2.2.2. Verstoß gegen 201 StGB
Die Strafvorschrift aus § 201 StGB ist die strafrechtliche Ausformung des im Grundrecht unter Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und dem darunter gefasstem Recht am eigenen Wort. Der Paragraf befindet sich im 15. Abschnitt des StGB, der sich allgemein mit den Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs befasst.
Der erste Absatz des Paragrafen befasst sich mit der Aufnahme des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes und der Verbreitung und Zugänglichmachung für Dritte. Im zweiten Absatz (des Gesetzes) wird dann auf das Abhören von Dritten mittels Abhörgerät und das Verbreiten der daraus gewonnenen Informationen eingegangen. Ein
Verstoß gegen die ersten beiden Absätze ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe zu bemessen. Bereits der Versuch ist strafbar. Allgemein ist zum § 201 StGB zu sagen, dass er aus dem Jahre 1967 stammt und zunächst unter der Paragrafennummer § 298 geführt wurde. 1990 wurde der zweite Absatz hinzugefügt. Der technische Fortschritt ist in den letzten 30 Jahren jedoch exponentiell gestiegen, sodass mittlerweile fast jeder mit Hilfe eines handelsüblichen
Smartphones die Möglichkeiten besitzt, Bilder und Videos zu produzieren. Ebenfalls brachte die technische Entwicklung neue qualitative Erfolge, was die Rechtsprechung vor neue Herausforderungen stellt. Zudem sind die technischen Geräte viel verbreiteter und günstiger, sodass jeder als potentieller Täter in Frage kommen kann, nicht nur Personen, die sich in diesem Bereich besonders auskennen. Hier ist, wie beim Kunsturheberrecht, zu hinterfragen, ob die damalige Gesetzgebung im digitalem Zeitalter noch zeitgerecht ist. 50 Der objektive Tatbestand stellt sich aus der Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines Anderen, auf einem Tonträger oder dem Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer solch hergestellten Aufnahme, dar. Das in diesem Absatz behandelte Hauptproblem, ist das Tatobjekt des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes im Hinblick auf die Polizeiarbeit. Das gesprochene Wort ist in diesem Zusammenhang problemlos als „mündliche Äußerung einer durch die Lautgestalt symbolisch vermittelten Gedankenerklärung" zu definieren. 51 Hierbei ist davon auszugehen, dass sich Polizeibeamte im Einsatzgeschehen und im Kontakt zum polizeilichen Gegenüber verständlich und lageangepasst artikulieren. Daher wird auf andere Äußerungen, wie bspw. Singen, nicht weiter eingegangen und daraus keine Problemstellung entwickelt. Auf den Inhalt des gesprochenen Wortes wird im § 201 StGB keine Rücksicht genommen. Es kann sich um jeglichen Inhalt, ob dienstlich oder privat sogar Selbstgespräche, handeln.52 Die Problematik des § 201 StGB liegt in dem Aspekt des „nicht- öffentlich"-Seins im Zusammenhang mit der polizeilichen Einsatzbewältigung. Nicht öffentlich ist das gesprochene Wort, wenn es sich nach dem Willen des Sprechers an einen bestimmten Personenkreis richtet und nur für diesen speziellen Hörerkreis wahrnehmbar ist. Der Sprechende muss die Kontrolle über die Reichweite seiner Äußerung besitzen.53 Thomas Fischer bewertet in seinem Kommentar zum StGB nach einem Verweis auf die Nicht-Öffentlichkeit eines polizeilichen Beschuldigtenverhöres die Sachlage so, dass „in der Regel jedes sonstige in dienstlichen oder beruflichen Zusammenhang gesprochene, nicht an einen bestimmten nicht abgeschlossenen Personenkreis gerichtete Wort", als öffentlich anzusehen ist. 54 Fischer ist der Ansicht, dass vor allem das subjektive Empfinden des Sprechers und der Sinn und Zweck der Unterredung von Bedeutung sind. Weiter geht er darauf ein, dass unbemerkte Dritte, die der Unterredung folgen, eine faktische Öffentlichkeit schaffen können. Dabei muss der Sprecher aus der Situation heraus erkennen, dass weitere Personen, außer denen, die von ihm direkt angesprochen werden, der Unterredung folgen. Das ist z.B. bei einem abgesperrtem Einsatzort der Fall, bei dem ein Beamter das Wort an von der Öffentlichkeit getrennte Zeugen richtet. Es handelt sich um das Nicht- öffentlich gesprochene Wort. Es ist davon auszugehen, dass keiner der Passanten die Absperrung überschreitet und so der Unterredung folgen kann. Überschreitet dennoch ein Außenstehender die Absperrung, so kann der Beamte mit einem solchen Verhalten nicht rechnen und das Tatobjekt des nicht öffentlich gesprochenen Wortes ist weiterhin gegeben.
