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Macht - Autorität - Herrschaft

Macht, Herrschaft und Autorität bezeichnen jeweils komplexe soziale Beziehungsgeflechte, die einerseits eigenständige Phänomenbereiche konstituieren, andererseits aber auch miteinander verwoben sind. Sie sind soziale Tatsachen, die vielfältigen Deutungsmustern zugänglich sind. Nicht zuletzt deshalb ist ihr semantischer Gehalt bis heute umstritten.

Dies kann beispielhaft an der Macht gezeigt werden: Verweisen die einen auf konstruktive Aspekte der Macht für Verständigung oder soziales Handeln, sehen andere in ihr etwas Böses oder gar Dämonisches; assoziieren die einen mit Macht eher Freiheit, so andere Zwang; ist für die einen Macht eher an gemeinsames Handeln gebunden, so rücken andere sie in die Nähe von Kampf und Konflikt; sind für die einen Macht und Gewalt Gegensatzpaare, die unterschiedlicher nicht sein könnten, so stellt für andere Gewalt eine besondere Form von Macht dar; wird auf der einen Seite Macht an Recht gebunden, so erscheint sie auf der anderen Seite als Willkür.

Aber auch um die Herrschaft steht es nicht viel besser: Benutzen die einen Herrschaft als einen Oberbegriff zu Macht, so betrachten andere sie lediglich als einen Spezialfall derselben und ordnen sie dieser unter; bedeutet Herrschaft für die einen Unterdrückung, so erfüllt sie für andere wichtige Ordnungsfunktionen; glauben die einen, Herrschaft abschaffen zu können, so halten andere sie für eine Universalie menschlicher Gesellschaften; evoziert der Gedanke an Herrschaft für die einen eher Furcht und Schrecken, so für andere Gedanken an eine grundlegende Form menschlicher Vergesellschaftung, die mit besonderer Legitimität ausgestattet ist.

Und für die Autorität gilt: Sie ist einerseits überall vorfindbar, aber andererseits widerspricht sie unseren Gleichheitsidealen; verbinden die einen Autorität mit fragloser Anerkennung, so vermengen andere Autorität mit Autoritarismus; verbindet sich Macht einerseits mit Autorität, so verfügt doch andererseits längst nicht jeder Machthaber über Autorität; sehen einige in charismatischer Herrschaft eine be-
sondere Form der Autorität, so stellen andere sie gegenüber den Herrschaftsformen moderner Gesellschaften deutlich zurück; schließlich kann Autorität offensichtlich ganz unterschiedlich zu Macht und Herrschaft in Beziehung gesetzt werden.

Wie kommen solch disparate und widersprüchliche Kennzeichnungen zustande? Zum einen entspringen sie aus unterschiedlichen theoretischen Traditionen innerhalb der Sozialwissenschaften; zum anderen haben sie mit grundlegenden ideologischen Positionen und Menschenbildern zu tun, die den Blick auf Macht, Herrschaft und Autorität präformieren. Nicht zuletzt dürften solche Einschätzungen auch aus der Lebenswelt der Individuen und ihren unterschiedlichen Erfahrungen mit den genannten Phänomenen resultieren. Bevor jedoch diese unterschiedlichen Bezüge und die damit einhergehenden Deutungsmuster inhaltlich differenziert werden, sollen zuvor wenigstens grundlegende Aspekte der drei Begriffe vorgestellt werden.

