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Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten

Als Arthropoda (= Gliederfüßer) werden Tiere mit heteronomer Segmentierung zusammen- gefasst. Ihnen ist gemeinsam, dass sie ein mehr oder minder starres Exoskelett aus Chitin (und anderen Elementen) besitzen, das bei Wachstumsprozessen regelmäßig gehäutet werden muss.
Die heteronomen Körper- und Beinsegmente sind durch häutige Elemente verbunden und dadurch beweglich. Nach dem Bau der Mundwerkzeuge werden die Arthropoda in Amandi- bulata und Mandibulata untergliedert. Die Amandibulata enthalten im Wesentlichen die Che- licerata (= Kieferklauenträger oder Fühlerlose), während zu den Mandibulata die Crustacea (= Krebse) und die Insecta (= Hexapoda; Insekten) gezählt werden. Manche Autoren fügen in den Kreis der Amandibulata auch noch die Pentastomida ein, die aber hier als eigener Stamm behandelt wurden. Die Arthropoden umfassen – aus parasitologischer Sicht – überwiegend Ektoparasiten, denen aber wegen ihrer riesigen Individuenzahl und ihrer häufigen Funktion als Überträger (von Wirt zu Wirt) von Viren, Rickettsien (= obligat intrazelluläre Bakterien), anderen Bakterien wie auch sehr vieler Stadien von Endoparasiten eine enorme Bedeutung zukommt. Neben dieser unmittelbaren Funktion bei den Infektionen von Wirten haben ge- flügelte Arthropoden (z. B. Mücken, Fliegen) oder zumindest schnell bewegliche Arten (z. B.
Wanzen, Schaben) eine wichtige Funktion bei der geographischen Ausbreitung von Erregern.
Sie werden hierbei zu Vektoren bei Epidemien, ohne selbst nennenswerte Schädigungen zu erleiden. Zusätzlich zu solchen lebenden Vektoren aus der Verwandtschaft der Arthropoden benutzen allerdings viele Parasitenstadien (z. B. Zysten von Amöben, Wurmeier, Wurmlarven) zusätzlich bzw. hauptsächlich unbelebte Vektorensysteme wie Staub, Tröpfchen, Wasser, Wind etc. Andere Arthropodengruppen sind als Gifttiere von Bedeutung.
5.1 Skorpione (Scorpiones)
1. Name: Griech.: skorpios = Skorpion, der Stechende. Engl. scorpions. 2. Biologie/Morphologie: Skorpione sind relativ große Arthropoden (Gliederfüßer). Sie be- sitzen ebenso wie die meisten anderen Spinnentiere 4 Paar Laufbeine. Auffallend sind die großen, mit Scheren versehenen Pedipalpen, die zum Ergreifen und Festhalten von Beute- tieren dienen. An den Pedipalpen sind zahlreiche Tasthaare vorhanden, die zum Aufspüren der Beute dienen. Die beiden medianen Augen und die 2–5 an den Seiten des Vorderkör- pers (Prosoma) liegenden weiteren Augenpaare dürften dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Beute wird mit den unscheinbaren, am Vorderende vorhandenen Cheli- ceren zerkleinert; diese besitzen aber keine Giftdrüsen. Der Rumpf der Skorpione besteht aus 6 Segmenten (Prosoma), welche die genannten 6 Extremitätenpaare aufweisen, und einem weiteren, aber nicht deutlich abgesetzten Abschnitt mit 7 Segmenten (Metasoma), an dessen Ende sich ein Giftstachel befindet. Die Giftdrüse und der Giftvorrat liegen in dem kugeligen Teil des Stachelglieds (Abb. 5.1). Auf der Bauchseite besitzen die Skorpione ein Paar sog. Kämme, die mit zahllosen Sinnesorganen besetzt sind und bei der Kopulation eine Rolle spielen.
Skorpione sind nachtaktiv und verstecken sich am Tage. Sie erbeuten vorwiegend Spinnen, daneben auch Insekten und andere Gliederfüßer. Die Beute wird mit den Scheren der Pedi-
206 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
palpen ergriffen und über den Körper gehalten; dann sucht das Tier mit dem Stachel nach eine weichhäutigen Stelle und injiziert das Gift. Der Mensch wird nur zufällig von Skorpio- nen gestochen, wenn er diese im Versteck aufstöbert oder sie unvorsichtig anfasst. In dieser Verteidigungssituation wird der Stachel durch eine blitzschnelle Bewegung des Schwanzes in die Haut eingeschlagen. 3. Stichwirkung: Die Giftwirkung ist sehr verschieden; sie hängt u. a. weniger von der Größe des Skorpions als von den Eigenschaften seines Giftes ab. Tiere, die längere Zeit nicht gesto- chen haben, besitzen einen größeren Giftvorrat als solche, die kurze Zeit vorher gestochen haben. Zwei Typen von Giften sind bekannt: 1. Eine nur lokal wirkende Form, die dem Menschen allenfalls bei Vorhandensein einer Überempfindlichkeit gefährlich werden kann. 2. Sehr gefährlich ist dagegen die zweite Form, die als Neurotoxin wirkt und vor allem bei Kindern tödlich wirken kann.
Der Stich vieler Skorpione zeigt beim Menschen keinerlei Giftwirkung. Das gilt zum Bei- spiel für die in Südeuropa häufigen Arten Euscorpius italicus und E. carpathicus sowie für Buthus occitanus. Letztere gehört aber in Nordafrika und Vorderasien zu den giftigen Arten, deren Stich heftige, mehrere Stunden anhaltende Schmerzen verursacht. Die Stichstelle schwillt an, leichtes Fieber kann eintreten; die Beschwerden gehen, außer bei empfindlichen

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5.2 Spinnen
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Personen, innerhalb von 2 Tagen wieder zurück. Dieser gelb bis bräunlich gefärbte Skor- pion ist im ausgewachsenen Zustand etwa 4,5–7 cm lang.
Gefährlich sind die mit einem neurotoxisch wirkenden Gift ausgestatteten Arten, insbe- sondere der Familie Buthidae, die weltweit in tropischen und subtropischen Gebieten vor- kommen. Unmittelbar nach dem schmerzhaften Stich folgt ein Gefühl der Benommenheit; es kann zu verstärktem Speichelfluss und zu einer Verkrampfung der Kiefermuskulatur kommen. Die Stichstelle kann gerötet sein, anschwellen und schmerzen. Rasche Tempe- raturerhöhung, Schweißausbrüche, Schwindelgefühl, Sehstörungen, Gefühllosigkeit, zu- nehmend intensivere Krämpfe und Atemnot gehören zu den Vergiftungserscheinungen. In schwersten Fällen kann nach einigen Stunden der Tod eintreten. Im Allgemeinen ist der Patient aber nach etwa 3 Stunden außer Lebensgefahr.
Besonders gefährlich sind folgende Arten: – Androctonus australis kommt in Nordafrika vor, v. a. im Atlas und in der nördlichen Sa- hara; das Gift soll fast so wirksam wie das einer Kobra sein, ein Tropfen soll einen Hund innerhalb von 7 Minuten töten. – Leiurus quinquestriatus ist besonders in Vorderasien vertreten. – Arten der Gattung Centruroides sind besonders in den Südstaaten der USA und in Me- xiko gefürchtet. Sie verursachten z. B. in Arizona in den Jahren 1929–1948 doppelt so viele Todesfälle wie alle übrigen giftigen Tiere zusammengenommen. 4. Therapie: Die Behandlung von Vergiftungen durch Skorpionstiche erfolgt am besten mit Immunseren; diese werden in Gebieten, in denen derartige Vergiftungen eine Rolle spielen, hergestellt und bereitgehalten. Die Behandlung muss aber rasch erfolgen. Ist dies nicht möglich, so sollte die Extremität (3/4 aller Skorpionstiche treffen Hände und Beine) sofort entlang der Stichstelle mit einer Druckkompresse bedeckt werden, um eine Ausbreitung des Giftes auf dem Blutweg zu minimieren; nach höchstens einer halben Stunde sollte die Abbindung für etwa 10 Minuten gelockert werden. Wichtig ist der schnellstmögliche Trans- port zur nächsten Serumstation.
