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Polizei und Gewalt auf der Straße. Konfliktmuster und ihre Folgen im Berlin des 19. und 20. Jahrhunderts

Berlin war seit dem frühen 19. Jahrhundert eine Stadt, in der immer wieder gewalttätige Straßenkämpfe ausgetragen wurden. Dazu gehörten Konflikte zwischen Polizisten und der zivilen Bevölkerung der Stadt. Die enormen Veränderungen von Rolle wie Bedeutung der Stadt zementierten die Muster dieser Konflikte. Auch die „Modernisierung“ von Staat und Staatlichkeit in Deutschland veränderte dies nicht; ebenso wenig wie die Vielfalt der Akteure, die an diesen Auseinandersetzungen beteiligt waren. Gewalttätige Auseinandersetzungen auf den Straßen kennzeichneten freilich auch weitere deutsche Städte - aber auch andere europäische Metropolen, insbesondere die Hauptstädte.

Die Formen der Auseinandersetzung in Berlin und ihre vielfache Wiederholung zeigten Merkmale, die auch anderswo zu finden waren; in Berlin waren sie jedoch besonders intensiv. In mancher Weise lässt sich die Neigung zu einer „Kultur des Konflikts“ in Beziehung setzen mit dem besonders aggressiven, auf Auseinandersetzungen gerichteten Verhaltensprofil vieler Einwohner der Stadt; zumindest ist dies ein Aspekt, den Berliner selbst immer wieder als spezifisch hervorgehoben haben. Dabei war stets auch wichtig das fortdauernde Gefühl der ungerechten Behandlung, wenn nicht Entrechtung. Viele Berliner sahen sich seit dem frühen 19. Jahrhundert an der Hintertür des Zentrums einer aufstrebenden Macht und ihrer Kontrollabsichten, wie sie in den unausgesetzten Versuchen der Polizeibeamten erkennbar wurden, Herrschaft über die Straße sicherzustellen.- Das folgende stützt sich ganz überwiegend auf Forschungen Dritter. Inhaltlich soll zweierlei deutlich werden: das hohe Maß an Kontinuität der Konfliktmuster; aber auch, wie diese Muster spektakuläre Massenproteste mit den Alltagstumulten und „kleinen Protesten“ verknüpften. Die Pointe ist, dass die aus der Sicht der Obrigkeiten erfolgreiche Unterdrückung der Massenproteste bei der Unterdrückung von begrenzteren und häufigeren „kleinen Protesten“ ebenfalls angewandt oder kopiert wurde.

Berlin als „Festungsstadt“

Der enorme Wandel der Rolle Berlins wie der Bevölkerung der Stadt förderte bei den Polizeibeamten eine „Festungs“-Mentalität.1 Diese Mentalität wurde von Beamten auf allen Ebenen geteilt. Sie war wesentlich von der Erfahrung und der Praxis auf den Straßen angetrieben. Für die Polizei blieb die Sicherung von Stadt und Staat untrennbar verknüpft mit ihrer eigenen Sicherheit. Als besonders gefährlich galten spontane, zunächst eher geringfügige Unordnungen, die ebenso häufig wie unvorhersehbar schienen - daraus entstanden mitunter große Streiks oder Demonstrationen, in jedem Fall aber stärkten sie Besorgnisse vor Unsicherheit und Gefahr.

Für die Polizei wie für alle anderen Berliner bekam die Neigung zur öffentlichen und vielfach gewalttätigen Auseinandersetzung eine mythische Qualität, zugleich wurde sie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Konflikte verliefen zunehmend ritualisiert und hielten sich in dieser Form in der Erinnerung der Vielen im 19. wie im 20. Jahrhundert. Die Wechsel der politischen Regimes erhöhten freilich nicht die niedrige Schwelle, jenseits derer Polizeibeamte eine Bedrohung sahen - und deshalb allen Grund, nachdrücklich zu reagieren. Die Regime-Wechsel hatten keinen Einfluss auf die konsequent aggressive Form der polizeilichen Antworten, die ihrerseits Gewalt anregten, auch Gewalt gegen die Polizei selbst. Zugleich aber machte die Polizei nur selten Gebrauch von Schusswaffen. Deshalb fürchteten die zivilen Straßenbenutzer diese Auseinandersetzungen nicht so, dass sie davon abließen. Vielmehr schrieb die große Mehrheit der Bevölkerung ihr Fortdauern dem begrenzten Gesichtskreis der Polizei und ihrer Unfähigkeit zu, öffentlichen Plätzen und Straßen mehr als nur einen beschränkten Verkehrszweck zuzuerkennen.

Diese Straßenauseinandersetzungen fanden stets ein breites Publikum. Das reichte von den direkten Zuschauern, von denen nicht wenige zu Teilnehmern wurden, bis zu denen, die über Presseberichte indirekt „zuschauten“, oder die über Gerüchte und andere Formen der Kommunikation dabei waren. Die Straßen in Berlin wurden eine Bühne für solche Szenen, die immer wieder die Aufmerksamkeit in Preußen, in Deutschland und darüber hinaus erregten. Es war eben diese Aufmerksamkeit, die die Zwangsläufigkeit dieser Auseinandersetzungen zu bestätigen schien.

Höhere Stellen warnten die Polizei vor Aktionen, die derart nachhaltige Beachtung fanden - auch dann, wenn die Polizei die Unterstützung des Publikums finden sollte. Solche Vorfälle lösten unangenehme Fragen aus, nicht zuletzt nach 1 der Nutzung der öffentlichen Räume und den einschlägigen rechtlichen Rege

lungen. Polizei hatte die Aufgabe, das zu beseitigen, was sie als „Störung der öffentlichen Ordnung“ wahrnahm. Das hieß einerseits, Gewalt einzusetzen oder anzudrohen - in einem Maße, das die Menschen von der Straße brachte, ob sie nun einen triftigen Grund hatten oder nicht sich dort aufzuhalten, während gerade dieser Gewalteinsatz (oder die Gewaltandrohung) möglichst wenig öffentliche Aufmerksamkeit finden sollte. Dabei galt zugleich, dass die Mehrheit des „Publikums“ relativ viel Polizeigewalt hinzunehmen bereit war. In jedem Fall trug das Polizeiverhalten dazu bei, eben dieses Muster von Gewaltandrohung und -einsatz immer wieder zu erneuern.

Hier wird der Versuch gemacht, auf der Basis der Literatur und bezogen auf Berlin und Deutschland, aber mit Blick auf den internationalen Vergleich, diese Kontinuität von Erfahrung wie von Orientierung und Praxis zu zeigen.1 Dabei ist der Fokus ein anderer als in den bisher vorliegenden Arbeiten zum Polizieren in Berlin. Diese konzentrieren sich zu Recht auf einzelne Kontexte und begrenzte Zeiträume. Demgegenüber scheint es mir bemerkenswert, dass Wahrnehmungsweisen, Erwartungen und konkrete Verhaltensformen ein hohes Maß an Ähnlichkeit und Kontinuität zeigen, vielleicht gerade wegen aller Wechsel der politischen Regime wie der Dynamiken wirtschaftlicher Konjunkturen und sozialer Prozesse. Dabei halte ich drei Aspekte für entscheidend: administrativ-polizeiliche „Festungspraxis“, zweitens eine Erinnerung an Konflikte, die nicht nur kurzfristig wirkte, drittens eine Mythologisierung von „Berlin“ - bei Polizeibeamten wie bei anderen, die „auf der Straße“ waren. Hier war eine ,Angst-Spirale‘ wirksam: Die Polizisten hatten Sorge, die Kontrolle zu verlieren, während die Bewohner sich vor den aus dieser Sorge resultierenden vermehrten Polizeikontrollen fürchteten. Für beide wurde der Wandel der Stadt (und in der Stadt) zu einem vielfach angstbesetzten Auslöser wie Symbol dieser Ängste.

