973 sowie die Proteste gegen die Kernkraftwerke in Brokdorf, Grohnde oder Kalkar.1 Eine zunehmende Zahl von Aktivisten nahm dabei gewalttätige Konfrontationen mit der Polizei in Kauf. Bisweilen zeigten sich „auf beiden Seiten der Barrikaden“ bemerkenswerte Übereinstimmungen hinsichtlich der Ausrüstungsgegenstände. Helme und Schlagstöcke waren nicht nur bei den Polizeieinheiten, sondern auch in den Reihen der Demonstranten zu finden. Zudem schienen sich die Aktionsmuster anzugleichen. Während das Auftreten von K-Gruppen in den 1970er Jahren oder der „Schwarze Block“ der Autonomen seit Beginn der 1980er Jahre gewisse Ähnlichkeiten zum Erscheinungsbild geschlossener Polizeiverbände erkennen ließen, übernahm die Polizei partiell die ursprünglich für Demonstranten typische Organisationsform dezentraler Kleingruppen.

Obschon nur etwa fünf Prozent aller Demonstrationen „unfriedlich“ verliefen,2 nahm die Angst, bei Protesten Opfer polizeilicher Gewalt zu werden, zu. Diese Ängste speisten sich aus Eindrücken, die eng mit eigenen oder erzählten Gewalterfahrungen, zumindest aber mit den Inszenierungspraktiken staatlicher Gewaltpotentiale verknüpft waren. Allein der Anblick sowie die sinnliche Wahrnehmung der polizeilichen Einsatzmittel konnten Bedrohungsgefühle auslösen. Das Auftreten martialischer Polizeieinheiten, der Einsatz monströser Hochdruckwasserwerfer oder der Lärm landender Hubschrauber des BGS entlang der Zäune von Grohnde oder Brokdorf riefen bei Beobachtern oftmals Kriegsassoziationen hervor.3

Den seit 1968 vorgenommenen Reformen folgten weitere Umbrüche in den 1980er Jahren. Während dieser Zeit flammten erneut Diskussionen über polizeiliche Leitbilder und Einsatzphilosophien auf. Große Bedeutung kam hier dem „Brokdorf-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 1985 zu. Das Gericht betonte den Grundrechtscharakter der Versammlungsfreiheit. Die Beteiligung von „Störern“ an einer Versammlung könne nur bedingt polizeiliches Einschreiten gegen alle Demonstrierenden rechtfertigen. Aufgabe der Polizei sei es, „Störer“ zu isolieren und gegebenenfalls festzunehmen.4 Die vom Bundesverfassungsgericht erhobene Forderung nach gezieltem Eingreifen stellte neue Ansprüche im Hinblick auf Taktik und Ausrüstung der Beamten. Bis dahin hat- ten die relativ statischen Einsatztaktiken zwar oftmals zu hohen Festnahmezahlen geführt, die daraus resultierenden rechtskräftigen Verurteilungen fielen aber vergleichsweise gering aus. Zudem wurden mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Vorgehensweisen der Polizeikräfte als rücksichtslos kritisiert. Seit Ende der 1980er Jahre riefen daher nahezu alle Bundesländer sowie der BGS „Beweissi-

cherungs- und Festnahmeeinheiten“ (BFE) ins Leben1. Diese besonders geschulten Einheiten sollten sich künftig an den im Brokdorf-Urteil genannten „Geboten“ orientieren und ein schnelles Einschreiten gegen „Störer“ ermöglichen.

