Bragi und Idun
Schön ist Bragi; sein Antlitz leuchtet von sinnigen Gedanken.
Aus seinen Augen sprüht das heilige Feuer der Begeisterung. Hoheit thront auf seiner Stirn und jedes Wort seines Mundes ist ein Goldkorn tiefer Weisheit. Tönende Lieder fließen von seinen Lippen und seine Rede ist lieblicher denn die Stimme des Waldes und das Rauschen der Wasser die von den Bergen rieseln. Sein Bart wallt tief auf die Brust herab und keiner der Asen hat eine so stolze Hauptzierde wie Bragi der langbärtige Ase.
Er ist der Gott des Gesanges der Dichtkunst und der Beredsamkeit. Von ihm haben Sänger und Dichter ihre Gaben und ihm dankt der Redner die sprachgewandte Zunge.
Außer seinem Vater Odin kann sich keiner der hoben Asen noch der Männer der Erde an Tiefe des Sinnes und Weisheit der Gedanken mit Bragi messen noch darf sich ein Sänger oder Dichter rühmen daß seine Kunst der des Gottes gleichkomme.
Er kennt viele Sagen und Geschichten ans grauer Vorzeit die längst verschollen wären und von denen man keine Kunde mehr erhalten könnte; und wenn er auch das Schwert nicht führt und kein Freund ist vom männermordende Kampfe so genießt er doch hohe Ehren im Kreise der Asen und nur die Zunge der Bosheit mag seinen Ruhm antasten.
Bragis Gemahlin ist Idun. Ihr haben die Asen einen kostbare Schatz zur Hut anvertraut: elf goldene Äpfel von wunderbare Zauberkraft. Wenn die Götter verspüren daß sie altern und ihre Kräfte schwinden so essen sie von den Äpfeln und werden wieder blühend jung und stark.
Gar sorglich hütet ldun in einem Körbchen den Schatz und doch ward er ihr einmal auf Lokis Anstiftung durch den Riesen Thiassi geraubt.
Da schwebte das größte Unheil über der Welt. Die Asen wurden grauhaarig und kraftlos und konnten dem Schlafe nicht widerstehen. Selbst Heimdall der sowenig Schlaf braucht schloß die Augen und neigte das Haupt schlummermüde auf die Brust.
Wenn es nicht bald gelungen wäre die goldenen Äpfel wieder zu erlangen so hätten die finstern Mächte Asgard gestürmt und die Weltordnung wäre schier zuschanden geworden.
Idunas wunderkräftige Äpfel sind die Früchte der Weltesche; sie sind Sinnbilder der höchsten Poesie die auch in Bragis Liedern erklingt und Götter und Menschen erquickt und verjüngt. Wen einmal die Poesie verstummt dann verwildern Götter und Menschen dann werden sie grauhaarig und schwach und die Welt ist reif zum Untergange.
Einst wird der Tag kommen…
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