Aus den polizeihistorischen Studien werden die entscheidenden Momente für die Kontinuität von Orientierung und Praxis erkennbar, ungeachtet unterschiedlich organisierter (und uniformierter) Polizeien. Dazu gehört das hohe Maß an Kontinuität des Personals, über alle Regimewechsel hinweg: Ein erheblicher Anteil der Polizisten blieb jeweils weiterhin im Dienst (anders nur in den ersten drei bis vier Jahren der SBZ nach 1945).

Im Rahmen dieser Studien sind Ansätze von Demilitarisierung und ist Professionalisierung ein zentrales Thema. Allein die Tatsache, dass beide Prozesse jeweils erneut mit der Neuorganisierung der Polizei im jeweiligen politischen Regime einsetzten, verweist auf die relative Dauerhaftigkeit dieser Probleme - mit einer relativ anhaltenden starken Militarisierung und einer sehr spezifischen Professionalisierung. Für jede der behandelten Kontexte zeigen die Autoren eine Verteidigungshaltung bei der Polizei: Man sah sich als Institution wie auch individuell unter Druck, wenn nicht gar in einer Belagerungssituation - selbst wenn

Statistiken verdeutlichen, dass die Beamten keineswegs in besonderer physischer Gefahr schwebten.

Diese Studien zeigen zugleich die Mehrdeutigkeit der polizeilichen Aufgabenstellung, vor allem machen sie die fortwährenden Spannungen, wenn nicht die Unfähigkeit bei Polizisten deutlich, Mehrdeutigkeiten in ihrem Berufsalltag miteinander zu vereinbaren - ob es der Schutz des Staates, die Sicherheit, oder die „allgemeine Wohlfahrt“ waren; ob die Ordnung des nationalsozialistischen „Führerstaats“ zu schützen oder der „demokratische Staat“ zu sichern war, oder die Herrschaft, die den Sozialismus ermöglichen sollte: Wie war hier wie dort als „Freund und Helfer“ zu agieren? Aus diesen Spannungen und Widersprüchen resultierte zu häufig und nur zu selbstverständlich ein Hinnehmen des offiziellen „Weltbildes“ (oder auch ein aktives Annehmen). Dabei betonen viele dieser Studien, dass parallel eine bestimmte Sicht von „Männlichkeit“ prägend war. Sie diente der Orientierung und motivierte für aggressive und potentiell gewalttätige Vorgehensweisen. Zugleich zeigen diese Arbeiten die Vielfalt von Regeln, Anweisungen und Befehlen - ebenso wie deren Leerformeln, die die Polizisten „vor Ort“ wahrzunehmen oder umzusetzen hatten. Insgesamt blieb die Aufgabe der Polizei selbst vieldeutig. Dabei gehörte stets das „pflichtgemäße Ermessen“ zum Kern der Handlungsanweisungen, auch nach den Polizeigesetzen in der Weimarer Republik wie der Bundesrepublik.

Parallel war Berlin ein Ort, an dem sich ein Muster besonders deutlich zeigte: das ,Muster der Provokation4 Das war insbesondere in der Zeit nach 1945 ein Resultat der Rolle Berlins als einer immer wieder umstrittenen und bedrohten Hauptstadt, aber auch ein besonderes Element der Mythen, die gerade dieser Stadt zugeschrieben wurden.

In den folgenden Überlegungen geht es insbesondere um die Schutzpolizei. Gefragt wird also nach den Polizeiinstitutionen, Polizeieinheiten und Polizisten, deren Aufgabe es war, die Ordnung im öffentlichen Raum (wieder-)herzustel- len und zu bewahren. Ihre Präsenz auf den Straßen und Plätzen war zentrales Merkmal der Tätigkeit dieser Polizei. Anders als in manchen deutschen Städten stammten jedoch die Streifenpolizisten in Berlin nur sehr selten aus den Stadtteilen, in denen sie Patrouille gingen. Die Konflikte mit den Berlinerinnen und Berlinern, d. h. mit den „Zivilisten“ ereigneten sich aber ganz überwiegend zwischen diesen Polizisten und den Bewohnern der jeweiligen Quartiere oder „Kieze“. Dabei lässt sich kein eindeutiges topographisches Muster erkennen. Vielmehr ereigneten sich solche Auseinandersetzungen - im Laufe der Zeit - fast überall in der Stadt. Sie bedeuteten auch für die allermeisten der Bewohner weder einen Widerspruch zu ihrem grundsätzlichen Respekt vor den Autoritäten, noch schlossen sie eine verbreitete Zufriedenheit mit dem Auftreten der Polizei in der Öffentlichkeit aus.

Zentral sind „Unordnungen“, also vielfach spontane und „eigensinnige“ Aktionen. Dabei ging es nicht ausdrücklich um Politik. Meistens waren es zunächst
nur relativ wenige Personen, die in eine Auseinandersetzung verwickelt waren. Daraus wurde nicht selten eine „Unordnung“, wenn Polizisten bei Verhaltensweisen einzuschreiten versuchten, die ihnen als „ungeordnet“ oder „ruhestörend“ erschienen. Entscheidend war, was die Polizisten als „groben Unfug“ ansahen. Gegen die polizeilichen Intentionen setzten sich nicht nur die zur Wehr, die zur Ruhe gebracht werden sollten, sondern häufig machten Nachbarn und Anwohner mit ihnen gemeinsame Sache. Dabei gaben die „Ruhestörer“ und ihre Sympathisanten meistens angesichts von Gewaltandrohung bzw. tatsächlicher Gewalt (etwa bei Verhaftungen) auf. Mitunter zog sich aber auch die Polizei zurück. Bisweilen begannen Bewohner eines Kiezes den Streit mit der Polizei, um ihre „Rechte“, die Straße zu nutzen, auszudrücken, die Bewohner rührten sich Anwohner aus Trotz gegenüber der Polizei - oder aus Rache für einen früheren Zusammenstoß.