Eine genaue Subsumtion für den polizeilichen Alltag kann nicht gefasst werden, da der Kontakt zum polizeilichen Gegenüber in jeder Einsatzlage unterschiedlich ist und auch das Verhalten von unbeteiligten Dritten von Einsatz zu Einsatz variiert. Es ist eine Einzelfallentscheidung, ob Polizeibeamte davon ausgehen können, dass ihr Wort als öffentlich gilt oder nicht. Somit kann jedes Einsatzgeschehen, bei dem sich das polizeiliches Gegenüber mit Passanten vermischt und keine stringente Trennung durch eine Absperrung oder durch das Aufbauen von Distanzen gegeben ist, als faktische Öffentlichkeit gewertet werden. Das Mithören durch Dritte in einem solchen Fall kann kaum vollkommen ausgeschlossen werden. Ein Polizeibeamter kann ebenfalls nicht immer darauf achten, dass ausschließlich das polizeiliche Gegenüber die Meinungsäußerung der Polizeibeamten wahrnimmt. In hektischen Einsatzlagen kann das gesprochene Wort der Beamten lauter sein als bei einer „normalen" Konversation, um so eine kontrollierte Gesprächsführung und oder Zurechtweisung des polizeilichen Gegenübers zu gewährleisten. Nach der Rechtsprechung könnte sich ein Beamter, der z.B. in einer Kneipe einen lautstarken Disput mit einem Gast führt, nicht mehr auf das nicht-öffentlich gesprochene Wort berufen, da eine faktische Öffentlichkeit besteht, wenn in der Kneipe zeitgleich weitere Gäste bewirtet werden. Es würde keine Strafbarkeit gem. § 201 StGB bestehen, da das Tatobjekt des nicht öffentlich gesprochenen Wortes nicht erfüllt ist.55 Somit hieße es bei geltender Rechtsprechung, dass folglich Polizeibeamte bei Ausübung ihrer polizeilichen Pflichten in bestimmten Einsatzlagen sich nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können. Da besonders auch die gefahrenabwehrenden Maßnahmen, nach dem PolG NRW, zum Schutz des Grundrechtes nicht getroffen werden können.56 Dieses Szenario bestätigt ebenfalls das Landgericht Kassel im Beschluss vom 23.09.2019. In diesem Verfahren geht es um die Beschlagnahme eines Smartphones aufgrund der Beweissicherung nach Straftaten gem. § 201 StGB und § 33 KUG. Das Landgericht bestätigt zwar, dass es sich generell bei polizeilichen Vernehmungen um das nicht öffentlich gesprochene Wort handelt, sah in diesem Einzelfall jedoch davon ab und bejahte die faktische Öffentlichkeit. Sie wurde nicht aufgrund der Tatsache bejaht, dass die Klägerin begründete, dass es ihr gelungen sei, das Gespräch aufzuzeichnen und der Polizeibeamte damit hätte rechnen können (was bei einer positiven Bewertung dieser Begründung die Gegenstandslosigkeit des § 201 StGB bedeutet hätte). Das Gericht bewertete vielmehr die Tatsache positiv, dass sich „in unmittelbarer Reichweite […] mindestens zwei weitere von Maßnahmen betroffene Personen" aufgehalten haben, sowie „ein halbes Dutzend weiterer „Nichtpolizeibeamter", welche das gesprochene Wort [hätten] hören" können.57 Da das Landesgericht Kassel das Tatobjekt des nicht öffentlich gesprochenen Wortes verneinte und eine faktische Öffentlichkeit sieht, wurde keine strafbare Handlung begangen und die Beschlagnahme für unrechtmäßig erklärt. Das Smartphone musste ausgehändigt werden.58 Wenn das Tatobjekt des nicht öffentlich gesprochenen Wortes zu bejahen ist, z.B. in Fällen einer allgemeinen Verkehrskontrolle oder einer Verkehrskontrolle nach einem Ordnungswidrigkeiten-Verstoß, bei welcher anzunehmen ist, dass sich erstmals keine Dritten in das Geschehen drängen können, so gibt es vier Tathandlungen, die aus den ersten zwei Absätzen des Paragrafen hervorgehen.
