Das Regiment der Gewalt: Polizieren des Politischen in der Volksrepublik China
Einführung: Die Gewalt, die von den Freunden kommt
Literatur
Blasius, Dirk 2001: Carl Schmitt. Preußischer Staatsrat in Hitlers Reich, Göttingen Buber, Martin 1954: Ich und Du, Heidelberg
In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren begann die Forschungsabteilung des Ministeriums für öffentliche Sicherheit in China mit einem umfangreichen historisch-ethnographischen Forschungsprogramm. Die Provinzbehörden sollten die Archive durchforsten und historisches Material zu Fragen der öffentlichen Sicherheit zusammenstellen. Polizeiverordnungen und andere Anordnungen, aber auch Parteiberichte wurden gesammelt, hinzu kamen Reden und Äußerungen der lokalen Partei- und Polizeigewaltigen. Außerdem kontaktierte man ehemalige Mitglieder der Behörden und Parteistellen und ermunterte sie, ihre Erinnerungen aufzuschreiben oder zu erzählen. Solche Erinnerungstexte wurden vorliegenden Biographien angefügt - das unsystematische Tagebuch, das daraus entstand, war der Grundstock für das umfassende Archiv der Polizei und des polizeilichen Handelns im revolutionären China.
Das Resultat waren über dreißig Bände mit Materialien; aus einem stammt die folgende Geschichte. Es folgt hier nicht ein Edikt oder eine Stellungnahme eines Führers, sondern der Tagebucheintrag eines einfachen Parteigenossen aus dem Sicherheitsapparat, der dadurch außergewöhnlich ist, dass er in einer sehr routinierten und technischen Weise von revolutionärer Gewalt berichtet. Für einen Augenblick wollen wir diesem Tao Jian folgen und sehen, wie er die Seiten seiner eigenen Erinnerung umblättert und dabei auf die dunklen Seiten der Revolution stößt:
„31. Dezember 1943. Ich war in der Taihang Gebietsparteischule und nahm am Ausrichtungsunterricht teil, als eine Anordnung des Gebietsparteikomitees zwei Genossen und mich anwies, zu unserem Bezirkskomitee zurückzukehren. Dort wäre das Sicherheitsbüro in die Hände der [feindlichen] Kuomintang gefallen. Das Parteikomitee entschied, uns sofort zurück zu senden, um das einzusetzen, was wir an der Gebietsparteischule gelernt hatten, über „Ausrichtung“. Damit sollten wir helfen, die Dinge für die Genossen der Gebietsparteileitung zu klären.
So setzten wir drei uns am Neujahrstag 1944 in Bewegung. Als wir ankamen, beriefen wir ein großes Treffen aller Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung ein. Da-
mit begann der Ausrichtungsprozess in unserem Gebiet [...] Zu dieser Zeit gab es mehr als 20 Genossen, die in dem Hauptquartier der Sicherheitsabteilung arbeiteten. Nachdem wir alle zusammengeholt hatten, leiteten wir sie an, die Texte des Zentralkomitees der Partei zur Säuberung zu studieren. Das allein dauerte 10 Tage. Danach begannen wir daran zu arbeiten, die persönliche Geschichte jedes Einzelnen und jeder Einzelnen zu klären. Entscheidend für uns war dabei herauszufinden, auf welche Weise diese Menschen in der Revolution aktiv geworden waren. Wir brachten sie dazu, uns ganz genau zu erzählen, wie sie in das Taihang-Basislager gekommen waren. Zu Anfang gab uns jeder einen mündlichen Bericht; danach ordneten wir an, dass sich jeder mit einem Schreiber hinzusetzen hatte, der alles aufschrieb, was sie berichteten. Dann verglichen wir die schriftliche Version mit unseren eigenen Notizen, die wir während des mündlichen Berichts gemacht hatten. Wir versuchten herauszufinden, ob es irgendwelche Unstimmigkeiten in den bzw. zwischen den jeweiligen Geschichten gab. Mehrere der Genossen, die befragt wurden, gaben ziemlich widersprüchliche Berichte. Und andere berichteten in einer Weise, die höchst verdächtig war. Mehrere gehörten der [feindlichen] Kuomintang an, oder sie waren als Studenten in der Kuomintang aktiv gewesen. Wieder andere hatten Verwandte, die immer noch Funktionäre in der Partei waren. Es waren genau diese Fragen, auf die wir uns konzentrierten oder zu denen wir immer wieder zurückkehrten. Wir forderten immer weitere Informationen - und wir machten das, indem wir diese Menschen dazu brachten, ihre eigene persönliche Situation zu untersuchen und zu klären.
Aber nur dann, wenn wir sie wirklich nötigten und bedrängten, wenn wir Gewalt anwandten, geschah es, dass sie beichteten - und, natürlich, wenn sie beichteten, glaubten wir alles was sie sagten. Dieser Prozess des Erzwingens eines Geständnisses und dieses dann glauben bzw. akzeptieren, gilt in Polizeikreisen als bi-gong-xin. Das Endresultat dieser Verwendung von bi-gong-xin war, dass mehr als 90 Prozent aller Funktionäre im Hauptquartier der Sicherheitsabteilung angeklagt wurden, Spezialagenten der ,CC-Fraktion‘ zu sein.1
Auf der Grundlage von Anordnung des Zentralkomitees und des Nord-Büros musste das Taihang-Parteibezirkskomitee unverzüglich unsere Arbeit unterbrechen. Der Grund war, dass wir bi-gong-xin benutzt hatten. Deshalb wurde das ganze Unternehmen gestoppt. Aber vor 1943 war es eine ganz andere Geschichte. Zu der Zeit, in dem Kampf gegen Spürhunde, beriefen wir uns ohne jede Skepsis auf die sowjeti- 1 schen Erfahrungen und folgten strikt der fehlerhaften bi-gong-xin-Methode und ge
nau wegen dieser Methode wurde der Kampf immer heftiger, und dies führte dazu, dass viele gute Genossen gezwungen wurden, sich als Spione bezeichnen zu lassen. Dann lasen wir Maos Schrift über die Politik der neun Punkte1. Und danach, nach peinigenden Überprüfungen unserer Arbeitspraxis, war es uns schließlich möglich, unsere Polizei- und Sicherheitsarbeit wieder auf den richtigen Pfad zurückzubringen, auf den Pfad, der zurück zur Massenlinie führte.“2
1Veröffentlicht im August 1943; darin wurde die bi-gong-xin-Methode als falsch bzw. gegründet auf einer falschen Linie bezeichnet, Mao Tsetung 1975, Bd. III, S. 52.
2Tao Jian 1993, S. 198.Das Resultat waren über dreißig Bände mit Materialien; aus einem stammt die folgende Geschichte. Es folgt hier nicht ein Edikt oder eine Stellungnahme eines Führers, sondern der Tagebucheintrag eines einfachen Parteigenossen aus dem Sicherheitsapparat, der dadurch außergewöhnlich ist, dass er in einer sehr routinierten und technischen Weise von revolutionärer Gewalt berichtet. Für einen Augenblick wollen wir diesem Tao Jian folgen und sehen, wie er die Seiten seiner eigenen Erinnerung umblättert und dabei auf die dunklen Seiten der Revolution stößt:
„31. Dezember 1943. Ich war in der Taihang Gebietsparteischule und nahm am Ausrichtungsunterricht teil, als eine Anordnung des Gebietsparteikomitees zwei Genossen und mich anwies, zu unserem Bezirkskomitee zurückzukehren. Dort wäre das Sicherheitsbüro in die Hände der [feindlichen] Kuomintang gefallen. Das Parteikomitee entschied, uns sofort zurück zu senden, um das einzusetzen, was wir an der Gebietsparteischule gelernt hatten, über „Ausrichtung“. Damit sollten wir helfen, die Dinge für die Genossen der Gebietsparteileitung zu klären.
So setzten wir drei uns am Neujahrstag 1944 in Bewegung. Als wir ankamen, beriefen wir ein großes Treffen aller Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung ein. Da-
mit begann der Ausrichtungsprozess in unserem Gebiet [...] Zu dieser Zeit gab es mehr als 20 Genossen, die in dem Hauptquartier der Sicherheitsabteilung arbeiteten. Nachdem wir alle zusammengeholt hatten, leiteten wir sie an, die Texte des Zentralkomitees der Partei zur Säuberung zu studieren. Das allein dauerte 10 Tage. Danach begannen wir daran zu arbeiten, die persönliche Geschichte jedes Einzelnen und jeder Einzelnen zu klären. Entscheidend für uns war dabei herauszufinden, auf welche Weise diese Menschen in der Revolution aktiv geworden waren. Wir brachten sie dazu, uns ganz genau zu erzählen, wie sie in das Taihang-Basislager gekommen waren. Zu Anfang gab uns jeder einen mündlichen Bericht; danach ordneten wir an, dass sich jeder mit einem Schreiber hinzusetzen hatte, der alles aufschrieb, was sie berichteten. Dann verglichen wir die schriftliche Version mit unseren eigenen Notizen, die wir während des mündlichen Berichts gemacht hatten. Wir versuchten herauszufinden, ob es irgendwelche Unstimmigkeiten in den bzw. zwischen den jeweiligen Geschichten gab. Mehrere der Genossen, die befragt wurden, gaben ziemlich widersprüchliche Berichte. Und andere berichteten in einer Weise, die höchst verdächtig war. Mehrere gehörten der [feindlichen] Kuomintang an, oder sie waren als Studenten in der Kuomintang aktiv gewesen. Wieder andere hatten Verwandte, die immer noch Funktionäre in der Partei waren. Es waren genau diese Fragen, auf die wir uns konzentrierten oder zu denen wir immer wieder zurückkehrten. Wir forderten immer weitere Informationen - und wir machten das, indem wir diese Menschen dazu brachten, ihre eigene persönliche Situation zu untersuchen und zu klären.
Aber nur dann, wenn wir sie wirklich nötigten und bedrängten, wenn wir Gewalt anwandten, geschah es, dass sie beichteten - und, natürlich, wenn sie beichteten, glaubten wir alles was sie sagten. Dieser Prozess des Erzwingens eines Geständnisses und dieses dann glauben bzw. akzeptieren, gilt in Polizeikreisen als bi-gong-xin. Das Endresultat dieser Verwendung von bi-gong-xin war, dass mehr als 90 Prozent aller Funktionäre im Hauptquartier der Sicherheitsabteilung angeklagt wurden, Spezialagenten der ,CC-Fraktion‘ zu sein.1
Auf der Grundlage von Anordnung des Zentralkomitees und des Nord-Büros musste das Taihang-Parteibezirkskomitee unverzüglich unsere Arbeit unterbrechen. Der Grund war, dass wir bi-gong-xin benutzt hatten. Deshalb wurde das ganze Unternehmen gestoppt. Aber vor 1943 war es eine ganz andere Geschichte. Zu der Zeit, in dem Kampf gegen Spürhunde, beriefen wir uns ohne jede Skepsis auf die sowjeti- 1 schen Erfahrungen und folgten strikt der fehlerhaften bi-gong-xin-Methode und ge
nau wegen dieser Methode wurde der Kampf immer heftiger, und dies führte dazu, dass viele gute Genossen gezwungen wurden, sich als Spione bezeichnen zu lassen. Dann lasen wir Maos Schrift über die Politik der neun Punkte1. Und danach, nach peinigenden Überprüfungen unserer Arbeitspraxis, war es uns schließlich möglich, unsere Polizei- und Sicherheitsarbeit wieder auf den richtigen Pfad zurückzubringen, auf den Pfad, der zurück zur Massenlinie führte.“2
1Veröffentlicht im August 1943; darin wurde die bi-gong-xin-Methode als falsch bzw. gegründet auf einer falschen Linie bezeichnet, Mao Tsetung 1975, Bd. III, S. 52.
1Bi-gong-xin meint wörtlich Foltern (bi), dann ein Geständnis herauszupressen (gong), und schließlich diesem Geständnis, dieser Beichte zu glauben (xin). - Die CC-Fraktion wurde so genannt, weil sie von zwei CC's angeführt wurde, Chen Guofu und Chen Lifu. Sie hatten die „neue Leben-Bewegung“ 1934 gegründet und wollten damit China retten, und zwar indem sie zu konfuzianischen Tugenden zurückzukehren trachteten. Dies war eine dominierende Gruppe in der Nationalistischen Partei während der gesamten Kriegsjahre. Wegen der starken konfuzianischen Prägung betrachteten ihre Angehörigen die Kommunisten nicht nur als Gesetzlose, sondern als moralische Sünder, deren Ansichten den chinesischen Kernwerten völlig fremd waren. Vgl. Harrison 1972, S. 267.
Polizeistatistiken aus dieser Zeit sind höchst unzuverlässig. Aber Tao Jians eigene Erinnerung sagt, dass die „Ausrichtung“ zu über 3.000 Verhaftungen und Hinrichtungen allein in seinem Arbeitsbereich führte.1 Wenn man davon ausgeht, dass zu ihrem Höhepunkt die Polizei in Taihang nicht mehr als 3.500 Polizisten hatte2 wird deutlich, welche Macht dem bi-gong-xin zukam. Eine solche Macht, so scheint mir, wurde weder im Ärger noch im Triumph, sondern in großer Furcht praktiziert: Furcht trieb die kommunistische Funktionäre von der Säuberung zum Revanchismus, von der „Massenlinie“ zur Gewalt.
Die Politik der „Massenlinie“, von der Tao Jian und andere mit den gewalttätigen Säuberungen angeblich abgewichen waren, war im Februar 1943 eingeführt worden: Mao hatte in einer Rede die Notwendigkeit begründet, den Arbeitsstil der Partei zu korrigieren.3 Danach resultierte die Notwendigkeit, die Partei zu säubern, aus dem spektakulären Wachstum der Partei nach der Kriegserklärung an Japan 1937. Die unzureichende politische Bildung der neuen Parteimitglieder, aber auch ihr Klassenhintergrund machte in den Augen der Führung politische Erziehung dringlich.4 Die Sorge war groß, die neuen Parteimitglieder würden ohne ein besseres Verständnis der Partei-Linie schwerwiegende Fehler machen, mehr noch: die Partei würde „unsaubere“ Elemente aufnehmen.