Stahnke (1966) empfiehlt bei derartigen Vergiftungen ein Abbinden in der geschilderten Weise und zusätzlich das Eintauchen der Extremität in Eiswasser. Auf diese Weise sollen die Ausbreitung und das Eindringen des Giftes sowie die Wirkung begrenzt werden. Nach 10 Minuten soll die Abbindung gelöst, die Eiswasserbehandlung aber noch mindestens 2 Stunden fortgesetzt werden. Die Unterkühlung muss ganz allmählich wieder aufgehoben werden. Am besten entfernt man dazu das Eis entfernt, damit sich das Wasser langsam wieder erwärmen kann. Eine Behandlung von Vergiftungssymptomen mit Morphium und ähnlichen Mitteln ist sehr gefährlich, da diese synergistisch zum Gift wirken können.
Schmerzlinderung kann jedoch gefahrlos durch lokale Injektion von Xylocain erreicht werden (Stahnke 1966). Freunde von Westernfilmen kennen die in diesen Filmen immer wieder angewandte Methode zur Behandlung von Schlangenbissen: Die Wunde wird mit kreuzweisen Messerschnitten erweitert und das Gift ausgesogen. Dies ist aber gefährlich, weil das Gift über Läsionen im Mund in die Blutbahn des Saugenden gelangen kann und diesen Helfer gefährdet. Dieses simple Saugverfahren ist durch ein in der Schweiz entwi- ckeltes Gerät (Venom-Ex) perfektioniert worden.
5.2 Spinnen (im engeren Sinne)
1. Name: Griech.: arachne = Spinne. Engl. spiders. 2. Biologie/Morphologie: Die Giftigkeit der Spinnen (Abb. 5.2–5.5) wird immer überschätzt.
Von den einheimischen Spinnen geht keine Gefahr für den Menschen aus. Der Körper der Spinnen ist in 2 große Abschnitte gegliedert. Der vordere, das Prosoma, trägt die beiden beißenden Mundwerkzeuge, die Cheliceren, die als Taster fungierenden Pedipalpen und 4 Laufbeinpaare. Der meist erheblich größere hintere Abschnitt, das Opisthosoma, ist mit

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dem vorderen durch ein eingeengtes Segment, das sog. Stielchen, beweglich verbunden. Die beiden Cheliceren besitzen je 1 dolchartiges Endglied, die Giftklaue. Unterhalb der Spitze dieser Giftklaue mündet die verschieden große Giftdrüse, die bei manchen Arten bis weit in das Prosoma reichen kann. Am Hinterende des Körpers liegen die aus Extremitätenanlagen hervorgegangenen Spinnwarzen sowie der Anus. Die Geschlechtsöffnung befindet sich fast in der Körpermitte, im 8. Segment, etwa am Vorderende des Opisthosoma. Spinnen er- beuten vorwiegend Insekten. Eine große Zahl von Arten baut kein Netz, sondern fängt die Beute laufend oder springend. 3. Bisswirkung: Der Mensch wird von Spinnen, wie auch von Skorpionen, nur zufällig at- tackiert. Die meisten Arten sind gar nicht in der Lage, die Haut des Menschen mit ihren Cheliceren zu durchdringen. Von der in Süditalien und anderen Gegenden Südeuropas

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vorkommenden Tarantel (Lycosa tarentula) wurde seit dem Mittelalter behauptet, die Wirkung ihres Bisses könne nur durch einen ekstatischen Tanz, die Tarantella, beseitigt werden. In Wirklichkeit ist der Biss dieser Spinne aber harmlos. Die meisten Spinnengifte wirken nur lokal an der Bissstelle. Die Gifte der gefährlichen Arten sind Neurotoxine, die Krämpfe, Herzjagen, Herzrhythmusstörungen, Schüttelfrost u. a. Begleiterscheinungen hervorrufen und im schlimmsten Fall zum Tod durch Lähmung der Atmung führen. Als Gegenmittel (Antidots) dienen vor allem Immunseren, ferner Muskelrelaxantien, Kalzi- umglukonat, Kardiaka. Morphin und seine Derivate sowie Barbiturate sind aber absolut kontraindiziert.
Die Gifte der Wolfspinnen (Lycosidae), der Scytodidae und einiger anderer Spinnen wir- ken zytotoxisch und zytologisch. Ausgehend von der Bissstelle kommt es zu ausgedehnten, schmerzhaften Gewebsnekrosen.
Chiracanthium punctorium (Dornfinger) gehört zur Familie Clubionidae und ist vermutlich aus dem Mittelmeergebiet nach Deutschland eingewandert. Die Weibchen sind besonders angriffslustig zur Zeit der Eiablage, die ab Juli stattfindet; sie bewachen in hühnereigroßen Wohngespinsten, die sie in der Krautschicht anlegen, die Eigelege und Jungspinnen. Der Biss dieser Spinnen verursacht einen brennenden Schmerz; außerdem kann es zu rasch abklingendem Schüttelfrost kommen. Gefährlich wird diese Spinne für den Menschen kei- nesfalls, auch nicht nach mehreren Bissen.

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5.2 Spinnen
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Vogelspinnen sind im Allgemeinen sehr träge und nur schwer zum Beißen zu animieren, aber sie können auf ganz andere Weise unangenehm werden. Vor allem die größeren Arten können mit den Hinterbeinen die Haare vom Hinterleib bürsten und diese dann in ganzen Wolken dem Angreifer entgegenschleudern. Diese Haare können beim Menschen stark juckende Hautentzündungen und Schleimhautödeme hervorrufen.
In Australien gelten aber Arten der Gattung Atrax (Familie Hexathelidae) als sehr giftig.
Atrax robustus kann im Wohnbereich des Menschen vorkommen. Ungewöhnlich ist, dass die vagabundisierenden Männchen gefährlicher als die Weibchen sind. Ihr Gift ist 6-mal wirksamer als das der Weibchen. Es gehört zu den wirksamsten Giften im Tierreich. Nach einem Biss treten innerhalb von 10 Minuten Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Schweißaus- brüche, Schüttelfrost und andere Symptome auf. Durch Lähmung der Atmung kann bei Kindern bereits 15–90 Minuten nach dem Biss, bei Erwachsenen noch nach 30 und mehr Stunden der Tod eintreten. Wichtigstes Behandlungsmittel ist Immunserum, daneben kön- nen Atropin, Benzodiazepine usw. angewandt werden.
Sehr giftig sind auch die in Südamerika vorkommenden, früher immer wieder mit Bana- nenstauden eingeschleppten Kammspinnen (Ctenidae) der Gattung Phoneutria. Das hoch- wirksame Gift enthält 13 toxische Komponenten. Die Vergiftungserscheinungen entspre- chen denen nach einem Atrax-Biss. Wenn keine Behandlung erfolgt, kann der Tod durch Lähmung des Atemzentrums 12–17 Stunden nach dem Biss eintreten. In Deutschland steht als Gegenmittel ein Immunserum (Antifenin) zur Verfügung.
Wegen ihrer besonderen Giftigkeit sind die Loxosceles-Arten aus Süd-, Mittel- und Nord- amerika sowie die Arten der Gattung Harpactirella aus Südafrika gefürchtet; gegen deren Gifte gibt es aber Antiseren.
Gefährlich für den Menschen sind in erster Linie 2 Arten der Gattung Latrodectus aus der Familie der Kugelbauchspinnen (Theridiidae), Latrodectus mactans und L. curaca- viensis; diese haben in den Verbreitungsgebieten auch volkstümliche Namen erhalten.
