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2.Rechtliche Begutachtung

2.1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus den Artikeln 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG zitiert. Das ist das Recht zum Schutz der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, welche in Artikel 1 I GG verankert ist, und zum anderen das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, das sich aus Artikel 2 I GG ergibt. Somit ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Zusammenschluss mehrerer Grundrechte und wird namentlich nicht in den Artikeln des Grundgesetzes erwähnt. Durch das Zusammenwirken der Grundrechte wird eine Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit deutlich, welche eine eher generelle Stellung zum Schutz der Person des Einzelnen einnimmt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht will die Persönlichkeit des Einzelnen im Detail und in der Tiefe des Seins, in Bezug auf den Art 1 Abs. 1 GG, schützen.6 Das eigenständige Grundrecht entwickelte sich aus der Rechtsprechung heraus und ist explizit darauf ausgelegt, bei Veränderungen gesellschaftlicher und technischer Gegebenheiten anpassungsfähig zu sein und fortlaufend das Rechtsgut der Persönlichkeit zu schützen. Somit verliert das allgemeine Persönlichkeitsrecht niemals an Bedeutung, sondern gewinnt diese im Zeitalter der sozialen Netzwerke und enormer Datenmengen, welche über neuartige Technologien verschoben und verschickt werden, eher dazu.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann man insofern von Art. 2 Abs. 1 GG unterscheiden, dass die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG das aktive „Tun", also die Freiheit des selbstbestimmten Handelns, sichert und das allgemeine Persönlichkeitsrecht das „Sein" schützt. Das „Sein" im Sinne der Ausprägung eines Charakters und das Selbstbestimmen, was von diesem Charakter preisgegeben werden soll. Es ist die passive Freiheit, die durch dieses Grundrecht gesichert wird.7 Definiert wird dieses Grundrecht laut Bundesgerichtshof so, dass es das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit ist.8 Als sachlicher Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könnte man die Privatheit und die Privatsphäre der Person anführen. Diese sind relativ zu sehen und können nur subjektiv von Person zu Person und in Einzelfällen betrachtet werden, da jeder Mensch seine Privatsphäre anders bewertet. Ebenfalls ist zu beachten, dass die Auffassung von Privatsphäre sich ebenfalls im Wandel der Zeit befindet und die Preisgabe von Daten und Informationen zur eigenen Person anders bewertet wird als vor der Digitalisierung.9 Ein Beispiel für diesen Prozess sind Influencer („Als Influencer werden Personen bezeichnet, die aus eigenem Antrieb Inhalte zu einem Themengebiet in hoher und regelmäßiger Frequenz veröffentlichen und damit eine soziale Interaktion initiieren. Dies erfolgt über internetbasierte Kommunikationskanäle wie Blogs und soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, YouTube, Snapchat oder Twitter"10), die ihren Alltag verfilmen und die Videos auf Internetplattformen, wie z.B. YouTube, hochladen und damit Geld verdienen. Bei diesen Menschen ist fraglich, wie die Privatheit im Vergleich zu einer Person zu sehen ist, die ihr Leben nur mit den engsten Freunden und der Familie teilt und nicht mit einer Community, welche mehrere Millionen Menschen umfassen kann, wobei der Personenkreis in keiner Weise eingeschränkt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu dem Fall geäußert und befunden, dass der Schutzbereich einschließt, „Grundbedingungen dafür zu sichern, dass die einzelne Person ihre Individualität selbstbestimmt entwickeln und wahren kann". 11 Es ist jedoch allgemein angesehen, dass „der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts […] sich nicht exakt definieren oder gar auf eine subsumtionsfähige Formel bringen" lässt. „Der weite Umfang des Schutzbereichs verdeutlicht die kaum noch zu überschauende Rechtsprechung."12 Eine grobe Aufzählung der Persönlichkeiten und der Arten der Lebensgestaltung, die durch das Grundrecht geschützt werden, sind u.a. die Darstellung der Person in der Öffentlichkeit, das Recht am eigenen Bild und am eigenem Namen, die Wahrung der Ehre und das Recht am eigenen Wort. Schlussendlich ist ebenfalls die informationelle Selbstbestimmung inbegriffen. Die vorliegende Ausarbeitung wird sich vor allem mit dem Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort auseinandersetzen. Diese grundrechtlichen Schutzgüter finden ihre Strafvorschriften in den §§ 201, 201a StGB und im § 22 des Kunsturhebergesetzes. Da sich die Ausarbeitung u.a. auch mit der Verbreitung der Video- und Fotomaterialien beschäftigt, fließt die Wahrung der eigenen Ehre und der Darstellung in der Öffentlichkeit ebenfalls in die Arbeit mit ein. Das Recht am eigenen Bild wird so definiert, dass eine Person das Recht hat zu bestimmen, wie ihre Persönlichkeit anderen gegenüber dargestellt wird. Im Kunsturhebergesetz, welches die strafrechtliche Ausformung des aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hervorgehendem Recht am eigenem Bild ist, wird das Recht am eigenem Bild so definiert, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. (§ 22 KUG) Das Recht am eigenen Wort wird so verstanden, dass eine Person selber bestimmen kann, wer das eigens gesprochene Wort hören soll und das dieses nicht vor Unberechtigten abgespielt werden darf. Hier werden ebenfalls Aufnahmen des gesprochenen Wortes hinzugenommen.13 Der persönliche Schutzbereich definiert sich so, dass alle natürlichen Personen als Grundrechtsträger in Frage kommen können. Eine natürliche Person ist ein Mensch, der sich auf geltendes Recht berufen kann. Das Pendant hierzu ist die juristische Person.14 Alle natürlichen Personen können sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen, somit spielt die Staatsangerhörigkeit und die Herkunft der betroffenen Person keine Rolle. Bei diesen Rechten spricht man von Jedermannsrechten.15