Denkens. Zentrales Ziel, das bereits zuvor die nationalistische und antijapanische Position der Partei bestimmt hatte, war die Einheit. Politisch führte diese Kampagne eine Methode ein, mit der die Erweiterung des Einheits-Diskurses für einen neuen Typ von Kampagne genutzt werden konnte. „Einheit - Kritik - Einheit“ war deshalb der Schlachtruf. Die Rückkehr zur „richtigen“ Linie bzw. die Ausrichtung der Linie zielte darauf, Gewalt zu begrenzen - durch ein reflektiertes Verstehen von Widersprüchen und Unterschieden, im Gegensatz zur These der unaufhebbaren und allein bestimmenden Polarität von Freund und Feind.
Unterschiede galten nicht länger als eine Tarnung verborgener Feinde. Ebenso wie die Einheitsfrontpolitik gegenüber den Japanern die eigene Basis erheblich erweitert hatte - sehr viel mehr Menschen konnten nun „Freunde“ sein -, bedeutete die Konzentration auf „Ausrichtung“ ein Mittel zur Verminderung jener Gewalt, die sich gegen die Feinde richtete. Jetzt wurde betont, Unterschied bedeute nicht notwendig „Abweichung“. Das war zumindest eine Differenzierung, die in der „Ausrichtung“ angelegt schien. Was allerdings konkret geschah, als die Kampagne in Gang gesetzt wurde, hatte nichts mit solchen Erwägungen zu tun.
Ungeachtet der Versuche, eine differenziertere Wahrnehmung von Widersprüchen zu entwickeln, verharrte die „Ausrichtungs“-Kampagne dennoch in der zweipoligen Logik des Klassenkampfes. Es blieb deshalb stets möglich, zur Gewalt zurückzukehren, zumal als sich das relativ offene und freizügige Klima des Jahres 1942 zu ändern begann. 1943 war dieser Umschwung in vollem Gange; entsprechend veränderte sich die Bedeutung von „Ausrichtung“. Die Gründe für diesen Umschwung lagen auf der Hand.
Zunächst hatte die japanische Armee, die 1937 in China eingefallen war, 1943 die Kommunisten zu ihrem Hauptfeind erklärt. Angesichts unausgesetzter japanischer Angriffe auf die kommunistischen Basislager bestimmte mehr und mehr die Furcht vor einem „inneren Feind“ die Sprache und Logik der „Ausrichtung“. Noch bedeutsamer war - zweitens -, dass die mühsame Verbindung zwischen Kommunisten und den nationalistischen Parteien brüchig wurde. Gewiss zeigten sich beide einig im Kampf gegen die Japaner. Parallel aber war die Kuomintang (KMT) zunehmend beunruhigt durch das enorme Wachsen der kommunistischen bewaffneten Kräfte. 1943 entschied sich die Führung der KMT zu handeln: Sie blockierte kommunistische Lager und intensivierte ihre Spionageaktivitäten. Das aber steigerte Angst und Sorge bei den Kommunisten: vor dem Hintergrund der Beziehungen zwischen beiden Parteien seit den frühen 1920er Jahren eine verständliche Reaktion auf kommunistischer Seite.
Die Kommunisten hatten in diesen Jahren große Verluste erlitten und waren durch die Infiltration und auch Verrat seitens der KMT hart getroffen worden. Als die kommunistische Partei und die KMT ihre erste Einheitsfront 1927 formiert hatten, war die kommunistische Partei beinahe ausradiert worden: Ihr Alliierter -
eben die KMT - massakrierte in Schanghai Tausende Mitglieder der KP.1 Es folgte ein unentschiedener Bürgerkrieg, der fortgeführt wurde bis die japanische Invasion eine Weiterführung unmöglich machte. Ungeachtet wechselseitigen Misstrauens formierten die beiden Parteien nun erneut eine Allianz gegen die Japaner. Es war diese zweite Einheitsfront, die ab 1943 zunehmend unter internen Druck geriet.
Vor diesem historischen Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die Kommunisten skeptisch, wenn nicht misstrauisch gegenüber der KMT waren. Vor allem wollten sie auf keinen Fall die Fehler wiederholen, die zum SchanghaiMassaker geführt hatten. Wenn Selbstschutz bedeutete, härtere und schärfere Maßnahmen zu treffen, um die „inneren Feinde“ auszuschalten, dann schienen sie unvermeidlich. Dies war die Ausgangsbedingung dafür, dass die „weiche“ Ausrichtung, für die das kommunistische Basislager in Yanan später berühmt wurde, nun „gehärtet“ wurde.2 „Ausrichten“ wurde umgesetzt als Prüfen der Kader. Bei denen, die man als feindliche Agenten erkannte oder zu erkennen meinte, wurde aus dem „Ausrichten“ Vernichten. Angesichts des Feindes an den Toren und vermeintlicher oder tatsächlicher versteckter Feinde in den eigenen Reihen entwickelte der Leiter der kommunistischen „Sicherheit“, Kang Sheng, die Verfahren, die den Übergang zurück zur Gewalt rechtfertigen sollten. „Ausrichten = Prüfen der Kader = die Vernichtung der Konterrevolutionäre“ - so pflegte er den Prozess zusammenzufassen.3 4 Tao Jian und seine drei Genossen waren also nur Bauern in einem weit größeren Spiel.
Die Säuberungen in Tao Jians Taihang-Bezirk wiederholten sich in allen Bezirken, die die Kommunisten zu der Zeit kontrollierten. Verdächtige wurden gefoltert und gequält, sie verhungerten oder wurden durch das Vortäuschen von Exekutionen psychisch gemartert. All das geschah im Rahmen der Revolution.11 Vom Standpunkt der Kader der „Sicherheit“ waren alle Aktionen gerechtfertigt, die die Partei schützten. Schließlich mochte ein einziges erzwungenes Geständ- nis den Unterschied zwischen Fortbestand und Untergang der Revolution bedeuten. Unter solchen Vorzeichen überrascht es nicht, dass die Weigerung, eine bi-bong-xin zu vollziehen, als Zeichen mangelnder politischer Ernsthaftigkeit und politischen Engagements gelten konnte. Denn wahres Engagement bedeutete, die Grenzen der Alltagsmoral zu überwinden. Wenn die Sicherheits-Kader
Schlafentzug praktizierten, wenn sie Verdächtige rund um die Uhr verhörten und physische Gewalt anwandten, um Geständnisse zu erzwingen - dann gingen sie immer davon aus, dass sie sich moralisch absolut integer verhielten. Solange es „Ratten“ innerhalb der Reihen der Partei gab, hatten sie offenbar gar keine Alternative. Es war Kang Shang, der den Weg wies und den Sicherheitskräften klarmachte, was gute „Rattenfänger“ tun würden und tun mussten: Man solle die feindlichen Agenten als „Ungeziefer“ behandeln.
„Das erste, was man tun muss, ist eine wirklich große männliche Ratte fangen. Und wenn Du sie gefangen hast, stecke ihr hinten eine Sojabohne rein und dann nähe es zu. Nach einigen Tagen wird sie gewaltig angeschwollen sein und das wird sie verrückt machen und sie wird von einem Rattenloch zum nächsten gehen und die Gesellen tot beißen. Und wenn sie alle anderen erledigt hat, wird sie selbst verenden. Und genauso sollten wir es machen beim Vernichten der Kampagnen der Verräter!“1
Kang Shangs „Rattenkampagne“ von 1943 dauerte nicht lange. Genauso wie das Shanghai-Massaker aus Sicht der kommunistischen Partei die Notwendigkeit revolutionärer Wachsamkeit unterstrichen hatte, so führten auch Gewaltexzesse, Gruppenbildungen und paranoide Säuberungskampagnen, wie sie auf dieses Massaker folgten, zu anderen Lehren. Welche aber waren das?
Als die kommunistische Partei nach 1927 gezwungen wurde, sich aus Shanghai zurückzuziehen, wandte sie sich wortwörtlich den Hügeln zu, den abgelegenen und gebirgigen ländlichen Grenzregionen von Jiang Xi. Hier errichtete die Partei kleine kommunistische Räte, die gerade überlebensfähig waren. Umgeben von KMT-Truppen, die sie ausradieren wollten, waren diese Gruppen nahezu bewegungsunfähig. Keine Furcht plagte die Kommunisten mehr als die Furcht vor Verrat. Die „Wachsamkeit“ der Sicherheitskräfte der Partei verstärkte aber nur noch die Wahrnehmung dieser Gefahr. Und die bi-gong-xin-Techniken der Sicherheitskräfte führten nicht allein zum Entdecken von Feinden; sie produzierten sie zugleich. Verschwörungen, die nur in der Vorstellung existierten, gab es in allen Lagern und bei allen örtlichen Räten; und stets vergrößerten oder überzeichneten sie die Gefahren, die den Kommunisten drohten.
Die Kommunisten begannen, ihre eigenen Leute zu „fressen“. Die - unvollständigen - Statistiken aus den ersten Jahren der kommunistischen Herrschaft in Jiang Xi zeigen das auf der Grundlage von taiwanesischen Schätzungen, die inzwischen durch Forschungen in der Volksrepublik weitgehend bestätigt sind.2 Aus diesen Arbeiten wissen wir, dass die Säuberungskampagnen, die die kommunistischen Sicherheitskräfte in den Jiang Xi-Räten durchführten, ebenso viele
kommunistische „Verräter“ innerhalb der Partei vernichteten wie die KMT- Militäraktionen kommunistische Soldaten in den militärischen Kämpfen töteten. In einer Reihe anti-kommunistischer „Umzingelungs- und Vernichtungs“-Kam- pagnen, die die KMT-Armee zwischen 1931 und 1934 unternahm, wurden danach etwa 50.000 kommunistische Soldaten getötet. In derselben Zeit hatten die KP-Sicherheitskräfte eine gleiche Zahl von Personen getötet oder fälschlich ein- gesperrt.1 In den ländlichen Rätegebieten von Jiang Xi nahmen die Repressalien ein derartiges Ausmaß an, dass selbst Mao Tsetung, der zunächst als besonders eifriger Teilnehmer an solchen Maßnahmen in Erscheinung getreten war, sich schließlich gegen diese Aktionen wandte.2
Von Mao Tsetung wird berichtet, er habe einem der Kommandanten eines der Basislager erklärt: „Wenn dieses [Töten] weitergeht, sind Attacken des Feindes nicht mehr notwendig, denn wir werden uns selbst die Kehle durchgeschnitten haben“.3 Die Furcht vor dem inneren Feind, die alles überschattete, führte zu einer Situation, in der Verletzungs- und Vernichtungsgewalt entschuldbar - in denen sogar Exzesse als unvermeidlich erschienen. Es war diese Furcht, die schließlich zum erneuten Auftreten von Gewalt selbst im Rahmen der moderaten „Ausrichtungs“-Kampagne führte. In vieler Hinsicht war es sogar diese Furcht, die die Kommunistische Partei Mao Tsetungs definierte - und die darüber hinaus das revolutionäre Unternehmen insgesamt in vielfacher Weise bestimmte, gerade auch für die Zeit nach dem Sieg der Partei 1949.
Freund und Feind
„Wer sind unsere Feinde? Wer sind unsere Freunde?“, so hatte Mao Tsetung 1926 gefragt.4 Es war diese spezifische Frage, die die KP Chinas und ihre revolutionäre Zukunft bestimmen sollte. Und insofern war es unvermeidlich, dass das polizeiliche Umsetzen der Frage nach Freund und Feind die Aktionen und Verhaltensweisen der „Sicherheit“ der Partei fortan bestimmten. Mehr noch, diese Frage markiert die beiden Pole des radikalen politischen Experiments von Maos
China. Denn die radikale „Viererbande“ hatte eben diese Worte auf den Lippen, als sie schließlich von der Bühne der Geschichte gestoßen wurde.1 Und eben deshalb war der Staat Maos in einem sehr grundsätzlichen Sinne prinzipiell „politisch“ - politisch zugleich im Sinne Carl Schmitts. Dass dieser Staat „politisch“ war, mag selbstverständlich scheinen. Aber weshalb ich diesen Zustand zugleich auf Carl Schmitt beziehe, erfordert weitere Erläuterungen.
Beinahe zwei Jahre nachdem Mao Tsetung seine „revolutionäre Frage“ zuerst gestellt hatte, formulierte der deutsche Staatsrechtler und politische Theoretiker Carl Schmitt auf seine Weise die Frage nach Freund und Feind - in seiner seither vielfach zitierten, mitunter gefeierten und jedenfalls immer wieder diskutierten Studie „Der Begriff des Politischen“.2
In diesem Buch war die Frage nach Freund und Feind nicht von Belang für die Revolution - aber sie betraf das Zentrum alles dessen, was wir ,politisch‘ nennen. Für Schmitt war das Politische in der Tat nichts anderes als die polare Unterscheidung von Freund und Feind. Und weil dieser zweipolige Rahmen „politische Intensitäten“ antrieb, überführte er alle Aspekte des Lebens in schlichte Entweder-oder-Entscheidungen. Für Schmitt war Politik deshalb in einer Weise bestimmend, die kein anderer Lebensbereich je erreichen konnte. Allein die polare Ausdrucksform des Politischen produzierte „Intensität“, und allein diese „Intensität“ vermochte in einem existentiellen Sinne ganze Gesellschaften in den Krieg zu treiben und jeden einzelnen zu motivieren, ohne persönlichen Hass zu töten. Kein anderer Bezugsrahmen hatte dieses lebensbedrohende Potential. Allein diese politische Unterscheidung, darauf beharrte Schmitt, entschied alles; sie war unverzichtbar und unaufhebbar.
In dieser Sicht sind die Erinnerungen an Maos Revolution und die Sicherheitskräfte, die ihre Gewaltgrenzen regulierten, mehr als historische Erzählungen.
