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2.2. Strafrechtliche Begutachtung

er folgende Abschnitt der Ausarbeitung wird sich mit den Strafvorschriften im Bezug zum Recht am eigenen Bild und am Wort beschäftigen. Die einzelnen Paragrafen werden aufgeführt und ihre Problematiken dargelegt. Besonderes Augenmerk liegt auf den allgemeinen Umständen der Gesetzgebung, wie Erschaffungszeitraum und Ähnliches, den Tatbeständen und den Rechtfertigungsgründen. Soweit es geht, werden die Paragrafen auch in dieser Reihenfolge aufgeführt und erörtert.

2.2.1. Kunsturhebergesetz
Das Kunsturhebergesetz besteht schon seit dem 09.01.1907 und ist eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dessen Recht am eigenen Bild. Relevant für die Ausarbeitung sind die §§ 22, 23 und 33 KUG. Diese Paragrafen beinhalten Straftatbestände, Ausnahmen der Strafbarkeit und die Strafandrohung. Das KUG ist eine Reaktion der Gesetzgebung auf eine rechtliche Lücke, welche zu seiner Schöpfungszeit entdeckt wurde. Ein Bild des früheren Reichskanzlers Otto von Bismarck zeigte den von Natur aus kritisch zu Bildern eingestellten Politiker, tot auf seinem Sterbebett. Den Hamburger Fotografen Willy Wilcke und Max Christian Priester gelang die historische Aufnahme, welche den verstorbenen Reichskanzler in seinem Sterbebett zeigte. Infolgedessen konnten sie jedoch nur aufgrund von Hausfriedensbruch angeklagt werden. Ein Straftatbestand aufgrund des verbreiteten Bildnisses gab es noch nicht.24 Das KUG versuchte, diese Lücke zu schließen und ist bis dato in Verbindung mit dem § 201a StGB die einzige Strafvorschrift, welche das Recht am eigenen Bild zu schützen versucht. Der § 22 KUG definiert die Schutzgüter dieses Gesetzes so, dass Bildnisse von Personen nur dann verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, wenn der oder die Abgebildete eingewilligt hat. Das Tatobjekt dieses Paragrafen ist somit das Bildnis einer Person. Ein Bildnis ist nach Definition „jede Wiedergabe der äußeren Erscheinungsweise einer Person, soweit sie als solche erkennbar ist. Nicht erforderlich ist das Erkennen von Gesichtszügen, wenn die Person aufgrund des mit abgebildeten Umfeldes identifiziert werden oder wenn sie von ihren Bekannten zugeordnet werden kann."25 Somit kann der § 22 KUG ebenfalls zutreffen, wenn die abgebildete Person mit einem schwarzen Balken versehen ist, der die Gesichtspartien der Person unkenntlich macht.26 Gemäß der Rechtsprechung ist ausschließlich eine vollkommende Verpixelung des Gesichts ausreichend, um eine Person unkenntlich zu machen und dem Schutzbereich des § 22 KUG zu entziehen. Als Bildnis an sich kann sowohl ein Video als auch eine Fotografie in Frage kommen. Entscheidend ist ausschließlich die Erkennbarkeit der Person.27 Die Tathandlung des § 23 KUG ist sehr begrenzt und wirft in der Praxis Probleme auf. Als Tathandlung berücksichtigt ist ausschließlich das Verbreiten und das öffentliche Zur-Schau-Stellen eines Bildnisses. Nicht inbegriffen ist die Aufnahme an sich. Zur Verbreitung gibt es verschiedene Definitionen. Zum einen wird die Definition aus dem § 17 UrhG verwendet. Demnach liegt eine Verbreitungshandlung dann vor, „wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes in der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht werden."28 Dies stellt jedoch die Mindermeinung dar. Nach der herrschenden Meinung ist das „Verbreiten" weiter zu fassen, sodass ein Verbreiten außerhalb
der Öffentlichkeit, also im privaten Umfeld ebenfalls inbegriffen ist.