Die giftigste Art ist die in warmen Gebieten weltweit verbreitete, in vielen Varianten, vor allem der Färbung, auftretende Latrodectus mactans. In Italien heißt sie Malmignatte, in Südrussland Karakurte („schwarzer Wolf"), in Nordamerika Schwarze Witwe, in Austra- lien Rotrückenspinne, in Neuseeland Katipo und in Südafrika Knopfspinne (Abb. 5.2). Die Bezeichnung Schwarze Witwe hängt mit dem geringen Anteil der sehr kleinen Männchen bei Funden zusammen; die Männchen sterben früher als die Weibchen und werden zudem beim Liebeswerben oder nach der Spermaübertragung häufig gefressen; statt 1:1 kann das Geschlechterverhältnis von Weibchen zu Männchen dadurch 5:1 betragen. Latrodectus mactans ist im weiblichen Geschlecht einschließlich der Beine etwa 4 cm lang; der Hinter- leib hat eine Länge von 1–1,2 cm. Auffallend ist die Kugelform des im Vergleich zum Vor- derkörper umfangreichen Hinterleibs. Die Färbung des Hinterleibs ist sehr variabel. Die südeuropäischen Formen weisen eine unterschiedliche Fleckenzeichnung auf. Die südrus- sische Form (Karakurte) ist einfarbig dunkel. Latrodectus curacaviensis ist in Amerika weit verbreitet, vom südlichen Kanada bis Patagonien. Latrodectus mactans ist in der Lage, auch größere Insekten wie Heuschrecken und in Australien sogar Mäuse zu erbeuten. Die Tiere leben auf Wiesen, Feldern und Ödland in der Vegetation, kommen aber auch im Bereich menschlicher Siedlungen vor. Der Mensch wird besonders bei Erntearbeiten gebissen (in Italien 70% der bekannt gewordenen Fälle), oder wenn er beim Saubermachen und an- deren Gelegenheiten zufällig eine Spinne anfasst. Früher kamen in ländlichen Gegenden mit Außentoiletten immer wieder Bisse in Genitalien vor, weil Latrodetus mactans unter der Toilettenbrille mithilfe eines Fangnetzes Fliegen erbeutete. Das Gift der Latrodectus- Arten enthält 6 toxische Proteine und wirkt neurotoxisch. An der Bissstelle ist außer einer leichten Schwellung und den Einstichen der Giftklauen nichts zu sehen. Sofort nach dem Biss treten an der Bissstelle starke Schmerzen auf, die während der folgenden 1–3 Stunden noch zunehmen. Hinzu kommen Schmerzen in der Leistengegend, allgemeine Körperschmerzen, Zittern und Krämpfe, v. a. in der Bauchmuskulatur. Benommenheit, Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck, Schweißausbrüche und Atemnot gehören ebenfalls
212 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
zu den Symptomen. Die Giftwirkung schwindet meistens nach 2–3 Tagen. Die Häufigkeit der Bisse scheint mit der starken Vermehrung der Spinnen in manchen Jahren korreliert zu sein. Die Zahl der Todesfälle ist erstaunlich hoch, besonders in Kalifornien und in den Südstaaten der USA. 4. Therapie: Die Behandlung der Bisse kann durch intravenöse Gabe von Kalzium erfolgen.
Kalziumglukonat ist Kalziumchlorid vorzuziehen; die Kalziuminjektionen beseitigen vor allem die schmerzhaften Muskelkrämpfe und haben sich besonders in den Vereinigten Staaten sehr bewährt. Für die serologische Behandlung werden in den endemischen Ge- bieten Immunseren vorrätig gehalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Serum von Tieren stammt, die mit dem Gift der Malmignatte, der Schwarzen Witwe bzw. der Katipo immuni- siert wurden. Serumgaben sind noch 80 Stunden nach dem Biss wirksam.
5.3 Zecken
1. Name: Der Name leitet sich vom niederdeutschen Wort teken = Stecken ab; im heutigen holländischen Sprachgebrauch ist dies immer noch das Wort für Zecken. 2. Biologie/Morphologie: Die Zecken sind relativ große, 1–20 mm Länge erreichende, vari- abel, aber häufig gelb bis braun gefärbte, nicht immer leicht identifizierbare Parasiten, die weltweit verbreitet sind und als Blutsauger und Krankheitsüberträger bei landbewohnenden Wirbeltieren und so auch beim Menschen eine beträchtliche Rolle spielen. Als Ektopara- siten von Haustieren sind sie wirtschaftlich von großer Bedeutung. Der Mensch ist wahr- scheinlich bei geringer Wirtsspezifität ein Gelegenheitswirt, sowohl für die Zecken als auch für die von ihnen übertragenen Krankheitserreger. Die Zahl der Wirtstierarten, die befallen werden können, ist je nach Art und Stadium der Zecke verschieden. Oft ist die Wirtsspezi- fität nur gering ausgeprägt. An über 50 Arten von Säugetieren und Vögeln sowie Eidechsen konnte Ixodes ricinus nachgewiesen werden.
Vor dem Saugakt haben Zecken einen linsenförmigen, ungegliederten, dorsoventral abge- platteten Körper. Durch die Blutaufnahme schwillt der Körper (insbesondere des Weib- chens) enorm an; dies ist durch die stark dehnbare Kutikula möglich. Ventral an den Seiten befindet sich als Atemöffnung je eine Stigmenplatte. Die klobigen Mundwerkzeuge werden von 2 mehrgliedrigen Tastern flankiert, deren Sinneshaare vermutlich der Nahorientierung auf dem Wirt dienen. Nur die sehr kleinen Larven haben 3 Beinpaare; alle übrigen Stadien laufen mit 8 Beinen. Das 1. Beinpaar wird in Lauerstellung und beim Laufen wie ein Füh- lerpaar ausgestreckt und benutzt. Auf der Oberseite der Tarsen des 1. Beinpaares befindet sich eine Gruppe von Sinnesorganen, die als Haller'sches Organ bezeichnet werden. Es spielt eine wichtige Rolle beim Aufspüren des Wirtes. Entscheidend für das Auffinden der Wirtsorganismen sind die von ihnen abgegebene Wärme, Kohlendioxid und Duftstoffe. Die Afteröffnung der Zecken liegt ventral; die Geschlechtsöffnung befindet sich zwischen den Beinhüften.
Zeckenweibchen legen große Mengen von Eiern in der Bodenstreu ab. Die daraus schlüp- fenden Larven häuten sich nach einer Blutmahlzeit zu Nymphen. Die Zahl der Nymphen- stadien ist bei den einzelnen Zeckengruppen sehr verschieden; Ixodidae (Schildzecken) haben lediglich 1 Nymphenstadium, manche Argasidae (Lederzecken) bis zu 8. Beim Gemeinen Holzbock Ixodes ricinus wurde nachgewiesen, dass er eine sehr variable Ent- wicklungsdauer von 178–2724 Tagen haben kann. In Deutschland benötigt er zur Entwick- lung mindestens 2 Jahre. Zecken können je nach Stadium in Abhängigkeit von relativer Luftfeuchte und Temperatur wochen- bis monatelang hungern. Die Zahl der Eier, die ein Weibchen legt, hängt von der Menge des aufgenommenen Blutes ab und ist daher sehr unterschiedlich: Ixodes ricinus legt zwischen 2000 und 5000 Eier, Amblyomma hebraeum, ein Ektoparasit an Rindern, legt etwa 18 500 Eier; Argas reflexus, die Taubenzecke, legt mehrfach je 20–100 Eier, ebenso die tropische Lederzecke Ornithodoros moubata. Von den
5.3 Zecken
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weltweit über 800 Zeckenarten kommen etwa 20 in Mitteleuropa vor. Die systematische Gliederung der Zecken und Milben ist in der Literatur umstritten. Einige Autoren gliedern wie folgt:
Parasitiformes (Zecken und Milben): 1. Ixodides (Zecken) Fam. Ixodidae (Schildzecken) Fam. Argasidae (Lederzecken) 2. Mesostigmata (blutsaugende Milben) u. a. Fam. Dermanyssidae (Vogelmilben) Fam. Liponyssidae (Nagermilben) Trombidiformes u. a. Fam. Demodicidae (Haarbalgmilben) Fam. Trombiculidae (Erntemilben) Sarcoptiformes u. a. Fam. Sarcoptidae (Krätzmilben) Fam. Acaridae (Vorratsmilben)
Andere Autoren gliedern nach Lage der Stigmata (Atemöffnungen) auf der Ventralseite: Unterklasse: Acarina (Zecken und Milben) Ordnung: Metastigmata (Zecken) Fam. Argasidae (Lederzecken) Fam. Ixodidae (Schildzecken) Ordnung: Mesostigmata Fam. Dermanyssidae (Vogelmilben) Fam. Macronyssidae (Nagermilben) Ordnung: Prostigmata Fam. Demodicidae (Haarbalgmilben) Fam. Trombiculidae (Erntemilben) Ordnung: Astigmata (= Cryptostigmata) Fam. Acaridae (Vorratsmilben) Fam. Glycyphagidae (Staubmilben) Fam. Sarcoptidae (Krätzmilben)
Aus diesem Grund wird in diesem Buch nur grob in Zecken und Milben unterschieden und eine Untergliederung in Familien vorgenommen, weil hier die wenigsten Unterschiede auftreten und zudem noch einige wenige wichtige Gruppen dargestellt werden.
