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2.3.1.1. Untersagen des Fotografierens § 8 PolG NRW

Die einfachste Möglichkeit wäre, grundlegend ein Foto- und Videografier-Verbot zu verhängen. Ein solches Verbot ergibt sich nicht aus den §§ 9 bis 46 des PolG NRW und ist aus der Generalklausel des § 8 PolG NRW zu entnehmen. Demnach kann die Polizei alle notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr abzuwehren. Zweifelsohne würde durch ein Fotografier- oder Videografier-Verbot das Grundrecht nach Art. 5 GG der Informationsfreiheit und falls es
sich um Pressevertreter handelt, die Pressefreiheit beschränkt; es bedarf somit einer Erlaubnisnorm. Subsidiär würde die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG, des Einzelnen durch das Verbot zusätzlich eingeschränkt werden. Die Polizei hat gem. § 1 Abs. 1 PolG die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und Straftaten zu verhüten sowie vorbeugend zu bekämpfen. Die §§ 201 sowie 201a StGB und § 22 KUG stellen die Schutznormen für den Einzelnen dar und gehören deshalb zur öffentlichen Sicherheit. 97 Weiter muss für diese Rechtsgüter eine Gefahr bestehen. Da der § 8 PolG NRW generell schon eine konkrete Gefahr als Tatbestandsvoraussetzung beinhaltet muss diese erörtert werden. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass in einem bestimmten Einzelfall ein Schaden tatsächlich befürchtet werden muss."98 Die Gefahr ist für die oben aufgeführten Rechtsgüter relativ schwer zu begründen, da Tatsachen erforderlich sind. Eine abstrakte Gefahr wäre noch begründbar, da diese nach der Lebenserfahrung und nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestehen muss. Eine konkrete Gefahr für z.B. den § 22 KUG zu begründen ist, wie das Urteil des BVerfG vom 24.07.2015 zeigt, relativ schwierig und wird nur in den wenigsten Einzelfällen zu begründen sein. Es bedürfte „hinreichend tragfähiger Anhaltspunkte".

Das reine Fertigen einer Aufnahme ist gemäß § 22 KUG nicht strafbar und von einer Verbreitung aufgrund der Fertigung ohne jegliches Aufzeigen eines Motives stellt die Absicht zum Verbreiten nicht dar.99 Konkrete Hinweise können sich aus Äußerungen des polizeilichen Gegenübers ergeben und aus polizeilichen Vorerfahrungen mit den Adressaten der Maßnahme. Ein solches Beispiel behandelte das OVG Lüneburg. Darin waren die Personen polizeibekannt und gehörten zu der Interessengemeinschaft „Bürgerinnen beobachten Polizei und Justiz"100 . Diese gaben an, die Bilder gebrauchen und in ihrer Gemeinschaft verbreiten zu wollen. Dies wäre gem. § 22 KUG eine Straftat, wenn die Ausnahmen des § 23 KUG das Verbreiten nicht erlauben. Maßnahmen sind somit nur zu treffen, wenn das Gegenüber Hinweise liefert, dass eine Verbreitung der Dateien beabsichtigt ist. Im Hinblick auf die § 201 und § 201a StGB ist die Problematik der konkreten Gefahr des Schadeneintrittes weniger schwer zu bejahen. Der § 201a StGB verbietet schon an sich das Aufnehmen. Somit würde schon beim Vorhalten der Kamera oder des Smartphones eine konkrete Gefahr begründet werden können oder allein die Absichtserklärung zum Fotografieren würde ausreichen. Die Verhältnismäßigkeit eines Fotografier- und Videografier-Verbotes ist ebenfalls anzuzweifeln. Das Mittel ist zweifelsohne geeignet, um Gefahren für den § 22 KUG abzuwehren, aber es ist fraglich, ob eine einfache Identitätsfeststellung gem. § 12 PolG NRW, also ein minderschwerer Eingriff nicht denselben Effekt hätte. Dies wird nachfolgend erörtert.​