Als Ausgangspunkt kann dazu auf die klassischen Definitionen von Max Weber zurückgegriffen werden, der die genannten Phänomene grundlegend mit der sozialen Ungleichheit, mit der Ausbildung von Klassen und Schichten oder auch sozialer Ränge, auf jeden Fall mit gesellschaftlichen Hierarchien und entsprechenden Über- und Unterordnungsverhältnissen in Beziehung setzt und damit die unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten der Durchsetzung von Interessen und die Beeinflussung von Handlungen verbindet. Nach Weber bedeutet Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." Zwei Aspekte sind an dieser Definition bemerkenswert: Zum einen rückt Weber seinen allgemeinen Machtbegriff in die Nähe von sozialen Kämpfen und Konflikten; zum anderen spezifiziert er die Grundlage der Chance der Willensdurchsetzung nicht näher, sondern spricht davon, dass alle erdenklichen Qualitäten eines Menschen und verschiedenartige Konstellationen ihn in diese Lage versetzen können. Damit bleibt der Machtbegriff zunächst „soziologisch amorph". Im Gegensatz dazu definierte Weber Herrschaft als „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden." Dadurch, dass Machtausübung und Einflussnahme allein nicht ausreichen, um Herrschaft zu konstituieren, und Herrschaft immer an Legitimität zurückgebunden wird, geht Weber davon aus, dass Herrschaft einen stärkeren Institutionalisierungsgrad als Macht besitzt. Herrschaft beruht auf verschiedenen „Motiven der Fügsamkeit", wenigstens einem „Minimum an Gehorchenwollen" - und damit der Anerkenntnis von Autorität. Fließen bei Weber Herrschaft und Autorität fast zusammen, so scheint es sinnvoller, Autorität mit Sofsky und Paris als „anerkannte, geachtete Macht, die zugleich bewundert und gefürchtet wird ", zunächst als eigenständige Kategorie zu fassen. Autorität beruht dabei auf beanspruchter und anerkannter Kompetenz und Überlegenheit einer Person, die in der Regel mit einem Amt, einer Sache oder einer Funktion verbunden ist. Autorität kann also in Machtbeziehungen oder Herrschaftsverhältnissen auf verschiedenen Ebenen zum Tragen kommen.

Für alle drei Begriffe ist aber ihr Prozess- und Figurationscharakter konstitutiv: Macht, Herrschaft und Autorität kann man nicht für sich allein haben, sondern sie sind immer nur in Verbindung mit anderen Menschen denkbar, weil alle drei Begriffe ein soziales Verhältnis bezeichnen. Deshalb sind Macht, Herrschaft und Autorität auch keine rein statischen oder über längere Zeiträume stillstellbaren Zustände, sondern dynamische Phänomene, in denen sich die Relationen zwischen einzelnen Personen, Gruppen oder Institutionen auf Grund der asymmetrischen und wechselseitigen Beziehungen verändern.

Das kommt besonders deutlich bei Machtverhältnissen zum Ausdruck. Zur Erfassung dieses vielschichtigen Grundphänomens menschlicher Gesellschaften ist zunächst daran zu erinnern, dass Macht ganz kategorial darauf zurückzuführen ist, was ein Mensch ,vermag' und wie er dieses Vermögen zum Einsatz bringen kann. Popitz hat deshalb vier Grundtypen der Macht (Aktionsmacht als Verletzungsmacht, instrumentelle Macht als Unterwerfungsmacht, autoritative Macht als verhaltenssteuernde Macht und datensetzende Macht als objektivierte Macht technischen Handelns) unterschieden, daraus konstitutive Handlungsmöglichkeiten der Menschen abgeleitet und darauf hingewiesen, wie und warum diese Machttypen im Einzelnen wirksam sind und wie es zu Prozessen der Machtbildung kommt.