Vielerlei trug dazu bei, diese Muster zu befestigen. Dazu gehörte wechselseitiges Misstrauen. Es ist dieses Misstrauen, das für beide Seiten die beste Verteidigung gegenüber Überraschungsangriffen zu bieten schien. Weil aber beide „Seiten“ wechselseitiges Misstrauen, wenn nicht Furcht voreinander hatten, war vieles vorhersagbar. Das führte zu weitgehend ritualisierten Auseinandersetzungen und regelmäßigen Konflikten, die fast immer höchst intensiv und sehr häufig gewalttätig abliefen. Wenn sich aber diejenigen, die sich von der Polizei angegriffen oder verfolgt sahen, hätten vorstellen müssen, von Säbel oder Pistole tödlich getroffen zu werden, wären sie womöglich mit ihren in aller Regel schwächeren Waffen sehr viel zurückhaltender beim „Zurückschlagen“ gewesen. Es gibt Hinweise, dass die Menschen auf den Straßen dies durchaus bedach- ten.1 - Die Zahl derer, die sich gegen die Polizei bzw. Polizisten stellten, überwog häufig eindeutig die der einschreitenden Vertreter der Staatsmacht. Allein dies bestärkte die nervöse Haltung der allermeisten Polizisten. Weiter: Anwohner, die sich gegen die Polizei wandten, „schnauzten“ als Berliner zurück, wenn sie sich von Polizisten angegriffen sahen. Bereits dadurch stellten sie Annahmen oder Forderungen der Polizei in Frage, die von ihnen, den Bürgern, Respekt, wenn nicht Unterordnung verlangten. Diese Wahrnehmungen und die daraus resultierenden „Fiktionen“ waren Teil der jeweiligen Alltagswirklichkeit - und trugen sehr konkret dazu bei, sie zu befestigen, aber auch zu verändern.

Die hier skizzierte relative Kontinuität von Wahrnehmungsweisen und Verhaltensformen sollte nicht verdecken, dass die Bezugspunkte und Anlässe, ebenso wie das Profil der Teilnehmer alles andere als kontinuierlich waren. Schutzpolizisten und ihre Vorgesetzten konzentrierten sich im mittleren und späteren 19. Jahrhundert auf die „Besitzlosen“, die „Armen“ und die „Vaganten“

als Objekte ihrer misstrauischen Wachsamkeit. In derselben Zeit wurden freilich auch Gruppen der Bevölkerung von der Polizei in den Kreis der Verdächtigen einbezogen, die bis dahin nicht zu ihren herkömmlichen Zielgruppen gehörten. Unter ihnen fanden sich sozialökonomisch relativ abgesicherte gelernte Arbeiter, aber auch manche, die in der sozialen Hierarchie weiter oben rangierten. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gerieten Händler und kleine Gewerbetreibende - pauschal: der alte gewerbliche Mittelstand - vergleichsweise häufig in Auseinandersetzungen mit der Polizei, vielleicht deshalb, weil sie sich der eigenen Position wie der „Rechte“, die ihnen zustünden, sicher glaubten.1 Und dabei kam es dann sehr rasch zu ganz ähnlichen Szenen wie bei den Konflikten mit unstet Beschäftigten und Armen. In jedem Fall suchten die Obrigkeiten in Berlin den Vorrang der „Sicherheit des Staates“ gegen alle „inneren Feinde“ zu verteidigen, zumal diese sich womöglich mit „äußeren Feinden“ verbünden würden. Das bedeutete, dass „Fremde“ wie zum Beispiel Migranten oder Saisonarbeiter - Polen, Kaschuben oder „Welsche“ - unabhängig von ihrer sozialen Position, aber auch Jugendliche aus allen sozialen Gruppen der besonderen und in der Regel misstrauischen Aufmerksamkeit der Polizei unterlagen.

Von 1815 bis 1870 war Berlin das Zentrum preußischer Politik, auch wenn die Stadt im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten vergleichsweise randständig und verschlafen erscheinen mochte. Die Konzentration von staatlicher Gewalt, ab 1871 das Zentrum des neuen Kaiserreiches - zugleich die fortdauernde und genaue polizeiliche Berichterstattung über alle Vorkommnisse in Berlin: Dies bedeutete, dass „ordnungswidrige“ Aktivitäten auf den Straßen „unübersehbar“ waren.2 Berlin war die zentrale Garnisonstadt einer der seinerzeit modernsten Armeen der Welt. Es war zugleich Hauptort der 1848 errichteten, seither expandieren professionellen Polizei, der „Schutzmannschaft“, deren Auftrag darin bestand, die ,Festung Staat‘ gegen jeden inneren Feind zu bewahren.3 Auf dem „platten Land“ hatte parallel die Gendarmerie, eine militärisch organisierte Polizei, die jedoch von zivilen Obrigkeiten eingesetzt wurde, den Auftrag, Ruhe und Ordnung zu bewahren oder durchzusetzen. Berittene Gendarmen waren auch in den Städten im Einsatz, in relativ geringer Zahl, aber ihre Auf- merksamkeit galt besonders „Vagabunden“, Unbeschäftigten und wandernden Händlern (unter ihnen nicht wenige Juden) - all jenen, deren Aufenthalt an öffentlichen Plätzen als fragwürdig galt: Sie schienen unkontrollierbar und würden womöglich Unruhe stiften.

Die Gendarmerie suchte die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns wie des Staates insgesamt herzustellen mit Hilfe der obrigkeitlich gewährten Macht, mit

Androhung und Einsatz physischer Gewalt. Es war dieses Muster, das sich unverändert über die verschiedenen politischen Regimes hielt, ungeachtet aller „Demilitarisierung“ und „Professionalisierung“. In Berlin ritten die Gendarmen im Vormärz mit blankgezogenem Säbel in die Menge, wobei sie die scharfe Seite zeigten, als fühlbare Demonstration ihrer Gewalt. Ihre Vorgesetzten ermahnten die Gendarmen, „angemessen“ zu reagieren. So erhielten die Gendarmen Gewehre, aber strikte Regeln für die Verwendung von scharfer Munition.1 Diese Praxis trug freilich in hohem Maße dazu bei, die Berliner zu Widersetzlichkeit anzustacheln. Zugleich hatten die Gendarmen immer wieder das Paradox zu gewärtigen, dass sie gleichermaßen mächtig und machtlos waren, ausgeliefert einem der „funktionalen Defizite der Repressionsseite“.2 Mir scheint, dass in ihrem häufig vorbeugenden Reagieren auf mögliche Bedrohung die Polizei in Berlin in hohem Maße beitrug, die Intensität von Straßenaktivität und Protest immer wieder neu anzufachen.

Ein Beispiel unter vielen ist eine kleine Auseinandersetzung im Jahre 1845, die aber weitreichende Konsequenzen hatte: Ein Bauarbeiter blies einem Gendarmen demonstrativ Rauch ins Gesicht, als dieser gerade vorbeiging.3 Ohne Frage war dies eine Reaktion auf das kürzlich verhängte Rauchverbot auf den Straßen. Und fraglos bedeutete dies eine ausdrückliche Missachtung der Autorität des Gendarmen. Die Kollegen des Arbeiters, die dabeistanden, erhöhten die Herausforderung und konnten allein durch ihre Zahl für den Gendarmen als Bedrohung erscheinen. Der Gendarm schwang drohend seinen Säbel, worauf alle losschlugen. „Verbündete“ mischten sich auf beiden Seiten ein - der Kampf wurde nur dadurch beendet, dass die herbei beorderte Polizeiverstärkung alle Anwesenden festnahm.