Die Unterscheidung der beiden Zeckenfamilien Argasidae (Abb. 5.6) und Ixodidae (Abb. 5.7), Leder- und Schildzecken, ist auch dem Laien ohne Weiteres möglich. Für die Bestimmung der einheimischen Gattungen und Arten ist vor allem Babos (1964) zu emp- fehlen; Gattungstabellen und Literaturhinweise für andere Gebiete findet man bei Smith (1973) und Sonenshine (1991). Zur vorläufigen Einordnung kann in Anlehnung an Hoff- mann (1985) folgender Schlüssel zur Bestimmung der Familien und Gattungen einheimi- scher Zecken dienen: 1 a) Bei Larven, Nymphen und Weibchen überzieht der Rückenschild nur die vordere Rückenpartie; die übrige Kutikula ist lederartig und dehnbar (s. Abb. 5.8a). Bei den Männchen bedeckt ein derbes Rückenschild fast die gesamte Rückenfläche. Die Mund- werkzeuge am Vorderende des Körpers sind bei allen Stadien von dorsal gut sichtbar; Stigmen liegen hinter den Coxae IV (Ixodidae, Schildzecken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1 b) Die Mundwerkzeuge liegen bei den Adulten mehr oder weniger weit auf der Vent- ralseite des Körpers und sind somit nicht von dorsal zu sehen. Bei den 6-beinigen Larven und den 8-beinigen Nymphen sind die Mundwerkzeuge dagegen von dorsal

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2 a) Analfurche vor dem After . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Gatt. Ixodes (zahlreiche Arten) 2 b) Analfurche hinter dem After . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 a) Augen fehlen; Palpen (Taster) kürzer als die Basis capituli; Palpenglied ragt im Allge- meinen seitlich über die Basis capituli hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . Gatt. Haemaphysalis 3 b) Augen vorhanden; Palpen etwa so lang wie die Basis capituli; 2. Glied der Palpen annä- hernd so lang wie breit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 a) Kleine, meist braun gefärbte Zecken, deren Basis capituli von dorsal betrachtet meist 6-eckig erscheint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gatt. Rhipicephalus 4 b) Große, v. a. im männlichen Geschlecht meist schön gezeichnete Zecken. Die Basis capi- tuli sieht von dorsal betrachtet etwa rechteckig aus. Beim Männchen befindet sich am Hinterende ein Kranz von 11 plättchenförmigen Kutikulaverstärkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gatt. Dermacentor 5 Abgeplatteter, ovoider Körper mit scharfkantigem Rand; Augen fehlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Argasidae = Lederzecken, Gatt. Argas Die Merkmale weiterer, in warmen Ländern auftretender Gattungen sind von Soulsby (1986), Hiepe (1982), Sonenshine (1991), Mehlhorn und Mehlhorn (2010) ausführlich und im Bild dargestellt.
5.3.1 Schildzecken (Ixodidae)
1. Name: Griech.: ixodes = klebrig. Engl.: hard ticks. a) Einheimische Ixodidae: Die häufigste am Menschen parasitierende Zeckenart ist in Mit- teleuropa der Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus (Abb. 5.8, 5.9). Diese Art ist in ganz Eu- ropa, Nordafrika sowie im Nahen Osten verbreitet. I. ricinus ist bei über 50 Säugetierarten nachgewiesen und kommt auch bei Vögeln und Reptilien vor. Der Holzbock vermehrt

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sich besonders stark in warmen, trockenen Sommern. Aus den vom Weibchen in der Bodenstreu abgelegten Eimassen schlüpfen die nur 0,5 mm langen, mit 3 Beinpaaren aus- gestatteten Larven. Die in den unteren Schichten der Vegetation lebenden Larven befallen in erster Linie an Waldrändern lebende Nagetiere, v. a. Mäuse der Gattung Apodemus wie die Waldmaus (Apodemus silvaticus), die Gelbhalsmaus (A. flavicollis) und die Brandmaus (A. agrarius) sowie Wühlmäuse der Gattung Clethrionomys, oft auch Vögel und Eidechsen, in besonderem Maß Amseln (Turdus merula) und Zauneidechsen (Lacerta agilis). Die Larven saugen Blut und häuten sich anschließend zu den etwa 1 mm langen Nymphen mit 4 Beinpaaren . Die Nymphen saugen an verschiedenen Wildarten, Vögeln, Haustieren und am Menschen ebenfalls Blut. Anschließend häuten sie sich zu Adulten, den bis 4 mm langen Männchen oder 5 mm langen Weibchen, die ebenfalls 4 Beinpaare besitzen. Männchen und Weibchen kopulieren häufig schon auf der Vegetation oder spätestens während des Blutsau- gens. Etwa 3–4 Wochen nach der erfolgreichen Blutmahlzeit beginnt das dann bis 15 mm lange Weibchen Tausende von Eiern in einem Gelege in der Bodenstreu abzulegen. b) Die Braune Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus (� 2,0 mm, � 2,4–2,7 mm vor der Blutaufnahme; vollgesogen bis 11 mm) (Abb. 5.10), ist weltweit in wärmeren Gebieten ver- breitet und wurde in den letzten Jahren nach ganz Mitteleuropa eingeschleppt. Man nimmt an, dass dies durch den Massentourismus mit Hunden sowie den Import von Hunden aus Asien und Afrika verursacht wurde. Die aus den Tropen und Subtropen stammenden Zecken kommen mit den Besonderheiten der Lebensverhältnisse in Wohnungen, Tierpen- sionen und Hundehütten offensichtlich so gut zurecht, dass sie hier ihren gesamten Lebens- zyklus durchlaufen können. Im Freiland können sie sich nur während des Sommers entwickeln. In Hundehütten können alle Entwicklungsstadien vorkommen. Sofern die Hunde in Wohnungen gehalten werden, können die Zecken hier zur Plage werden. Es scheint, dass sich die Art zunehmend in den gemäßigten Zonen ausbreitet. Die Braune Hundezecke be- fällt zwar vorwiegend Hunde, geht aber auch auf andere Haustiere und den Menschen über.
Nach einem Urlaub in wärmeren Ländern oder nach einem Aufenthalt in einer Tierpension

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sollten Hunde auf Zeckenbefall untersucht werden. Die Zecken halten sich beim Hund v. a. am Kopf, Damm, Schenkelspalt und Rücken auf, bei Katzen zwischen den Zehen. c) Die sog. Auenwaldzecke, Dermacentor reticulatus (Abb. 5.11, 5.12), die mit ihren Augen schnell ihre Wirte an deren Bewegungen erkennt und zu ihnen hinläuft, ist in den letzten 20 Jahren verstärkt nach Deutschland eingewandert. Da sie schnell ihre Wirte findet, vollzieht sie den Entwicklungszyklus meist schon binnen eines Jahres, während Ixodes ricinus oft 2–3 Jahre benötigt. Diese Fähigkeit verhilft D. reticulatus zu ihrer schnellen Ausbreitung. d) Die Schafzecke, Dermacentor marginatus wurde ebenfalls aus Südeuropa eingeschleppt und kann gelegentlich den Menschen befallen. Sie bevorzugt warme und trockene Regionen und kommt daher in Mitteleuropa nur vereinzelt vor, z. B. in Gebieten Südwestdeutschlands sowie stellenweise in Österreich und in der Schweiz. Diese Art wird v. a. durch wandernde Schafherden verbreitet und ist vorwiegend im Spätwinter und Frühjahr aktiv.