Daneben lassen sich unterschiedliche Dimensionen der Macht differenzieren. Sinnvoll ist die Unterscheidung in Machtquellen, Machtmittel, die Formen der Machtausübung und die Wirkungsmechanismen von Macht. Alle Macht beruht zunächst auf grundlegenden Machtquellen. Diese können entweder in körperlicher Überlegenheit, in der Persönlichkeit (Charisma oder Autorität) eines Menschen, in der Verfügung über Ressourcen oder in Organisationen bestehen. Diese Machtquellen eröffnen den Zugang zu den eigentlichen Machtmitteln. Solche konkreten Medien der Machtausübung können z. B. sein Kapital (im Bourdieuschen Sinne), Körperschaften und Organisationen, Amts-, Funktions- oder Sachautorität, die mit spezifischen Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet sind, oder Informationen. Sie stellen die Trümpfe in Machtspielen dar, mit ihnen werden Konflikte ausgefochten, kann Widerstand geleistet oder gebrochen werden. Die Art der Machtquellen und der je spezifische Einsatz von Machtmitteln strukturieren dann die konkreten Formen der Machtausübung. Letztere reichen auf einem Spektrum von eher diskreten Formen wie Einfluss, Überzeugung oder Motivation über das Ausspielen von persönlicher und sachbezogener Autorität und der Anwendung von Kontrolle und Zwang bis hin zum Einsatz von Gewalt. Formen der Machtausübung können also eher kommunikativ oder eher brachial ausfallen. Mit ihnen korrespondieren in der Regel typische Wirkungsmechanismen von Macht. Hier wäre z. B. die

Androhung von Strafen oder anderweitigen negativen Sanktionen (repressive Macht), aber auch positive, auf Wohlverhalten abzielende Sanktionen zu nennen (kompensatorische Macht), und nicht zuletzt auch Manipulation zu erwähnen, deren Wirkung über die Konditionierung von Situationen und Menschen erzielt wird. Je nach Kombination dieser Aspekte variieren Reichweite, Geltungsbereich und Wirkungsintensität der Macht.

Diese Differenzierungen weisen über die Webersche Definition von Macht insofern hinaus, als sie nicht nur das Handeln zur Überwindung von Widerstand als Machtaktion begreifen, sondern auch die Gründe für die Möglichkeit zur Machtausübung spezifizieren. Lukes hat rein auf der Handlungsebene angesiedelte Machtkonzeptionen als eindimensional gekennzeichnet, weil sie etwa eine zweite Ebene der Machtausübung - sog. non-decisions - außer Acht lassen. Dabei geht es um die Beeinflussung der Rahmenbedingungen für die Machtausübung etwa über die Manipulation oder die Kontrolle der Spielregeln. Aber auch eine zweidimensionale Fassung von Macht bleibt immer noch an die intentionale Willensdurchsetzung von Individuen gekoppelt. Nach Lukes gilt es deshalb auch noch eine dritte Dimension zu berücksichtigen: Diese besteht z. B. in einem impliziten gesellschaftlichen oder gruppenförmigen Konsensus, dass bestimmte Dinge gar nicht verhandelbar sind, sondern als gegeben akzeptiert werden müssen. Noch vor der Ebene der Abstimmung der Spielregeln und weit vor dem eigentlichen Handeln sind also bereits bestimmte Aspekte festgeschrieben - unzweifelhaft ein Machtphänomen.

Theorien der Macht thematisieren Macht letztlich auf einem Kontinuum zwischen konkreten Optionen sozialen Handelns (Weber) und der Allgegenwart von Macht, die kapillarisch alle Poren der Gesellschaft und alle sozialen Beziehungen durchdringt (Foucault). Dies führt zurück zur Autorität, denn Autorität ist immer dort im Spiel, wo es Macht gibt. Bisher war lediglich von verschiedenen Typen der Autorität die Rede, ohne dass diese selbst thematisiert worden wäre. Autorität gehört deshalb in den Kontext von Macht und Herrschaft, weil sie auf die Einflussmöglichkeit einer Person, einer Gruppe oder Institution auf andere Personen auf Grund von spezifischen Kompetenzen oder allgemeiner Überlegenheit abhebt. Damit unterscheidet sie sich zwar einerseits von Macht und Herrschaft, ist aber andererseits ein essentieller Bestandteil beider Phänomene.

In Anlehnung an Sofsky und Paris lassen sich die wichtigsten Merkmale von Autorität wie folgt umreißen:

Autorität wird grundsätzlich zugeschrieben, da jemand nur Autorität hat bzw. ist, wenn andere ihm diese zuerkennen.

