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2.2.3. Verstoß gegen 201a StGB

Wenn von Video Aufnahmen gesprochen wird, dann ist nicht nur das gesprochene Wort betroffen, sondern es können auch Videosequenzen auftreten, bei denen Polizeibeamte gefilmt worden sind. Dabei ist dann nicht nur das Recht am eigenen Wort einschlägig, sondern ebenfalls das in Artikel 2 Abs. 1 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG gefestigte Recht am eigenen Bild. Der § 201a StGB ist eine weitere strafrechtliche Ausformung des Rechts am eigenen Bild, wie schon zuvor der § 22 KUG. In Kraft getreten ist das Gesetz erstmals am 06.08.2004. Eine konkretisierte Fassung wurde dann durch das 49. StÄG entwickelt und trat am 25.01.2015 in Kraft und soll eine Reaktion auf die fortschreitende Digitalisierung und technische Errungenschaften in Sachen Bildtechnik darstellen. Durch diesen Paragrafen soll die Verletzung der Persönlichkeit durch das Anfertigen von Bildnissen, welche die Persönlichkeit tangieren, geregelt werden. Durch die technischen Möglichkeiten und vor allem den Smartphones sinkt die Hemmschwelle der Bürger vor dem Recht anderer, an ihrer Bildern und soll dadurch in einem rechtlichen Rahmen gehalten werden.83 Es soll zudem den Schutz vor dem Eindringen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bieten und die Strafbarkeit über das KUG hinaus erweitern. Der § 201a StGB stellt das allgemeine Anfertigen von Digitalaufnahmen unter Strafe, wohingegen das KUG lediglich das Ermöglichen des weiteren Zugriffs unter Strafe stellt. Hierbei sollte sich der Paragraph ursprünglich an die Schutzwirkung des § 201 StGB halten, dem wurde jedoch nicht nachgekommen, da Kritiker befürchteten, dass dadurch die Pressefreiheit aus Artikel 5 GG zu sehr beeinträchtigt würde. 84 85 Weiterhin ist die praktische Bedeutung des Paragrafen anzuzweifeln, und vor allem für den polizeilichen Alltag hat er wenig Relevanz, da ein schwerwiegender Eingriff in die Privat- und Intimsphäre vorliegen muss und polizeiliche Einsätze zumeist in der Öffentlichkeit stattfinden. 86 Beim Thema Deliktaufbau des § 201a StGB sind dennoch Parallelen zum § 201 StGB feststellbar. § 201a Abs. 1 Nr. 1 befasst sich mit dem unbefugten Herstellen von Bildaufnahmen von einer Person in einer besonders geschützten Räumlichkeit, wobei der persönliche Lebensbereich dieser Person verletzt wird. Nummer zwei dieses Absatzes befasst sich weiter mit Bildaufnahmen, die die Hilflosigkeit von anderen Personen zur Schau stellen. Hierbei ist die Räumlichkeit, in der sich die angegriffene Person befindet, nicht mehr von Bedeutung. Dennoch muss der persönliche Lebensbereich tangiert sein und die Erstellung der Aufnahme unbefugt stattgefunden haben. Kongruent zu § 201 StGB ist das Gebrauchen des Bildmaterials in Nummer drei des ersten Absatzes unter Strafe gestellt. Die Strafbarkeit des unbefugten Verbreitens einer befugt hergestellten Aufnahme wird durch die Nummer vier des ersten Absatzes abgedeckt. Im zweiten Absatz werden Bildnisse berücksichtigt, die Dritten zugänglich gemacht wurden und in ihrer Art dazu in der Lage sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden.

Die im 4. Absatz von § 201a StGB beinhaltenden Rechtsgüter sind für die vorliegende Arbeit irrelevant und wurden somit nicht behandelt. Das Tatobjekt des § 201a StGB sind Bildaufnahmen: „Bildaufnahmen sind gegenständliche, perpetuierbare und i.d.R. zur Vervielfältigung geeignete Verkörperungen eines visuell wahrnehmbaren, mit technischen Mitteln erstellten, Abbildes etwa in Form einer Fotografie, eines Filmes, aber auch eines Infrarot- oder Röntgenbildes." 87 Bei den Bildaufnahmen muss es sich um Aufnahmen von anderen Personen handeln. Das reine Abbilden von Räumen des höchstpersönlichen Lebensbereichs ist somit vom Gesetz nicht gedeckt. Aus dem Bild heraus muss die Identität nicht ersichtlich sein, hierzu reicht eine Bildunterschrift oder die Eigenschaft, dass die Identität „aufgrund
hinreichend vorhandener Identifizierungsmerkmale von den jeweiligen Tatopfern der eigenen Person zugeordnet werden können."88 Im Alltag der Polizei liegen die Probleme jedoch beim Tatbestandsmerkmal des „Befindens in einer Wohnung" oder einem gegen Einblick besonders geschütztem Raum und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Dadurch sollen die „letzten Rückzugsgebiete" der Person vor Aufnahmen geschützt werden.89 Widersprüchlich hierzu ist, dass ebenfalls die tätereigenen Räumlichkeiten inbegriffen sein sollen. Die Wohnung gilt als absolut geschützter Raum und ist als solcher auch bei Einsehbarkeit, wie z.B. durch große Glasscheiben, vor Fotografien oder Videoaufnahmen geschützt. Auch Keller, Hotelzimmer, Haftzellen und Wohnwagen unterliegen dem Schutz des Gesetzes. 90 Von der Wohnung ausgeschlossen sind Gemeinschaftswohnräume, wie zum Beispiel Waschräume, Hausflure oder Balkone. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, ob es sich bei der Wohnung um die des Täters oder die des Opfers handelt.91 Hierdurch wären dann auch die Beamten gedeckt, die sich in der Wohnung eines anderen befinden und könnten sich auf den Schutz durch § 201a StGB berufen.