In den Jahren des Vormärz wurde die Gendarmerie erweitert. Dieser Ausbau verstärkte nur die skeptischen oder aggressiven Reaktionen der Zivilisten auf Straßen und Plätzen. Und umgekehrt wurden die Polizisten immer aggressiver, wenn auch nur die Spur einer „Unruhe“ oder gar eines Angriffes erkennbar wurde: Die Spirale gewaltsamer Zusammenstöße zwischen Polizei und zivilen Berlinern beschleunigte sich.

Umwälzungen in Berlin - Wiederkehr des Gleichen auf den Straßen

Das Berlin des Vormärz lässt sich kaum mit dem Berlin des Kaiserreichs, der Weimarer Republik oder späterer Perioden vergleichen. Das gilt allerdings nicht für die Hauptmerkmale der Auseinandersetzungen auf der Straße - sie zeigten sich in ähnlicher Form über viele Jahre und Jahrzehnte. Sie blieben eingebettet in zunehmend angespannte Beziehungen und in eine Gleichzeitigkeit von wechselseitigem Misstrauen, scharf unterschiedlichen Ansichten und Mythen der Großstadt, wie sie in den jeweils wechselnden Gruppen der Berliner Bevölkerung,
aber auch den unterschiedlichen Polizeien, die in den Straßen patrouillierten, wie bei ihren Vorgesetzten vorherrschten. Geringe oder gänzlich fehlende Planung, also ein sehr hohes Maß an Spontaneität sowie häufige Gewalt, wie sie im Vormärz erkennbar ist, blieb auch charakteristisch in den folgenden Jahrzehnten. Weitgehend ähnlich blieb auch das Verhalten einzelner oder einer „Menge“, die Antwort auf mehr und mehr vorbeugende und gewaltsame Polizeiaktionen der „Schutzmannschaft“, die zumindest in Berlin die Gendarmerie ablöste.1 2

Die Schutzmannschaft war eine zivile Polizei, ohne jene direkte Anbindung an das Militär, wie sie für die innere Organisation und Disziplinargewalt bei der Gendarmerie galt. Zugleich rekrutierte sich diese neue Polizei in hohem Maße aus ausgedienten Soldaten, die die Verhaltensweisen von Gendarmen teilten, nicht zuletzt deren Festungsmentalität.11 Wesentliche Momente, die diese Mentalität bestimmten, waren: die Zunahme der Menschen auf den Straßen, Ausdruck des rapiden Bevölkerungswachstums der Stadt seit den 1860er Jahren; die Zunahme gewaltsamen Verhaltens zwischen den Straßenbenutzern; die Vermehrung und Intensivierung formeller politischen Zuordnungen und Abgrenzungen, die auch informelle Protest- und Ausdrucksformen auf den Straßen nutzten, wenn nicht vereinnahmten. In den 1850ern und 1860ern, die in anderen europäischen Großoder Hauptstädten relativ ruhig waren, hielten in Berlin spontane Straßenproteste und -auseinandersetzungen an. Dazu gehörten 1861 die „Revolte an der Königsmauer“ oder 1869 die Mieterunruhen in verschiedenen Kiezen. Schutzmänner reagierten darauf in den folgenden Jahren, der „Gründerzeit“ der 1870er, mit vermehrter aktiver Abwehr - und dies vor allem in der Hauptstadt Berlin, aber auch insgesamt in Preußen.3

Berlin war vielleicht diejenige unter den europäischen Großstädten, die am stärksten durch Handel und Austausch geprägt war. Das trug wesentlich dazu bei, die Spannungen und Reibungen zwischen Polizisten und anderen Straßen- benutzern zuzuspitzen. Als wesentlich durch Initiative und Druck Preußens die Reichseinigung von 1871 zustande kam, galt Berlin für viele Zeitgenossen als eine gemachte oder „künstliche“ Hauptstadt, die gerade nicht in diese Rolle hineingewachsen war.4 Darin spiegelten sich auch die Sorgen führender Vertreter der alten Machtelite Preußens; für sie unterschied sich Berlin von anderen Kaiser- oder Hauptstädten. Das trug dazu bei, die Abwehrhaltung der Beamten im Kaiserreich zu verstärken, eine Orientierung, die ebenfalls für die Schutzmänner wesentlich wurde.

Zwischen 1871 und 1910 explodierte die Bevölkerungszahl von 827.000 auf

2.010.000; bis 1910 waren die 43,3 km2 des Stadtgebietes die dichtest besiedelts- ten in der Welt. Die Einwanderer kamen vom „platten Land“, aus der brandenburgischen und neumärkischen Umgebung, aber auch aus Ostpreußen, aus Polen, Galizien und anderen Regionen des europäischen Ostens und Südostens, freilich auch (in kleineren Gruppen bzw. kleinen Zahlen) aus anderen Weltregionen. Dies ergab eine besonders „bunte Mischung“. Jedenfalls führte dies zu der Stadt mit der heterogensten Bevölkerung unter den deutschen Großstädten. Für die Schutzmänner ließ sich diese Gemengelage offenbar nur dann „unter Kontrolle“ halten, wenn sie rigoros zwischen „äußeren“ und „inneren“ Feinden unterschieden; zu den letzten gehörten insbesondere polnische Arbeiter, aber auch „fahrradfahrende russische Anarchisten“. Unabhängig von solchen Versuchen der Unterscheidung: In jedem Fall sahen Polizisten jugendliche Städter als mögliche Feinde.

Nicht allein die starke Zunahme der Bevölkerung zeigte sich auf den Straßen. In den von Armen oder Ärmeren bewohnten Nachbarschaften und Kiezen lebten zudem viele soweit wie möglich auf den Straßen und Plätzen, zumindest dann, wenn sie keiner Erwerbsarbeit nachgingen, oder wenn sie schliefen.1 Geselligkeit fand vor allem auf den Straßen statt, Gemeinsamkeit mit Mitbewohnern und Nachbarn wurde im „Kiez“ erfahren und praktiziert.2 Die starke zahlenmäßige Steigerung der Schutzmannschaft, zugleich die Einführung neuer Polizeikräfte (etwa die der Kriminalpolizei, ab 1879) erzeugten in vielen Kiezen bei den Bewohnern das Gefühl, wiederum von der Staatsmacht in Gestalt der Polizei „überrannt“ zu werden. Angehörige der Schutzmannschaft hatten ähnliche Empfindungen, wenn sie die zunehmende Zahl der Kollegen auf den Straßen sahen. Ungeachtet aller Ansätze zur „Entmilitarisierung“, d. h. der Versuche, den militärischen Kampf gegen Feinde nicht mehr als alleiniges Muster der Polizei zu nehmen, forderten sie mehr Möglichkeiten, Gewalt anzudrohen oder einzusetzen. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurden sie daraufhin schließlich mit Pistolen ausgestattet, zusätzlich zu den bisherigen Säbeln und Knüppeln.3 Höhere Polizeibeamte definierten „öffentliche Unruhe“ zunehmend in unklaren und unscharfen Formulierungen. Und damit trugen sie faktisch dazu bei, die Wahrscheinlichkeit von Auseinandersetzungen nicht zu vermindern, sondern zu vermehren.