Autorität beruht auf Anerkennung, da man nur Autorität wird bzw. ist, sofern andere einen als solche anerkennen.

Die Anerkennung der Autorität erfolgt mittels repräsentativer Werte und bezieht sich grundsätzlich auf die gesamte Person, die Persönlichkeit.

Zuschreibungen von Autorität erfolgen immer personengebunden; höchste Autoritäten sind z. B. charismatische Führer.

Autoritätsbeziehungen sind ungleiche Beziehungen, da Autorität in der Regel „von unten", d. h. von machtschwächeren Gruppen, zugeschrieben wird.

Zugleich spiegeln sie ein reziprokes Geschehen wider, das von Ehrfurcht und Achtung erweisenden Selbstinszenierungen der Unterlegenen und Unabhängigkeit, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit sowie Führung der Autorität geprägt ist.

Autorität erfüllt wichtige Ordnungsfunktionen für die Gesellschaft und schafft Ordnung durch Unterordnung.

Autoritäten können damit im Prinzip auf den Einsatz und den Gebrauch autoritärer Machtmittel verzichten.

Autorität verweist zugleich auf den Autoritätsanspruch einer Person oder Gruppe und auf die Folgebereitschaft anderer. Das Gehorchenwollen gründet hier auf einem spezifischen Legitimitätsverständnis, das sich wiederum auf Tradition oder Glauben berufen und sich entweder in formeller oder informeller Autorität manifestieren kann.

Autorität ist aber nicht nur ein wichtiges Element von Machtbeziehungen, sondern weist - wenn man an die Webersche Definition denkt - durchaus auch Ähnlichkeiten mit Herrschaft auf. Fasst man Herrschaft als ein institutionalisiertes Dauerverhältnis der Machtausübung einer übergeordneten gegenüber einer untergeordneten Gruppe, dann kommt keine Herrschaft ohne ein Mindestmaß an Anerkennung und Gehorsam - also Legitimität - aus. Herrschaft ist dabei ein Aspekt der sozialen Welt, der in sehr unterschiedlichen Formen in Erscheinung tritt. Hier sind nicht nur übergreifende Herrschaftsverhältnisse wie Staaten oder Organisationen, die Weber Herrschaftsverbände nennt, gemeint, sondern auch klein- teiligere Herrschaftsverhältnisse bis hin zu Familien-Beziehungen angesprochen.
Herrschaft als institutionalisierte Form der Macht ist idealtypisch gekennzeichnet durch eine zunehmende Entpersonalisierung der Macht (diese wird auf bestimmte Positionen oder Funktionen übertragen), durch ihre zunehmende Formalisierung (die Machtausübung löst sich von persönlicher Willkür und orientiert sich an festen Regeln und Verfahren), und schließlich durch die Integration von Macht in übergreifende Ordnungsgefüge, wo sie ihre legitime institutionelle Verortung und Verfestigung erfährt.

Popitz hat den Institutionalisierungsprozess von Herrschaft in fünf Schritten als eine Stufenfolge beschrieben: Auf der untersten Stufe kommt es zu einer sporadischen Machtausübung von Akteuren, die auf Grund fehlender Machtmittel und prekärer Formen der Machtausübung auf den Einzelfall begrenzt bleibt. Die zweite Stufe auf dem Weg zur Institutionalisierung besteht in der Normierung von Verhaltensweisen und der machtförmigen Durchsetzung von Verhaltensregelmäßigkeiten. Auf einer dritten Stufe kommt es etwa durch Schließungsprozesse zu einer Verdichtung normierender Machtfunktionen und zu überpersönlichen Machtstellungen, die mit Sanktionsgewalt ausgestattet sind. Auf der vierten Stufe bilden sich schließlich Positionsgefüge der Herrschaft um zentrale Machtgruppen der Gesellschaft herum, die in anonymisierten Herrschaftsapparaten gipfeln, in denen die Herrschenden selbst austauschbar werden. Auf der letzten Stufe kommt es dann zur Etablierung staatlicher Herrschaft. Sie ist auf Grund ihrer Besonderheiten - territoriale Gebietsherrschaft: und zentralisierte Herrschaftsinstanz zu sein, mit dem Steuermonopol über eigene Machtmittel zu verfügen, die Verfügung über das Gewaltmonopol als Sanktionsinstrument zu haben, und bestimmte Ordnungsfunktionen auszuüben - zugleich eine hohe Form der Institutionalisierung von Macht.