Die Ambivalenz der neuen Einsatzkonzepte, das Bemühen um „Deeskalation“ einerseits, die Androhung massiver Härte gegen „Störer“ andererseits, spiegelte sich in einem neuartigen Schlagstockmodell, dem Tonfa, wider, mit dem seit Mitte der 1980er Jahre zunächst die polizeilichen Spezialeinheiten ausgestattet wurden. Um die mit den Begriffen „Schlagstock“ und „Knüppel“ verknüpften Assoziationen zu vermeiden, erhielt der ursprünglich aus dem Fernen Osten stammende Ausrüstungsgegenstand die Bezeichnung „Mehrzweckeinsatzstock“ (MES). Der ca. 61 cm lange Stock aus Hartplastik verfügt auf einem Viertel der Länge über einen 14 cm langen Griff. Im Gegensatz zu konventionellen Schlagstöcken, mit denen der Polizist im Grunde „nur“ schlagen konnte, erlaubt der MES flexible Anwendungen. So kann der Stock wie eine Schiene am Unterarm mitgeführt werden. Diese Trageweise ist unauffällig und erscheint kaum bedrohlich. Zudem können mit Hilfe des durch den MES verstärkten Unterarms Schläge oder Wurfgeschosse abgewehrt werden.

Polizeitechniker betonten bei öffentlichen Präsentationen des Schlagstocks vor allem dessen defensive Eigenschaften. In einem Trainingshandbuch heißt es entsprechend: „Seine Handhabung basiert weitestgehend auf Techniken, die aus dem Bereich Selbstverteidigung/Ju-Jutsu stammen.“2 An gleicher Stelle heißt es jedoch auch: „Der MES ist, eine fundierte Ausbildung vorausgesetzt, eine sehr wirksame Waffe.“

Tatsächlich bedeutete die Einführung des MES eine Verschärfung des Gewaltpotentials. Der Stock erlaubt über den seitlich angebrachten Griff Drehschläge, die mit ungemein größerer Wucht ausgeführt werden können als Schläge mit einem normalen Knüppel. Ein Vertreter der Polizeigewerkschaft GdP konstatierte demnach: „Wenn der Stock bei Dreh- und Schleuderbewegungen einen Kopf trifft, dann knackt er jeden Schädel.“3 In der Bundesrepublik waren derartige schwere oder gar tödliche Verletzungen bislang nicht zu verzeichnen. Die Option, den potentiell tödlichen Schlag zu führen oder zumindest anzudrohen, bleibt aber trotzdem bestehen.

Polizeischlagstock und „Cop Culture“

Eine Geschichte des Schlagstocks kann jedoch nicht auf die Beschreibung seiner jeweiligen Verwendung im Rahmen sich wandelnder polizeilicher Einsatztaktiken beschränkt bleiben. Neben seiner „praktischen“ Funktion sind dem Ausrüstungsgegenstand offenkundig auch kulturelle oder subkulturelle Bedeu

tungsebenen eingeschrieben. Vor allem Rafael Behr hat in seinen Arbeiten über den „Alltag des Gewaltmonopols“ auf die Existenz polizeispezifischer Subkulturen aufmerksam gemacht. Diese oftmals von den Leitbildern einer „von oben“ postulierten offiziösen Polizeikultur abweichende „Cop Culture“ entsteht und reproduziert sich im alltäglichen Dienst der Polizeibeamten. In ihr kommen die durch Einsatzerfahrungen geprägten Wahrnehmungsmuster und Ressentiments zum Ausdruck, die Selbstverständnis, Habitus und Handeln der Polizisten mitbestimmen. Innerhalb polizeilicher Subkulturen sind kämpferisch aufgeladene Männlichkeitsvorstellungen weit verbreitet.1 Subkulturen bedürfen jedoch ihrer Stilmittel. Der Schlagstock könnte ein solches sein.