Gemeint ist somit jegliche Verbreitung, auch im privaten Bereich, womit ebenfalls das Verbreiten des Bildnisses in einer WhatsApp Gruppe abgedeckt ist. 29 Unerheblich von dem Tatbestand ist, ob es sich um das Original oder um ein Vervielfältigungsstück handelt. Beim Verbreiten des Bildnisses bekommt ein Dritter zudem noch die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Bildnis oder eines Vervielfältigungsstück dessen.30 Bei dem Zur-Schau-Stellen kommt es hingegen offensichtlich auf die Öffentlichkeit an. Zur-Schau-Stellen ist die „Dritten verschaffte Möglichkeit, das Bildnis wahrzunehmen, wobei es auf die Art des Sichtbarmachens nicht ankommt."31 Das bloße Zeigen des Bildes an einen Freund oder anderen Bekannten ist somit nicht vom Tatbestand betroffen, da in diesem Fall keine Öffentlichkeit besteht. Ein Verbreiten mittels Internet ist dagegen zweifelsohne ein „Zur-Schau-Stellen". 32 Bei der Öffentlichkeit wird auf die urheberrechtliche Definition aus dem § 15 Abs. 3 UrhG zurückgegriffen. Diese Definition fordert ein qualitatives sowie ein quantitatives Element. Quantitativ bedeutet: eine Vielzahl von Personen muss involviert sein, die als Adressaten fungieren. Qualitativ heißt: die Personen dürfen keine persönlichen Bindungen zueinander haben. Für eine persönliche Bindung ist jedoch wirklicher Kontakt erforderlich, nicht aber illusorische Verbindung via. Facebook-Freundschaft oder Ähnlichem. 33 Mit den beiden Tathandlungen ist der § 22 KUG sehr vage und in der Praxis kaum als wirklicher Schutz anzusehen. Ein Bildnis einer Person kann in der Öffentlichkeit aufgenommen werden und stellt so in dieser Konstellation, ohne Anmerkung einer Veröffentlichungsabsicht, keine strafbare Handlung dar. Das Foto befindet sich dennoch dann im Speicher des jeweiligen Aufnahmegerätes. Bei einer unbekannten Person entzieht sich nun das angefertigte Bild vollends der Kontrolle der Person, die fotografisch festgehalten wurde. Das Foto kann jedoch noch später, ohne Kenntnisnahme der abgebildeten Person, veröffentlicht werden. Zurückverfolgen, wer im Internet ein Bild verbreitet hat, stellt sich häufig als sehr schwierig heraus, wenn der Täter Alias-Personalien verwendet oder gar das Bildnis anonym postet.

Wenn der Täter sich mit der Rechtsprechung auskennt, ist der Schutz des § 22 KUG somit nicht wirklich existent. Zu befürworten wäre die Ausweitung des Schutzbereiches auf die Aufnahme an sich, da sonst die Kontrolle über das eigene Bild verloren geht. In der momentanen Rechtsprechung schützt der § 22 KUG nur das Recht am eigenen Bild, wenn die Person, die das Bild anfertigt, der geschädigten Person bekannt ist oder sich die Quellen zurückverfolgen lassen. Dieser Zustand war vielleicht 1907 realisierbar, aber in heutigen Zeiten des Internets ist er eher eine Wunschvorstellung. Gerade im Internet ist es besonders schwer, das Bildnis wieder zu entfernen, da der Zugriff durch Dritte unbegrenzt ist und diese das Bild wiederrum speichern und weiterverbreiten können. Die Strafbarkeit der Handlung kann jedoch unter bestimmten Rechtfertigungsgründen entfallen, z.B. wenn der Verbreitung eine Einwilligung durch die abgebildete Person vorausgeht. Bei Aufnahmen von Polizisten bei der Ausübung ihres Berufes ist davon auszugehen, dass meistens keine Einwilligung besteht. Weiter erwachsen aus § 23 KUG Ausnahmetatbestände, bei denen es keiner Einwilligung bedarf und die Bildnisse dennoch veröffentlicht werden dürfen. Besonders für die Polizeiarbeit relevant sind Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, welche nach § 23 Abs. 1 KUG keiner Einwilligung bedürfen. Dieser Absatz dient dem Informationsinteresse der Allgemeinheit.34 Eine grobe Definition, was Zeitgeschehen überhaupt ist, gibt ein Urteil des Reichsgerichts, aus dem Jahr 1929, welches immer noch Anwendung findet: Zeitgeschehen sind „Erscheinungen im Leben der Gegenwart, die von der Öffentlichkeit beachtet werden, bei ihr Aufmerksamkeit finden und Gegenstand der Teilnahme oder Wissbegier weiter Kreise sind." 35 Der BGH definiert weiter, dass zur Zeitgeschichte, auch Geschehnisse gesellschaftlicher Relevanz gehören. 36 Das können Sachverhalte unterhaltender oder historisch- politischer Art sein.37 „Straftaten gehören grundsätzlich zum Geschehen der Zeitgeschehen, weil die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein durchaus anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter begründen."38 Befasst sich die Dokumentation mit einem solchen zeitgeschichtlichem Ereignis, so dürfen Fotos und Videos von Beteiligten veröffentlicht werden. Im Regelfall wären dann Polizeibeamte bei der Ausübung ihres Berufes als Teil der Strafverfolgungsbehörden beteiligt und müssten die Veröffentlichung dulden.39

