Skip to main content

III. Schutz als allgemeines Menschenrecht

Der Schutz des Einzelnen wird auch nicht dadurch verbessert, daß die völkerrechtliche Regelung als Menschenrecht qualifiziert wird. Der IGH hat den Charakter von Art. 36 I WKK als Menschenrecht ausdrücklich offen gelassen.82 Aber selbst die Annahme der Qualität eines Menschen- rechts83 führt zu keinem besseren Schutz des Einzelnen gegen Verletzun- gen der völkerrechtlichen Regelung: Auf der Ebene des Völkerrechts kann der Einzelne weiterhin die einschlägigen Schutzverfahren nicht be- treiben, und auf der Ebene des nationalen Rechts kann der Charakter der völkerrechtlichen Regelung als Individual- bzw. Menschenrecht nur dann Bedeutung haben, falls der Staat ohnehin grundsätzlich bereit ist, die Re- gelung zu beachten. Diese Zusammenhänge hat wohl auch der IGH im Fall LaGrand gesehen, denn er begründet das Offenlassen der Frage nach dem Charakter von Art. 36 I WKK als Menschenrecht ausdrücklich mit deren fehlender Entscheidungsrelevanz.84 Daran ändert sich selbst dann nichts, falls Art. 36 I WKK als Menschen- recht mit erga omnes-Wirkung qualifiziert wird. Diese vom IGH erstmals im Fall Barcelona Traction85 angesprochene Wirkung völkerrechtlicher Regelungen erweitert deren Schutz insoweit, als wegen der besonderen Bedeutung bestimmter völkerrechtlicher Regelungen die aus diesen Rege- lungen folgenden Pflichten nicht nur gegenüber einzelnen Staaten beste- hen, sondern gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft.86 In Bezug auf Art. 36 I WKK könnte dies zwar möglicherweise zur Folge haben, daß nicht nur der Entsendestaat, sondern auch jeder andere Staat eine Verlet- zung des Art. 36 I WKK vor dem IGH geltend machen könnte.87 Diese Konsequenz der erga omnes-Wirkung von Regelungen hat der IGH aller- dings bisher nicht ausdrücklich anerkannt.88 Und selbst falls der IGH dies täte, hätte der von der Verletzung betroffene Einzelne selbst weiterhin weder Zugang zu einem Verfahren vor dem IGH noch zu den weiteren, menschenrechtlichen Individualrechtsschutzverfahren z.B. des IPBPR oder der EMRK: Der Schutz des Einzelnen durch diese Verfahren ist wei- ter davon abhängig, daß sich ein Staat der Interessen des Einzelnen an- nimmt.​