Es kann nicht überraschen, dass Auseinandersetzungen zwischen Schutzmännern und anderen Berlinern, zumindest in bestimmten Nachbarschaften und Kiezen, zwischen 1906 und 1914 um ein Mehrfaches zunahmen.4 Auch wenn sich in diesen Jahren besonders zahlreiche und auch erbitterte Konflikte ereigneten: in ihren Abläufen zeigten sich dennoch Muster, die in der Stadt bereits

vorhanden und eingeschliffen waren. Zum Beispiel versuchten Bewohner von Arbeiterbezirken, wie etwa dem Wedding, ihren Raum „zu schützen“ und ihr Recht, sich auf den Straßen aufzuhalten, gegen die Polizei zu behaupten. Die Polizei wiederum setzte alles daran, das Treiben auf den Straßen zu kontrollieren und die Gefahren im öffentlichen Raum „zu beseitigen“ oder „zu säubern“.1

Bei einer Auseinandersetzung zwischen Bewohnern und Polizei setzten die Bewohner alle Taktiken und Mittel ein, um die Polizei aus der Fassung zu bringen. Die Bewohner „verschwanden“ plötzlich oder gingen in der Menge auf. Die Bewohner suchten aber auch ihre große Zahl einzusetzen, ebenso wie die Waffen, die gerade zur Hand waren, von Pflastersteinen bis zu Blumentöpfen; aber auch Messer oder Fäuste gehörten dazu. Wie in anderen deutschen und europäischen Städten wurde der Pflasterstein - ein Element wie ein Symbol moderner Straßen - eine vielfältig eingesetzte Waffe. Zunächst wurde er vielfach eingesetzt, um Fensterscheiben von Geschäften einzuschmeißen (nicht selten begleitet von Diebstählen oder Plündereien). Um die Jahrhundertwende wurden Pflastersteine auch häufiger gegen Polizisten geworfen. Die Bewohner setzten zugleich ihre Körper unmittelbar ein, um als „Menge“ oder „Masse“ ihre Ansprüche gegen polizeiliche Zugriffe durchzusetzen - um ihr Potential zu zeigen, momentane Ruhe in „Unruhe“ zu verwandeln.

Die Polizei zögerte in aller Regel nicht, ihre Absichten mit direkter Gewalt durchzusetzen. Zugleich war sie angewiesen, Schusswaffen bzw. Pistolen nicht sofort einzusetzen, selbst wenn diese neuen „Instrumente“ die Möglichkeit eröffnen mochten, jede Unruhe auf den Straßen augenblicklich zu beenden.2

Parallel zu den Nachbarschaftskonflikten beanspruchten ausdrückliche politische Aktionen, in diesem Fall Demonstrationen seitens der SPD gegen das preußische Drei-Klassen-Wahlrecht, Raum wie Öffentlichkeit.3 Der Polizeipräsident v. Jagow reagierte im Februar 1910 mit seiner berühmt-berüchtigten Verfügung: „Es wird das Recht auf die Straße verkündet. Die Straße dient lediglich dem Verkehr. Bei Widerstand gegen die Staatsgewalt erfolgt Waffengebrauch. Ich warne Neugierige.“4 Eine solche „Festungs“-Antwort, die in ihrer Zuspitzung auch die Vorstellungen des 19. Jahrhunderts übertrafen, verweist auf zeitgenössische Ansichten zur „Masse“, zu ihrer Bedrohlichkeit wie ihrer „Irrationalität“ - Vorstellungen, die Obrigkeiten im gesamten weiteren Jahrhundert in hohem Maße

teilten.1 Zugleich aber sahen sich die Vertreter der Staatsmacht wie die der Kommunen verpflichtet, zumindest den Anschein zu wahren, Bürgerrechte zu beachten und den „Rechtsstaat“ aufrecht zu erhalten. Jagow verwies auf den zeitgemäßen Vorrang von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu anderen Bürgerrechten. Verstärkte Präsenz und verstärktes Eingreifen von Polizei provozierte zugleich den Ruf nach „Rache“ bei den anderen Straßennutzern: Weitere und vermehrte „Unordnung“ war die Folge. Demonstrationen und Aufmärsche von SPD und sozialistischen Gewerkschaften waren dabei nur ein kleinerer Teil solcher Vorkommnisse, im Vergleich sowohl mit den informellen Konflikten als auch andererseits mit den großen und organisierten Straßenaufmärschen, etwa im März 1910 gegen das Drei-Klassen-Wahlrecht, deren mehr als 150.000 Teilnehmer sich offenbar von Äußerungen wie der oben zitierten v. Jagows nicht einschüchtern ließen. Andere politische Parteien mieden hingegen Massenaufzüge auf den Straßen, sogar zu „patriotischen“ Anlässen und solche, die den Kaiser feierten. Allerdings organisierten radikal-nationalistische Gruppen ihrerseits manchmal Massenaufzüge, etwa zur Unterstützung der (Flotten-)Aufrüstung und der Kolonialpolitik.2 Aber solche Straßen-Aktionen lösten bei den Obrigkeiten offenbar kaum Besorgnis und dementsprechend weniger vorbeugende Polizeigewalt aus.

So waren die Zahl der Teilnehmer und deren Spontaneität nicht immer entscheidend. Das spontane „Zeppelinfieber“ von 1910 brachte etwa eine Viertelmillion Menschen auf die Beine, in enthusiastischer Unterstützung für die „nationale Sache“. Ein derart großes und unvorhersehbares Ereignis war jedoch eine Ausnahme und entsprach nicht den üblichen Kontakten oder Auseinandersetzungen mit der Polizei, wobei bei einem Anlass wie diesem die Polizei großes Wohlwollen zeigte: Weder die Polizei noch die Menschen in der Menge bezogen sich hier auf die hergebrachten Muster. Denn dies war etwas ganz Unvergleichliches. Bei einem solchen Anlass war es ähnlich wie bei den großen Massenversammlungen in den ersten Jahren der Bundesrepublik - wie etwa beim Ersten Mai in den frühen 1950er und frühen 1960er Jahren in Westberlin:3 So etwas galt nicht als eine Situation, für die vor allem die Schutzpolizei zuständig war. Es spricht also Vieles dafür, dass ungeachtet der Unkontrollierbarkeit einer solchen Masse das Fehlen jeder Sorge vor möglicher Bedrohung wesentlicher war. Vorgesetzte wie Zuschauer oder Passanten erwarteten auch keine unangenehmen oder negativen Rückwirkungen. Deshalb war der Erwartungsdruck an die Polizisten vor Ort entschieden geringer (für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen bzw. die Menge so rasch wie möglich zu zerstreuen).

