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II. Auslegungsregeln

Dazu ist zunächst festzustellen, welchen Regeln die Auslegung folgt. Da die Konsularrechtskonvention ein völkerrechtlicher Vertrag ist, könnte ihre Auslegung nach den Regeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge31 vorzunehmen sein. Die Wiener Vertragsrechtskon- vention regelt ausschließlich das Recht der Verträge zwischen den Staaten und normiert in weiten Teilen aus dem Völkergewohnheitsrecht herrüh- rende Grundsätze. Zu diesen Grundsätzen gehören auch Regeln über die Auslegung von Verträgen.

Auf den ersten Blick ist das Vertragsrechtsübereinkommen gegenüber den USA nicht anwendbar. Die USA sind diesem Übereinkommen bis heute nicht beigetreten. Dennoch unterliegt die Konsularrechtskonven- tion auch im Verhältnis zu den USA der Auslegung nach dem Vertrags- rechtsübereinkommen: Das Übereinkommen ist ein kodifikatorischer Vertrag,32 der in seinem Anwendungsbereich weitestgehend nur das oh- nehin geltende Völkergewohnheitsrecht wiedergibt,33 und dies trifft ins- besondere auf die Auslegung zu.34 Art. 36 I WKK ist deshalb nach den im Vertragsrechtsübereinkommen festgehaltenen Regeln des Gewohnheits- rechts auszulegen.
Diese Regeln lassen sich wie folgt skizzieren: Ein Vertrag ist auszulegen nach „Treu und Glauben", nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang seiner Bestimmungen sowie „im Lichte seines Zweckes und Zieles", vgl. Art. 31 I WVK35. Dabei sind neben dem Vertrag selbst auch die Präambel und die Anlagen zum Vertrag zu erfassen. In gleicher Weise sind spätere Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung und Anwendung des Vertrags zu berücksichtigen. Dagegen ist die spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags nur dann relevant, wenn aus ihr die Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Ausle- gung des Vertrags hervorgeht. Die den Vertragsschluß vorbereitenden Ar- beiten sowie die Umstände des Vertragsschlusses können als ergänzende Auslegungsmittel hinzugezogen werden; vgl. Art. 32 WVK.​