Des weiteren sind auch alle besonders geschützten Räumlichkeiten inbegriffen, d.h. alle Räume außerhalb der Wohnung, die die Intimsphäre oder die private Lebensgestaltung betreffen. „Voraussetzung ist ein vollständiger und undurchdringlicher Sichtschutz, der verhindert, dass Personen, die sich bewusst der Öffentlichkeit entzogen haben, in ihrer Privatheit gestört werden." 92 Als geschützte Räume sind exemplarisch öffentliche Duschkabinen oder auch Autos mit abgedunkelten Scheiben zu nennen.93 Darunter würden auch einige Polizeifahrzeuge fallen. Somit könnten sich auch Polizeibeamte in gewissen Situationen auf den § 201a StGB stützen. Weitere Probleme treten jedoch auf, wenn man den Taterfolg: „die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs", hinzuzieht. „Gegenstand ist hierbei die Intimsphäre einer Person und umfasst Krankheit, Tod, Sexualität, die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen sowie Angelegenheiten einer Person."94 Hier ist fraglich, ob sich Polizeibeamte während des Dienstes im Beisein von Dritten oder dem polizeilichen Gegenüber in der Intimsphäre befinden können, da sie im gewissem Maße in der Öffentlichkeit stehen und ihrem Job nachkommen. In Umkleidekabinen oder auf dem WC ist dies natürlich gegeben, jedochkann es dort im eigentlichen Sinne nicht zu Kontakt mit Dritten kommen. Ein konstruierbarer Fall, in dem sich Beamten dennoch auf den § 201a StGB berufen können, ist der, wenn sich ein schwerverletzter Beamter in einem, von der Außenwelt durch einen Sichtschutz abgesicherten Krankenwagen oder Einsatzwagen befindet. Durch die Verletzung würde der Beamte durch das Foto in seiner Intimsphäre tangiert werden und somit auch im höchstpersönlichen Lebensbereich.95 Einen solchen Moment im Internet zu übertragen oder fotografisch festzuhalten, wäre strafbar: ebenso wie das Gebrauchen und Zugänglichmachen einer solchen Aufnahme für Dritte (siehe § 201). 96 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Sinne des Grundrechtes und die drei daraus entstandenen Strafvorschriften, §§ 201, 201a StGB und § 22 KUG können resümiert so dargestellt werde, dass sich Polizeibeamte sehr wohl auf das Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild berufen können. Handlungen im Sinne des Eingriffsrechts ergeben sich jedoch nur bei Verstößen gegen die drei aufgeführten Strafvorschriften. Das Recht am eigenen Wort wird durch den § 201 StGB als Lex specialis genauer geschützt. Der Paragraf schränkt diesen Schutz jedoch auf das nicht-öffentlich gesprochene Wort ein, das nicht aufgenommen oder verbreitet werden darf. Im Bezug zu Polizeiberuf entstehen Probleme dabei, dass oftmals eine faktische Öffentlichkeit besteht und somit die Strafbarkeit entfällt.

Der § 201a StGB sollte sich ursprünglich in seinem Aufbau und seiner Wirkung an den § 201 StGB richten, was einen größeren Schutzbereich bedeutet hätte, dies war der Legislative jedoch ein zu großer Eingriff in die Pressefreiheit und der Schutzbereich wurde eingeschränkt. Der Zusammengefasste Tatbestand beschränkt sich hierbei auf Bilder, die in geschlossenen Wohnungen oder in besonders vor Einblicken geschützten Räumen gemacht wurden. Ebenfalls sind Situationen vom Tatbestand erfasst, in denen sich die abgebildeten Personen in besonders misslichen oder hilflosen Lagen befinden und das die Abbildung einen Eingriff in die Intimsphäre darstellen würde. Der schwer verletzte Polizeibeamte im Dienst würde hierbei zutreffen. Eine Aufnahme an sich wäre hierbei schon strafbar. Der komplexeste Tatbestand ist der des KUG. Das KUG schützt allgemein gesagt vor der Verbreiterung des Bildnisses einer Person, solange die Öffentlichkeit kein begründetes Interesse hätte, das Bild zu sehen und das berechtigte Interesse des Abgebildeten nicht dagegensteht. Die Strafbarkeit im Zusammenhang mit diesem Gesetz ist besonders schwer festzustellen, da das Verbreiten auch weit später nach der Aufnahmen passieren kann sodass der Tatbestand in der Praxis schwer als Grundlage für ein rechtmäßiges Einschreiten genommen werden kann.​