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Selten können in Deutschland auch andere Schildzeckenarten von Haustieren auf den Menschen übergehen: Haemaphysalis punctata, H. concinna, H. otophila sowie die Igelzecke, Ixodes hexagonus. In den Tropen wandern viele Tierzeckenarten auf den Menschen über und übertragen auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Erregern (Aspöck 2010; Mehlhorn 2008).
5.3.2 Lederzecken (Argasidae)
1. Name: Griech.: argas = glänzend. Engl. soft ticks. 2. Einheimische Argasidae: Die Taubenzecke, Argas reflexus (s. Abb. 5.6), lebt in Tauben- schlägen und Hühnerställen in Ritzen versteckt, aus denen sie nur nachts zum Blutsaugen hervorkommt. Wegen dieser nächtlichen Aktivität und versteckten Lebensweise wird ihr Vorkommen oft nicht bemerkt, und es werden die von ihr verursachten Schäden auf andere Ursachen zurückgeführt. Taubenzecken befallen gelegentlich den Menschen, v. a. wenn sie aus den Taubenschlägen und -nestern oder aus Hühnerställen in Wohnungen gelangen können bzw. wenn Tauben in Dachböden nisten. 3. Tropische Argasidae: In Südamerika, Südafrika und in Indien tritt Otobius megnini als Larve und Nymphe bei Hunden, Menschen, Pferden u. a. massiert im äußeren Gehör- gang auf (die Adulten saugen aber kein Blut!). Der Saugakt dauert mehrere Tage. Da die vollgesogenen Larven immerhin 3 mm und die Nymphen gar 7 mm groß werden, ist das Hörvermögen der Wirte stark beeinträchtigt. Ornithodoros moubata tritt in Afrika auf, wird als Adultus etwa 7–9 mm lang, ist durch eine körnige Oberfläche gekennzeichnet und versteckt sich tagsüber im Lehmboden von Hütten. Alle Stadien saugen mehrfach und stets nachts Blut. Sie übertragen dabei den Erreger des Zeckenrückfallfiebers (Bor- relia duttoni) auf den Menschen. Auch die Übertragung von anderen Erregertypen (z. B.
Viren) wurde bei O. moubata nachgewiesen. Argas persicus kommt in Russland, Südeu- ropa und Afrika an Geflügel vor (tritt auch auf den Menschen über) und kann erhebliche Schäden anrichten, da wie bei allen Argasiden im Allgemeinen spontaner Massenbefall erfolgt.
5.3.3 Stichwirkungen bei Zeckenbefall
Der Einstich einer Zecke wird oft erst bemerkt, wenn längere Zeit danach Juckreiz einsetzt. Die Zecke raspelt mit den stark gezähnten, vorschiebbaren und seitwärts beweglichen Cheliceren (Abb. 5.13) eine Öffnung in die Haut des Wirtes. Der in die Wunde gelangende Speichel ent- hält lytische Substanzen, Enzyme, Gerinnungshemmer, Gifte und pharmakologisch wirksame Stoffe. So wird die beim Stich entstehende Blutung durch die Abgabe von Prostaglandinen mit dem Speichel aufrechterhalten. Nach und nach wird sowohl das ventral vor den Cheliceren liegende, mit großen, nach hinten gerichteten Widerhaken versehene Hypostom (Abb. 5.13) als auch das dorsal befindliche, mit weniger ausgeprägten Zähnen ausgestattete Epistom in die Wunde geschoben. Bei Ixodes ricinus wird so das beim Weibchen etwa 0,5 mm lange Hypo- stom innerhalb einer Viertelstunde bis zu seiner Basis in die Haut des Wirtes getrieben. Die Epidermis ist nur etwa 0,1 mm dick. Die Mundwerkzeuge der Zecke ragen daher bis in das Corium. Die Ixodidae (s. Abb. 5.7, 5.13) haben längere Mundwerkzeuge als die nur für wenige Minuten Blut saugenden Argasidae (s. Abb. 5.6 a–c). Sie sezernieren um die eingedrungenen Mundwerkzeuge eine besondere Wand, die Zementröhre. Die hierfür notwendigen Substanzen werden in der Speicheldrüse von 2 verschiedenen Zelltypen produziert. Am besten ist dies bei Boophilus microplus untersucht. Bei dieser Art wird zunächst ein Lipoproteine enthaltendes Sekret um den distalen Teil des Hypostoms sezerniert, das sofort zu Ringen erhärtet. Nach 5 Minuten bis 24 Stunden entsteht so eine Röhre, das Internum. Anschließend wird eine weitere Hülle, der Cortex, abgeschieden, der Proteine und Kohlenhydrate enthält. Zecken
5.3 Zecken
221
benötigen zum Blutsaugen eine sehr unterschiedliche Zeitspanne: Weibchen der Taubenzecke, Argas reflexus, saugen monatlich einmal 15–30 Minuten lang Blut, ihre Nymphen benötigen ½–2 Stunden, Larven 5–10 Tage. Die Larven von Ixodes ricinus saugen 3–5 Tage, die Nymphen 3–7 Tage, die Weibchen 7–14 Tage. Die Weibchen können mehr als das 200-fache ihres Kör- pergewichts an Blut in die zahlreichen Darmblindsäcke aufnehmen, schwellen dabei bis zur Größe eines Rizinussamens an (daher der Name) und sehen dann stahlgrau aus. Ihr Gewicht steigt von 1,5–2,5 mg auf 250–400 mg. Der Holzbock fällt entweder durch den in der Haut hervorgerufenen, individuell verschieden starken Juckreiz oder durch die mehr oder minder vollgesogenen Stadien auf (Abb. 5.14). Er befällt in besonderem Maß Bauchhaut, Skrotum, Leistengegend und Extremitäten.
Die Stichstelle ist meist nur wenig gerötet. Die Umgebung wird später zu einer juckenden Quaddel. Histologisch findet man nach dem Stich eine Nekrose und ein entzündliches Infiltrat im Bereich des Corium. Bei den Lederzecken, so auch bei Argas reflexus, kann es zu stärkeren, münzgroßen Hämorrhagien kommen.

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Die Zeckenparalyse (Zeckenlähme): Diese Symptomatik kann auftreten, wenn Zecken (ins- besonderre Ixodes holocyclus in Australien) am Kopf oder in der Nähe des Rückenmarks sau- gen. Die Zeckenlähme wurde weltweit bei Haustieren und Menschen, vorwiegend Kindern, beobachtet. In Mitteleuropa ist sie bisher beim Menschen selten aufgetreten. Zustande kommt sie durch die neurotoxische Wirkung von Speichelkomponenten, wenn die Zecke in Nähe des Rückenmarks saugt. Diese verursachen eine an den unteren Extremitäten beginnende und allmählich aufsteigende Lähmung. Schließlich kann es durch Atemlähmung zum Tod des Pati- enten kommen. Der Wirkmechanismus des Toxins ist noch nicht ausreichend geklärt. Sobald die saugende Zecke entfernt wird, kommt es innerhalb weniger Stunden zu einer raschen und vollständigen Erholung von den Vergiftungssymptomen.