Diese Annahme scheint mir vor allem im Hinblick auf die Angehörigen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten zuzutreffen. Im Zentrum der Erwartungshaltungen, die viele BFE-Beamte vor oder während ihrer Einsätze entwickeln, steht der Wille, sich in der Konfrontation zu bewähren. Die „hohe Motivation“, die diesen Polizisten regelmäßig bescheinigt wird, ist demnach nicht nur auf die Durchsetzung bestimmter polizeilicher Ziele hin ausgerichtet, vielmehr resultiert sie auch aus persönlichen oder gruppenspezifischen Befindlichkeiten. Gewalttätige Konfrontationen mit Demonstranten oder Hooligans bieten die Gelegenheit, die kriegerisch-männlichen Selbstentwürfe auszuleben und sich der Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers zu vergewissern.2 Die Selbstbilder der Beamten sind aber nicht nur vom Vertrauen auf die eigene Aktionsmacht geprägt, sondern auch von dem Bewusstsein, dass sich ihr Körper gleichzeitig als verletzlich erweisen kann. Im Verlauf gewalttätiger Konfrontationen liegen diese Wahrnehmungen eng beieinander. Diese emotionale Gemengelage, das Wechselspiel der Gefühle im Moment der unmittelbaren physischen Auseinandersetzung findet sich etwa in der Schilderung eines Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK), der von seinen Erlebnissen während eines Einsatzes am Rande einer Demonstration gegen das AKW Brokdorf im Juni 1986 erzählt:

„Wir befanden uns direkt in der Flanke der Chaoten. Die waren aber nur kurz überrascht - und dann ging's los. Die ersten Murmeln klatschten gegen Schutzschilde und -helme, es gab die ersten Verletzten. Als wir dann unmittelbar auf die Chaoten trafen, war ein geschlossenes Vorgehen nicht mehr möglich. Der Kampf Mann gegen Mann löste die Polizeikette ab. Weitere Verletzte - einige offenbar schwer. An Festnahmen war nicht zu denken: wir mussten echt ums Überleben kämpfen. Einmal dachte ich, jetzt ist's aus - aber irgendwie haben wir die Störer immer wieder zurückdrängen können. Als dann endlich Einsatzkräfte eintrafen, die uns unterstützten, dachte ich, wir hätten hier stundenlang gekämpft.“3

Die Praktiken, mit denen sich die Beamten zu polizeilichen „Kämpfern“ stilisieren oder zu solchen stilisiert werden, greifen auf mythische Bilder vom vormodernen Krieger ebenso zurück, wie auf futuristisch geprägte Vorstellungen vom Cyborg. Während sich etwa Angehörige des Unterstützungskommandos, einer für Einsätze gegen gewalttätige Fußballfans oder Demonstranten ausgebildeten Einheit der bayerischen Polizei, am Tag der Offenen Tür des Polizeipräsidiums München im Juli 2003 in mittelalterlichen Rüstungen und mit Schwertern bewaffnet präsentierten,1 veröffentlichte die Thüringer Allgemeine anlässlich der Fußball-WM 2006 ein Poster, auf dem ein behelmter, gepanzerter, vermummter und mit Tonfa ausgestatteter Beamter unter der Überschrift: „Gladiatoren gegen Hooligans“ abgebildet war. Ein erläuternder Text ergänzte: „Erinnerungen an Star Wars“.2 Der Helm, der Einsatzanzug, die Schutzweste, oftmals auch die Motorradmaske, die dem Beamten ähnlich wie dem autonomen Straßenkämpfer einen „Nimbus der Militanz“3 verleiht - all diese Utensilien weisen demnach über ihre funktionalen Bestimmungen hinaus. Sie stellen Requisiten dar, die den kampfbereiten Körper inszenieren.4 Diese Praktiken sind jedoch ambivalent. Mit dem Anlegen der schweren Schutzausrüstung schlüpfen die Beamten einerseits zwar in die Rolle des „gepanzerten Kriegers“, zugleich erinnert aber genau jener „Panzer“ die Polizisten ständig an die Verletzbarkeit ihrer Körper.

Zentrale Bedeutung kommt der Waffe zu. Sie ist Werkzeug der eigenen Aktionsmacht, wie auch ein Gegenstand, mit dem der „Kämpfer“ seinen Körper in konfrontativen Situationen schützen kann. Der offen zur Schau gestellte Schlagstock trägt entscheidend zur martialischen Selbstdarstellung bei. Er wirkt bedrohlich auf das Publikum. Gleichzeitig reproduziert und festigt diese Art des Auftretens das kämpferische Selbstbild der Polizeibeamten.

