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Zur Rolle des Preppens

Mitunter werden auch die Prepper-Szene und das „Reichsbürger"-Milieu in einem Atemzug genannt. In den Fokus geraten ist die Prepper-Szene durch das Aufdecken des rechtsextremen Prepper-Netzwerks „Nordkreuz" in Mecklenburg-Vorpommern. In dem Prepper-Netzwerk engagierten sich SEK-Beamte und ehemalige Bundeswehr- und NVA-Soldaten, die sich illegal Waffen und Munition in erheblichem Umfang beschafft hatten. Die Mitglieder von „Nordkreuz" verfügten zudem über „Feindeslisten", auf denen 25.000 Namen von „Flüchtlingsfreunden" mit Adressen verzeichnet waren, sowie Leichensäcke und Ätzkalk. In Planspielen bereiteten sie sich intensiv auf den „Tag X" vor (SPIEGEL2020a; Steffenhagen 2020; Tagesspiegel2019).

Schnell standen die Fragen im Raum, ob die Prepper-Szene eine strukturelle Nähe zu den Reichsbürgern aufweist bzw. als Aktionsform eines gewaltbereiten Rechtsextremismus angesehen werden muss, und inwieweit insbesondere Vertreter von Bundeswehr und Sicherheitsbehörden durch die Szene angezogen werden (Deutscher Bundestag Drucksache 19/6941 2019).

Preppen ist grundsätzlich erst einmal nicht als pathologisch anzusehen. Das Wort „Prepper" leitet sich vom Englischen „to prepare" bzw. „prepardness" für „vorbereitet sein" ab und bezeichnet gesundes Normalverhalten der Notfallvorsorge. Wobei „normal" in diesem Fall vermutlich trotzdem eine quantitative Minderheit beschreibt, denn die meisten Bundesbürger setzen die prophylaktischen Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2019) zur Notfallvorsorge wohl nur sporadisch um.31 Die Prepper-Szene als solche hat ihren Ursprung in der weißen konservativen Mittelschicht der USA und firmiert dort zum Teil auch unter „survivalists". Menschen, die Preppen zu ihrem Hobby oder ihrer Berufung gemacht haben, treffen alle erdenklichen Vorkehrungen, um im Schadensfalle (Naturkatastrophen, Stromausfall, Wirtschaftskrise, Krieg) auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Das Menschenbild des Preppers ist von einem Gefühl permanenter Unsicherheit und negativer Zukunftserwartung geprägt, sodass dem Mitmenschen im Katastrophenfall feindseliges Verhalten unterstellt und deswegen möglicherweise auch eine Bewaffnung als notwendig erachtet wird (Steffenhagen 2020). Nagel (2021) weist darauf hin, dass der Prepper trotz der generalisierten Staatsskepsis und des apokalyptischen Grundverständnisses32 im Sinne einer Mikroresilienz für sich und sein unmittelbares Umfeld einen handlungsorientierten und vorwärts gerichteten Lebensstil im Umgang mit der Krise wählt. Somit handele es sich bei der Szene weniger um eine Weltanschauungsgemeinschaft als vielmehr um eine Art Selbsthilfebewegung. Diese These annehmend, würde die Prepper-Szene dann der „Reichsbürger"-Szene durchaus ähneln, da Letztere ebenfalls oft nicht durch den Willen zum großen politischen Systemumsturz, sondern eher den verzweifelten Kampf um das eigene wirtschaftliche Überleben geprägt ist.

Prepper-Verhalten und Reichsbürgertum sind beides psychologische Substitute. Es sind Regulationsversuche, durch wiedererlangte Selbstwirksamkeitsüberzeugungen auf die Grundangst vor einer feindlichen, nicht mehr verstehbaren äußeren Welt zu reagieren. Anders verhält es sich mit Preppen im Vergleich zum gewaltbereiten Rechtsextremismus. Hier liegt ein ganz entscheidender motivationspsychologischer Unterschied bereits in den verhaltensverursachenden Ängsten und den damit verbundenen negativen Zukunftserwartungen. Echte „Prepper" fürchten den anomischen Zustand. Sie leiden zumindest prämorbid unter erheblichen Ängsten und Zwangsgedanken und können aufgrund negativer Zukunftserwartungen erst beruhigt schlafen, wenn sie ihrer Tendenz zum Horten und zum Sammeln so weit nachgegeben haben, dass sie sich auf das drohende Unheil vorbereitet fühlen. Im Sinne einer Misserfolgsattribution wünschen sie sich und der Menschheit den „Tag X" keinesfalls herbei, gehen aber davon aus, dass er kommen wird. Sie hoffen vielleicht sogar in einer Art magischen Denkens, dass er nicht kommen möge, wenn sie nur gut genug vorbereitet sind. So, wie man den Regen zu vertreiben glaubt, indem man den Regenschirm immer bei sich führt. Wenn die unvermeidliche Apokalypse dann doch eintreten sollte, möchten sie diejenigen sein, die Recht behalten haben und dafür gewappnet sind. Erst mit dieser Gewissheit können sie ihren Seelenfrieden finden. Das Verhalten ist damit innengerichtet und vor allem auf sich selbst und persönliche Angstregulation bezogen.