Weber hat in seiner Herrschaftssoziologie gezeigt, dass jede auf Dauer gestellte Herrschaft mit einem bestimmten Glauben an ihre Rechtmäßigkeit einhergehen muss. Denn nur mittels Legitimität lässt sich Gehorsamsbereitschaft: erreichen, Herrschaft mit hierarchischen Über- und Unterordnungsstrukturen stabilisieren und deren spezifische Maßnahmen rechtfertigen. Anhand des Legitimitätskriteriums hat Weber drei „reine Typen legitimer Herrschaft" entworfen, die auf unterschiedlichen Begründungen ihrer Legitimität aufruhen: Die traditionale Herrschaft mit ihren Sonderformen der patriarchalischen, patrimonialen und ständischen Herrschaft beruht auf der „Heiligkeit überkommener Ordnungen und Herrengewalten". Zu ihrer Legitimierung reicht noch der Verweis auf die eigene Geschichte und die Tatsache, dass es immer schon so war, seitens eines traditionellen Herrschers. Die charismatische Herrschaft beruft sich auf die außeralltäglichen Eigenschaften und Qualitäten einer Person und der durch sie geschaffenen Ordnung. Die Legitimität beruht hier auf der Folgsamkeit verbürgenden Autorität und dem Charisma einer Persönlichkeit. Propheten, Kriegshelden oder Führer sind in diesem Kontext natürliche Herrschertypen, die aber in besonderem Maße unter dem Zwang der Reproduktion ihrer Autorität stehen. An diesem Typus der Herrschaft lässt sich zeigen, dass Autorität und Charisma einem allfälligen Zerfallsprozess ausgesetzt sind, der entweder schleichend für einen Autoritätsverlust sorgt, weil z. B. der Autoritätsbedarf schwindet oder diverse Methoden der Diskriminierung die Autorität des Herrschers unterminieren, oder relativ abrupt einen Sturz der Autorität herbeiführen kann. Charismatische Herrschaft ist damit die risikoreichste Art der Legitimation von Herrschaft. Ganz anders bei der legalen Herrschaft mit ihrem modernen Verwaltungsstab und ihrer gesatzten Verfassung: Hier beruht die Herrschaft auf dem Glauben an die Legalität einer regelgerecht geschaffenen Ordnung und das Anweisungsrecht der zur Herrschaft Berufenen, die der Rationalität und Verlässlichkeit von Verfahren selbst unterliegen. Bürokratie und Behörden sind idealerweise mit Amtsdisziplin und Funktionsautorität ausgestattet und an abstrakte Normen und Fachqualifikationen gebunden. Rein technisch ist die legale Herrschaft als bürokratische Verwaltung für Weber die rationalste Herrschaftsform.

Jenseits der Idealtypen stellen die tatsächlichen Herrschaftsordnungen jedoch häufig Mischformen dieser Idealtypen dar oder sie entsprechen gar nicht dem Legitimitätskriterium. Je nachdem, auf welcher Ebene man ansetzt, lassen sich politisch-staatliche Herrschaftsordnungen zwischen Demokratie, Oligarchie, Aristokratie und den verschiedenen Typen von autoritärer Herrschaft und Diktatur verorten, Herrschaftsverhältnisse in gesellschaftliche Subsysteme (z. B. Regierung, Verwaltung, Organisationen) im Bereich der Politik, der Wirtschaft oder der Kultur differenzieren oder auch Herrschaft in kleinteiligeren Einheiten ausmachen. Man wird dabei auf sehr unterschiedliche Begründungen und Legitimationen von Herrschaft stoßen, bis hin zur offenen Gewaltherrschaft.