5.3.4 Behandlung von Zeckenstichen
Die starken Widerhaken des Hypostoms (Abb. 5.13) verankern die saugende Zecke so fest in der Haut, dass man bei dem Versuch, die Zecke gewaltsam zum Loslassen zu bewegen, leicht den ganzen Komplex der Mundwerkzeuge abreißt. Die in der Haut verbliebenen Mund- werkzeuge können entweder eine Gewebereaktion in Form eines Granuloms, eines kleinen Knötchens, hervorrufen oder sie werden in den folgenden Tagen abgestoßen bzw. führen zu einer Entzündung im umliegenden Gewebe. Mit den Fingern kann man die kleinen Sta- dien, die Larven und Nymphen kaum fassen. Am besten verwendet man zum Entfernen von Zeckenstadien eine spitze Pinzette, mit deren Hilfe man den Komplex der Mundwerkzeuge, das Capitulum, ergreift und vorsichtig aus der Haut zieht. Man sollte die Zeckenkörper beim Entfernen nicht mit der Pinzette quetschen, da hierdurch eventuell die in der Zecke vorhan- denen Krankheitserreger in die Stichwunde gelangen könnten. Die früher empfohlenen Mittel zum Ersticken der Zecke wie verschiedene Öle, Nagellackentferner etc. können bei infizierten Zecken zu einer verstärkten Absonderung von erregerhaltigem Speichel führen und sollten daher vermieden werden. Die Stichstelle selbst kann mit kühlenden Gelen und Antihistami- nika behandelt werden.
5.3.5 Übertragung von Krankheitserregern
Die meisten Zecken sind beim Menschen als Blutsauger nicht bedeutsam, sondern in erster Linie als Überträger von Mikroorganismen wie humanpathogenen Viren sowie Rickettsien, Spirochäten (Abb. 5.15) und anderen Bakterien. Von besonderer epidemiologischer Be- deutung ist die Möglichkeit der Weitergabe dieser Krankheitserreger. Dies kann nicht nur unmittelbar bei jedem Saugakt von einem auf den anderen Wirt erfolgen, sondern auch von einem Stadium zum anderen als transstadiale Übertragung von der Larve auf die Nymphe und schließlich auf die Adulten. Die Weitergabe der Krankheitserreger ist aber auch durch transovarielle Übertragung auf die Eizellen und damit auf die nächste Zeckengeneration möglich. Überaus wichtig sind die von Zecken übertragenen Viren. In Mitteleuropa sind nahezu 20 Arten von Arboviren (engl. arthropod borne viruses) bekannt (Aspöck 2010; Mehlhorn 2008).
5.3.5.1 FSME
Im Jahre 1948 wurde erstmals ein endemischer Herd eines Virus entdeckt, das man heute als Er- reger der oft relativ mild verlaufenden Zentraleuropäischen Zecken-Enzephalitis (Frühsom- mer-Meningoenzephalitis = FSME) bezeichnet (leider häufen sich aber schwere Fälle). Mittler- weile weiß man, dass von Russland aus das russische FSME-Virus (von Ixodes persulcatus über- tragen) in den Osten Deutschlands vordringt und zudem von Österreich, Baden-Württemberg

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und Bayern das dort in bis zu 5% der Zecken auftretende Virus nach Norden vorstößt und schon in Teilen des Saarlands, von Hessen und Rheinland-Pfalz anzutreffen ist.
Krankheitssymptome der FSME: Nach einer symptomlosen Inkubationszeit von 2–28 Tagen kommt es zur ersten Erkrankungsphase (für 1–8 Tage) mit erhöhten Temperaturen (oft über 39°C), aber weitgehend unspezifischen Symptomen (Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmer- zen, Halsentzündungen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Konjunktivitis). Diese Symptome werden dann oft mit einer „Sommergrippe" verwechselt. Danach folgt ein symptom- und fieberfreies Intervall von 1–20 Tagen, bevor die 2. Erkrankungsphase eintritt. Diese Phase, die durch das Eindringen der Erreger ins Gehirn ausgelöst wird, ist durch schwerste Krankheitssymptome, wie Lichtempfindlichkeit, Sehunschärfe, Nackensteife, Übelkeit, Erbrechen, Fieber über 40°C, Lähmungen, Herzrhythmusstörungen, lebensbedrohliche Zustände gekennzeichnet. Kranken- hausaufenthalte von 3–40 Wochen sind dann wegen der meningitischen, meningoenzephali- tischen bzw. meningozephalomyelitischen Symptomatik häufig notwendig. Geschwächte und ältere Personen sind häufig vom Tod bedroht. Glücklicherweise kommt es nur bei 10% der infizierten Personen (ohne Schutz, s. u.) zur 2. Krankheitsphase. Bei 50–77% dieser Gruppe ist der Verlauf der Erkrankung auch typisch zweiphasisch, beim Rest (23–50%) wird die 1. Phase nicht bemerkt, und die Erkrankung beginnt scheinbar gleich mit der 2. Phase (!).
Die 2. Phase zeigt sich bei den betroffenen Personen in 3 Krankheitsbildern: •• 50% der Patienten weisen eine Meningitis auf, d. h. es ist eine Entzündung der Hirnhäute erfolgt; •• 40% erleiden eine Meningoenzephalitis, d. h. eine kombinierte Hirn- und Hirnhautentzün- dung tritt ein; •• 10% zeigen Symptome einer Myelitis, d. h. einer Nervenentzündung; •• viele Personen weisen zusätzlich eine schmerzhafte Entzündung der Nervenendigungen (Radiculitis) auf.
Abb. 5.15 Erreger, die von Ixodes ricinus übertragen werden können. Mitte: vollgesogenes Weib- chen. Spring summer encephalitis = FSME = Frühsommer-Meningoenzephalitis in Mitteleuropa.
224 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
Je nach Verlaufsform und Intensität der Symptome sind bei 30% der Patienten Dauerschäden (Lähmungen, Hörschäden etc.) möglich. So können 3% der Patienten der 2. Phase lebenslang an den Rollstuhl gefesselt bleiben und sogar 1–2% der Schwersterkrankten nach unterschied- lich langer Leidenszeit versterben. Selbst bei Personen, bei denen keinerlei Folgeschäden bleiben, sind Krankenhausaufenthalte von 2–3 Monaten keine Seltenheit, was eine besondere Gefährdung durch schwer bekämpfbare Bakterien nach sich zieht. Bei der russischen Form der FSME kann die Letalität sogar 25% erreichen.
Vorbeugung: Da bei diesen Viren eine Therapie nach Ausbruch der Krankheit unmöglich ist, sollte in den entsprechenden Gebieten Gebrauch von der gut verträglichen Impfung (in 3 Schüben) gemacht werden. Die Impfstoffe FSME-Immun® und Encepur® schützen auch vor der russischen FSME. Repellentien (z. B. Viticks®) verhindern Stiche.
5.3.5.2 Borreliose
Spirochäten der Gattung Borrelia (Abb. 5.15) sind wichtige Krankheitserreger beim Men- schen. Diese Bakterien sind 10–30 µm lang und 0,3–0,6 µm dick, weisen 4–10 unregelmä- ßige Windungen auf, besitzen in der Peripherie 7–10 Fibrillen und sind von einer Schleim- hülle umgeben. Im Anschluss an ein ungewöhnliches epidemisches Auftreten von Arthritis in dem amerikanischen Städtchen Lyme in Connecticut fanden Burgdorfer und Mitarbeiter im Jahre 1982 als Ursache dieser Massenerkrankung den Befall der Patienten mit einer Spi- rochäte, die von der Hirschzecke, Ixodes dammini (syn. für I. scapularis), auf den Menschen übertragen wurde. Die Spirochäte wurde 1984 als Borrelia burgdorferi bezeichnet und die Krankheit Lyme-Krankheit oder Lyme-Borreliose bzw. hierzulande etwas unbefriedigend Zecken-Borreliose genannt. Unbefriedigend ist diese Bezeichnung deshalb, weil auch andere Borrelia-Arten von Zecken übertragen werden. In den folgenden Jahren stellte sich heraus, dass die Krankheit wahrscheinlich schon lange in der ganzen Paläarktis und in Nordamerika vorkommt. Sie wurde inzwischen auch in Japan, Australien und Südafrika nachgewiesen, wobei es sich um andere Arten handelt. Die überaus verschiedenartigen im Lauf der Ent- wicklung auftretenden Symptome waren im Grunde bereits als eigenständige Krankheiten beschrieben, so auch der Zusammenhang von einem Zeckenstich und der Therapie mit Antibiotika: Erythema chronicum migrans (ECM) 1909, Meningopolyneuritis Garin-Bu- jadous-Bannwarth (MPGBB) 1922, Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) 1883/1902 und Lymphadenosis cutis benigna (LCB) 1943. All diese Erscheinungen erwiesen sich nach dem Nachweis von Borrelia burgdorferi bei Patienten als Teile der vielgestaltigen Krankheits- bilder der Lyme-Krankheit. Bisher ist die Ursache der verschiedenen Erscheinungsformen nicht bekannt. Ebenso unklar sind viele epidemiologische Aspekte, beispielsweise, ob die Krankheit erst neuerdings intensiver in Erscheinung tritt. Fest steht jedoch, dass die Durch- seuchung der Zecken zunimmt und in manchen Gebieten bereits 30% erreicht hat (Mehl- horn und Mehlhorn 2010).