Sie erweisen sich vielmehr als empirische und historische Rechenschaftsberichte über den Versuch eines Nationalstaates, als politischer Staat im Sinne Carl Schmitts zu existieren. Allein die Maoistische Revolution brachte Institutionen und Praktiken hervor, die darauf angelegt waren, die gewaltförmige „Intensität“ so zu regulieren und zu polizieren, dass sie nicht zu Exzessen führte. Insofern können die realen Erfahrungen der Mao-Zeit als eindringlicher Beitrag zur Theorie des Politischen betrachtet werden. Im Blick auf diese Zeit lässt sich der Grad der Veränderbarkeit des Politischen (im Sinne Carl Schmitts) erkunden. Im Lichte von Maos Revolution wird erkennbar, dass im Banne der politischen Zweipoligkeit alles Leben notwendig gewaltförmig wurde. Die Geschichte von Mao Tsetungs Revolution lässt sich somit als ein lang dauernder, fortwährender, schließlich aber
gescheiterter Versuch verstehen, die politische Intensität der Freund-Feind-Unterscheidung zu stärken - sie aber zugleich so zu begrenzen, dass sie nicht unkontrollierbare und exzessive Formen annimmt und damit kontraproduktiv wird. Die chinesische Revolution erlaubt somit neue Einsichten in das, was sich als „das Schmittsche Dilemma“ bezeichnen lässt.
Das Schmittsche Dilemma
Was ist dieses Dilemma? Im Kern handelt es sich um das Dilemma einer Politik des Engagiertseins. Wenn Politik uns dazu bringt, ohne Hass zu töten - wie lässt sie sich dann so „normalisieren“ oder disziplinieren, dass es möglich wird, nicht allein im Zustand von Ekstase oder Verzweiflung zu leben? Chantal Mouffe hat eine Antwort vorgeschlagen. Sie argumentiert, die „entscheidende Unzulänglichkeit der Freund-Feind-Unterscheidung von Carl Schmitt ist, dass er zwar Konflikte als Grundmuster des Politischen bestimmt, zugleich aber unterschiedliche Dimensionen dieser Konflikthaftigkeit nicht zulässt“.1 Anders als Schmitt besteht Mouffe auf der Möglichkeit, Nichtübereinstimmung in anderen Formen zu zeigen als im Kampf gegen einen „Feind“, der zu vernichten sei. Schmitt vergesse die Rolle des „Gegners“; damit ignoriere er „Möglichkeit von Konflikten, welche den Kampf zwischen Feinden (Antagonismus) vermeiden“.2 Diese dritte Position des „Gegners“ öffnet in dieser Sicht einen Ausweg aus der - extensiven - Gewaltsamkeit, die in der Polarität von Carl Schmitt angelegt ist.
Wenn man dies auf die revolutionäre Vergangenheit Chinas bezieht, tritt zunächst die alles überragende Figur des Vorsitzenden Mao Tsetung hervor. Er operierte innerhalb der Logik der politischen (Freund-Feind-)Dyade; dennoch versuchte Mao, die Intensität der Gewaltsamkeit des Kampfes zwischen Freund und Feind zu vermindern - und zwar durch Einführung der Unterscheidung zwischen „Feinden“ und „Gegnern“. Zum ersten Mal wurde diese Differenz 1957 formuliert, unter der Überschrift der nicht-antagonistischen Widersprüche; aber schließlich erwies sich diese Überlegung als kontraproduktiv.3 Denn Maos Versuch, die enge Verknüpfung von Feind und Gegner dadurch zu lockern, dass er antagonistische und nicht-antagonistische Widersprüche unterschied, führte nicht zur Verminderung von Gewalt. Mao blieb bei einer Konzeption des Staates, die Schmitts Theorie des Politischen spiegelte. Gewaltförmige „Intensitäten“ prägten auch seine differenzierteren und liberaleren Ansätze. In einer Situation, in der die Schmittsche Bestimmung des Politischen faktisch weiterhin dominierte, beförderten Maos nicht-antagonistische Widersprüche keineswegs eine
Verminderung von Klassenkampf und Gewalt. Sie ermunterten vielmehr ihre Ausbreitung, durchaus im Gleichklang mit Schmittschen Positionen.1 Deshalb kann es nicht überraschen, dass die Vorstellung von nicht-antagonistischen Widersprüchen im gesellschaftlich-politischen Alltag nur zu einer Erweiterung des Gefängnissyndroms (um mit Michel Foucault zu sprechen) führte.
Während dieses, also das „Reform durch Arbeit“-Strafsystem der konkrete Ort war, Feinde zu inhaftieren, gaben die nicht-antagonistischen Widersprüche die theoretische Basis für eine auf „Verbesserung“ gerichtete Parallelinstitution. Im Jahr 1957 wurde das Strafsystem „Reform durch Arbeit“ um eine reformistische, nicht auf Strafen gerichtete Komponente erweitert; sie zielte auf das „Umerziehen“ von „Gegnern“. Diese (freilich auch zwanghafte) Umerziehung in und durch Arbeit hieß „Reform durch Erziehung“. Im Zuge der Intensivierung des Klassenkampfes (im Zusammenhang der Kampagne gegen „Rechte“) wurden beide allerdings rasch ununterscheidbar. Faktisch führte das „Reform durch Erziehung“-Programm also nur dazu, die Inhaftierung weiterer Hunderttausender „Gegner“ zu ermöglichen. Sie kamen nun zu den Millionen von „Feinden“ ebenfalls hinter Gitter: kein ermutigender Beginn für eine Alternative zur Schmittschen zweipoligen politischen Logik!
Alternativ hat der politische Philosoph Paul Hirst eine andere Lösung für die Zweipoligkeit zur Diskussion gestellt. Sein Vorschlag basiert auf einem Widerspruch, den er in Schmitts eigenem Argument sieht. Im Grunde, so Hirst, sei für Schmitt die Freund-Feind-Polarität nicht zu überwinden; sie könne nur kontrolliert und reguliert werden. Dies sei der Grund dafür, dass die Macht des Souveräns in Schmitts Weltsicht zu dominant sei.
Für Hirst war Schmitt ein Autoritärer, der einen totalen Staat hochschätzte und glaubte, dass es die besondere Pflicht aller Bürger sei, zu gehorchen. Für Hirst aber ist ein solcher totaler Staat notwendig in Konflikt mit dem Konzept einer zweipoligen Politik. Der totale Staat sei gerade dadurch bestimmt, dass alles „politisch“ werde - dies aber führe dazu, dass das Politische selbst gleichsam „infiziert“ werde von den Folgen eines „totalen“ (oder totalisierenden) Wirtschaftsmanagements sowie einer „totalen“ (oder totalisierenden) sozialen Organisation. In dem Maße, in dem Bürokratien anwachsen, um die vielfältigen Aufgaben von Verwaltung und Regierung zu meistern, reduziere „der Staat die Reichweite des Entweder-Oders von Entscheidungssituationen, und zwar gerade dadurch, dass die Agenda der öffentlichen Geschäfte enorm ausgeweitet wird. Der Staat ist nicht länger der ,souveräne‘ Körper und Gestalter des politischen Kampfes, sondern vielmehr zunehmend ein riesiger Komplex schlecht koordinierter öffentlicher Dienstleistungsagenturen“.2 Seine These ist: Bürokratie unterbinde die Einzigartigkeit von - politischer - Intensität, und zwar dadurch, dass
sie zahllose Rivalitäten zwischen Abteilungen des Staatsapparates, gesellschaftlichen Sektoren und verschiedenen Interessenten anrege oder befördere.
Ein erneuter Blick auf den politisierten „totalen Staat“, wie er in China während der Schlussphase der Kulturrevolution existierte, zeigt, dass hier die Wirkungen von Bürokratie ihrerseits von den konkreten Politiken der Führung abhingen. Im Jahr 1975 dominierte in China ausschließlich die politische Dy- ade, „der Klassenkampf als Schlüssel“ ( jieji douzheng weizhu). Gleichzeitig sollten die „schlecht koordinierten öffentlichen Dienstleistungsagenturen“, aus denen nach Hirst die chinesische Staatsbürokratie bestand, als eine „umfassende Diktatur des Proletariats“ funktionieren (quanmian wuchanjieji zhuanzheng). Ausgehend von der Vorstellung, der Klassenkampf sei der Schlüssel, sahen die radikalen Theoretiker der Kulturrevolution alle Unterteilungen in der Bürokratie als ein Symptom des Klassenniedergangs. Mit anderen Worten: Die enge Verknüpfung von totalem Staat und Klassenkampf führte zu einer Intensivierung, nicht aber zu einer Verminderung der Freund-Feind-Dyade. In dieser Deutung des Politischen galt jede bürokratische Spezialisierung und Unterteilung als Niedergang - und Niedergang war in dieser Sicht nur eine andere Erscheinungsform des Revisionismus, also ein neuer Anlass, den Kampf zu intensivieren.
Wenn die Zweipoligkeit von Politik alle Lebensaspekte dominiert, kommt es also nicht darauf an, ob Feinde als Gegner oder als Ergebnis schlecht koordinierten bürokratischen Handelns gelten. Keine der beiden Lesarten vermag die Begeisterung für exzessive politische Feindschaft zu dämpfen oder eine Rückkehr zu Gewalt und Exzess zu verhindern. Die Geschichte der chinesischen Revolution scheint zu zeigen, dass jeder Versuch, gewaltförmige exzessive Intensität des Politischen herunterzufahren, nur dazu führt, politisches Handeln erneut anzu- stacheln und Gewalt und Exzesstaten zu ermuntern. Sobald sich die Logik des politischen Entweder-Oder durchsetzt, gibt es offenbar im Rahmen des Politischen keine Möglichkeit, Gewaltexzesse zu verhindern oder einzugrenzen. Zu erwarten, dass es möglich sei, das Politische von innen zu überlisten und politische Intensität einzugrenzen, um sie auf produktive Ziele zu lenken, heißt nur, den maoistischen Traum fortzuträumen. Es ist dieser Traum, der Mao über Schmitt hinaustrieb und zwar bis zu dem Punkt, an dem es unausweichlich schien, die Grenzen des politischen Engagements jedes Einzelnen zu testen.
Für Schmitt war das Politische weitgehend das Resultat dessen, was Foucault die „souveräne Macht“ genannt hat - und diese Macht wurde aufgenommen oder aufgefangen im totalen Staat, dem die Bürger nunmehr zu gehorchen hatten. Aber Mao Tsetung wollte mehr als Gehorsam. Sein Staat forderte Engagement und Mitmachen. In Maos China führte dieses Ziel dazu, Technologien zu entwickeln oder zu nutzen, die Foucault fraglos „disziplinarisch“ genannt hätte. Dazu gehörte die Serie „disziplinierender“ politischer Kampagnen, die die Mao- Periode von
1949 bis 1976 durchzogen und mit denen Funktionäre, Arbeiter und Bauern in die Vorstellungswelt der revolutionären (Selbst-)Verpflichtung unterwiesen und eingeführt wurden. Im Alltagsleben der chinesischen Arbeitskollektive wurde das politische Mitmachen und Sich-Engagieren zu einer Form von politischem Kapital, das die Kampagnen verstärken und wiederum die Massen vermehrt politisieren sollte.
In dem Maße, in dem die Freund-Feind-Polarität immer wieder alle Grenzen durchbrach, erfanden die Vertreter des Maoismus immer neue Techniken, um die damit verbundenen Gewaltexzesse zu verhindern oder zu überwinden. Von hier aus kann die Geschichte der chinesischen Revolution als ein andauernder Kampf verstanden werden, Mittel und Formen zu finden, das Politische einzuhegen.
Klassenkampf und fortwährende Revolution (buduan geming) waren zwei zentrale maoistische Mechanismen, um die Revolution in Bewegung zu halten - durch fortwährendes Ermuntern und Vorantreiben von politischer Intensität. „Ausrichtung“, „nichtantagonistische Widersprüche“ und die Macht, die sowohl die Parteikomitees wie die Organe der „Massenlinie“ hatten, waren einige der Instrumente, die Mao verwandte, um politische Intensität für produktive Ziele anzuregen, zugleich aber auch einzuhegen. Die stete Spannung zwischen Ermuntern und Einhegen der Intensität des Politischen markiert das Zentrum des revolutionären Dilemmas von und für Mao; deshalb war dies für ihn stets eine zentrale Frage der Revolution. Die fehlgeschlagenen Disziplinierungen des maoistischen revolutionären Staates zeigen zentrale Probleme einer solchen „com- mitment politics“, der Politik des Engagements und Mitmachens - und diese heilsamen Warnungen waren erkennbar von Anfang an, das heißt seit der Begründung der Räte in Jiang Xi.
„Wir fürchten nicht den Himmel, wir fürchten nicht die Hölle, wir fürchten nur, wenn wir zu einen Gespräch mit dem [Sicherheits-]Agenten gerufen werden“ (Tian bu pa, di bu pa jiu pa tepaiyuan zhao wo tan hua).1 Dies skandierten die Massen in der Zeit der Exzesse, während der Jiang Xi Räte. In den Jahren, die den Säuberungen in den Jiang Xi-Räten der frühen 1930er Jahre folgten, versuchte Mao diesen Rufen zu entsprechen und den Massen die Furcht vor den Sicherheitskräften zu nehmen. Beginnend mit der Zeit in Yan'an ab Mitte der 1930er Jahre bis zum Sieg 1949 war die Frage, wie Exzesse und Ausschreitungen zu kontrollieren seien, stets zentral für das Denken in der kommunistischen Partei.
Nach 1949 sahen sich die Kommunisten jedoch mit einer anderen Frage konfrontiert. „Wir fürchten nicht den Himmel, wir fürchten nicht die Hölle, unsere einzige Furcht ist, wenn die kommunistische Partei Milde verkündet“ (Tian bu pa, jiu pa Gongchanang jiang kuanda)2 - das war in der ersten Hälfte des Jahres
1950 zu hören. Diejenigen, die jahrelang gekämpft hatten, um ihr Land von der KMT und den „Imperialisten“ zu befreien - diese Unterstützer der KP wollten nun Rache. In dieser Situation rief die Partei nicht mehr nach Milde.