Tathandlungen: Grundlegend ist das in § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB fixierte „Aufnehmen" des gesprochenen Wortes. Unter „Aufnehmen" versteht Fischer das „mechanisch, elektromagnetische, digitale oder auf sonstige Weise geschehende Fixieren des Wortes auf einem Tonträger."59 Diese Definition lässt großen Spielraum und kann somit auf alle digitalen Varianten angewendet werden. Somit kommt es nicht drauf an, ob das Abhören durch ein Smartphone, ein spezielles Aufnahmegerät oder eine Videokamera stattfindet. Das Aufnehmen mittels Cop-Recorder oder einer ähnlichen Applikation wäre ebenfalls vom Tatbestand des § 201 StGB erfasst und beim nicht-öffentlich gesprochenen Wort ebenfalls strafbar. Tonträger sind nach Absatz 1 Nr.1 „alle Geräte mit akustischer Wiedergabemöglichkeit."60 Dies trifft auf meisten modernen Smartphones der heutigen Zeit zu. Weiter ist das „Gebrauchen" einer solchen Aufnahme strafbar. „Gebrauchen" ist nach Fischer das Vorspielen der Audiodatei für sich selbst oder vor Dritten.61 Nach dem Wortlaut des Gesetzes, § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wird von der „so hergestellten Aufnahme" gesprochen. Dabei bezieht sich das „so hergestellt" auf das „unbefugt", aus dem ersten Satz des ersten Abschnittes. Demnach kann nur ein rechtswidriges Gebrauchen vorliegen, wenn das Aufnehmen rechtswidriger Natur war. Damit kann nach herrschender Meinung eine Aufnahme, die durch Einwilligung oder ähnliche Rechtfertigungsgründe oder der nicht tatbestandlichen Erfüllung des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes, nicht unbefugt gebraucht werden, und die Tathandlung des Gebrauchens entfällt. Kein
„Gebrauchen" hingegen besteht, wenn der gedankliche Inhalt der Aufnahme schriftlich veröffentlicht wird.62 Das „Gebrauchen" beinhaltet ebenfalls das Erstellen einer Kopie. Fraglich ist nun, ob das Hochladen einer solchen Aufnahme in eine Cloud ein Kopieren darstellt. Viele der Applikationen oder auch der Smartphones sind heutzutage mit dem Internet verbunden und können auf online Speicherplätze, sogenannte Clouds, zurückgreifen. Eine Kopie stellt eine „Abschrift, Durchschrift oder sonstige originalgetreue Reproduktion" dar.63 Dieser Kopiervorgang muss schlussendlich nicht stattgefunden haben, wenn keine Duplikate auf dem Smartphone zurückbleiben. Dies ist jedoch ebenfalls nur von relativer Bedeutung, da durch das Erstellen der Originalaufnahme und die Kenntnisnahme des Inhaltes, eine Aufnahme gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB und ein Gebrauchen gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 bereits vorgelegen hat.64 Bedeutender ist das Hochladen in eine Online-Cloud für die nächste tatbestandlich erfasste Tathandlungsmöglichkeit, das Zugänglichmachen für Dritte.