Angehörige der für ihr hartes Vorgehen berüchtigten, während der 1980er Jahre existierenden Berliner „Einsatzbereitschaft für besondere Lagen und Einsatzbezogenes Training“ (EbLT) trieben die martialischen Inszenierungen auf die Spitze. Während ihrer Einsätze anlässlich der Proteste gegen die geplante atomare Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf im Herbst 1987 bewaffneten sich einige der Beamten mit zwei Schlagstöcken, von denen die Polizisten einen, sichtbar für das Publikum, am Schienbein befestigten.5

Zudem entwickelte sich innerhalb der EbLT ein regelrechter Gewaltkult. Einige Mitglieder der Einheit dekorierten ihre Diensträume mit Gegenständen, die sie Demonstrationsteilnehmern abgenommen hatten. Beamte einer anderen, der EbLT ähnlichen Einsatzbereitschaft der Berliner Polizei entwarfen, ebenfalls nach

einem Einsatz in Wackersdorf, T-Shirts, auf denen unter dem Slogan „Veni, vedi [sic!], vici“ der Berliner Bär ausgestattet mit Schild und erhobenem Schlagstock abgebildet war.1

Traten die genannten Berliner Einsatzbereitschaften noch mit konventionellen Schlagstöcken in Erscheinung, wurden andere BFEs mit Tonfas ausgestattet. Der Ausrüstungsgegenstand verdeutlichte den exklusiven Charakter der Einheiten, blieb er doch zunächst diesen Formationen vorbehalten. Das Führen des MES erfordert Fähigkeiten, ähnlich wie in früheren Zeiten das Schwert, über die „gewöhnliche“ Beamte offenkundig nicht verfügen. Mit dem MES scheint der Schlagstock gewissermaßen die Schmuddelecke des Archaischen verlassen zu haben. Zu vermuten ist, dass das intensive Training mit dem Stock und dessen „gekonnte“ Verwendung im Einsatz die Herausbildung einer kriegerisch-männlichen „Cop Culture“ fördert und entsprechende Handlungsmuster evoziert: „Wie jedes technische Artefakt prägt auch die Waffe ihren Gebrauch vor und bestimmt dadurch die Tat. [.] Die Waffe trägt auch Bedeutungen, sie hat Kulturwert. Sie ist inkorporierte Gewalt und symbolische Gewalt in einem. Die Waffe demonstriert Macht und Stärke. Sie ermutigt ihren Besitzer und schüchtert den Gegner ein.“2

Zu fragen bleibt, ob und inwieweit diese Vermutungen, die zunächst nur einem fest umrissenen Personenkreis - den Angehörigen der BFEs - gewidmet waren, auf andere polizeiliche Akteure zu übertragen sind. Der ehemalige Leiter der Berliner Schutzpolizei, Gernort Piestert wies indes bereits vor einigen Jahren auf den seiner Meinung nach nicht zu unterschätzenden Einfluss der Bewaffnung auf die Psyche der Beamten hin. Im Hinblick auf eine künftige standardmäßige Ausstattung der geschlossenen Polizeieinheiten Berlins mit dem MES betonte er: „Mit dem Mehrzweckstock kann aus dem gewollten Gefühl der Überlegenheit leicht ein Gefühl von Macht entstehen, das sich negativ auswirken kann. Eine äußere Aufrüstung führt auch zu einer inneren.3 Insgesamt scheint jedoch der Schlagstock in jüngster Zeit an Bedeutung eingebüßt zu haben. Stattdessen greifen Polizeibeamte verstärkt auf Pfefferspray oder die eigenen Fäuste zurück.