Im Oktober 1950 hatte die Partei bereits wieder eine neue Jagd nach „konterrevolutionären“ Feinden begonnen. In der Parteiführung war man (überwiegend fälschlich) überzeugt, dass in den Jahren in Yan'an das anscheinend moderate „Korrektur“-Programm Maos die Strukturen und Ansichten ausreichend verändert hatte, so dass Exzesse begrenzt würden, wenn gleichzeitig „revolutionärer Nachdruck“ im Kampf gefordert wurde.1 Sie waren zugleich davon überzeugt, dass die Reformen Maos in den Yan'an-Jahren taugliche Institutionen geschaffen hatten, um die Dynamik der politischen Polarität zu kontrollieren. Maos Vorstellung der „Massenlinie“ zusammen mit seiner Forderung, die weithin gefürchteten Sicherheitsagenturen unter die Kontrolle der lokalen Parteikomitees zu stellen (also nicht allein unter die Leitung durch das Zentralkomitee), galten als zwei gängige Methoden, um rechtzeitig vor Exzessen zu warnen und sie dann unterbinden zu können.
Das Vertrauen in diese institutionellen Regelungen erwies sich jedoch als ungerechtfertigt. Gleichwohl waren diese Vorkehrungen rasch zu Ecksteinen der Parteiorthodoxie und des Staatsbildungsprozesses geworden. Die revolutionäre Volksrepublik von 1949 gründete sogar fast ausschließlich auf maoistischen Disziplinierungstechniken - die die gewaltsame Freund-Feind-Unterscheidung regulieren, aber auch anfeuern und dann erneut begrenzen sollten. Im Zusammenhang der Kampagne von 1950, „Konterrevolutionäre“ (zhenfan) auszuschalten, verknüpften sich diese Techniken mit den ad hoc-Strukturen der Massenlinie und verfestigten sich zu einer einzigartigen Form von „Gouvernementalite“.
Wenn man sich auf die 1950er Jahre konzentriert und insbesondere auf die Formierung des revolutionären Staates, dann wird klar, dass die verbreiteten Strukturen der „Massenlinie“ kaum mehr waren als ein Kondensat der FreundFeind-Dichotomie. Die Sicherheitskräfte waren entscheidend für die Umsetzung der jeweiligen Herrschaftstechniken, denn sie kontrollierten und organisierten die politischen Kampagnen, richteten die Organe der „Massenlinie“ ein, sorgten aber auch für die Begrenzung von Kampagnen oder Auseinandersetzungen, die aus dem Ärger oder der Enttäuschung der „Massen“ entstanden waren. Die Sicherheitsorgane waren damit beauftragt, intensivierte politische Gefühle in die Institutionen der „Massenlinie“ zurückzulenken; sie hatten dafür zu sorgen, dass sie hier produktiv wurden. Damit wurde die Dichotomie, die das Politische bestimmte, zugleich eine Dichotomie der Lebensweise insgesamt.
Die Organe der „Massenlinie“ waren die Grundorgane des Kontrollsystems des Staates für die Gesellschaft. Zugleich waren diese Institutionen in das Geflecht von Herrschaft und Regierung unmittelbar einbezogen. Sie sorgten dafür, dass die absolute Notwendigkeit einer Politik der Unterscheidung - zwischen Freund und Feind - Teil der konkreten und alltäglichen Zusammenhänge an den Arbeitsplätzen und in den sozialen Gemeinschaften Chinas wurde. Politik wurde mehr als alles andere die entscheidende Form „symbolischen Kapitals“ nach der Revolution: Die politische Haltung jedes einzelnen wurde zentral, sie war überall greifbar, nicht zuletzt in den alltäglichen Verhaltens-, Ausdrucks- und Kommunikationsformen.
Das „Politische“ wurde nicht allein in Äußerungen der Führung formuliert - wobei diese die Notwendigkeit des Klassenkampfes unterstrichen. Es zeigte sich vielmehr in alltäglicheren und wesentlich unspektakuläreren Formen. Die Menschen nannten sich vielfach nicht mehr „Herr“, „Frau“ oder „Fräulein“, sondern „Genossen“. Sie blickten nicht mehr herab auf die armen, ungelernten Arbeiter, sondern nannten sie „shifu“ oder „Alter Meister“. Schließlich wählten viele bei der Namensgebung der Kinder politische Namen wie Neues China Wang (Wang Xinhua), Errichte die Nation Gao (Gao Jianguo) , Sieg Chang (Chang Shengli): Sie alle wurden überaus populär in dieser Zeit. Abkürzungen für Begriffe wie „Dem Imperialismus entgegen treten“ (fandi) oder „Amerika widerstehen“ (kangmei) wurden ebenfalls weit verbreitete Vornamen. Sogar die Bezeichnungen politischer Kampagnen wurden Kindern als Namen gegeben.1
Es war die Freund-Feind-Unterscheidung, die fortwährend jene Spannungen und „Intensitäten“ reproduzierte, welche die politischen Kampagnen in China antrieb: Die „Erziehung der Massen“ ebenso wie die politischen Handlungen der Einzelnen wurden nach diesem Maßstab bewertet, diszipliniert und gegebenenfalls verändert. Zugleich war das aber ein Leben, das ausdrücklich auf einer unsicheren Unterscheidung gegründet war, einer Unterscheidung, die niemals endgültig fixiert werden konnte. Allein im Kennenlernen des Feindes und im Kampf gegen den Feind lernte man sich selbst kennen - oder in weniger maoistischen Begriffen, die hingegen an Carl Schmitt orientiert sind: „Der Feind ist die Frage an uns selbst als eine Figur“.2 Was freilich nach Mao geschah - das ist jedoch, wie man sagt, eine andere Geschichte. Wirksame Grenzen für politische Exzesse entwickelten sich erst, als das Politikmonopol gebrochen war. Und es war die Periode der „ökonomischen Reform“ nach 1978, die dieses Monopol überwand.
Erst in dieser Nach-Mao-Ära entfaltete sich eine Form von Staatlichkeit, in der nicht alles nur politisch bewertet wurde. Dennoch war die Verminderung der politischen Intensität und das Auflösen der politischen Unterscheidung von Freund und Feind nicht möglich ohne die vermittelnden Denk-Figuren und rhetorischen Tropen des Marxismus. Ironischerweise zeigte sich hier die Stärke des
marxistischen Diskurses, die Rhetorik des Klassenkampfes mit der Notwendigkeit zu verbinden, die wirtschaftlichen Kräfte zu entwickeln. Dies war auch die Voraussetzung dafür, dass sich die politische Zuspitzung, wie sie Resultat des Klassenkampfes und seiner bipolaren Logik gewesen war, allmählich auflöste. Das Ergebnis war schließlich eine Zeit, die sich als „unpolitisch“ beschreiben lässt.
Die Ära des „Unpolitischen“
Mao starb 1976 und das Zeitalter politischer Intensität starb mit ihm. Seit Dezember 1978 entfaltete sich eine sehr andere Form von Politik. Und wenn auch der Nachfolger Maos als Vorsitzender, Hua Guofeng, alle neuen Dinge in die Sprache des früheren Vorsitzenden kleidete, so war dennoch der Umbruch offenkundig. Maos Worte wurden benutzt, um das Ende seiner Politik zu bemänteln.
„Umfassende und sehr turbulente Klassenkämpfe, welche die breiten Massen einbezogen, sind im wesentlichen beendet worden“,1 so Hua Guofeng 1978. Zwar gebrauchte er die Worte, die Mao in seiner berühmten Rede von 1957 geprägt hatte;2 die Bedeutung unterschied sich freilich wesentlich. Das China Huas und später Teng Xiaopings war nicht länger dasselbe China wie das des „großen Steuermanns“ Mao Tsetung;3 China wurde nicht länger beherrscht von der Rhetorik einer „Politik auf Befehl“ (zhengzhi wei zhu). Vielmehr verwandte man die Aufmachung „der 1950er Jahre“ und die Worte von Mao Tsetung, um eine neue Zeit einzuläuten, in der die Ökonomie, nicht aber die Politik das Sagen haben würde.4 Hua selbst zögerte nicht, sein eigenes ökonomisches Modernisierungsprogramm, das einen entschiedenen Bruch bedeutete, den „Auslandssprung“ zu nennen. Damit erwies er bei aller Wendung nach ,außen‘ zugleich Mao und seinem „großen Sprung“ die Referenz.
Hier ist nicht der Ort, um die Ereignisse zu rekapitulieren oder von den Versuchen des Vorsitzenden Hua zu berichten, auszusehen wie der Vorsitzende Mao und sich so anzuhören, sich so zu verhalten wie dieser, und zwar mehr als Mao selbst. Wichtiger ist, in welcher Weise diese nachahmende Umformung Maos eingesetzt wurde, um das China der ökonomischen Reform auf den Weg zu bringen. Dieser Prozess der nachahmenden Umformung verhüllte die allerersten Versuche, die zweipolige Politik von Mao Tsetung und den Klassenkampf durch
ökonomische Reform zu ersetzen. Auf längere Sicht waren solche „Wiederholungen, aber mit einem Unterschied“ nicht notwendig, denn die politischen Strategien, mit denen die Wirtschaft vorangebracht werden sollte, entfalteten eine eigene Logik und Dynamik. Und dabei lösten sie die enge Verknüpfung, die Politik in der Ära Maos an das Alltagsleben gebunden - und den Alltag mit Leidenschaft und Intensität aufgeladen hatte.
Das Wiederbeleben eines alten marxistischen Arguments über die Zentralität der Produktivkräfte war der erste Ansatz, den die Parteiführung verwandte, um die Aufmerksamkeit von der Politik auf die Ökonomie zu lenken. Damit war es möglich, sowohl eine Kontinuität mit der marxistischen Lehre zu behaupten, zugleich aber darauf hinzuweisen, wie notwendig es sei, den „objektiven Gesetzen der Ökonomie“ zu folgen.1 Diese Bewegung schränkte den Raum für politische Aktionen ein. Denn es war das Gesetz von Gewinn und Verlust und nicht das politische „Gesetz“ von Freund und Feind, das nun die wirtschaftliche Strategie bestimmte. Die Wirtschaft aber war nicht das einzige Handlungsfeld, das seine spezifische Zweipoligkeit umformte, um eine Verminderung der Politik zu erreichen. So wurde zum Beispiel im Bereich der Kunst die offenkundige politische Dringlichkeit im selben Maße zurückgenommen, in dem Raum für andere, stärker ästhetisch gegründete Urteile und Bewertungen (nach Schönheit oder Hässlichkeit) Resonanz fanden.
Zugleich wurden Moralität und Ethik zunehmend von Maos zweipoligem Politikkonzept abgekoppelt. Und das war nirgends deutlicher erkennbar als in der Kampagne gegen „die Verunreinigung durch böse Gedanken“ von 1983. Innerhalb weniger Monate nach Beginn dieser Kampagne - die der Frage der „geistigseelischen Verunreinigung“ galt - war eine vorsichtige Veränderung der Debatte erkennbar: Vom Kampf gegen seelische Verunreinigung veränderte sich die Kampagne rasch zu einer, in der es um die Kultivierung des Selbst ging - um sicherzustellen, dass alle Bürger eine „geistig-seelische Zivilisation“ erreichen könnten.2 Wenn es möglich war, Kunst und Moral so radikal von der Politik zu entfernen, dann kann nicht überraschen, dass im Bereich des Rechts und der Polizei dasselbe möglich war.
Die Wirtschaftsreformen erforderten ausländische Investitionen; zur Absicherung waren entsprechende Gesetze erforderlich. Als es in der chinesischen Industrie üblich wurde, Wirtschaftsverträge abzuschließen, war es unabdingbar, formale Gesetzmäßigkeiten sicherzustellen, um das Einhalten der Verträge zu garantieren. Und wie der chinesische Rechtsgelehrte Zhang Shuyi argumentiert hat, war der entscheidende Grund für die Entwicklung des chinesischen Rechtssystems
seit 1979 die Unterstützung und Entwicklung der sozialistischen Warenwirtschaft. Zhang Shuyi führte aus: „Das Rechtssystem wurde in enger Übereinstimmung mit der Warenwirtschaft errichtet, und es wurde weiterentwickelt in engster Übereinstimmung mit der Entwicklung der sozialistischen Warenwirtschaft“.1 Für die wirtschaftliche Entwicklung war verlässliche Rechtsförmigkeit nicht nur notwendig, um ausländische Investitionen zu sichern; sie hatte darüber hinaus ein Klima der Stabilität zu signalisieren wie zu garantieren. Soziale Stabilität erforderte ihrerseits ein stabiles Rechtssystem und gerade nicht jene rechtliche Elastizität, welche die maoistische Vergangenheit charakterisiert hatte.
In den frühen 1980er Jahren erhielt China nicht nur sein erstes Strafgesetzbuch. Die Verfassung von 1982 verdeutlichte vielmehr: Der Bezugspunkt war nicht länger die Polarität zwischen dem „Volk“ und seinen „Feinden“.2 In dieser Phase war Chinas grundlegende juristische Zeitschrift „Rechtsforschung“ (Faxue Yanjiu) gefüllt mit Kritiken der „rechtlichen Elastizität“3 und deren Darstellung als Instrument der Klassendiktatur.4 Anstelle des „proletarischen Gesetzes“, das jedes erdenkliche Mittel vorsah, um jeden Feind auszulöschen, beschäftigten sich reformorientierte Juristen nun mit dem sozialistischen Gesetz als Verkörperung aller sozialen Bedürfnisse und der umfassenden Repräsentation des Gemeinwohls.5
Solche Veränderungen im Denken waren nicht auf das Reich der Begriffe begrenzt. Es veränderte sich auch die Praxis des Polizierens. Im starken Gegensatz zur Mao-Ära sank in den Reformjahren die Zahl der Personen dramatisch, die mit dem Vorwurf konterrevolutionärer Verbrechen überzogen wurden. In der ersten Phase der Reformzeit betrafen nicht mehr als 0,1 % aller Anklagen das, was als „konterrevolutionäre Verbrechen“ galt. Und selbst diese vergleichsweise kleine Zahl verminderte sich: 1979 ging es bei etwa 1000 Strafverfahren ganz oder zum Teil um „konterrevolutionäre Verbrechen“, wohingegen in den Gefängnissen über 7 % aller Häftlinge als politische Gefangene galten. 1990, das heißt selbst nach den Verhaftungen im Anschluss an die Proteste auf dem Tian'anmen- Platz (vor und) am 4. Juni 1989 wurden nur etwa 400 Anklagen konterrevolutionären Verhaltens erhoben, nur 4% der Gefängnisinsassen insgesamt waren wegen konterrevolutionärer Taten angeklagt bzw. verurteilt worden.