„Zugänglichmachen" ist das Ermöglichen des Zugriffs auf die Aufnahmen durch einen beliebigen Dritten, z.B. durch das Überlassen eines Tonträgers. 65 Das Ermöglichen des Zugriffs kann durch heutige Technik u.a. über die Cloud stattfinden, auf deren Speicherort mehrere Personen nach Überlassen der Zugangsdaten zugreifen und Dateien miteinander teilen können. Diesen „Service" bietet u.a. auch die Online-Plattform OpenWatch.net an, die, wie bereits in der Einleitung erwähnt, gezielt auf den Content von Cop-Recordern und anderen Videomaterialien abzielt, um diese im Internet zu verbreiten. Somit wäre das Hochladen in eine solche Cloud oder einen solchen Server ebenfalls strafbar, weil es den Zugriff ermöglicht. Hierbei könnte der § 201 Absatz 2 Nr. 2 das Lex specialis sein, da der Personenkreis, denen die Datei zugänglich gemacht wurde, in den meisten Fällen nicht eingeschränkt ist und man somit nicht mehr von einer genauen Anzahl Dritter sprechen kann. Weiter befasst sich der § 201 Abs. 2 Nr. 1 StGB mit dem Abhören eines Gesprächs mittels Abhörgerät. Nach Fischer ist ein Abhörgerät eine „verbotene technische Einrichtung, die das Wort über dessen natürlichen Vernehmungsbereich hinaus für den Täter hörbar macht."66 Inbegriffen sind hierbei versteckt angebrachte Mikrofone, Richtmikrofone und drahtlose Kleinstsender. „Aufgrund der technischen Entwicklung fallen unter den Tatbestand daher auch Telefone bzw. Geräte mit Telekommunikationsfunktion."67 Eine weitere Variante der Begehung des § 201 StGB ist in Absatz 2 Nr. 2 festgeschrieben. In diesem Abschnitt wird die öffentliche Mitteilung, eines aus Absatz 1 Nr.1 aufgenommenen oder eines aus Absatz 2 Nr. 1 abgehörten nicht öffentlich gesprochenen Wortes behandelt. Bei der öffentlichen Mitteilung kommt es nicht darauf an, wie der Inhalt preisgegeben wird. Es kann der Wortlaut wiedergegeben werden, jedoch reicht ebenfalls die Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes. Tathandlung ist hierbei das öffentliche Mitteilen. Eine „Mitteilung ist öffentlich, wenn der Wortlaut oder der wesentliche Inhalt einer Äußerung von einem größeren, nach der Zahl und Individualität unbestimmten und auch nicht durch nähere Beziehung verbundenen Personenkreis zur Kenntnis genommen werden kann."68 Dieser Fall würde eintreten, wenn der Tatverdächtige, welcher eine solche Aufnahme besitzt, diese den sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder YouTube hochlädt, um sie seinen Followern (d.h. „In sozialen Netzwerken regelmäßiger Empfänger von Nachrichten einer bestimmten Person, Institution o. Ä."69) und allen weiteren Personen, die in diesem Bereich ihr Interesse bekunden, einsehbar macht. Genau dasselbe Prinzip verfolgt das Hochladen des Inhaltes auf die Netzwerke der Internetseite OpenWatch.net. Ein Hochladen würde das öffentliche Mitteilen darstellen und der Tatbestand würde, im Sinne der Tathandlung, erfüllt sein.