... die schlagen doch den Mann tot“ - Die Sinnlichkeit des Schlagens

Der Schlagstock repräsentiert die Potentiale staatlicher Verletzungs- und Tötungsmacht in ihrer unmittelbarsten Form. Diese Feststellung bedeutet keineswegs die drastischeren physischen Auswirkungen anderer (polizeilicher) Waffen zu bagatellisieren. Ein 9 mm-Hohlspitzgeschoss, abgefeuert aus einer Polizeipistole,

verursacht in der Regel schwerere Verletzungen als ein Hieb mit dem Stock. Ebenso lässt sich einwenden, dass die Entwicklung der Polizeibewaffnung mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus von den Versuchen geprägt war, den Einsatz physischer Gewalt zu minimieren.

Dennoch erscheint es angebracht, die physikalischen und medizinischen Erkenntnisse über die Wirkungsweisen polizeilicher Einsatzmittel um einen Aspekt zu ergänzen, der „quer“ zu diesen Befunden liegt. Ich meine die Emotionen, die die Ausübung unmittelbarer physischer Gewalt bei Tätern, Opfern und Zuschauern hervorruft. So enthält das Schlagen in den Wahrnehmungen des Geschlagenen, wie auch bei denjenigen, die das Schlagen beobachten, immer die Angst vor der Hemmungslosigkeit des Schlagenden. Die Dauer der Prozedur und Intensität der Hiebe sind für das Opfer kaum einzuschätzen:

„Die Schläge wurden so lange fortgesetzt, dass ich glaubte, die Polizisten würden schließlich vor Erschöpfung aufhören müssen. Aber sie ließen nicht nach, und nach einer Weile verschmolzen die einzelnen Schläge miteinander und wurden zu einem einzigen fürchterlichen krachenden Geräusch. [.] Dann wollte ich nur noch, dass dieses Erlebnis aufhörte. Aber es hörte nicht auf. Ich weiß nicht, wie lange es noch so weiterging. Ich wusste nicht, was als nächstes passierte. [.] Meine nächste Erinnerung ist, dass es endlich aufhörte. Es war vorüber.“1

Bufords Schilderungen seiner Gewalterfahrungen während der Fußball-WM 1990 verdeutlichen zum einen, wie unter den Schlägen die Fähigkeiten des Geschlagenen, sich innerhalb einer Zeitstruktur zu orientieren regelrecht zerbrechen. Zum anderen führt die Feststellung, die Verfügungsmacht über den eigenen Körper an die schlagenden Polizisten verloren zu haben, die ohne weiteres den womöglich den tödlichen Hieb ausführen könnten,2 zu Gefühlen absoluter Ohnmacht und Hilflosigkeit.

Diese Erfahrung der Übermächtigung, die jedoch nicht notwendigerweise an tatsächlich erlittene Verletzungen geknüpft sein muss, zieht sich durch zahllose Erzählungen, in denen vom Schlagen die Rede ist. Etwa in einem Erlebnisbericht des ehemaligen Leiters des Münchner Jugendamtes Kurt Seelmann, der während der „Schwabinger Krawalle“ im Juni 1962 Opfer polizeilicher Übergriffe geworden war:

„Ich habe mir nie vorher klar gemacht, wie entsetzlich entwürdigend es ist, von einer bewaffneten Gruppe gejagt zu werden. [.] Es ist schon sehr aufregend, sich unschuldig, hilflos, bewaffneten Treibern ausgeliefert zu sehen. [.] Dieses ,Ausge-

liefert-sein‘ und die Empfindungen dabei waren schmerzhafter als die empfangenen Schläge“.1

Existentielle Bedrohungsgefühle werden nicht nur durch den Anblick des Schlagstocks, die Ungewissheit über die Dauer der Tortur, körperliche Schmerzen oder zugefügte Verletzungen hervorgerufen, sondern auch durch die dumpfen Geräusche, die entstehen, sobald der Schlagstock den Körper des Geschlagenen trifft. Das Schlagen stellt demnach eine äußerst sinnliche Erfahrung dar.2 Die damit verknüpften Ängste werden bereits antizipiert, etwa wenn Polizisten bei Demonstrationseinsätzen kollektiv in einheitlichem Rhythmus mit Schlagstöcken auf ihre Schilder trommeln.