Überhaupt ist besonders bemerkenswert bei den Ereignissen des 4. Juni 1989, wie sehr die chinesische Regierung nun bereit war, jedes Wiederaufleben der politischen Zweipoligkeit der Vergangenheit zu unterbinden. Protestierende, die während der Aktionen von 1989 verhaftet worden waren, wurden kriminalisiert -
das war aber weit entfernt von einem Wiedererwachen „des Politischen“. Ungefähr 30 % aller bei den Protesten Verhafteten waren nach Polizeianalysen „nicht gebesserte“ Wiederholungstäter; weitere 50 % wurden klassifiziert als „sozialer Abschaum“, während weitere 3 % als Profiteure und korrupte Beamte galten. Nur eine „kleine aber aktive Zahl“, so die Polizei, waren Spione und Geheimagenten ausländischer Mächte.1 Der Begriff des „konterrevolutionären Verbrechens“ verschwand fast vollständig aus dem Gebrauch. Folgerichtig wurde er in den Ergänzungen des Strafgesetzbuches von 1997 fallengelassen.
Politische Bewertungen, die auf der Freund-Feind-Unterscheidung basierten, waren in dieser Phase überwiegend eine Sache der Vergangenheit. Das soll nicht heißen, dass Gewalt und Exzess in China nicht mehr anzutreffen gewesen wären. Aber revolutionärer Überschwang und revolutionäre Intensität, die lange die Revolution, aber auch Exzesse angetrieben hatten - ihr Monopol war aufgehoben.
Schlussbemerkungen: Neue Formen von GewaltPolizeistatistiken aus dieser Zeit sind höchst unzuverlässig. Aber Tao Jians eigene Erinnerung sagt, dass die „Ausrichtung“ zu über 3.000 Verhaftungen und Hinrichtungen allein in seinem Arbeitsbereich führte.1 Wenn man davon ausgeht, dass zu ihrem Höhepunkt die Polizei in Taihang nicht mehr als 3.500 Polizisten hatte2 wird deutlich, welche Macht dem bi-gong-xin zukam. Eine solche Macht, so scheint mir, wurde weder im Ärger noch im Triumph, sondern in großer Furcht praktiziert: Furcht trieb die kommunistische Funktionäre von der Säuberung zum Revanchismus, von der „Massenlinie“ zur Gewalt.
Die Politik der „Massenlinie“, von der Tao Jian und andere mit den gewalttätigen Säuberungen angeblich abgewichen waren, war im Februar 1943 eingeführt worden: Mao hatte in einer Rede die Notwendigkeit begründet, den Arbeitsstil der Partei zu korrigieren.3 Danach resultierte die Notwendigkeit, die Partei zu säubern, aus dem spektakulären Wachstum der Partei nach der Kriegserklärung an Japan 1937. Die unzureichende politische Bildung der neuen Parteimitglieder, aber auch ihr Klassenhintergrund machte in den Augen der Führung politische Erziehung dringlich.4 Die Sorge war groß, die neuen Parteimitglieder würden ohne ein besseres Verständnis der Partei-Linie schwerwiegende Fehler machen, mehr noch: die Partei würde „unsaubere“ Elemente aufnehmen.
Denkens. Zentrales Ziel, das bereits zuvor die nationalistische und antijapanische Position der Partei bestimmt hatte, war die Einheit. Politisch führte diese Kampagne eine Methode ein, mit der die Erweiterung des Einheits-Diskurses für einen neuen Typ von Kampagne genutzt werden konnte. „Einheit - Kritik - Einheit“ war deshalb der Schlachtruf. Die Rückkehr zur „richtigen“ Linie bzw. die Ausrichtung der Linie zielte darauf, Gewalt zu begrenzen - durch ein reflektiertes Verstehen von Widersprüchen und Unterschieden, im Gegensatz zur These der unaufhebbaren und allein bestimmenden Polarität von Freund und Feind.
Unterschiede galten nicht länger als eine Tarnung verborgener Feinde. Ebenso wie die Einheitsfrontpolitik gegenüber den Japanern die eigene Basis erheblich erweitert hatte - sehr viel mehr Menschen konnten nun „Freunde“ sein -, bedeutete die Konzentration auf „Ausrichtung“ ein Mittel zur Verminderung jener Gewalt, die sich gegen die Feinde richtete. Jetzt wurde betont, Unterschied bedeute nicht notwendig „Abweichung“. Das war zumindest eine Differenzierung, die in der „Ausrichtung“ angelegt schien. Was allerdings konkret geschah, als die Kampagne in Gang gesetzt wurde, hatte nichts mit solchen Erwägungen zu tun.
Ungeachtet der Versuche, eine differenziertere Wahrnehmung von Widersprüchen zu entwickeln, verharrte die „Ausrichtungs“-Kampagne dennoch in der zweipoligen Logik des Klassenkampfes. Es blieb deshalb stets möglich, zur Gewalt zurückzukehren, zumal als sich das relativ offene und freizügige Klima des Jahres 1942 zu ändern begann. 1943 war dieser Umschwung in vollem Gange; entsprechend veränderte sich die Bedeutung von „Ausrichtung“. Die Gründe für diesen Umschwung lagen auf der Hand.
Zunächst hatte die japanische Armee, die 1937 in China eingefallen war, 1943 die Kommunisten zu ihrem Hauptfeind erklärt. Angesichts unausgesetzter japanischer Angriffe auf die kommunistischen Basislager bestimmte mehr und mehr die Furcht vor einem „inneren Feind“ die Sprache und Logik der „Ausrichtung“. Noch bedeutsamer war - zweitens -, dass die mühsame Verbindung zwischen Kommunisten und den nationalistischen Parteien brüchig wurde. Gewiss zeigten sich beide einig im Kampf gegen die Japaner. Parallel aber war die Kuomintang (KMT) zunehmend beunruhigt durch das enorme Wachsen der kommunistischen bewaffneten Kräfte. 1943 entschied sich die Führung der KMT zu handeln: Sie blockierte kommunistische Lager und intensivierte ihre Spionageaktivitäten. Das aber steigerte Angst und Sorge bei den Kommunisten: vor dem Hintergrund der Beziehungen zwischen beiden Parteien seit den frühen 1920er Jahren eine verständliche Reaktion auf kommunistischer Seite.
Die Kommunisten hatten in diesen Jahren große Verluste erlitten und waren durch die Infiltration und auch Verrat seitens der KMT hart getroffen worden. Als die kommunistische Partei und die KMT ihre erste Einheitsfront 1927 formiert hatten, war die kommunistische Partei beinahe ausradiert worden: Ihr Alliierter -
eben die KMT - massakrierte in Schanghai Tausende Mitglieder der KP.1 Es folgte ein unentschiedener Bürgerkrieg, der fortgeführt wurde bis die japanische Invasion eine Weiterführung unmöglich machte. Ungeachtet wechselseitigen Misstrauens formierten die beiden Parteien nun erneut eine Allianz gegen die Japaner. Es war diese zweite Einheitsfront, die ab 1943 zunehmend unter internen Druck geriet.
Vor diesem historischen Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die Kommunisten skeptisch, wenn nicht misstrauisch gegenüber der KMT waren. Vor allem wollten sie auf keinen Fall die Fehler wiederholen, die zum SchanghaiMassaker geführt hatten. Wenn Selbstschutz bedeutete, härtere und schärfere Maßnahmen zu treffen, um die „inneren Feinde“ auszuschalten, dann schienen sie unvermeidlich. Dies war die Ausgangsbedingung dafür, dass die „weiche“ Ausrichtung, für die das kommunistische Basislager in Yanan später berühmt wurde, nun „gehärtet“ wurde.2 „Ausrichten“ wurde umgesetzt als Prüfen der Kader. Bei denen, die man als feindliche Agenten erkannte oder zu erkennen meinte, wurde aus dem „Ausrichten“ Vernichten. Angesichts des Feindes an den Toren und vermeintlicher oder tatsächlicher versteckter Feinde in den eigenen Reihen entwickelte der Leiter der kommunistischen „Sicherheit“, Kang Sheng, die Verfahren, die den Übergang zurück zur Gewalt rechtfertigen sollten. „Ausrichten = Prüfen der Kader = die Vernichtung der Konterrevolutionäre“ - so pflegte er den Prozess zusammenzufassen.3 4 Tao Jian und seine drei Genossen waren also nur Bauern in einem weit größeren Spiel.
Die Säuberungen in Tao Jians Taihang-Bezirk wiederholten sich in allen Bezirken, die die Kommunisten zu der Zeit kontrollierten. Verdächtige wurden gefoltert und gequält, sie verhungerten oder wurden durch das Vortäuschen von Exekutionen psychisch gemartert. All das geschah im Rahmen der Revolution.11 Vom Standpunkt der Kader der „Sicherheit“ waren alle Aktionen gerechtfertigt, die die Partei schützten. Schließlich mochte ein einziges erzwungenes Geständ- nis den Unterschied zwischen Fortbestand und Untergang der Revolution bedeuten. Unter solchen Vorzeichen überrascht es nicht, dass die Weigerung, eine bi-bong-xin zu vollziehen, als Zeichen mangelnder politischer Ernsthaftigkeit und politischen Engagements gelten konnte. Denn wahres Engagement bedeutete, die Grenzen der Alltagsmoral zu überwinden. Wenn die Sicherheits-Kader
Schlafentzug praktizierten, wenn sie Verdächtige rund um die Uhr verhörten und physische Gewalt anwandten, um Geständnisse zu erzwingen - dann gingen sie immer davon aus, dass sie sich moralisch absolut integer verhielten. Solange es „Ratten“ innerhalb der Reihen der Partei gab, hatten sie offenbar gar keine Alternative. Es war Kang Shang, der den Weg wies und den Sicherheitskräften klarmachte, was gute „Rattenfänger“ tun würden und tun mussten: Man solle die feindlichen Agenten als „Ungeziefer“ behandeln.
„Das erste, was man tun muss, ist eine wirklich große männliche Ratte fangen. Und wenn Du sie gefangen hast, stecke ihr hinten eine Sojabohne rein und dann nähe es zu. Nach einigen Tagen wird sie gewaltig angeschwollen sein und das wird sie verrückt machen und sie wird von einem Rattenloch zum nächsten gehen und die Gesellen tot beißen. Und wenn sie alle anderen erledigt hat, wird sie selbst verenden. Und genauso sollten wir es machen beim Vernichten der Kampagnen der Verräter!“1
Kang Shangs „Rattenkampagne“ von 1943 dauerte nicht lange. Genauso wie das Shanghai-Massaker aus Sicht der kommunistischen Partei die Notwendigkeit revolutionärer Wachsamkeit unterstrichen hatte, so führten auch Gewaltexzesse, Gruppenbildungen und paranoide Säuberungskampagnen, wie sie auf dieses Massaker folgten, zu anderen Lehren. Welche aber waren das?
Als die kommunistische Partei nach 1927 gezwungen wurde, sich aus Shanghai zurückzuziehen, wandte sie sich wortwörtlich den Hügeln zu, den abgelegenen und gebirgigen ländlichen Grenzregionen von Jiang Xi. Hier errichtete die Partei kleine kommunistische Räte, die gerade überlebensfähig waren. Umgeben von KMT-Truppen, die sie ausradieren wollten, waren diese Gruppen nahezu bewegungsunfähig. Keine Furcht plagte die Kommunisten mehr als die Furcht vor Verrat. Die „Wachsamkeit“ der Sicherheitskräfte der Partei verstärkte aber nur noch die Wahrnehmung dieser Gefahr. Und die bi-gong-xin-Techniken der Sicherheitskräfte führten nicht allein zum Entdecken von Feinden; sie produzierten sie zugleich. Verschwörungen, die nur in der Vorstellung existierten, gab es in allen Lagern und bei allen örtlichen Räten; und stets vergrößerten oder überzeichneten sie die Gefahren, die den Kommunisten drohten.
Die Kommunisten begannen, ihre eigenen Leute zu „fressen“. Die - unvollständigen - Statistiken aus den ersten Jahren der kommunistischen Herrschaft in Jiang Xi zeigen das auf der Grundlage von taiwanesischen Schätzungen, die inzwischen durch Forschungen in der Volksrepublik weitgehend bestätigt sind.2 Aus diesen Arbeiten wissen wir, dass die Säuberungskampagnen, die die kommunistischen Sicherheitskräfte in den Jiang Xi-Räten durchführten, ebenso viele
kommunistische „Verräter“ innerhalb der Partei vernichteten wie die KMT- Militäraktionen kommunistische Soldaten in den militärischen Kämpfen töteten. In einer Reihe anti-kommunistischer „Umzingelungs- und Vernichtungs“-Kam- pagnen, die die KMT-Armee zwischen 1931 und 1934 unternahm, wurden danach etwa 50.000 kommunistische Soldaten getötet. In derselben Zeit hatten die KP-Sicherheitskräfte eine gleiche Zahl von Personen getötet oder fälschlich ein- gesperrt.1 In den ländlichen Rätegebieten von Jiang Xi nahmen die Repressalien ein derartiges Ausmaß an, dass selbst Mao Tsetung, der zunächst als besonders eifriger Teilnehmer an solchen Maßnahmen in Erscheinung getreten war, sich schließlich gegen diese Aktionen wandte.2
Von Mao Tsetung wird berichtet, er habe einem der Kommandanten eines der Basislager erklärt: „Wenn dieses [Töten] weitergeht, sind Attacken des Feindes nicht mehr notwendig, denn wir werden uns selbst die Kehle durchgeschnitten haben“.3 Die Furcht vor dem inneren Feind, die alles überschattete, führte zu einer Situation, in der Verletzungs- und Vernichtungsgewalt entschuldbar - in denen sogar Exzesse als unvermeidlich erschienen. Es war diese Furcht, die schließlich zum erneuten Auftreten von Gewalt selbst im Rahmen der moderaten „Ausrichtungs“-Kampagne führte. In vieler Hinsicht war es sogar diese Furcht, die die Kommunistische Partei Mao Tsetungs definierte - und die darüber hinaus das revolutionäre Unternehmen insgesamt in vielfacher Weise bestimmte, gerade auch für die Zeit nach dem Sieg der Partei 1949.
