Aktionsformen von „Reichsbürgern“ – am häufigsten ist „Papierterrorismus“
Es lassen sich in Bezug auf den Modus Operandi vier Hauptaktionsformen der „Reichsbürger" unterscheiden (Keil 2017).
- Die erste Aktionsform ist das Erstellen, Vertreiben und Benutzen von vielfältigen Personenausweisen, Urkunden, „Lebenderklärungen", Briefmarken, Stempeln, Siegeln und weiterer Dokumente diverser Ersatzregierungen. Die größte mediale Bekanntheit haben die „Personenausweise" erlangt, weil normale „Personalausweise" einen als Personal der vermeintlichen Scheinfirma „BRD GmbH" und nicht als natürliche Person ausweisen würden. Oftmals sind die Fantasiedokumente teurer als die echten Dokumente der Bundesrepublik, beispielsweise werden für eine sinnlose „Lebenderklärung", die lediglich einen Menschen als frei und dem vermeintlichen Naturrecht unterstehend deklariert, bis zu 500 € verlangt.
- Die zweite Aktionsform ist die Selbstermächtigung zum Ausführen aller möglicher Fantasieämter, angefangen bei den etwa 30 selbsternannten „Reichskanzlern" mit ihren Regierungsmitgliedern über den ehemaligen Koch Peter Fitzek als „König von NeuDeutschland", der in seinem Königreich eine Bank und Krankenkasse gründete, bis hin zu Personen wie Mustafa Selim Sürmeli, dem selbsternannten „europäischen Hochkommissar für Menschenrechte" (Schumacher 2015) oder dem vom Expolizisten Volker Schöne 2012 gegründeten „Deutsche Polizei Hilfswerk" (DPHW) – einer Art Bürgerwehr für „Reichsbürger". Oft werden die diversen Titel nach dem Motto „viel hilft viel" geradezu inflationär gehortet. Die auf diese Weise sich selbst verliehenen Ämter gaukeln Befugnisse vor, welche zur Autoritätsumkehr und zur Selbstlegitimation in der Auseinandersetzung mit den Behörden benutzt werden.
- Die dritte Aktionsform ist weniger bekannt als die ersten beiden, kann aber als die häufigste bezeichnet werden. Es handelt sich um die „Vielschreiberei". Behördenmitarbeiter werden mit weitschweifigen und langen Texten voller „Reichsbürger"-Rhetorik überzogen, die Großteils im Copy&Paste-Verfahren aus dem Internet über entsprechende Vorlagen zusammengestückelt werden, manchmal aber auch in mühevoller Kleinarbeit seitenweise per Hand (ab-)geschrieben sind. Im Tonfall einer missionarischen Belehrung wird dem Sachbearbeiter die vermeintliche Unbotmäßigkeit des behördlichen Vorgangs dargelegt und im Gegenzug eine eigene drastische Geldforderung aufgemacht oder dem Sachbearbeiter mit schlimmen Konsequenzen bis hin zur Todesstrafe gedroht. Man spricht auch von „Papierterrorismus", weil der funktionale Nutzen darin liegt, die Behörde mit Schriftstücken zu „bombardieren", Vorgänge künstlich aufzublähen und die Verwaltung somit lahmzulegen. Es handelt sich um eine Art Behördenimitation in Sprache und Stil.
- Die letzte Aktionsform bezeichnet die konkreten Widerstandshandlungen gegenüber Behördenvertretern und Polizisten bei Vollzugshandlungen. Dies kann letzten Endes auch zu gewalttätiger Eskalation gegen Personen und Sachen führen.
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