Auch Polizeibeamte sind natürliche Personen und können sich ebenfalls, gemäß des persönlichen Schutzbereiches, auf das Grundrecht berufen. Fraglich ist jedoch, ob sich dieses Recht, aufgrund der Zugehörigkeit, zu den staatlichen Institutionen als Exekutive, bei der Ausübung des Berufes wiederruft oder eingeschränkt wird. Polizeibeamten befinden sich aufgrund ihres Beamtentums und der Rolle in einer staatlichen Institution in einem Sonderstatusverhältnis. Dieses Sonderstatusverhältnis bringt unter anderem Pflichten mit, welche die Beamten zu erfüllen haben, lehnt aber nicht die Befähigung ab, sich auf Grundrechte als Grundrechtsträger berufen zu können.1617 In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.2015 wurde dieser Fall behandelt. Im weiteren Verlauf der Ausarbeitung wird genauer auf das
Urteil eingegangen, an dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass sich Polizeibeamte in diesem Verfahren auf das Recht am eigenen Bild und damit auf das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes berufen konnten. Somit sind Polizeibeamte fähig, Träger des in Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu sein.

Da sich Polizeibeamte laut Urteil auf das Recht berufen können, ist festzustellen, ob und in welcher Form ein Eingriff in dieses Recht stattgefunden hat. Generell wird bei einem Eingriff immer das hoheitliche Handeln, also sozusagen das staatliche Handeln geprüft, welches „dem Grundrechtsträger unmittelbar oder mittelbar in seiner Grundrechtsposition mehr als nur unerheblich beeinträchtigt" 18. In der vorliegenden Konstellation agieren jedoch nicht die Beamten als staatliche Exekutive, sondern das polizeiliche Gegenüber, welches keine hoheitlichen Maßnahmen treffen kann. Um den Schutz der Grundrechte ebenfalls von Bürger zu Bürger zu schützen, gibt es staatliche Schutzpflichten, die sicherstellen, dass Bürger nicht befähigt sind, Grundrechte von anderen Bürgern einzuschränken. Welche Grundrechte solche staatlichen Schutzpflichten verfügen, ist nicht abschließend geklärt. Generell gelten die Freiheitsrechte und explizit Artikel 2 GG als schutzpflichtig.19 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die darin inbegriffenen Schutzgüter des Bildes und des gesprochenen Wortes bedürfen somit des staatlichen Schutzes, sobald es zu einer Gefährdung dieses Rechtsgutes kommt. „BVerfG wie auch weite Teile der Literatur scheinen grundsätzlich von dem klassischen Gefahrenbegriff des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts auszugehen, wonach zumindest solche Ereignisse, die bei ungehindertem Kausalverlauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen, im Wege der grundrechtlichen Schutzpflichten auszuschließen sind." 20 Tritt solch eine Gefährdung ein, hat der Staat zu agieren. Dabei ist dem Staat in seinen Handlungen ein gewisses Ermessen eingeräumt und zwar das Untermaßverbot. Das Untermaßverbot ist das Gegenteil des eingriffsrechtlichen Übermaßverbotes und stellt sicher, dass der Staat einschreiten muss. Wie ist dabei eine Einzelfallentscheidung und liegt einer genauen Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrunde. Der Staat darf somit nicht untätig bleiben, muss aber die Verhältnismäßigkeit wahren. Die Handlungen nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sind eingeschränkt. Ob Eingriffsmaßnahmen aufgrund von Einschränkungen des Rechts am eigenen Wort oder Bild getroffen werden können, stellt einen Streitpunkt dar. Polizeidirektor Christoph Keller sieht es so, dass bei Verstößen gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durchaus polizeiliches Eingreifen rechtmäßig sein kann, auch wenn die Strafbarkeit der Verletzungshandlung fehlt. Diese gelte seiner Meinung nach besonders dann, wenn es bei den Eingriffen sich um Porträtaufnahmen handelt, die den Einzelnen in seinem Recht am eigenen Bild einschränken.21 Die Gegenmeinung dazu wird durch das Bundverwaltungsgericht geschützt, das der Auffassung ist, dass es einfachgesetzliche Ausformungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, speziell für das Recht am eigenen Bild, sowie für das Recht am gesprochenen Wort gibt. Diese Gesetze, also die §§ 201, 201a StGB und § 33 KUG, sind als Lex specialis anzuwenden.22 Ein Rückschluss vom Lex specialis auf das Lex generalis ist, wie das BVerwG 2012 feststellte, dahingehend nicht möglich.23 Die rechtliche Einordnung, die Keller in seiner Ausarbeitung vertritt, würde eine enorme Erweiterung der Handlungsalternativen für Polizisten bedeuten und würde in der Praxis eine einfachere Handhabung ermöglichen.

Im Endeffekt ist jedoch festzustellen, dass sich Polizeibeamte zwar auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können, das Wort und Bild auch geschützt sind durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG die Strafvorschriften, trotz Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, geprüft werden müssen da die weiteren Strafvorschriften als Lex specialis gewertet werden müssen.