Freund und Feind
„Wer sind unsere Feinde? Wer sind unsere Freunde?“, so hatte Mao Tsetung 1926 gefragt.4 Es war diese spezifische Frage, die die KP Chinas und ihre revolutionäre Zukunft bestimmen sollte. Und insofern war es unvermeidlich, dass das polizeiliche Umsetzen der Frage nach Freund und Feind die Aktionen und Verhaltensweisen der „Sicherheit“ der Partei fortan bestimmten. Mehr noch, diese Frage markiert die beiden Pole des radikalen politischen Experiments von Maos
China. Denn die radikale „Viererbande“ hatte eben diese Worte auf den Lippen, als sie schließlich von der Bühne der Geschichte gestoßen wurde.1 Und eben deshalb war der Staat Maos in einem sehr grundsätzlichen Sinne prinzipiell „politisch“ - politisch zugleich im Sinne Carl Schmitts. Dass dieser Staat „politisch“ war, mag selbstverständlich scheinen. Aber weshalb ich diesen Zustand zugleich auf Carl Schmitt beziehe, erfordert weitere Erläuterungen.
Beinahe zwei Jahre nachdem Mao Tsetung seine „revolutionäre Frage“ zuerst gestellt hatte, formulierte der deutsche Staatsrechtler und politische Theoretiker Carl Schmitt auf seine Weise die Frage nach Freund und Feind - in seiner seither vielfach zitierten, mitunter gefeierten und jedenfalls immer wieder diskutierten Studie „Der Begriff des Politischen“.2
In diesem Buch war die Frage nach Freund und Feind nicht von Belang für die Revolution - aber sie betraf das Zentrum alles dessen, was wir ,politisch‘ nennen. Für Schmitt war das Politische in der Tat nichts anderes als die polare Unterscheidung von Freund und Feind. Und weil dieser zweipolige Rahmen „politische Intensitäten“ antrieb, überführte er alle Aspekte des Lebens in schlichte Entweder-oder-Entscheidungen. Für Schmitt war Politik deshalb in einer Weise bestimmend, die kein anderer Lebensbereich je erreichen konnte. Allein die polare Ausdrucksform des Politischen produzierte „Intensität“, und allein diese „Intensität“ vermochte in einem existentiellen Sinne ganze Gesellschaften in den Krieg zu treiben und jeden einzelnen zu motivieren, ohne persönlichen Hass zu töten. Kein anderer Bezugsrahmen hatte dieses lebensbedrohende Potential. Allein diese politische Unterscheidung, darauf beharrte Schmitt, entschied alles; sie war unverzichtbar und unaufhebbar.
In dieser Sicht sind die Erinnerungen an Maos Revolution und die Sicherheitskräfte, die ihre Gewaltgrenzen regulierten, mehr als historische Erzählungen.
Sie erweisen sich vielmehr als empirische und historische Rechenschaftsberichte über den Versuch eines Nationalstaates, als politischer Staat im Sinne Carl Schmitts zu existieren. Allein die Maoistische Revolution brachte Institutionen und Praktiken hervor, die darauf angelegt waren, die gewaltförmige „Intensität“ so zu regulieren und zu polizieren, dass sie nicht zu Exzessen führte. Insofern können die realen Erfahrungen der Mao-Zeit als eindringlicher Beitrag zur Theorie des Politischen betrachtet werden. Im Blick auf diese Zeit lässt sich der Grad der Veränderbarkeit des Politischen (im Sinne Carl Schmitts) erkunden. Im Lichte von Maos Revolution wird erkennbar, dass im Banne der politischen Zweipoligkeit alles Leben notwendig gewaltförmig wurde. Die Geschichte von Mao Tsetungs Revolution lässt sich somit als ein lang dauernder, fortwährender, schließlich aber
gescheiterter Versuch verstehen, die politische Intensität der Freund-Feind-Unterscheidung zu stärken - sie aber zugleich so zu begrenzen, dass sie nicht unkontrollierbare und exzessive Formen annimmt und damit kontraproduktiv wird. Die chinesische Revolution erlaubt somit neue Einsichten in das, was sich als „das Schmittsche Dilemma“ bezeichnen lässt.
Das Schmittsche Dilemma
Was ist dieses Dilemma? Im Kern handelt es sich um das Dilemma einer Politik des Engagiertseins. Wenn Politik uns dazu bringt, ohne Hass zu töten - wie lässt sie sich dann so „normalisieren“ oder disziplinieren, dass es möglich wird, nicht allein im Zustand von Ekstase oder Verzweiflung zu leben? Chantal Mouffe hat eine Antwort vorgeschlagen. Sie argumentiert, die „entscheidende Unzulänglichkeit der Freund-Feind-Unterscheidung von Carl Schmitt ist, dass er zwar Konflikte als Grundmuster des Politischen bestimmt, zugleich aber unterschiedliche Dimensionen dieser Konflikthaftigkeit nicht zulässt“.1 Anders als Schmitt besteht Mouffe auf der Möglichkeit, Nichtübereinstimmung in anderen Formen zu zeigen als im Kampf gegen einen „Feind“, der zu vernichten sei. Schmitt vergesse die Rolle des „Gegners“; damit ignoriere er „Möglichkeit von Konflikten, welche den Kampf zwischen Feinden (Antagonismus) vermeiden“.2 Diese dritte Position des „Gegners“ öffnet in dieser Sicht einen Ausweg aus der - extensiven - Gewaltsamkeit, die in der Polarität von Carl Schmitt angelegt ist.
Wenn man dies auf die revolutionäre Vergangenheit Chinas bezieht, tritt zunächst die alles überragende Figur des Vorsitzenden Mao Tsetung hervor. Er operierte innerhalb der Logik der politischen (Freund-Feind-)Dyade; dennoch versuchte Mao, die Intensität der Gewaltsamkeit des Kampfes zwischen Freund und Feind zu vermindern - und zwar durch Einführung der Unterscheidung zwischen „Feinden“ und „Gegnern“. Zum ersten Mal wurde diese Differenz 1957 formuliert, unter der Überschrift der nicht-antagonistischen Widersprüche; aber schließlich erwies sich diese Überlegung als kontraproduktiv.3 Denn Maos Versuch, die enge Verknüpfung von Feind und Gegner dadurch zu lockern, dass er antagonistische und nicht-antagonistische Widersprüche unterschied, führte nicht zur Verminderung von Gewalt. Mao blieb bei einer Konzeption des Staates, die Schmitts Theorie des Politischen spiegelte. Gewaltförmige „Intensitäten“ prägten auch seine differenzierteren und liberaleren Ansätze. In einer Situation, in der die Schmittsche Bestimmung des Politischen faktisch weiterhin dominierte, beförderten Maos nicht-antagonistische Widersprüche keineswegs eine
Verminderung von Klassenkampf und Gewalt. Sie ermunterten vielmehr ihre Ausbreitung, durchaus im Gleichklang mit Schmittschen Positionen.1 Deshalb kann es nicht überraschen, dass die Vorstellung von nicht-antagonistischen Widersprüchen im gesellschaftlich-politischen Alltag nur zu einer Erweiterung des Gefängnissyndroms (um mit Michel Foucault zu sprechen) führte.
Während dieses, also das „Reform durch Arbeit“-Strafsystem der konkrete Ort war, Feinde zu inhaftieren, gaben die nicht-antagonistischen Widersprüche die theoretische Basis für eine auf „Verbesserung“ gerichtete Parallelinstitution. Im Jahr 1957 wurde das Strafsystem „Reform durch Arbeit“ um eine reformistische, nicht auf Strafen gerichtete Komponente erweitert; sie zielte auf das „Umerziehen“ von „Gegnern“. Diese (freilich auch zwanghafte) Umerziehung in und durch Arbeit hieß „Reform durch Erziehung“. Im Zuge der Intensivierung des Klassenkampfes (im Zusammenhang der Kampagne gegen „Rechte“) wurden beide allerdings rasch ununterscheidbar. Faktisch führte das „Reform durch Erziehung“-Programm also nur dazu, die Inhaftierung weiterer Hunderttausender „Gegner“ zu ermöglichen. Sie kamen nun zu den Millionen von „Feinden“ ebenfalls hinter Gitter: kein ermutigender Beginn für eine Alternative zur Schmittschen zweipoligen politischen Logik!
Alternativ hat der politische Philosoph Paul Hirst eine andere Lösung für die Zweipoligkeit zur Diskussion gestellt. Sein Vorschlag basiert auf einem Widerspruch, den er in Schmitts eigenem Argument sieht. Im Grunde, so Hirst, sei für Schmitt die Freund-Feind-Polarität nicht zu überwinden; sie könne nur kontrolliert und reguliert werden. Dies sei der Grund dafür, dass die Macht des Souveräns in Schmitts Weltsicht zu dominant sei.
Für Hirst war Schmitt ein Autoritärer, der einen totalen Staat hochschätzte und glaubte, dass es die besondere Pflicht aller Bürger sei, zu gehorchen. Für Hirst aber ist ein solcher totaler Staat notwendig in Konflikt mit dem Konzept einer zweipoligen Politik. Der totale Staat sei gerade dadurch bestimmt, dass alles „politisch“ werde - dies aber führe dazu, dass das Politische selbst gleichsam „infiziert“ werde von den Folgen eines „totalen“ (oder totalisierenden) Wirtschaftsmanagements sowie einer „totalen“ (oder totalisierenden) sozialen Organisation. In dem Maße, in dem Bürokratien anwachsen, um die vielfältigen Aufgaben von Verwaltung und Regierung zu meistern, reduziere „der Staat die Reichweite des Entweder-Oders von Entscheidungssituationen, und zwar gerade dadurch, dass die Agenda der öffentlichen Geschäfte enorm ausgeweitet wird. Der Staat ist nicht länger der ,souveräne‘ Körper und Gestalter des politischen Kampfes, sondern vielmehr zunehmend ein riesiger Komplex schlecht koordinierter öffentlicher Dienstleistungsagenturen“.2 Seine These ist: Bürokratie unterbinde die Einzigartigkeit von - politischer - Intensität, und zwar dadurch, dass
sie zahllose Rivalitäten zwischen Abteilungen des Staatsapparates, gesellschaftlichen Sektoren und verschiedenen Interessenten anrege oder befördere.
Ein erneuter Blick auf den politisierten „totalen Staat“, wie er in China während der Schlussphase der Kulturrevolution existierte, zeigt, dass hier die Wirkungen von Bürokratie ihrerseits von den konkreten Politiken der Führung abhingen. Im Jahr 1975 dominierte in China ausschließlich die politische Dy- ade, „der Klassenkampf als Schlüssel“ ( jieji douzheng weizhu). Gleichzeitig sollten die „schlecht koordinierten öffentlichen Dienstleistungsagenturen“, aus denen nach Hirst die chinesische Staatsbürokratie bestand, als eine „umfassende Diktatur des Proletariats“ funktionieren (quanmian wuchanjieji zhuanzheng). Ausgehend von der Vorstellung, der Klassenkampf sei der Schlüssel, sahen die radikalen Theoretiker der Kulturrevolution alle Unterteilungen in der Bürokratie als ein Symptom des Klassenniedergangs. Mit anderen Worten: Die enge Verknüpfung von totalem Staat und Klassenkampf führte zu einer Intensivierung, nicht aber zu einer Verminderung der Freund-Feind-Dyade. In dieser Deutung des Politischen galt jede bürokratische Spezialisierung und Unterteilung als Niedergang - und Niedergang war in dieser Sicht nur eine andere Erscheinungsform des Revisionismus, also ein neuer Anlass, den Kampf zu intensivieren.
Wenn die Zweipoligkeit von Politik alle Lebensaspekte dominiert, kommt es also nicht darauf an, ob Feinde als Gegner oder als Ergebnis schlecht koordinierten bürokratischen Handelns gelten. Keine der beiden Lesarten vermag die Begeisterung für exzessive politische Feindschaft zu dämpfen oder eine Rückkehr zu Gewalt und Exzess zu verhindern. Die Geschichte der chinesischen Revolution scheint zu zeigen, dass jeder Versuch, gewaltförmige exzessive Intensität des Politischen herunterzufahren, nur dazu führt, politisches Handeln erneut anzu- stacheln und Gewalt und Exzesstaten zu ermuntern. Sobald sich die Logik des politischen Entweder-Oder durchsetzt, gibt es offenbar im Rahmen des Politischen keine Möglichkeit, Gewaltexzesse zu verhindern oder einzugrenzen. Zu erwarten, dass es möglich sei, das Politische von innen zu überlisten und politische Intensität einzugrenzen, um sie auf produktive Ziele zu lenken, heißt nur, den maoistischen Traum fortzuträumen. Es ist dieser Traum, der Mao über Schmitt hinaustrieb und zwar bis zu dem Punkt, an dem es unausweichlich schien, die Grenzen des politischen Engagements jedes Einzelnen zu testen.