Kampfbereitschaft und Entschlossenheit kommen hier ebenso zum Ausdruck wie Unsicherheiten und Ängste vor möglichen gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Praxis, durch kollektives Trommeln die Waffe zu inszenieren, ihre Präsenz auch akustisch ins Bewusstsein zu rufen, ist nicht nur als Drohung zu verstehen, sondern stellt angesichts der angenommenen Bedrohung einen Versuch dar, Gefühle von Gemeinschaft und Selbstvergewisserung herzustellen; eine Beobachtung, die wiederum für beide Seiten gilt und zu nahezu identischen Handlungsmustern führen kann. So berichtet ein Augenzeuge über ähnliche Gewaltinszenierungen bei Polizei und Hausbesetzern in Berlin im September 1981:

„Mit ihren Helmen und Schildern und Schlagstöcken sahen sie [die Polizisten, MS] aus wie die alten Römer bei einer Feldschlacht. Sie haben dann langsam und gleichmäßig mit ihren Knüppeln auf die Schilde getrommelt: tack, tack. Und von der anderen Seite her sind die Demonstranten gekommen, auch in mehreren Reihen. Und die hatten Pflastersteine in den Händen und haben die aneinander geschlagen: tack, tack, tack. Aus einem der Häuser tönte laute Rock- und Punk-Musik. Und fast automatisch sind die Polizisten in den Takt der Musik verfallen und haben im Rhythmus ihre Knüppel auf die Schilde gehauen. Und die Demonstranten sind auch in den Takt eingefallen und haben im selben Rhythmus ihre Steine aneinander gehauen. Das war, als würden zwei feindliche Heere aufeinander zumarschieren.“3

Die Ängste, ge- oder erschlagen zu werden, resultieren nicht nur aus eigenen körperlichen Erfahrungen. Es bedarf lediglich entsprechender Drohungen, dass etwas passieren könnte.4 Demnach entstehen existentielle Ängste bereits durch die allgegenwärtigen Berichte, in denen vom Schlagen die Rede ist.

Wenige Bilder rufen bei Betrachtern ähnliche Emotionen hervor, wie die des

Schlagens. In Augenzeugenberichten von einem Einsatz der Berliner EbLT am Wackersdorfer Bauzaun im Oktober 1987 wird diese Emotionalität förmlich greifbar:

„Dann hatte ich beobachtet, wie ein Mann, der schon am Boden lag, wie dieser Mann von fünf Polizisten, es waren wiederum nach der Beschreibung die Berliner, geknüppelt worden ist. [.] Er hat geblutet, und er ist dann später wie ein Tierkadaver in Richtung Baugelände gezerrt worden. Etwa einen Meter von mir entfernt stand ein junger Mann. Fünf Berliner stürzten sich auf ihn, knüppelten auf ihn ein, solange, bis er bewusstlos dalag. Er hatte eine klaffende Wunde auf der rechten Schädeldecke und (es war) eine rote Lache im Sand. Entsetzt lief ich in Richtung Wald, um einen Sanitäter zu holen. [.] Neben mir stand ein BGS-Beamter, den habe ich in meiner Verzweiflung am Ärmel gepackt und habe gesagt: ,Schauen Sie doch hin, die schlagen doch den Mann tot, greifen Sie doch ein‘ - sinngemäß so etwa. Der hat mich angeschaut - ich habe so etwas noch nie da drunten gesehen. Der hat geweint.“1

Heftige Reaktionen lösten auch die Videoaufnahmen der polizeilichen Übergriffe in Los Angeles im Jahr 1991 aus. Die Bilder, die eine Gruppe von Polizeibeamten zeigten, die mit Schlagstöcken auf den wehrlos am Boden liegenden Rodney King einprügelten, sorgten weltweit für Empörung. Als die beteiligten Polizisten im April 1992 von einem Gericht freigesprochen wurden, kam es zu tagelangen Ausschreitungen, die insgesamt 54 Todesopfer forderten. Bemerkenswerterweise waren es nicht die regelmäßig von Bürgerrechtlern erhobenen Vorwürfe, die den unverhältnismäßigen Schusswaffengebrauch der vorwiegend „weißen“ Polizei von Los Angeles gegen Schwarze anprangerten, sondern die emotionalisierenden Bilder vom „Schlagen“, die dazu beitrugen, eine erneute Gewaltspirale in Bewegung zu setzen.