Weiter wurde im Zusammenhang mit Bildnissen der Zeitgeschichte zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte unterschieden. Absolute Personen der Zeitgeschichte sind Personen, die nicht Aufgrund von bestimmten Ereignissen in der Öffentlichkeit stehen. Prominente wären hiervon eingeschlossen, Polizeibeamte nicht. Relative Personen der Zeitgeschichte stehen im Bezug zu einem Ereignis der Zeitgeschichte und erscheinen nur deshalb im Blickpunkt.40 Hierzu können Polizeibeamte zählen, wenn sie an entsprechenden Ereignissen teilnehmen, wie z.B. Tätlichkeiten, Einkesselungen oder Einsätzen von Sonderkommandos.41 Nach neuester Rechtsprechung kann jedoch bei absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte nicht mehr unmittelbar von einer Erlaubnis ausgegangen werden.
Vielmehr muss eine Verhältnismäßigkeit der zu beschränkenden Güter durchgeführt werden.42 Abzuwägen wären hierbei die Rechtsgüter des Polizeibeamten, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und die Informations- sowie Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. „Zusammenfassend ist folgender Grundsatz: Je stärker der Polizeibeamte im Fokus der Öffentlichkeit steht, desto eher wird er eine Bildberichterstattung dulden müssen."43 44 Bei den erstellten Bildnissen darf es sich dennoch nicht um Porträtfotos handeln, sondern das Ereignis an sich muss deutlicher im Vordergrund stehen als der involvierte Polizeibeamte.

Im Kontext zu Polizeiarbeit dürfen auch, Bildnisse von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen ohne Erlaubnis verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden. Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG. Versammlungen sind ebenfalls Teil der Polizeiarbeit und bedürfen zum Teil des Schutzes durch Einsatzhundertschaften. Bildnisse dieser Veranstaltungen dürfen ohne Einwilligung veröffentlicht werden, sofern sie die Versammlung und nicht den Polizeibeamten als vordergründigen Inhalt darstellen. 45 Wenn der Polizeieinsatz die Versammlung prägt, ist dies anders. In einem solchen Fall dürfen die Beamten vordergründig, jedoch nicht isoliert dargestellt werden.46 Die Begriffe „Versammlung" und „Aufzüge" sind hier weit zu fassen. Es ist jede Ansammlung von Menschen inbegriffen, die einen gemeinsamen Willen haben, etwas zu tun.47 Von diesen Ausnahmetatbeständen gibt es wiederum eine Regulierung. Der Duldungspflicht einer Veröffentlichung steht das berechtigte Interesse des Einzelnen gegenüber. „Solche entgegenstehenden berechtigten Interessen seien darin zu sehen, dass die konkrete Gefahr der Verbreitung dieser Bildaufnahmen im Internet mit deutlicher Tendenz – zur Bloßstellung, Anprangerung und sogar Beleidigung sowie Einschüchterung opponierender Personen und Gegendemonstranten - gedroht habe."48 Das „berechtigte Interesse" ist in der Rechtsprechung nicht klar definiert und wird nur durch Fallbeispiele in einem Rahmen gehalten, was wiederum einen großen rechtlichen Abwägungsprozess nach sich zieht und jeden Einzelfall zu rechtlichem Neuland macht. Grundlegend ist immer das „schutzwürdige Informationsinteresse der Allgemeinheit und die berechtigten Interessen des Abgebildeten im Rahmen einer umfassenden Einzelfallprüfung gegeneinander abzuwägen."49 Das Kunsturhebergesetz ist in Bezug auf seinen Schutzmechanismus sehr kritisch zu betrachten. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1907, was zunächst grundlegend die Frage aufwirft, in wie weit das Gesetz mit den veränderten Bedingungen mithalten kann. Ein Indiz hierfür ist, dass Bildnisse von Person angefertigt und gespeichert, jedoch nicht veröffentlicht werden dürfen. Hieraus ergibt sich die Frage, wo dann noch die Kontrolle über das Bildnis der eigenen Person ist. Ab dem Moment, in dem das Bild auf dem Speicher einer fremden Person ist und kein Kontakt mehr zu dieser Person besteht, ist die Kontrolle verloren. Diese Problematiken bestanden 1907 nicht, da Bilder nicht in dieser Vielzahl gefertigt wurden und die Möglichkeiten des Verbreitens bis auf die Printmedien weitestgehend eingeschränkt war. Bei solchen Veröffentlichungen ist der Herausgeber meistens bekannt. Das ist im Zeitalter des Internets nicht mehr der Fall und stellt
ein Problem dar, da die Täter nicht mehr zurückverfolgt werden können.

Weiterhin ist das technische Instrument Smartphone soweit perfektioniert, dass Bilder, die eigentlich eine Versammlung zeigen sollten, so genau sind, dass einzelne Personen durch Heranzoomen herausgearbeitet werden und so Porträtaufnahmen dieser Person entstehen können. Weiter auszuführen ist, inwieweit die Abbildung einer Person und deren Erkennbarkeit mit der Informations- und Pressefreiheit kollidiert. Die Tatsache, dass ein Polizist auf einem veröffentlichtem Bild, erkennbar ist oder nicht, verändert nicht die Tatsache und Aussage der Anwesenheit der Polizei. Das öffentliche Interesse liegt in diesem Fall nicht am Beteiligtsein eines bestimmten
Polizisten, sondern nur am allgemeinen Erscheinen der Polizei.​