Für Schmitt war das Politische weitgehend das Resultat dessen, was Foucault die „souveräne Macht“ genannt hat - und diese Macht wurde aufgenommen oder aufgefangen im totalen Staat, dem die Bürger nunmehr zu gehorchen hatten. Aber Mao Tsetung wollte mehr als Gehorsam. Sein Staat forderte Engagement und Mitmachen. In Maos China führte dieses Ziel dazu, Technologien zu entwickeln oder zu nutzen, die Foucault fraglos „disziplinarisch“ genannt hätte. Dazu gehörte die Serie „disziplinierender“ politischer Kampagnen, die die Mao- Periode von
1949 bis 1976 durchzogen und mit denen Funktionäre, Arbeiter und Bauern in die Vorstellungswelt der revolutionären (Selbst-)Verpflichtung unterwiesen und eingeführt wurden. Im Alltagsleben der chinesischen Arbeitskollektive wurde das politische Mitmachen und Sich-Engagieren zu einer Form von politischem Kapital, das die Kampagnen verstärken und wiederum die Massen vermehrt politisieren sollte.
In dem Maße, in dem die Freund-Feind-Polarität immer wieder alle Grenzen durchbrach, erfanden die Vertreter des Maoismus immer neue Techniken, um die damit verbundenen Gewaltexzesse zu verhindern oder zu überwinden. Von hier aus kann die Geschichte der chinesischen Revolution als ein andauernder Kampf verstanden werden, Mittel und Formen zu finden, das Politische einzuhegen.
Klassenkampf und fortwährende Revolution (buduan geming) waren zwei zentrale maoistische Mechanismen, um die Revolution in Bewegung zu halten - durch fortwährendes Ermuntern und Vorantreiben von politischer Intensität. „Ausrichtung“, „nichtantagonistische Widersprüche“ und die Macht, die sowohl die Parteikomitees wie die Organe der „Massenlinie“ hatten, waren einige der Instrumente, die Mao verwandte, um politische Intensität für produktive Ziele anzuregen, zugleich aber auch einzuhegen. Die stete Spannung zwischen Ermuntern und Einhegen der Intensität des Politischen markiert das Zentrum des revolutionären Dilemmas von und für Mao; deshalb war dies für ihn stets eine zentrale Frage der Revolution. Die fehlgeschlagenen Disziplinierungen des maoistischen revolutionären Staates zeigen zentrale Probleme einer solchen „com- mitment politics“, der Politik des Engagements und Mitmachens - und diese heilsamen Warnungen waren erkennbar von Anfang an, das heißt seit der Begründung der Räte in Jiang Xi.
„Wir fürchten nicht den Himmel, wir fürchten nicht die Hölle, wir fürchten nur, wenn wir zu einen Gespräch mit dem [Sicherheits-]Agenten gerufen werden“ (Tian bu pa, di bu pa jiu pa tepaiyuan zhao wo tan hua).1 Dies skandierten die Massen in der Zeit der Exzesse, während der Jiang Xi Räte. In den Jahren, die den Säuberungen in den Jiang Xi-Räten der frühen 1930er Jahre folgten, versuchte Mao diesen Rufen zu entsprechen und den Massen die Furcht vor den Sicherheitskräften zu nehmen. Beginnend mit der Zeit in Yan'an ab Mitte der 1930er Jahre bis zum Sieg 1949 war die Frage, wie Exzesse und Ausschreitungen zu kontrollieren seien, stets zentral für das Denken in der kommunistischen Partei.
Nach 1949 sahen sich die Kommunisten jedoch mit einer anderen Frage konfrontiert. „Wir fürchten nicht den Himmel, wir fürchten nicht die Hölle, unsere einzige Furcht ist, wenn die kommunistische Partei Milde verkündet“ (Tian bu pa, jiu pa Gongchanang jiang kuanda)2 - das war in der ersten Hälfte des Jahres
1950 zu hören. Diejenigen, die jahrelang gekämpft hatten, um ihr Land von der KMT und den „Imperialisten“ zu befreien - diese Unterstützer der KP wollten nun Rache. In dieser Situation rief die Partei nicht mehr nach Milde.
Im Oktober 1950 hatte die Partei bereits wieder eine neue Jagd nach „konterrevolutionären“ Feinden begonnen. In der Parteiführung war man (überwiegend fälschlich) überzeugt, dass in den Jahren in Yan'an das anscheinend moderate „Korrektur“-Programm Maos die Strukturen und Ansichten ausreichend verändert hatte, so dass Exzesse begrenzt würden, wenn gleichzeitig „revolutionärer Nachdruck“ im Kampf gefordert wurde.1 Sie waren zugleich davon überzeugt, dass die Reformen Maos in den Yan'an-Jahren taugliche Institutionen geschaffen hatten, um die Dynamik der politischen Polarität zu kontrollieren. Maos Vorstellung der „Massenlinie“ zusammen mit seiner Forderung, die weithin gefürchteten Sicherheitsagenturen unter die Kontrolle der lokalen Parteikomitees zu stellen (also nicht allein unter die Leitung durch das Zentralkomitee), galten als zwei gängige Methoden, um rechtzeitig vor Exzessen zu warnen und sie dann unterbinden zu können.
Das Vertrauen in diese institutionellen Regelungen erwies sich jedoch als ungerechtfertigt. Gleichwohl waren diese Vorkehrungen rasch zu Ecksteinen der Parteiorthodoxie und des Staatsbildungsprozesses geworden. Die revolutionäre Volksrepublik von 1949 gründete sogar fast ausschließlich auf maoistischen Disziplinierungstechniken - die die gewaltsame Freund-Feind-Unterscheidung regulieren, aber auch anfeuern und dann erneut begrenzen sollten. Im Zusammenhang der Kampagne von 1950, „Konterrevolutionäre“ (zhenfan) auszuschalten, verknüpften sich diese Techniken mit den ad hoc-Strukturen der Massenlinie und verfestigten sich zu einer einzigartigen Form von „Gouvernementalite“.
Wenn man sich auf die 1950er Jahre konzentriert und insbesondere auf die Formierung des revolutionären Staates, dann wird klar, dass die verbreiteten Strukturen der „Massenlinie“ kaum mehr waren als ein Kondensat der FreundFeind-Dichotomie. Die Sicherheitskräfte waren entscheidend für die Umsetzung der jeweiligen Herrschaftstechniken, denn sie kontrollierten und organisierten die politischen Kampagnen, richteten die Organe der „Massenlinie“ ein, sorgten aber auch für die Begrenzung von Kampagnen oder Auseinandersetzungen, die aus dem Ärger oder der Enttäuschung der „Massen“ entstanden waren. Die Sicherheitsorgane waren damit beauftragt, intensivierte politische Gefühle in die Institutionen der „Massenlinie“ zurückzulenken; sie hatten dafür zu sorgen, dass sie hier produktiv wurden. Damit wurde die Dichotomie, die das Politische bestimmte, zugleich eine Dichotomie der Lebensweise insgesamt.
Die Organe der „Massenlinie“ waren die Grundorgane des Kontrollsystems des Staates für die Gesellschaft. Zugleich waren diese Institutionen in das Geflecht von Herrschaft und Regierung unmittelbar einbezogen. Sie sorgten dafür, dass die absolute Notwendigkeit einer Politik der Unterscheidung - zwischen Freund und Feind - Teil der konkreten und alltäglichen Zusammenhänge an den Arbeitsplätzen und in den sozialen Gemeinschaften Chinas wurde. Politik wurde mehr als alles andere die entscheidende Form „symbolischen Kapitals“ nach der Revolution: Die politische Haltung jedes einzelnen wurde zentral, sie war überall greifbar, nicht zuletzt in den alltäglichen Verhaltens-, Ausdrucks- und Kommunikationsformen.
Das „Politische“ wurde nicht allein in Äußerungen der Führung formuliert - wobei diese die Notwendigkeit des Klassenkampfes unterstrichen. Es zeigte sich vielmehr in alltäglicheren und wesentlich unspektakuläreren Formen. Die Menschen nannten sich vielfach nicht mehr „Herr“, „Frau“ oder „Fräulein“, sondern „Genossen“. Sie blickten nicht mehr herab auf die armen, ungelernten Arbeiter, sondern nannten sie „shifu“ oder „Alter Meister“. Schließlich wählten viele bei der Namensgebung der Kinder politische Namen wie Neues China Wang (Wang Xinhua), Errichte die Nation Gao (Gao Jianguo) , Sieg Chang (Chang Shengli): Sie alle wurden überaus populär in dieser Zeit. Abkürzungen für Begriffe wie „Dem Imperialismus entgegen treten“ (fandi) oder „Amerika widerstehen“ (kangmei) wurden ebenfalls weit verbreitete Vornamen. Sogar die Bezeichnungen politischer Kampagnen wurden Kindern als Namen gegeben.1
Es war die Freund-Feind-Unterscheidung, die fortwährend jene Spannungen und „Intensitäten“ reproduzierte, welche die politischen Kampagnen in China antrieb: Die „Erziehung der Massen“ ebenso wie die politischen Handlungen der Einzelnen wurden nach diesem Maßstab bewertet, diszipliniert und gegebenenfalls verändert. Zugleich war das aber ein Leben, das ausdrücklich auf einer unsicheren Unterscheidung gegründet war, einer Unterscheidung, die niemals endgültig fixiert werden konnte. Allein im Kennenlernen des Feindes und im Kampf gegen den Feind lernte man sich selbst kennen - oder in weniger maoistischen Begriffen, die hingegen an Carl Schmitt orientiert sind: „Der Feind ist die Frage an uns selbst als eine Figur“.2 Was freilich nach Mao geschah - das ist jedoch, wie man sagt, eine andere Geschichte. Wirksame Grenzen für politische Exzesse entwickelten sich erst, als das Politikmonopol gebrochen war. Und es war die Periode der „ökonomischen Reform“ nach 1978, die dieses Monopol überwand.
Erst in dieser Nach-Mao-Ära entfaltete sich eine Form von Staatlichkeit, in der nicht alles nur politisch bewertet wurde. Dennoch war die Verminderung der politischen Intensität und das Auflösen der politischen Unterscheidung von Freund und Feind nicht möglich ohne die vermittelnden Denk-Figuren und rhetorischen Tropen des Marxismus. Ironischerweise zeigte sich hier die Stärke des
marxistischen Diskurses, die Rhetorik des Klassenkampfes mit der Notwendigkeit zu verbinden, die wirtschaftlichen Kräfte zu entwickeln. Dies war auch die Voraussetzung dafür, dass sich die politische Zuspitzung, wie sie Resultat des Klassenkampfes und seiner bipolaren Logik gewesen war, allmählich auflöste. Das Ergebnis war schließlich eine Zeit, die sich als „unpolitisch“ beschreiben lässt.
Die Ära des „Unpolitischen“
Mao starb 1976 und das Zeitalter politischer Intensität starb mit ihm. Seit Dezember 1978 entfaltete sich eine sehr andere Form von Politik. Und wenn auch der Nachfolger Maos als Vorsitzender, Hua Guofeng, alle neuen Dinge in die Sprache des früheren Vorsitzenden kleidete, so war dennoch der Umbruch offenkundig. Maos Worte wurden benutzt, um das Ende seiner Politik zu bemänteln.
„Umfassende und sehr turbulente Klassenkämpfe, welche die breiten Massen einbezogen, sind im wesentlichen beendet worden“,1 so Hua Guofeng 1978. Zwar gebrauchte er die Worte, die Mao in seiner berühmten Rede von 1957 geprägt hatte;2 die Bedeutung unterschied sich freilich wesentlich. Das China Huas und später Teng Xiaopings war nicht länger dasselbe China wie das des „großen Steuermanns“ Mao Tsetung;3 China wurde nicht länger beherrscht von der Rhetorik einer „Politik auf Befehl“ (zhengzhi wei zhu). Vielmehr verwandte man die Aufmachung „der 1950er Jahre“ und die Worte von Mao Tsetung, um eine neue Zeit einzuläuten, in der die Ökonomie, nicht aber die Politik das Sagen haben würde.4 Hua selbst zögerte nicht, sein eigenes ökonomisches Modernisierungsprogramm, das einen entschiedenen Bruch bedeutete, den „Auslandssprung“ zu nennen. Damit erwies er bei aller Wendung nach ,außen‘ zugleich Mao und seinem „großen Sprung“ die Referenz.
Hier ist nicht der Ort, um die Ereignisse zu rekapitulieren oder von den Versuchen des Vorsitzenden Hua zu berichten, auszusehen wie der Vorsitzende Mao und sich so anzuhören, sich so zu verhalten wie dieser, und zwar mehr als Mao selbst. Wichtiger ist, in welcher Weise diese nachahmende Umformung Maos eingesetzt wurde, um das China der ökonomischen Reform auf den Weg zu bringen. Dieser Prozess der nachahmenden Umformung verhüllte die allerersten Versuche, die zweipolige Politik von Mao Tsetung und den Klassenkampf durch
ökonomische Reform zu ersetzen. Auf längere Sicht waren solche „Wiederholungen, aber mit einem Unterschied“ nicht notwendig, denn die politischen Strategien, mit denen die Wirtschaft vorangebracht werden sollte, entfalteten eine eigene Logik und Dynamik. Und dabei lösten sie die enge Verknüpfung, die Politik in der Ära Maos an das Alltagsleben gebunden - und den Alltag mit Leidenschaft und Intensität aufgeladen hatte.