Die meisten Zeckenstiche von nachweislich infizierten Tieren scheinen nicht zu Infektionen zu führen oder heilen spontan aus (90%). Da die übertragenen Zecken nicht wandern, sondern lediglich in endemischen Gebieten in geeignetem Gelände auf eine Gelegenheit zum Blutsau- gen lauern, ist die Bevölkerung nur dort einer Infektionsgefahr ausgesetzt. Allerdings ist eine Verbreitung via Vogelflug möglich.
Als Vektoren spielen in Mitteleuropa Ixodes ricinus, in der übrigen Paläarktis auch I. per- sulcatus, in Nordamerika I. dammini, I. pacificus und I. scapularis wesentliche Rollen, Arten, die ein breites Wirtsspektrum einschließlich des Menschen haben. Nach neuesten Untersu- chungen gelten I. dammini und I. scapularis als identisch mit einer systematischen Prioriät für I. scapularis. Andere Gattungen der Ixodidae scheinen als Überträger wenig oder gar nicht geeignet zu sein, wie beispielsweise Arten der Gattung Rhipicephalus. Alle infektiösen Ixodes- Arten bevorzugen einen feuchten Lebensraum mit Gebüsch, Gräsern, Farnen und Falllaub.
5.3 Zecken
225
Larven und Nymphen benötigen vor jeder Häutung und die Weibchen vor der Eiablage eine ausgiebige Blutmahlzeit; die Männchen nehmen nur geringe Blutmengen auf (aber mehrmals und können daher ebenfalls Erreger übertragen).
Transovariale Übertragung kommt vor, sodass die nächste Zeckengeneration bereits infiziert sein kann. Die Borrelien können in den Zecken überwintern. Insekten scheinen als Überträger keine nennenswerte Rolle zu spielen (aber die mechanische Übertragung durch Bremsen ist möglich). In Mitteleuropa sind Brandmaus (Apodemus agrarius) und Gelbhals- maus (Apodemus flavicollis) doppelt so stark wie die Rötelmaus (Clethrionomys glareolus) mit Zecken befallen und haben eine hohe Reservoirkapazität. In den USA haben Weißfußmäuse (white-footed mouse, Peromyscus leucopis) ein wesentlich größeres Reservepotenzial als Strei- fenbackenhörnchen (Eastern chipmunk, Tamias striatus) und Wiesenwühlmäuse (meadow vole, Microtus pennsylvanicus). Der Weißwedelhirsch (white-tailed deer, Odocoilus virginianus) ist zwar der Hauptwirt von Ixodes dammini, des wichtigsten Überträgers, stellt aber praktisch kein Reservepotenzial dar. In Mitteleuropa hat sich gezeigt, dass in unterschiedlichem Maß infizierte Zecken, geeignete feuchte Biotope vorausgesetzt, sogar in unmittelbarer Nähe von Großstädten vorkommen können. Die meisten Menschen werden in den Sommerferien (Juni–August) so- wie während der Beeren- und Pilzsammelzeit (Juli–September) von Zecken befallen.
Die Übertragung von Borrelia burgdorferi erfolgt mit dem Speichel, den die Zecken in großer Menge während des Saugaktes abgeben. Die Borrelien leben im Mitteldarm der Zecke (s. Abb. 5.15). Sobald die Zecke Blut in den Darm pumpt, beginnen sich die Borrelien zu teilen und wandern nach etwa 16–48 h in die Hämolymphe und anschließend in die Speicheldrüsen.
Das bedeutet, dass die Übertragung der Borrelien erst bei längerem Saugen stattfinden kann.
Entfernt man infizierte Zecken innerhalb der ersten 12–16 Stunden nach dem Festsetzen, ohne sie zu quetschen, so verhindert man eine Infektion. Nymphen saugen insgesamt 3–7 Tage, Weibchen 7–14 Tage. Mit dem Speichel der Zecke gelangen die Borrelien in den Menschen und können die verschiedensten Organe befallen.
Die Krankheitserscheinungen bei Befall mit Borrelia burgdorferi sind sehr unterschiedlich.
Daher kommt dem serologischen Nachweis ganz besondere Bedeutung zu. Ein erstes wichtiges Krankheitszeichen, das im Allgemeinen 1–3 Wochen nach einem Zeckenstich, bisweilen aber überhaupt nicht auftreten kann (50–60% aller Fälle), ist eine zunehmend sich ausbreitende und am Körper wandernde Hautrötung, die daher als Erythema chronicum migrans (ECM) be- zeichnet wird (Abb. 5.16 a, b). Diese Rötung variiert in ihrer Ausprägung, wird allmählich im Zentrum blasser und verschwindet schließlich nach 3 Wochen bis 3 Monaten. Bisweilen kön- nen auch mehrere ringförmige Erytheme auftreten. Gleichzeitig mit der Wanderröte kommt es zu Fieber, Kopfschmerzen und Müdigkeit. In diesem Stadium der Krankheit sollte, allerdings nicht zu früh, eine Untersuchung auf Antikörper im Blut mit dem Immunfluoresenztest oder ELISA erfolgen (ca. 5–6 Wochen nach dem Stich). Die meisten Fälle von ECM wurden im Spätsommer festgestellt (s. o.). Bei Kindern tritt vielfach die Lymphadenosis cutis benigna (LCB) (Abb. 5.16 c, d) zusätzlich oder zeitlich versetzt zum ECM auf. Knotige, gutartige Wu- cherungen des lymphoretikulären Systems erscheinen dabei meist an den Ohrläppchen, den Höfen der Brustwarzen und im Genitalbereich oder auch noch an anderen Stellen und können bis zu mehreren Zentimetern Durchmesser erreichen. Diese Krankheitserscheinungen der 1.
Phase können spontan abheilen oder sofort oder nach Wochen bis Monaten in das 2. Stadium übergehen. Bisweilen kann das 2. Stadium auch ohne ECM 1–7 Monate nach der Infektion einsetzen. Das 2. Stadium ist durch neurologische Erscheinungen gekennzeichnet, v. a. die Me- ningopolyneuritis (MPGBB), bei der unter großen Schmerzen eine Fazialislähmung oder eine Entzündung der Augennerven und wechselnde Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats eintreten können. Zudem treten häufig Symptome einer Herzmuskelentzündung auf. Im 3.
Stadium, das ½ Jahr oder Jahre nach der Infektion beginnen kann, kommt es zur Acroderma- titis chronica atrophicans (ACA), einer schmerzhaften, chronischen Dermatose an den Extre- mitäten, zu Myelitiden und verschiedenen Formen von Arthritis. Außerdem wurden massive Schäden im ZNS nachgewiesen. Wiederum ist die serologische Diagnose überaus wichtig, denn mit fortschreitender Erkrankung steigt auch der Antikörpertiter. Zur Therapie der
226 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
Lyme-Borreliose werden sehr hohe Dosen Antibiotika empfohlen: Penicillin 4,5 Mill. E oral für 14–21 Tage oder Doxycyclin 2 × 100 mg pro Tag für 14–21 Tage, bei Kindern (Amoxicillin) und Schwangeren entsprechend weniger, bei Allergikern Makroliden. Eine Therapie sollte so früh wie möglich nach der Infektion vorgenommen werden, da später die Antibiotika immer weniger wirken und mehrfache Therapiewiederholungen notwendig sind.