Ganz anders stellt sich die Motivation bei kriminellen Gruppen wie „Nordkreuz" dar. Das „Preppen" erfüllt dort eine rein instrumentale Funktion, um am „Tag X" die Mittel in der Hand zu haben, die eigene politische Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen. Das Verhalten ist damit intentional und außengerichtet. Im Gegensatz zum echten Prepper sehnt und redet diese Klientel den anomischen Zustand herbei und fiebert in einer Art „Angstlust" wie ein „sensation seeker" (Zuckerman 1999) dem „Tag X" sogar entgegen. Ihre größte Sorge ist, dass sie diese Chance verpassen könnten. Als Begründung für ihre Umsturzfantasien werden drohende Überfremdung, islamistische Unterwanderung und bevorstehender Bürgerkrieg genannt. Die Grundmotivationen „Warten auf den Systemzusammenbruch" einerseits und „Furcht vor der Apokalypse" andererseits unterscheiden sich somit diametral. „Reichsbürger"/Selbstverwalter nehmen hier eine Zwischenstellung ein, den sie wähnen sich bereits in einer Parallelherrschaft. Während der Zeithorizont der Prepper stets auf die Zukunft bezogen ist, leben und schöpfen „Reichsbürger" vorwiegend aus der Vergangenheit.

Es liegt nahe, dass sich normale „Prepper", aber auch „Reichsbürger", in Chatgruppen aufgrund ihrer Anschlussfähigkeit an verschwörungstheoretische Gedanken leicht von politisch rechtsextrem motivierten Akteuren einfangen lassen, wenn es diesen gelingt, ihre Ängste zu „triggern". Bei Befragungsstudien fanden Imhoff und Lamberty (2020) folgerichtig signifikante korrelative Zusammenhänge von „self-centered prepping behavior" zu Autoritarismus und Verschwörungsmentalität. Trotz dieser punktuellen Bezüge zwischen den Milieus und den empirischen Einzelbefunden empfiehlt es sich, Prepper und „Reichsbürger" weiterhin getrennt zu betrachten. Seitens des LKA Brandenburg ergeben sich derzeit keine belastbaren Zahlen, die eine Überschneidung des Reichsbürger-Milieus zur Prepper-Szene empirisch rechtfertigen würden. Ebenso liegen keine Daten für eine systematische Überschneidung der Prepper-Szene zum Rechtsextremismus vor (Tab. 4).

  Normale Notfallvorsorge (Preppen als Hobby) Pathologisches Preppen (Preppen als überwertige Idee) „Reichsbürger"/Selbstverwalter Rechtsextremisten
Menschenbild Realistisch, liberal, demokratisch Pessimistisch, konservativ, staatsskeptisch Egozentrisch, staatsverweigernd Nationalistisch, rassistisch, kulturpessimistisch
Zeitliche und soziale Perspektive Gegenwart (Zukunft), Perspektive für sich und den Haushalt Zukunft (negativ), individuelle Perspektive, die eigene Haut retten Vergangenheit (positiv), individuelle Perspektive dominant, z. T. kollektive Perspektive für Kleingruppe Vergangenheit/Zukunft (positiv), kollektive Perspektive erhalten, dafür individuelle Perspektive opfern
Prepper-Motiv und -Gegenstände Prophylaktisch, unpolitisch, Lebensmittel, Kerzen, Hygieneartikel etc. Zwanghaft, hortend, angstgesteuert, innengerichtet, unpolitisch, Lebensmittel, spez. Überlebensartikel (Von zwanghaft bis politisch möglich), z. T. Waffenbesitz Instrumentell, „sensation seeking", außengerichtet, politisch, aggressiv Waffen, spez. Überlebensartikel
Intention/Ziel des Preppens Kompetenzerleben, Überleben im Notfall Autonomie, Selbstwirksamkeit, Überleben (Notwehr) Autarkie, Systemausstieg, Selbstwirksamkeit, Überleben, Notwehr Dominanz, Systemsturz, Tötungsabsicht, Angriff als beste Verteidigung