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„Rechtsstaat“

Ein weiteres Beispiel für eine irrationale Annahme der Staatsgläubigen ist die Vorstellung von einem „Rechtsstaat". Dahinter steckt die Annahme, dass das Recht einfacher Menschen schlecht sei, weil es jenen dient, die mit niederen Absichten nach Macht streben. Der „Rechtsstaat", so heißt es in der Theorie, garantiere hingegen ausschließlich objektive, vernünftige und für alle gleichermaßen geltende Regeln. Einmal wirklich objektiv und vernünftig darüber nachgedacht, ist schnell klar, wie absurd diese Vorstellung ist. Obwohl das „Gesetz" oft als eine Art heiliges, unfehlbares, natürliches und universelles Regelwerk wahrgenommen wird, ist das „Gesetz" in Wirklichkeit nur eine Ansammlung von Befehlen, die von den Menschen in der „Regierung" geschaffen und durchgesetzt werden. Einen Unterschied zwischen „Rechtsstaat" und „Rechtsmensch" würde es nur geben, wenn die „Gesetze" des „Rechtsstaates" von etwas anderem als Menschen geschaffen worden wären.

Die geheime Zutat

Staatgläubige versuchen, die Existenz einer herrschenden Klasse namens „Regierung" mit vernünftigen, legitimen, nützlichen Dingen zu rechtfertigen. Sie erklären diese Dinge dann zur Grundlage des „Staates". Sie behaupten: „Wenn die Menschen sich organisieren, um ein gemeinsames Verteidigungssystem zu errichten, dann nennt man das Staat." Oder es heißt: „Ein Staat entsteht, wenn Menschen gemeinsam entscheiden, wie Dinge wie Straßen, Handel und Eigentumsrechte funktionieren sollen." Oder sie sagen: „Wenn die Menschen ihre Ressourcen bündeln, um Dinge gemeinsam zu tun, anstatt dass jeder Einzelne alles für sich alleine macht, dann ist das ein Staat."

Nichts davon entspricht der Realität. Solche Annahmen dienen dazu, den „Staat" als natürlichen, rechtmäßigen und nützlichen Teil der Menschheit darzustellen. Aber alle diese Annahmen ignorieren den wahren Kern des „Staates". Der „Staat" hat nichts mit Organisation, Kooperation oder gemeinsamen Übereinkünften zu tun. Unzählige Gruppen und Organisationen - Supermärkte, Fußballmannschaften, Autohersteller, Bogenschützenvereine usw. - handeln kooperativ und zum gemeinsamen Vorteil. Sie werden aber nicht „Staat" genannt, weil sie kein Recht auf Herrschaft beanspruchen und auch nicht von sich behaupten, dass sie ein solches Recht hätten. Das ist die geheime Zutat, die die „Autorität" ausmacht: das angebliche Recht dazu, andere gewaltsam zu beherrschen.

„Regierungen" entstehen nicht einfach so aus Supermärkten oder Fußballmannschaften und auch nicht aus Menschen, die sich organisieren, um sich gemeinsam und gegenseitig zu verteidigen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen „Wie können wir uns effektiv verteidigen?" und „Ich habe das Recht, dich zu beherrschen!"

In der Staatslehre wird behauptet, dass der „Staat" und die „Regierung" Ergebnisse zivilisierter und organisierter Menschen sind. Tatsächlich aber sind sie ausschließlich Ergebnisse des Märchens, dass es jemanden geben muss, der „das Sagen hat". Ohne den religiösen Glauben an die „Autorität" würde keine Kooperations- oder Organisationform jemals zu einer „Regierung" werden. Zu einem rechtmäßigen Herrscher zu werden, setzt eine drastisch verzerrte allgemeine Wahrnehmung von Dienstleistungen voraus. Dabei ist es egal, um welche Art der Dienstleistung es sich handelt - Lebensmittelversorgung, Wohnungsbau, Information, Schutz oder sonst etwas. Eine Organisationsform kann nicht wundersamerweise zu einer „Regierung" werden, ebenso wenig wie ein Angestellter eines Sicherheitsdienstes wundersamerweise zum König werden kann.