Anfangs wurde die Frage aufgeworfen, wie unterschiedliche, manchmal auch diametral entgegen gesetzte Einschätzungen von Macht, Herrschaft und Autorität zustande kommen. In Bezug auf die Macht gibt es vielfältige Theorien, mit denen sowohl die eine wie die andere Position ,belegt' werden könnte. Ausschlaggebend scheinen neben wissenschaftstheoretischen Kontroversen und unterschiedlichen Erkenntnisabsichten häufig politische Bewertungen oder Erfahrungen der Lebenswelt zu sein. So findet man eine skeptische Bewertung von Macht oder gar deren Dämonisierung in der Regel bei machtschwachen Gruppen, die Machtausübung eher hierarchisieren und auf ihre negativen Effekte hinweisen. Umgekehrt haben aber auch wirkliche Machthaber ein gebrochenes Verhältnis zur Macht, insofern sie häufig ihre eigene Machtlosigkeit betonen; bestenfalls hätten sie begrenzten Einfluss. Hier scheint die Beurteilung der Macht von einer Sichtweise auf die Macht abzuhängen, die diese einmal als Übermächtigung, einmal als Ermächtigung versteht.

In Bezug auf die Herrschaftsproblematik lassen sich die Differenzen des wissenschaftlichen Umgangs mit Herrschaft gut an den theoretischen Paradigmen der Soziologie verdeutlichen. Individualistisch orientierte Theorien oder rationale Akteursmodelle, die vom Menschen als einem egoistischen Nutzenmaximierer ausgehen, sehen in der Herrschaft mit ihren stabilen Formen der Über- und Unterordnung einen nützlichen und allseits vorteilhaften Ordnungs- und Koordinationsmechanismus, mit dessen Hilfe das Handeln vieler Einzelner koordiniert werden kann. Gehorsam und Anerkennung der Herrschaft werden hier mit individuellen Vorteilsüberlegungen begründet. In vielen Gesellschaftstheorien bzw. Sozialtheorien gilt Herrschaft dagegen als eine allgemeine soziale Regelungs- und Beziehungsform, deren Vor- und Nachteile sich in konkreten Analysen unterhalb des abstrakten

Herrschaftsbegriffs erweisen müssen. Hier ist das Angebot an Theorien außerordentlich breit - es reicht von Weber über Parsons, Dahrendorf, Elias, Giddens und Bourdieu bis hin zu Foucault - und das Spektrum der Untersuchungsgegenstände kaum noch überschaubar, so dass stärker herrschaftskritische neben herrschaftsaffirmativen Bezugnahmen existieren. Schließlich gibt es eine Reihe von kritischen und marxistisch orientierten Theorien, die Herrschaft als einen Macht- oder Konfliktregelungsmechanismus auffassen und darauf hinweisen, dass Herrschaft mehr oder weniger stabile Formen hierarchischer Ordnung hervorbringt, die keinesfalls für alle gleichermaßen vorteilhaft sind. Sie verweisen bei ihrer Kritik an Herrschaft auf Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse, betonen den Zwangscharakter von Herrschaft und die anzutreffende Willkür der Machtausübung, erinnern an Gewaltherrschaften und wollen Herrschaft insgesamt minimieren, weil sie einer demokratischen Konstitution der Gesellschaft ein Stück weit entgegensteht. Der Legitimierbarkeit von Herrschaft stehen sie grundsätzlich skeptisch gegenüber.

Wie immer man nun auch Macht, Herrschaft und Autorität bewertet, in der Soziologie müssen sie als soziale Tatbestände gelten und als solche werden sie den Menschen noch lange erhalten bleiben.​