Zunehmend gewalttätigere Konflikte

Kleinere Zusammenstöße ereigneten sich weiterhin; auch die Ereignisse während des Ersten Weltkrieges änderten gerade daran nichts.1 Bekannt ist hingegen, dass (vielfach gewalttätige) Straßenkonflikte in Berlin während der Weimarer Republik entschieden zunahmen - wobei die Anforderungen an die Legitimität des Staates wie der Polizei vor Ort nicht allein wegen der größeren Zahl größer wurden. Gleichzeitig freilich stieg auch die Zahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen, die Bewohner von Wohngebieten und Kiezen untereinander hatten, nicht zuletzt das Maß und die Intensität der physischen Gewalt, die dabei eingesetzt wurde. In den ersten Jahren der Weimarer Republik trug der Zusammenschluss bis dahin unabhängiger Dörfer und Städte zu „Großberlin“ (1920) wesentlich dazu bei, dass die Bewohner „ihr Gebiet“ nachdrücklicher markierten und verteidigten, in zum Teil bitteren Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Nachbarn. Physische Alltagsgewalt wurde zugleich direkter mit formalen politischen Zuschreibungen verknüpft, zumindest „von oben“. Daraus entwickelte sich so etwas wie eine Dreiecksbeziehung zwischen der Polizei einerseits, unterschiedlichen Gruppen von Kiez-Bewohnern, die sich ihrerseits als Unterstützer oder aber als Opponenten bestimmter politischer Gruppen sahen bzw. von diesen in der einen oder anderen Hinsicht wahrgenommen oder reklamiert wurden. Auch die Intensität und die Formen des Polizierens veränderten sich. Dazu gehörte zum einen 1919 der Übergang von der alten Schutzmannschaft zur neuen Schutzpolizei; zum zweiten war die Wiedereinführung der politischen Polizei Teil der Veränderungen. Die politische Polizei sollte, wie bei ihrer Ersteinführung 1871, alle „politischen“ Verbrechen verfolgen, d. h. solche Taten, die von „inneren Feinden“ von Staat und Nation geplant oder begangen würden. Drittens wurden im Zusammenhang der revolutionären Bewegungen 1918/19 lokale „Einwohnerwehren“ aufgestellt, so etwas wie eine bürgerlich formierte, staatlich tolerierte Bürgermiliz.2 Auch für Neuformierungen und Aktivitäten wie die der Bürgermiliz waren Konflikte in und zwischen Nachbarschaften bedeutsam - wie diese ihrerseits von vermehrter Polizeipräsenz (oder deren Androhung) beeinflusst waren.

Zunahme und Intensivierung gewaltsamer Auseinandersetzungen lassen sich nicht nur für Berlin beobachten. Zeitgenossen wiesen darauf hin, dass es „kaum einen Tag gab, an dem nicht irgendwo in Deutschland irgendjemand erschossen wurde, jemandem der Schädel eingeschlagen wurde, oder jemand erstochen wurde, weil diese Person angeblich oder tatsächlich andere politische Anschauungen hatte.“3 Insgesamt aber fanden Intensität wie Zahl der sich regelmäßig ereignenden Fälle in diesem Zeitraum in der Hauptstadt anderswo keine

Parallele.1

Aber die Kontinuitäten mit früheren Konfliktformen (und auch die entsprechenden Erinnerungen bei Teilnehmern wie Beobachtern) scheinen mir eben doch stärker, als es bisher wahrgenommen oder vermutet worden ist. Dazu ein Blick auf Zusammenstöße im Umfeld des „Blutmais“, der Auseinandersetzungen vom 1. bis 4. Mai 1929. Dieser Berliner „Blutmai“ gilt häufig als Symbol des Eintauchens in eine Gewalt, die für die Jahre bis 1933 kennzeichnend gewesen sei. Der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Zörgiebel sah sich unter starkem Druck des Magistrats wie der Berliner Einwohner, Stärke und Kontrollfähigkeit zu demonstrieren. Im Dezember 1928 erließ er ein Verbot aller „Demonstrationen“, um zu zeigen, dass er „Herr der Straßen und der Situation“ war. Die KPD-Führung konterte mit der Kampagne, die „Straßen frei für das Proletariat“ zu machen2, auch in der Hoffnung, bei diesem Thema, das so viele Berliner umtrieb, neue Anhänger zu gewinnen. Dazu gehörten auch Pläne der Parteiführung, die jährliche Maidemonstration in ausdrücklicher Missachtung dieses Erlasses durchzuführen. Während die Analysen des „Blutmai“ auf eben diese Ansätze und Verhaltensweisen der KPD-Führung gerichtet waren, hat Peter Leßmann gezeigt, dass die außerordentlich blutigen Auseinandersetzungen angesichts der Sicherheitsmaßnahmen und Kontrolle durch die Polizei nur konsequent waren.3 Die Polizei ging gewaltsam und unverhältnismäßig auch gegen Kiezbewohner vor, die keine eindeutige politische Zuordnung oder Absicht hatten - und eben dadurch provozierte dieses Auftreten der Polizei massiven Widerwillen und gewalttätige Gegenaktionen der Anwohner und Nachbarn. Auf beiden Seiten schien es unerlässlich, „Männlichkeit“ zu zeigen4 - gerade dadurch trugen viele zu jener vorbeugenden Polizeigewalt bei, wie Historiker ebenfalls für die Nazizeit und die Nachkriegsjahre (zumindest in den Westzonen) betonen.

Schutzpolizisten demonstrierten diese aggressiv-provozierende, vorbeugend gemeinte Haltung in Neukölln, aber auch in anderen Bezirken und Kiezen bereits vor Beginn der offiziellen Demonstration. Arbeiterjugendliche, insgesamt Jugendliche aus diesen Quartieren reagierten ihrerseits mit Beleidigungen gegen Polizisten und Versuchen, den Verkehr zu blockieren. Einzelne Polizisten zogen Pistolen und drohten zu schießen. In einem Fall griff ein Jugendlicher einen der Beamten körperlich an, fraglos in der Annahme, dass nicht mit Tötungsgewalt reagiert würde - unter dem Beifall der Zuschauer. Unverkennbar waren dies weitgehend vertraute Verhaltensweisen bei den Akteuren auf der einen wie auf der anderen Seite.

Verängstigte Beamte, die gewiss verunsichert waren durch die Beteiligung der KPD, aber auch von anderen öffentlichen Vorwürfen und Anklagen, schossen nun in die Luft, wobei sie Zuschauer verwundeten (offenbar durch Splitter und Querschläger), Sachen gingen zu Bruch. Die Menschen auf der Straße rückten gegen die Beamten vor. Diese schossen ihrerseits in die sich verdichtende Menschenmenge erregter und zorniger Personen. Die Polizisten gingen offenbar nun davon aus, dass es keine Rückzugsmöglichkeit gäbe und schossen mit ihren Pistolen und später vor allem mit Karabinern und sogar MGs wahl- und ziellos in die Menge. Am Ende der vier Tage, die diese Auseinandersetzungen anhielten - nicht zuletzt, weil die Nachricht sofort andere Kieze erreichte, so dass die Polizei sich von den Anwohnern belagert sah -, hatten die Polizisten 10.981 Schuss scharfer Munition verschossen; 33 Menschen waren getötet und 198 ver- letzt.1 Ungeachtet der in dieser Form erstmaligen Dimension eines polizeilichen Einsatzes blieb dennoch die Zahl der Opfer - im Verhältnis zur verschossenen Munition - vergleichsweise begrenzt. Für Leßmann markiert dieser Polizeieinsatz vom Mai 1929 das Öffnen der Büchse der Pandora: Damit sei mental der Weg geebnet worden für staatlich lizenzierte Polizeigewalt, wie sie in der Nazizeit in vieler Weise zunehmend Teil polizeilichen Alltags wurde. Zugleich bleibt festzuhalten, dass dieses überwiegend wahllose Schießen zu einer neuen Form von Gewaltsamkeit führte - dass damit aber auch in der Intensivierung und Zuspitzung ein seit langem integriertes Muster überschritten oder verlassen wurde, ein Muster, das seit langem zum Selbstbild von Polizei wie großen Teilen der Bevölkerung in Berlin geworden war.