Das Wiederbeleben eines alten marxistischen Arguments über die Zentralität der Produktivkräfte war der erste Ansatz, den die Parteiführung verwandte, um die Aufmerksamkeit von der Politik auf die Ökonomie zu lenken. Damit war es möglich, sowohl eine Kontinuität mit der marxistischen Lehre zu behaupten, zugleich aber darauf hinzuweisen, wie notwendig es sei, den „objektiven Gesetzen der Ökonomie“ zu folgen.1 Diese Bewegung schränkte den Raum für politische Aktionen ein. Denn es war das Gesetz von Gewinn und Verlust und nicht das politische „Gesetz“ von Freund und Feind, das nun die wirtschaftliche Strategie bestimmte. Die Wirtschaft aber war nicht das einzige Handlungsfeld, das seine spezifische Zweipoligkeit umformte, um eine Verminderung der Politik zu erreichen. So wurde zum Beispiel im Bereich der Kunst die offenkundige politische Dringlichkeit im selben Maße zurückgenommen, in dem Raum für andere, stärker ästhetisch gegründete Urteile und Bewertungen (nach Schönheit oder Hässlichkeit) Resonanz fanden.
Zugleich wurden Moralität und Ethik zunehmend von Maos zweipoligem Politikkonzept abgekoppelt. Und das war nirgends deutlicher erkennbar als in der Kampagne gegen „die Verunreinigung durch böse Gedanken“ von 1983. Innerhalb weniger Monate nach Beginn dieser Kampagne - die der Frage der „geistigseelischen Verunreinigung“ galt - war eine vorsichtige Veränderung der Debatte erkennbar: Vom Kampf gegen seelische Verunreinigung veränderte sich die Kampagne rasch zu einer, in der es um die Kultivierung des Selbst ging - um sicherzustellen, dass alle Bürger eine „geistig-seelische Zivilisation“ erreichen könnten.2 Wenn es möglich war, Kunst und Moral so radikal von der Politik zu entfernen, dann kann nicht überraschen, dass im Bereich des Rechts und der Polizei dasselbe möglich war.
Die Wirtschaftsreformen erforderten ausländische Investitionen; zur Absicherung waren entsprechende Gesetze erforderlich. Als es in der chinesischen Industrie üblich wurde, Wirtschaftsverträge abzuschließen, war es unabdingbar, formale Gesetzmäßigkeiten sicherzustellen, um das Einhalten der Verträge zu garantieren. Und wie der chinesische Rechtsgelehrte Zhang Shuyi argumentiert hat, war der entscheidende Grund für die Entwicklung des chinesischen Rechtssystems
seit 1979 die Unterstützung und Entwicklung der sozialistischen Warenwirtschaft. Zhang Shuyi führte aus: „Das Rechtssystem wurde in enger Übereinstimmung mit der Warenwirtschaft errichtet, und es wurde weiterentwickelt in engster Übereinstimmung mit der Entwicklung der sozialistischen Warenwirtschaft“.1 Für die wirtschaftliche Entwicklung war verlässliche Rechtsförmigkeit nicht nur notwendig, um ausländische Investitionen zu sichern; sie hatte darüber hinaus ein Klima der Stabilität zu signalisieren wie zu garantieren. Soziale Stabilität erforderte ihrerseits ein stabiles Rechtssystem und gerade nicht jene rechtliche Elastizität, welche die maoistische Vergangenheit charakterisiert hatte.
In den frühen 1980er Jahren erhielt China nicht nur sein erstes Strafgesetzbuch. Die Verfassung von 1982 verdeutlichte vielmehr: Der Bezugspunkt war nicht länger die Polarität zwischen dem „Volk“ und seinen „Feinden“.2 In dieser Phase war Chinas grundlegende juristische Zeitschrift „Rechtsforschung“ (Faxue Yanjiu) gefüllt mit Kritiken der „rechtlichen Elastizität“3 und deren Darstellung als Instrument der Klassendiktatur.4 Anstelle des „proletarischen Gesetzes“, das jedes erdenkliche Mittel vorsah, um jeden Feind auszulöschen, beschäftigten sich reformorientierte Juristen nun mit dem sozialistischen Gesetz als Verkörperung aller sozialen Bedürfnisse und der umfassenden Repräsentation des Gemeinwohls.5
Solche Veränderungen im Denken waren nicht auf das Reich der Begriffe begrenzt. Es veränderte sich auch die Praxis des Polizierens. Im starken Gegensatz zur Mao-Ära sank in den Reformjahren die Zahl der Personen dramatisch, die mit dem Vorwurf konterrevolutionärer Verbrechen überzogen wurden. In der ersten Phase der Reformzeit betrafen nicht mehr als 0,1 % aller Anklagen das, was als „konterrevolutionäre Verbrechen“ galt. Und selbst diese vergleichsweise kleine Zahl verminderte sich: 1979 ging es bei etwa 1000 Strafverfahren ganz oder zum Teil um „konterrevolutionäre Verbrechen“, wohingegen in den Gefängnissen über 7 % aller Häftlinge als politische Gefangene galten. 1990, das heißt selbst nach den Verhaftungen im Anschluss an die Proteste auf dem Tian'anmen- Platz (vor und) am 4. Juni 1989 wurden nur etwa 400 Anklagen konterrevolutionären Verhaltens erhoben, nur 4% der Gefängnisinsassen insgesamt waren wegen konterrevolutionärer Taten angeklagt bzw. verurteilt worden.
Überhaupt ist besonders bemerkenswert bei den Ereignissen des 4. Juni 1989, wie sehr die chinesische Regierung nun bereit war, jedes Wiederaufleben der politischen Zweipoligkeit der Vergangenheit zu unterbinden. Protestierende, die während der Aktionen von 1989 verhaftet worden waren, wurden kriminalisiert -
das war aber weit entfernt von einem Wiedererwachen „des Politischen“. Ungefähr 30 % aller bei den Protesten Verhafteten waren nach Polizeianalysen „nicht gebesserte“ Wiederholungstäter; weitere 50 % wurden klassifiziert als „sozialer Abschaum“, während weitere 3 % als Profiteure und korrupte Beamte galten. Nur eine „kleine aber aktive Zahl“, so die Polizei, waren Spione und Geheimagenten ausländischer Mächte.1 Der Begriff des „konterrevolutionären Verbrechens“ verschwand fast vollständig aus dem Gebrauch. Folgerichtig wurde er in den Ergänzungen des Strafgesetzbuches von 1997 fallengelassen.
Politische Bewertungen, die auf der Freund-Feind-Unterscheidung basierten, waren in dieser Phase überwiegend eine Sache der Vergangenheit. Das soll nicht heißen, dass Gewalt und Exzess in China nicht mehr anzutreffen gewesen wären. Aber revolutionärer Überschwang und revolutionäre Intensität, die lange die Revolution, aber auch Exzesse angetrieben hatten - ihr Monopol war aufgehoben.
Mit dem Aufbrechen der politischen Landschaft in China zeigen sich neue Formen von Gewalt. Mit Foucault lassen sie sich wohl am besten beschreiben als Gewalt der „Bio-Macht“. Biopolitische Gewalt ist nicht die Gewalt jener, die auch ihr Leben geben würden für die große Sache oder die töten ohne Hass. Biopolitisch ist vielmehr eine Gewalt des Alltags, eine Gewalt, die sich im Verhalten einer unkalkulierbaren Polizei oder in Regierungskampagnen zeigt, die von populistischen Vorstellungen und den Massenmedien angeregt sind.
Gewalt ist nicht länger Instrument im Interesse der Revolution. Vielmehr gehört sie zur alltäglichen Agenda von „law and order“. Diese Form der Gewalt unterscheidet sich grundlegend von der der Vergangenheit. Diese Gewalt „wirft uns nicht nach vorne“ oder dient der Selbstvergewisserung, es ist keine Gewalt des Hier und Jetzt, in der (in Anlehnung an Martin Heidegger) das In-der-Welt- Sein greifbar wird.
Die Gewalt heute ist die Gewalt derer, die keine Verpflichtung sehen oder haben. Da, wo es keine Feinde gibt, die geopfert werden können, gibt es nicht mehr die Gewalt, die sich um gefürchtete und gefährliche Feinde dreht. Vielmehr ist es eine Gewalt, die sich etwa mit denen beschäftigt, die von der Polizei sozialer
Abschaum genannt werden (shehui zhapi). Mit einer Formulierung von Giorgio Agamben ließe sich auch von einer Gewalt des „nackten Lebens“ sprechen. Damit bezieht Agamben sich auf eine Welt, in der die Individuen „getötet, aber nicht geopfert werden“.1 In dieser Welt ist Gewalt nicht mehr im Gewand des Heroischen zu finden, sie ist nicht mehr verstrickt in irgendeine Verpflichtung. Gewiss mag Gewalt zum Tode führen, aber dieser gilt nicht (oder nicht mehr) als Opfer. Mit anderen Worten: In der Weise, in der die revolutionären Formen der Vergangenheit dahinschwinden, zeigt sich das Ende jener Ära, in der sich „göttliche Gewalt“ durchsetzte.2
Diese Wendung von „göttlicher Gewalt“ zur Profanität alltäglicher Polizeigewalt in den Straßen Chinas ist gewiss nicht „heroisch“; es ist aber auch kein Grund, darüber zu klagen. Es ist vielmehr ein Zeichen, dass jene Gewalt, die einst das Polizieren der Gesellschaft unter Mao kennzeichnete - die zugleich einen an Carl Schmitt angelehnten Politikbegriff entsprach - keine Gundlage mehr hat.
Gewiss weckt diese Geschichte des Wandels von einer „göttlichen“ in eine alltägliche Gewalt Zweifel über die theologische Antwort, die Martin Buber in seiner Überlegung anbot, „besser noch Gewalt am real erleben Wesen, als die gespenstische Fürsorge an antlitzlosen Nummern!“3 Kritik der entfremdeten und entwurzelten Gegenwart muss nicht gänzlich aufgegeben werden, aber die Geschichte Chinas in der Zeit, in der exzessive „göttliche Gewalt“ dominierte, weckt Zweifel an Bubers Urteil. Vielleicht erforderte die politische Erschöpfung, die dem Maoismus nach seinem ausgiebigen Flirt mit „göttlicher Gewalt“ folgte, doch ein wenig „gespenstische Einsamkeit“? Vielleicht ist es auch produktiver, sich genauer mit den Vorstellungen wie Erfahrungen politischer Erschöpfung zu befassen, als das Schmittsche Dilemma durch erneute große politische Statements lösen zu wollen?
Die Wahl zwischen diesen - jeweils unbefriedigenden - Alternativen bringt uns zurück an den Ausgangspunkt. Damit sind wir jedoch nicht nur in ein verändertes China zurückgekehrt. Es öffnet sich zugleich der Blick auf unsere Welt insgesamt, geprägt von den Intensitäten und zumal dem Terror gewalthafter Verpflichtungen wie Antworten (oder „Gegenschläge“).
Gewalt ist nicht länger Instrument im Interesse der Revolution. Vielmehr gehört sie zur alltäglichen Agenda von „law and order“. Diese Form der Gewalt unterscheidet sich grundlegend von der der Vergangenheit. Diese Gewalt „wirft uns nicht nach vorne“ oder dient der Selbstvergewisserung, es ist keine Gewalt des Hier und Jetzt, in der (in Anlehnung an Martin Heidegger) das In-der-Welt- Sein greifbar wird.
Die Gewalt heute ist die Gewalt derer, die keine Verpflichtung sehen oder haben. Da, wo es keine Feinde gibt, die geopfert werden können, gibt es nicht mehr die Gewalt, die sich um gefürchtete und gefährliche Feinde dreht. Vielmehr ist es eine Gewalt, die sich etwa mit denen beschäftigt, die von der Polizei sozialer
Abschaum genannt werden (shehui zhapi). Mit einer Formulierung von Giorgio Agamben ließe sich auch von einer Gewalt des „nackten Lebens“ sprechen. Damit bezieht Agamben sich auf eine Welt, in der die Individuen „getötet, aber nicht geopfert werden“.1 In dieser Welt ist Gewalt nicht mehr im Gewand des Heroischen zu finden, sie ist nicht mehr verstrickt in irgendeine Verpflichtung. Gewiss mag Gewalt zum Tode führen, aber dieser gilt nicht (oder nicht mehr) als Opfer. Mit anderen Worten: In der Weise, in der die revolutionären Formen der Vergangenheit dahinschwinden, zeigt sich das Ende jener Ära, in der sich „göttliche Gewalt“ durchsetzte.2
Diese Wendung von „göttlicher Gewalt“ zur Profanität alltäglicher Polizeigewalt in den Straßen Chinas ist gewiss nicht „heroisch“; es ist aber auch kein Grund, darüber zu klagen. Es ist vielmehr ein Zeichen, dass jene Gewalt, die einst das Polizieren der Gesellschaft unter Mao kennzeichnete - die zugleich einen an Carl Schmitt angelehnten Politikbegriff entsprach - keine Gundlage mehr hat.
Gewiss weckt diese Geschichte des Wandels von einer „göttlichen“ in eine alltägliche Gewalt Zweifel über die theologische Antwort, die Martin Buber in seiner Überlegung anbot, „besser noch Gewalt am real erleben Wesen, als die gespenstische Fürsorge an antlitzlosen Nummern!“3 Kritik der entfremdeten und entwurzelten Gegenwart muss nicht gänzlich aufgegeben werden, aber die Geschichte Chinas in der Zeit, in der exzessive „göttliche Gewalt“ dominierte, weckt Zweifel an Bubers Urteil. Vielleicht erforderte die politische Erschöpfung, die dem Maoismus nach seinem ausgiebigen Flirt mit „göttlicher Gewalt“ folgte, doch ein wenig „gespenstische Einsamkeit“? Vielleicht ist es auch produktiver, sich genauer mit den Vorstellungen wie Erfahrungen politischer Erschöpfung zu befassen, als das Schmittsche Dilemma durch erneute große politische Statements lösen zu wollen?
Die Wahl zwischen diesen - jeweils unbefriedigenden - Alternativen bringt uns zurück an den Ausgangspunkt. Damit sind wir jedoch nicht nur in ein verändertes China zurückgekehrt. Es öffnet sich zugleich der Blick auf unsere Welt insgesamt, geprägt von den Intensitäten und zumal dem Terror gewalthafter Verpflichtungen wie Antworten (oder „Gegenschläge“).
Übersetzung aus dem Englischen: Alf Lüdtke
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Vol. II, 1, Frankfurt am Main, S. 179-203
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