Diese falschen Vorstellungen von einer Dienstleistung führt zu einer weiteren Behauptung der Staatsgläubigen: Dass eine Beseitigung der „Regierung" dazu führen wird, dass Verbrecherbanden die Herrschaft übernehmen würden und dadurch eine neue Form von „Regierung" entstehen würde. Die gewaltsame Ausübung von Herrschaft wird aber nicht automatisch als das Handeln einer „Regierung" angesehen. So lange der neuen Verbrecherbande nicht das Recht zu herrschen zugeschrieben wird, so lange wird sie auch nicht als „Regierung" betrachtet. Eine moderne Bevölkerung zu unterwerfen - vor allem wenn sie bewaffnet ist - setzt tatsächlich einzig und allein voraus, dass die Herrschaft als rechtmäßig wahrgenommen wird.

Heutzutage würde die Herrschaft mittels bloßer Gewalt über eine größere Menge an Menschen ungeheure Ressourcen erfordern (Waffen, Spitzel, Söldner usw.) - so viele, dass das es aussichtslos wäre. Die Horrorvorstellung von brutalen Verbrecherbanden, die ein Land unterwerfen, passt zwar in die Kinos, aber in einem Land mit einem Kommunikationsnetz und Waffen wird es nicht dazu kommen. Die einzige Möglichkeit, eine größere Bevölkerung heutzutage zu unterwerfen, besteht darin, dass die Herrschaftsanwärter die Bevölkerung davon überzeugen, dass sie das moralische Recht dazu hätten, sie zu beherrschen. Das gelingt nur, wenn die Vorstellung von einer „rechtmäßigen Autorität" in die Köpfe der Opfer eingehämmert wird und diese daraufhin davon überzeugt sind, es mit einer rechtmäßigen und korrekten „Regierung" zu tun zu haben. Sobald das gelingt, ist kaum noch Gewalt nötig, um an die Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten. Wenn das Regime dagegen jemals den Anschein der Rechtmäßigkeit in den Augen seiner Opfer verliert, oder wenn es diesen Anschein nie erreicht, wird rohe Gewalt nicht dazu ausreichen, die Macht zu erhalten und zu sichern.

Verbrecherbanden und beliebige andere Organisationen können nicht zu „Regierungen" werden, so lange die Menschen nicht glauben, dass irgendwer das Recht hätte, sie zu beherrschen. Wenn sich die Menschen vom religiösen Glauben an die „Autorität" befreien, dann brauchen sie dementsprechend keine Revolution, um frei zu sein. „Regierungen" werden daraufhin einfach verschwinden, weil der einzige Grund, warum sie überhaupt existieren, der religiöse Glaube an die „Autorität" im Kopf der Staatsgläubigen ist. Die Politiker und ihre Söldner, die ihre Drohungen wahr machen, sind zwar sehr real. Aber ohne den Anschein der Rechtmäßigkeit werden sie als machtbesessene Verbrecherbande angesehen und nicht als „Regierung".

Manche, unter ihnen auch Thomas Jefferson in der Unabhängigkeitserklärung, behaupten, dass es möglich und wünschenswert sei, eine „Regierung" zu haben, die nichts anderes tut als die Rechte des Individuums zu schützen. Aber eine Organisation, die sich nur darauf beschränkt, wäre keine „Regierung". Jeder Einzelne hat das Recht, sich und andere gegen Angriffe zu verteidigen. Auch wenn das im Rahmen einer sehr großen und gut organisierten Form geschieht, so wäre das ebenso wenig ein „Staat" wie ein großer Lebensmittelhersteller ein „Staat" wäre. Damit eine Organisation ein „Staat" ist, muss sie per Definition etwas tun dürfen, wozu andere Menschen nicht das Recht haben. Eine „Regierung" mit den gleichen Rechten wie jeder andere ist keine „Regierung", genauso wenig wie der Durchschnittsmensch auf der Straße eine „Regierung" ist.