Diese Kontinuität zeigte sich auch innerhalb der Polizei selbst. Die Schutzpolizei oder „Schupo“ war 1919 errichtet worden in der Absicht, mit den Formen des Polizierens und der Polizei des Kaiserreichs zu brechen und ein ganz neues Konzept von Polizei durchzusetzen. Leßmann verweist darauf, dass das Verhalten 1929 nicht nur zu tun habe mit den Entwicklungen der 1920er Jahre. Vielmehr sei hier auch die Rolle früherer Sicherheitspolizisten und deren Bedeutung innerhalb der Schutzpolizei zu bedenken: Für die Sicherheitspolizisten waren die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen von 1920 und 1921 prägend, in denen sie als gegenrevolutionäre Einheiten zum Schutz der Republik agierten.

Daraus resultierte eine „Militarisierung“ der Schutzpolizei, nicht zuletzt wegen der besonderen Notwendigkeiten, die man in und für Berlin sah.2 Während die Vorgesetzten das Ziel der Demilitarisierung proklamierten, handelten die Polizisten auf der Straße und auf der Wache, d. h. im konkreten Einsatz militärisch oder militärähnlich. Und ihre Vorgesetzten intervenierten nicht. Zudem gab es Kontinuitäten beim Personal, zwischen der Schutzmannschaft und der Schutzpolizei, wie überhaupt in der preußischen Zivilverwaltung (und ähnlich in

den Verwaltungen der anderen deutschen Staaten). In Preußen dürfte die Übernahme früherer Sipo bzw. Sicherpolizei-Offiziere und Beamte diese Mischung zugespitzt und in gewisser Weise re-militarisiert haben. Hinweise auf diese Kontinuität sollen aber nicht bedeuten, dass sich der preußische Militarismus unverändert gehalten hätte. Vielmehr geht es darum, dass ungeachtet aller Regimewechsel bestimmte Erfahrungen, Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen wirksam blieben. Sie trugen dazu bei, vertraute Muster weiterzuführen - oder erneut einzuführen, unabhängig von ihrer Effizienz, gebunden hingegen an den besonderen Ort und seine symbolischen (Be-)Deutungen.

Wenn es Kontinuitäten zwischen Vor- und Nachkriegsgewalt gab, dann wurde die bittere Erfahrung des „Blutmai“ wiederum rasch zu einem fortdauernden Symbol. Für die Bewohner war es dann nur noch ein winziger Schritt von Weimar zur Nazizeit, zumindest bei der physischen Gewalt auf den Berliner Stra- ßen.1 Fraglos wurden die erweiterten und zahlenmäßig erheblich vermehrten Polizeikräfte in der Nazizeit weit enger mit Gewalt und Terrorakten verbunden, aus ihrer Sicht gerechtfertigt für die „innere Sicherheit“.2

In der zentralisierten Polizeiverwaltung in der Nazizeit (zunächst auf der Ebene der Länder, ab 1936 im Rahmen des Reichsinnenministeriums unter Ein-

setzung Heinrich Müllers als Chef der Gestapo - oder, kurz: „Gestapo Müller“) - in dieser veränderten Situation wurden Polizeikontrollen und -zugriffe um ein Vielfaches erweitert, während zugleich externe Kontrollen der Polizei entfielen. Allerdings lassen sich Zentralisierung sowie Verminderung von Kontrollanstrengungen bereits vor 1933 beobachten.3 Eine stärkere Kontinuität zeigt sich beim Personal: Der übergroße Teil der Beamten der Weimarer Zeit blieb nach 1933 weiter im Polizeidienst. Während die Behörden und Autoritäten im NS-Staat eine bisher nicht gekannte Kontrolle der öffentlichen Räume durchzusetzen suchten, waren dennoch kleine Zusammenstöße auf Straßen und Plätzen „nicht selten“, jedenfalls in Berlin. Und dazu gehörte auch, dass Jugendgruppen und Jugendbanden ihren Kiez zu „verteidigen“ suchten.4 Auseinandersetzungen und Schlägereien auf den Straßen verbreiteten sich in diesen Jahren offenbar immer mehr in der Stadt, von Weißensee bis Spandau.5 Die neuere Forschung hat aber gezeigt, dass ungeachtet der Erweiterung und Vermehrung der verschiedenen Polizeikräfte

(und parallel steigender Verhaftungszahlen)1, die „deutsche Polizei“ die öffentlichen Räume weit weniger umfassend regulierte und kontrollierte als lange Zeit angenommen worden ist.

Die „Ordnungspolizei“, d. h. die 1936 umbenannte Schutzpolizei, war bzw. blieb für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig - in Formen und mit Aufmerksamkeitsschwellen, die den seit langem gewohnten ähnelten. An ihre Stelle trat nicht notwendigerweise eine verschärfte Wachsamkeit, um etwa den Versprechungen der Nazis umgehend nachzukommen, die „Straßen zu säubern“.2 Auch die nationalsozialistischen Obrigkeiten drängten sich nicht, in der Öffentlichkeit auf Menschen zu schießen, zumal wenn diese Menschen nicht generell als Feinde galten. Selbst wenn es keine größeren Demonstrationen gegen die NS-Herrschaft gab, ist das Bild der „Friedhofsruhe“ nicht angemessen, jedenfalls nicht für Berlin - die Stadt, die mehr als je zuvor der Sitz der Staatsgewalt und der Herrschaftsort geworden war.3 Die Nazis vermochten es nicht, die Symbolik der Reichshauptstadt vollständig zu besetzen. Wenn Nazisympathisanten die Stadt weiterhin mit Skepsis wegen ihres Rufes der Widerborstigkeit betrachteten, galt die Stadt vielen Bewohnern umso mehr als besonders geeig- neter Ort, Opposition oder Nicht-Zustimmung eben auch zur neuen Staatsgewalt auszudrücken.4 Die Geschichte der Widersetzlichkeiten in Berlin, aber auch die Beziehungen dieser Widersetzlichkeiten zu den Mythen der Stadt blieb ein Quell der Beunruhigung für Beamte und NS-Funktionäre.

Parallel-Muster in BRD und DDR - oder: Muss es so immer weiter gehen?

