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Teil V: Die bisherige Position des Europäischen Parlamentes

Das Europäische Parlament (EP) verabschiedete erstmals am 4. April 1973 eine „Entschließung über die Berücksichtigung der Grundrechte der Bürger in den Mitgliedstaaten bei der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts“108. Dieser folgte die „Entschließung über den Vorrang des Gemeinschaftsrechts und den Schutz der Grundrechte“ vom 15. Juni 1976109. Einen Entwurf einer europäischen Verfassung legte das EP am 14. Februar 1984 vor.
Wichtigstes Dokument des EP ist die Erklärung über Grundrechte und Grundfreiheiten vom 12. April 1989110. Sie enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog, der neben den klassischen Grundrechten auch soziale Grundrechte und Staatszielbestimmungen aufnimmt:
– „Artikel 7: Die Familie genießt rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schutz“.
– „Artikel 13 Abs. 1: Jeder hat das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen“.
– „Artikel 13 Abs. 2: Es werden die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz und zur Gewährleistung eines Arbeitsentgelts, das ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht, getroffen“.
– „Artikel 14 Abs. 3: Die Arbeitnehmer haben das Recht, regelmäßig über die Wirtschafts- und Finanzsituation ihres Unternehmens unterrichtet und zu Beschlüssen, die ihre Interessen berühren können, gehört zu werden“.
– „Artikel 15 Abs. 1: Jeder hat das Recht auf alle sozialen Maßnahmen, die ihm den bestmöglichen Gesundheitszustand gewährleisten“.
– „Artikel 15 Abs. 2: Arbeitnehmer, Selbständige und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf soziale Sicherheit oder eine gleichwertige Regelung“.
– „Artikel 15 Abs. 3: Jeder, der nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat das Recht auf soziale und medizinische Hilfe“.
– „Artikel 15 Abs. 4: Jeder, der aus von ihm nicht zu verantwortenden Gründen nicht über eine angemessene Wohnung verfügt, hat Anspruch auf entsprechende Unterstützung durch die zuständigen staatlichen Stellen“.
– „Artikel 16 Abs. 1: Jeder hat das Recht auf Bildung und Ausbildung gemäß seinen Fähigkeiten“.
– „Artikel 24: Integrierender Bestandteil jeder Gemeinschaftspolitik ist die Erhaltung, der Schutz und die Verbesserung der Qualität der Umwelt, der Schutz der Verbraucher und der Benutzer vor einer Gefährdung ihrer Gesundheit und Sicherheit sowie gegen unlautere Handelspraktiken. Die Gemeinschaftsorgane sind gehalten, alle notwendigen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele zu ergreifen“.
Schon vor den Regierungskonferenzen, die zum Vertrag von Maastricht führten, hatte das Parlament gefordert, den von ihm beschlossenen Grundrechtskatalog in die Verträge aufzunehmen, was jedoch ebenso erfolglos blieb, wie die Forderung vor den Regierungskonferenzen 1996, die zum Vertrag von Amsterdam führten111.
108 Abl. EG 1973 Nr. C 26, S.7f.109 Abgedruckt in: EuGRZ 1976, S.246f.110 Abl. EG 1989 Nr.C 120, S.5.111 Vergleiche: „Martin-Bericht“ v. 20.11.1990 (EP DOK A3-270/90), sowie Entschließung v. 13.März 1996, abgedruckt in EuGRZ 1996, S.167.
Die Erklärung von 1989 hat dennoch eine enorme Bedeutung, da sie vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde, welches als einzige Institution auf europäischer Ebene direkt demokratisch legitimiert ist. Sie stellt einen Ausdruck des „Volkswillens“ der europäischen Völker dar. Ein eigener Grundrechtskatalog der EU wird daher auch nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung des Europäischen Parlamentes zustande kommen, wie auch immer die rechtliche Konstruktion sein mag