Ähnlich verstörend wirkten die Bilder und Berichte von den Vorfällen in Genua während des G8-Gipfels im Juli 2001. Die dabei von einem Carabiniere abgefeuerten tödlichen Schüsse auf einen Demonstrationsteilnehmer stellten einen der gravierendsten Vorfälle in der jüngeren Protestgeschichte Westeuropas dar. Betroffenheit und Entsetzen entzündeten sich jedoch am deutlichsten an jenen Bildern, die die blutigen Wände der Diaz-Schule zeigten, in der dutzende Globalisierungsgegner von Polizisten verprügelt worden waren.

Paralyse“ statt „Fragmentierung“? - Die Zukunft des Schlagens

Die Entwicklungen im Bereich der Polizeitaktiken und der polizeilichen Ausrüs

tung stellen keinen linearen Prozess hin zu einer Minimierung physischer Gewalt dar. Einerseits sind die Veränderungen innerhalb der Polizei seit den Zeiten des Kaiserreichs eindeutig zu erkennen. Strukturen, Leitbilder sowie Ausbildungsinhalte durchliefen nachhaltige Umbrüche. Die Polizei begreift sich nunmehr als zivilgesellschaftliche Instanz. Ein Anspruch, der auch im polizeilichen Sprachgebrauch seinen Ausdruck findet. Potentielle Konfliktsituationen bei Protestereignissen sollen durch kommunikatives „Konfliktmanagement“ der Polizei bewältigt werden.1

Im Kontext dieser Transformationsprozesse haben sich auch die Gewaltpraktiken verändert. Thomas Lindenberger hat auf den Wandel der kulturellen Codes hingewiesen, die entscheidend die Formen von Gewaltausübung beeinflussen.2 So waren am Beginn des 20. Jahrhunderts für die Disziplinierung (polizeilich) männlicher Aggressionsbereitschaft militärische Muster prägend. Der Gebrauch des Säbels bezweckte nicht nur die physische Unterdrückung Protestierender, er war gleichzeitig Ausdruck einer sozial-kulturellen Distanzierung. Hierfür wurden auch schwere körperliche Verletzungen wie tiefe Wunden oder abgetrennte Gliedmaßen in Kauf genommen. Heute weisen gewalttätige Konfrontationen zwischen Polizisten und Demonstranten oftmals sportlich hedonistische Züge auf. In den Projektionen, mit denen zumindest ein Teil der Protagonisten in die Auseinandersetzungen geht, scheint die Figur des durchtrainierten Einzelkämpfers eine zentrale Rolle zu spielen. Auf den „sportlichen“ Aspekt dieser Gewaltpraktiken verweist nicht zuletzt der Tonfa, der nicht einfach als Schlagstock, sondern als Requisit fernöstlicher Kampfsporttechniken präsentiert und vermarktet wird. Diese neuen Formen der Konfliktaustragung, so resümiert Lindenberger, gründen in einer Gesellschaft, die „nicht nur den umfassenden Gewaltverzicht zwischen Individuen, sondern auch ein Gesundheits- und Fitnessideal [fordert und fördert], das jeden und jede einschließen soll, zugleich jedoch unter dem Label des ,Sports‘ den legitimen Rahmen für die Kultivierung neuer, hybridisierter Formen des ritterlich-männlichen Kampfes abgibt.“3