Insofern bedeutete die Nazizeit keinen absoluten Bruch mit bisherigen Orientierungen, Praktiken und Mustern. Aber auch nach der Zerschlagung der nationalsozialistischen Herrschaft gab es keine vollständige Abkehr von den eingefahrenen Verhaltensweisen und Orientierungen. Auch wenn die beiden neuen Berliner „Halbstädte“, die sich um 1950 zunehmend deutlicher herausbildeten, sich in vielem von dem Berlin vor 1945 unterschieden, blieb vieles von dem, was sich mit dem Namen der Stadt an Mythen und Projektionen verband, weiterhin wirksam. Die Vielschichtigkeit, z. T. Widersprüchlichkeit dieser Symbole steigerte sich eher in der Zeit, in der sich die beiden neuen Berlins „normalisierten“, also

zwischen den 1950er und den 1980er Jahren. Dabei nahm die Bedeutung der Beobachter „von außen“ im besonderen Maße zu. Aber auch das Vorzeigen und Einsetzen von Tötungsgewalt, wie die der Roten Armee und ihrer DDR-Helfer im Juni 1953, hatte nur begrenzte Folgen. Jedenfalls wurden Krawalle auf den Straßen dadurch keineswegs auf Dauer verhindert.1

Mitte der 1950er Jahre nutzten „Unruhe stiftende Rowdys“ oder „Halbstarke“ in Ost- wie in Westberlin insbesondere die Straße, um ihre Ablehnung der deutschen Nachkriegskulturen zu zeigen: Sie tanzten, blockierten den Verkehr, „gammelten herum“. Dem entsprach, dass in den 1950er, aber auch den 1960er und 1970er Jahren die Westberliner Schutzpolizei beinhart dagegen vorging. Dieses Vorgehen unterschied sich kaum von dem der Schutzpolizei der 1920er und der Ordnungspolizei ab 1936, aber auch nicht von dem der „Deutschen Volkspolizei“ im Ostteil der Stadt. Norbert Steinborn und Hilmar Krüger verweisen auf die Spannung bei der Westberliner Schutzpolizei, die „freiheitlichdemokratische Grundordnung“ zu verteidigen, aber dafür vornehmlich Methoden der Ordnungssicherung und Disziplinierung einzusetzen.2

Es dominierte noch die Vorstellung, Polizei sichere den Staat, wenn sie „Ordnung“ in der Öffentlichkeit und auf den Straßen durchsetzte - und damit zugleich die eigene Stärke und Macht der Polizeibeamten zeigte. Und das bei einem Staat, der sich „demokratisierte“.

Reaktionsweisen und nicht zuletzt gewalttätiges Vorgehen bei der Westberliner Polizei verstärkten sich in den 1960er und 1970er Jahren, verschärft durch die Inselsituation, zumal nach der Errichtung der Mauer. Polizisten schritten massiv gegen jede noch so kleine Gruppe auf den Straßen ein, sobald sie in irgendeiner Weise „störend“ schien. Die Polizei bemühte sich dabei immer, die Verbindungen zum „äußeren Feind“ zu belegen, und das waren in dieser Zeit natürlich vor allem „die Kommunisten“.3

Klaus Weinhauer hat darauf hingewiesen, dass seit den 1960er Jahren die Polizeiausbildung in der Bundesrepublik und Westberlin zunehmend Grundsätze polizeilicher Integration in die Gesamtgesellschaft betonte. Fraglos zeigt sich hier ein - zumindest faktisches - Bemühen, lang existierende Distanzen und Spannungen zwischen Polizei und der jeweiligen lokalen Gesellschaft zu vermin- dern.4 Die polizeiliche Alltagspraxis folgte solchen neuen Grundsätzen freilich mit erheblichen Verzögerungen.

Die Folgen veränderten Ausbildung und sind nur schwer zu belegen. Immerhin zeigen sie sich in der neuen Hauptstadt des vereinten Deutschlands. Ge

wiss lässt sich argumentieren, dass Freizügigkeit auf den Straßen inzwischen in Deutschland ebenso unstrittig ist wie anderswo. Das betrifft insbesondere das Umgehen mit mehr oder weniger spontanen Gruppen und Aktionen, mit unterschiedlichen politischen Ausdrucksweisen in der Öffentlichkeit - überhaupt mit anderen oder „fremden“ Verhaltensweisen - und das alles in der Hauptstadt.1

Berlin steht nach den Umbrüchen von 1989/90 weniger im Zentrum besonderer Aufmerksamkeit als im Kalten Krieg und vor der Maueröffnung vom November 1989. Insgesamt haben sich die zivilen Bewohner ebenso wie die Polizei jeweils unterschiedlich, aber dennoch gemeinsam von den jeweiligen Erfahrungen und der beinahe zwanghaften Wiederholung negativer Muster abgesetzt.

Allerdings gibt es gute Gründe, hier genau hinzuschauen. Es ist eindeutig, dass sich die Polizeien in Berlin, aber auch - je unterschiedlich - in der DDR und der Bundesrepublik von den Positionen ein Stück entfernt haben, die sie in den 1970er Jahren jeweils einnahmen. Dennoch zeigen einzelne Fälle in den 1990er Jahren, dass die Besorgnis, Polizei wie Anwohner würden nur zu leicht wieder in die Gewalt-Rituale verfallen, begründet ist. Das gilt z. B. für die Kiez-Unruhen, die mehr oder weniger ausdrücklich mit den Hausbesetzungen verbunden waren, wie in Friedrichshain in den frühen 1990er Jahren. Zumindest ist Berlin - ange- sichts der weit heterogeneren Bevölkerung als je zuvor - gewiss keine Großstadt, die heute „leichter“ zu kontrollieren wäre als vor hundert Jahren.

Das Polizeimodell, das sich in Deutschland durchgesetzt hat, entspricht nach der Analyse von Martin Winter dem etablierten Polizeikonzept der angloamerikanischen Tradition, das lange als Gegenbild zu dem der kontinentaleuropäischen Polizeikräfte galt.2 Allerdings ist es keineswegs sicher, wieweit dieses Polizeikonzept tatsächlich im angloamerikanischen Kontext durchgesetzt ist und befolgt wird. Mindestens für die letzten Jahrzehnte wäre auch zu prüfen, ob nicht das deutsche Polizeikonzept ein positives Gegenbeispiel für das sein könnte, was in Großbritannien und insbesondere in den USA zur Regel geworden ist.3

Zwar konzentriert sich dieser Text auf den Fall Berlin. Zugleich aber geht es nicht allein um Berlin und auch nicht einmal um Deutschland. Bei den Auseinandersetzungen um die Kontrolle der städtischen Straßen und Räume steht zudem die Staatsgewalt in Frage: Es ist ein weit gespannter und häufig heiß umstrittener Gegenstand, auf beiden Seiten des Atlantiks. Das Konzept, Polizei handle, um den öffentlichen Raum für individuelle und politische Aktivitäten zu sichern, ist nicht ganz neu. Aber die Bürger haben bisher kaum stets und überall damit rechnen können, dass diese Vorstellung in ihrem Alltag Realität ist, nicht allein, aber insbesondere in Deutschland. Die Beziehungen zwischen Polizei und „Publikum“​

1Vgl. dazu Davis 2002; dies. 2006b.
2Vgl. Monkkonen 1981; Richardson 1975; McPhail 1998.​
3Vgl. Fine/Millar (Hg.) 1985; Coulter/Miller/Walker 1984.


bei der Nutzung und Aneignung öffentlichen Raumes, beim Wahrnehmen von Bürgerrechten haben sich ebenso wie insgesamt das Verhältnis zwischen Polizei und Öffentlichkeit erheblich verändert. Die Möglichkeiten für Auseinandersetzung, aber auch für das Beenden solcher Kontinuitäten sind wesentlich erweitert. Ob solcher Wandel freilich dauerhaft ist, bleibt eine offene Frage.​

Übersetzung aus dem Amerikanischen: Alf Lüdtke

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