Tatbestandslos gemäß der Bagatellklausel wird der § 201 Abs. 2 Nr. 2 StGB, wenn die öffentliche Mitteilung nicht das berechtigte Interesse eines Anderen beeinträchtigt. Hierbei sollen belanglose Mitteilungen, die keinen Mehrwert für jemanden Anderen haben, der Strafbarkeit entzogen werden.70 „Dagegen werden Gesprächsinhalte geschützt, die ein Geheimnis im materiellen Sinne darstellen, aber auch solche, die die betroffene Person bloßstellen würden."71 Das berechtigte Interesse kann nicht nur durch den Inhalt der Aussage an sich tangiert werden, sondern auch die Art und Weise und die Umstände, in denen Aussagen getätigt werden.72 Das berechtigte Interesse wurde bereits im Bezug zum KUG thematisiert und vertieft. (S. 17) In Bezug auf Polizeibeamte, fallen hierunter Anfeindungen im Internet und die Veröffentlichung ihrer Identität oder sogar ihres Wohnsitzes. Der objektive Tatbestand des § 201 StGB kann somit auf diesen vier Wegen begangen werden. Der subjektive Tatbestand, der zudem auch noch vorliegen muss, fordert den Vorsatz. Hierbei ist die schwächste Form des Vorsatzes ausreichend, der Dolus eventualis (Eventualvorsatz), d. h. der Täter muss den Erfolg nur für möglich halten. Das voluntative Element, das Wollen des Taterfolges, ist hierbei nur bedingt notwendig. Der Täter muss den Taterfolg lediglich billigend In-Kauf-Nehmen.73 In Bezug auf das „Aufnehmen" ist der Dolus directus ersten Grades jedoch meistens einschlägig, da der Willensaspekt des Dolus eventualis, das Bedingte In-Kauf-Nehmen des Taterfolges, in der Praxis nicht vor kommt, da der Tatverdächtige bewusst die Aufnahme aktivieren muss. Somit entschließt er sich dazu und der Aspekt des Dolus eventualis trifft nicht mehr zu. Beim Dolus directus ersten Grades kommt es dem Täter auf die Verwirklichung an. Der Willensaspekt steht hier im Vordergrund. Da allgemein davon ausgegangen werden kann, dass es sich um bewusste Aufnahmen handelt und die Aufzeichnungen nicht durch technische Fehler entstanden sind, kann in Fällen der gezielten Aufnahme von Polizeibeamten in Bild und Ton immer von einem Dolus directus ersten Grades ausgegangen werden.74 Der Nachweis des Vorsatzes ist immer eine Einzelfallentscheidung und muss Situationsabhängig geprüft werden.
Weiter könnte eine solche Bild/Ton-Aufnahme keine strafbaren Sanktionen nach sich ziehen, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen. Ein Rechtfertigungsgrund könnte aus der in § 201 StGB festgeschriebene „Unbefugtheit" entfallen, die sich auf die Tathandlung an sich bezieht. Diese „Unbefugtheit" könnte durch Ermächtigungsgesetze und gesetzliche Erlaubnisse reguliert sein. Ein Beispiel hierfür ist die polizeiliche Telekommunikationsüberwachung, die nach § 100a StPO unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein kann. Bei dem polizeilichen Gegenüber und Dritten ist keine solcher Normen zutreffend. Ein strafbares Handeln gem. Absatz 2 Nr. 2 entfällt ebenfalls, wie bei Absatz 1 Nr. 2, wenn die Aufnahme oder das Abhören nicht unbefugt durchgeführt wurde dies ist jedoch nicht ersichtlich. 