Andererseits repräsentieren die zivileren, „sportlichen“ Ausrüstungsgegenstände weiterhin ein erhebliches Gewaltpotential. Ob und in welchem Ausmaß Gewaltpraktiken zur Anwendung kommen, hängt von den Polizeibeamten selbst ab, deren Handlungen ebenfalls von unterschiedlichsten Emotionen geprägt sind. Individuelle wie kollektive Aggressionen und Ressentiments, aber auch Ängste und Unsicherheiten bedingen eigensinnige Verhaltensweisen, die sich offiziösen Leitbildern oder behördlichen „Zielvereinbarungen“ oftmals entziehen. Prügelexzesse wie der geschilderte auf dem Kölner Polizeirevier gehören in der Bundesrepublik zweifellos zu den Ausnahmen. Dennoch ist Skepsis gegenüber jenen

Prognosen angebracht, die behaupten, eine künftige Ausstattung der Polizei mit Einsatzmitteln wie etwa dem MES, dem Pfefferspray oder der Elektroschockwaffe „Taser“ werde zu polizeilichen (Gewalt)praktiken führen, die nicht mehr die womöglich irreversible „Fragmentierung“, sondern eine lediglich temporäre „Paralysierung“ des Körpers bezwecken.1

Der Fall Rodney King verdeutlicht, dass der Gebrauch „moderner“ Polizeiwaffen keineswegs zu einer Zivilisierung (polizeilicher) Gewaltausübung führen muss. King wurde, bevor die Beamten auf ihn einschlugen, mit einem Taser bewegungsunfähig geschossen.2 Auf den Einsatz von „moderner“ paralysierender Gewalt folgten die „traditionellen“ Praktiken unmittelbarer physischer Gewalt. Die Begriffe „Tradition“ und „Moderne“ widersprechen sich hier nicht, sondern ergänzen und verstärken einander.

Zwei weit verbreitete Auffassungen stehen demnach zur Diskussion. Zum einen die Vorstellung, mit der Durchsetzung der verrechtlichten, arbeitsteiligen und ausdifferenzierten Industriegesellschaft sei die Bedeutung unmittelbarer physischer Gewalt zugunsten anderer „rationalerer“ Formen der Konfliktaustragung zurückgegangen. Zum anderen die Feststellung, dass in diesem Prozess auch die Gewaltpotentiale der Polizei eine Minimierung erfahren hätten.

Beide Ansichten bedürfen der Relativierung. Vorfälle wie in Köln, Wackersdorf, Genua oder Los Angeles, genauso wie die Formen der alltäglichen „kleinen Gewalt“, lassen die These von Norbert Elias, mit der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols sei eine zunehmende durch „Selbstzwang“ gesteuerte „Affektkontrolle“ der handelnden Akteure einhergegangen, zumindest fragwürdig erscheinen. Aber auch der Beobachtung Michel Foucaults, die Entdeckung des „panoptischen Blicks“ als „allgemeine(s) Prinzip einer neuen politischen Anatomie‘“ habe Macht und ihre Ausübung „automatisiert“ und „ent- individualisiert“ ist nicht ohne weiteres zuzustimmen.3

Indes ist kaum zu bestreiten, dass mit der Konsolidierung staatlicher Gewaltmonopole gesellschaftliche Aushandlungsprozesse in vielerlei Hinsicht berechenbarer geworden sind. Die Auffassung, sämtliche Machtbeziehungen seien in letzter Instanz durch Gewaltausübung oder durch die Androhung von Gewalt fundiert,4 greift wiederum zu kurz. Die Erscheinungsformen und Spielarten der Macht sind mannigfaltig. Die Angebote, Versprechungen und Hoffnungen, die sich etwa an „Gratifikations-“ oder „Partizipationsmacht“ knüpfen, gründen nicht zwangsläufig auf gewalttätigem Handeln.5

Dennoch hieße es einer „Lebenslüge“6 der „Moderne“ aufzusitzen, wollte

man die Alltäglichkeit unmittelbarer Gewaltpraktiken übersehen. Diese Feststellung gilt nicht nur, aber auch für das polizeiliche Handeln. Der Blick auf den erhobenen Schlagstock möge daran erinnern.​


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