75 Weiter kann die Einwilligung als Rechtfertigungsgrundlage geeignet sein. Bei der Einwilligung handelt es sich um einen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund. Unterschieden wird zwischen der Einwilligung und der mutmaßlichen Einwilligung.76 Die eigentliche Einwilligung kann hierbei stillschweigend erteilt werden. Sie geht nicht aus der Duldung, aber aus der offensichtlichen Ablehnung hervor. Dies wurde am 24.04.1995 durch das OLG Jena in einem Gerichtsbeschluss festgehalten, in dem eine Tonbandaufnahme durch den Kläger abgelehnt wurde, das nicht öffentlich gesprochene Wort dennoch durch den Beschuldigten weiter aufgenommen wurde.77 Diese Situation lässt sich auf das polizeiliche Einsatzgeschehen projizieren, da einschreitende Beamte in einem Einsatz nicht immer unmittelbar auf die aufnehmenden Dritten eingehen können, wenn andere Situationen in diesem Moment Priorität haben. Somit kann das polizeiliche Gegenüber und anwesende Dritte, wenn die Polizeibeamten nicht ihre persönliche Zustimmung geben, nicht von einer Einwilligung ausgehen. Die mutmaßliche Einwilligung ist dann anzuwenden, wenn die „Lage der Dinge"78 darauf hinweist, dass die aufgenommene Person mit der Aufnahme einverstanden ist. Als weiterer Rechtfertigungsgrund könnte der rechtfertigende Notstand gemäß § 34 StGB ausreichen.79 Hiervon gedeckt ist vor allem das Aufnehmen der Stimme bei Telefonterror oder in Stalkingfällen. 80 Hierbei müsste das gefährdete Rechtsgut des § 201 StGB vorliegen und ein überwiegendes persönliches Interesse des Betroffenen tangiert sein. Dies ist zum Beispiel beim Sammeln von Beweismitteln einer Straftat zum Nachteil der filmenden Person der Fall. Das Filmen oder Aufnehmen eines Polizeieinsatzes ist hierbei, wie in einer „kleinen Anfrage" von Abgeordneten des Bundestages und der Fraktion „Die Linke" vom 07.01.2020 thematisiert, nicht erfasst. Die kleine Anfrage bezieht sich auf die Aussage des Richters Dr. David Ullenboom vom Düsseldorfer Landgericht, der in der NJW 2019, 3108 das Videografieren eines Polizeieinsatzes mit dem Notstand rechtfertigt. Im Resümee bejaht die „kleine Anfrage" den § 34 StGB, wenn die Gefahr besteht, Opfer von körperlicher Gewalt durch Polizeibeamte zu werden. Dann ist das Filmen als rechtmäßig mit Bezug auf § 34 StGB anzusehen.81 Christoph Keller und Dirk Schade äußerten sich hierzu in der polizeilichen Fachzeitschrift „Kriminalistik" so: „Eine auf einer grundsätzlichen Einstellung zur Polizei basierenden schlichten Vermutung, dass es zu polizeilichen
„Übergriffen" kommen könnte, rechtfertigt schon mangels Notstandslage (§ 34 StGB) keine vorsorgliche Aufzeichnung eines Gesprächs."82 Weiter ist ebenfalls in Frage zu stellen, inwieweit man dem polizeilichen Gegenüber ein objektives und eingriffsrechtlich gefestigteres Wissen, wie es die einschreitenden Beamten haben, zugestehen möchte und kann. Die einschreitenden Beamten haben hingegen durch ihr dreijähriges Studium und berufliche Erfahrungen rechtliches Wissen und Erfahrungen gesammelt, um Einsätze rechtskonform abzuarbeiten. Das polizeiliche Gegenüber würde die rechtliche Einordnung auf sein subjektives Empfinden und nicht auf studiertes Wissen und rechtliche Grundlagen herleiten. Wenn man dem polizeilichen Gegenüber zugestehen würde, kritische Situationen, in denen es zu hypothetischer Polizeigewalt kommen könnte, filmen und aufnehmen zu dürfen, wäre es fraglich, ob dies nicht dazu führen würde, dass jeder Bürger, der negativ zur staatlichen Exekutive eingestellt ist und sich „ungerecht behandelt" fühlt, dies nutzen und jeden Polizeieinsatz mit Berufung auf den § 34 StGB filmen könnte/dürfte.
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