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5.3.5.3 Weitere von Zecken übertragene Erreger
Borrelia duttoni ist der Erreger des endemischen Rückfallfiebers oder Zecken-Rückfallfie- bers, das fast überall in Afrika, in Vorderasien bis Indien und in Mittelamerika vorkommt; es spielt in Mitteleuropa keine Rolle. Diese Borrelien können von Lederzecken der Gattung Ornithodorus sowohl durch den Stich als auch mit der beim Blutsaugen abgegebenen Coxal- flüssigkeit übertragen werden. Sie gelangen auf dem Blut- oder Lymphweg zu den einzelnen Organen und rufen bei der Vermehrung Fieberschübe hervor. Nach einer Inkubationszeit von etwa 1 Woche beginnen 3–7 Tage dauernde Fieberanfälle, denen jeweils 1 Woche mit normaler Körpertemperatur folgt. Das zunächst sehr hohe Fieber wird bei den folgenden 5–10 Fieber- schüben allmählich durch zunehmende Immunisierung geringer. Wenn keine Komplikationen eintreten, verläuft die Krankheit gutartig. Die Diagnose erfolgt durch direkten Erregernach- weis im Blutausstrich bzw. im Dicken Tropfen während der Fieberphasen oder serologisch.
Seit die Krankheit mit Antibiotika bekämpft wird, ist die Letalität äußerst gering. Zur Therapie verwendet man Penicilline, aber auch Tetrazykline und Chloramphenicol.
Eine Viruskrankheit ist die in Großbritannien und Irland vorkommende Drehkrankheit der Schafe (engl. louping ill). Sie wird durch Ixodes ricinus von Schaf zu Schaf, aber auch auf den Menschen übertragen; der Mensch kann sich darüber hinaus auch beim Schlachten befal- lener Tiere infizieren.
Von Rickettsien verursachte Krankheiten werden weltweit von Zecken übertragen. Das Fleckfieber der Rocky Mountains (Rocky Mountains spotted fever) wird von Rickettsia ri- ckettsii verursacht. Es kann durch Dermacentor andersoni von den als Reservoir dienenden wildlebenden Nagetieren und Wildziegen auf den Menschen übertragen werden. In den Ze- cken werden fast alle Organe befallen. Der Erreger wird von einem Stadium an das nächste und auch transovariell an die nächste Generation weitergegeben. Im Sommer hält sich die Zecke im Boden auf. Die Krankheit kommt stellenweise in Nord- und Südamerika vor. Lokal kann die Ausprägung der Krankheit sehr unterschiedlich sein. Nach einem infektiösen Ze- ckenstich dauert die Inkubationszeit etwa 6–7 Tage. Dann folgen kontinuierlich hohes Fieber für 2–3 Wochen und die übrigen Krankheitserscheinungen des klassischen Fleckfiebers mit Ausnahme der Hautreaktionen, die hier durch eine nekrotische Vaskulitis wesentlich ausge- prägter sind. Diese Vaskulitis betrifft auch innere Organe (Herz, Gehirn) und trägt dadurch zur hohen Letalität bei. Zur Therapie dienen Chloramphenicol bzw. Tetrazykline. Vor Einfüh- rung der Behandlung mit Antibiotika lag die Letalität bei 20% der Erkrankten.
Der Erreger des Q-Fiebers, Coxiella (Rickettsia) burnetii, wird bei uns nur in Schafzecken, Dermacentor marginatus, gefunden, die vermutlich als Reservoir dienen und vielleicht auch die Rickettsien übertragen. Der wichtigste Infektionsweg ist aber das Einatmen von Rickettsien enthaltenden Ausscheidungen befallener Haustiere. Die Krankheit befällt den Menschen rela- tiv selten und verläuft meist gutartig. Der Erreger ist weltweit verbreitet.
Rickettsia conori, der Erreger des Boutonneuse- oder Marseille-Fiebers, kommt im Mit- telmeer- und Schwarzmeergebiet, in Sibirien, in Zentral- und Südafrika sowie in Indien vor.
Dieses Fieber wird bisweilen bei Heimkehrern von einem Mittelmeerurlaub beobachtet.
Überträger ist v. a. die Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus (s. Abb. 5.10). An Hunden einge- schleppte Zecken dieser Art haben stellenweise über einige Zeit kleine Herde dieser Krankheit entstehen lassen. An der Zeckenstichstelle entsteht im Allgemeinen eine Primärläsion in Form eines blauen bzw. schwarzen Flecks (Abb. 5.17 a). Nach einer Inkubationszeit von etwa 7–9 Ta- gen kommt es zu einem hohen, 8–14 Tage anhaltenden Fieber, das mit Kopf-, Rücken- und Ge- lenkschmerzen einhergeht. Es folgt die Ausbildung eines papulösen Exanthems (Abb. 5.17 b).
Im Allgemeinen verläuft diese Krankheit gutartig. Sie wird mit Tetrazyklinen behandelt.
Die Tularämie wird von einem Bakterium verursacht, Francisella (Pasteurella) tularensis. Sie ist endemisch in Russland, Japan und Teilen Nordamerikas. Als Reservoir dienen Hasen und Ka- ninchen, Überträger sind neben Zecken auch Flöhe und Bremsen. Gefährdet sind v. a. Personen, die mit der Jagd und der Verarbeitung von Hasen und Kaninchen zu tun haben. Der Erreger gilt als ungewöhnlich kontagiös. Schon die Aufnahme weniger Bakterien über alle möglichen

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Eintrittspforten genügt, um die Erkrankung in Form einer Lungenentzündung auszulösen. Die Erreger können durch Inhalation, peroral, über Hautläsionen sowie durch den Stich infizierter Ektoparasiten in den Menschen gelangen. An der Stichstelle bilden sich oft eine Papel und evtl. ein Ulkus. Während der fieberhaften Krankheit kommt es zu Lymphknotenschwellungen und evtl. zu Konjunktivitis. Der Erreger ist kälteresistent und kann daher bei niedrigen Temperatu- ren auch in Kadavern lange infektionsfähig bleiben. Der Mensch selbst ist im Allgemeinen nicht kontagiös für andere. Die Diagnose kann in erster Linie serologisch, unter Umständen aber auch bakteriologisch erfolgen. Bei der Therapie hat sich vor allem Streptomyzin bewährt.
Bei Mensch und Hund können zudem noch Babesiosen auftreten, deren Erreger von ein- heimischen Zecken übertragen werden. So ist es die Zecke Ixodes ricinus, die Babesia microti (eine Art von Nagern) auf den Menschen überträgt, während Babesia canis sogar 2 Überträger besitzt (in Deutschland Dermacentor reticulatus und in Südeuropa Rhipicephalus sanguineus).
Die Babesia-Merozoiten befallen die roten Blutkörperchen, zerstören diese und können so in hohem Prozentsatz zum Tod ihrer jeweiligen Wirte führen (weitere Informationen siehe Mehl- horn und Mehlhorn (2010).
5.3.6 Schutz vor Zeckenbefall
In Deutschland entwickeln sich die Zeckenstadien – mit Ausnahme von eingeschleppten Rhipi- cephalus-Stadien – nicht in Wohnungen. Somit ist es wichtig, sich im Freien zu schützen. Dies geschieht beim Menschen durch Aufsprühen von Repellentien (z. B. Viticks®, Doctan®, Autan®) auf Schuhe, Socken, Beine und Hose und schützt für etwa 3 Stunden. Bei Hunden gibt es Mittel, die als Pour-on-Lösung auf die Haut getropft werden und dann für 4–6 Wochen schützen. Wäh- rend die Mittel für den Menschen freiverkäuflich sind (Apotheken, Drogerien), sind die meisten Mittel für Hunde (bis auf Frontline®) nur beim Tierarzt erhältlich (z. B. Advantix®, Exspot®).
5.4 Milben
Aus dieser umfangreichen Gruppe sollen nur wenige, humanmedizinisch wichtige Beispiele erwähnt werden. Eine Diagnose weiterer Arten kann nur nach sorgfältiger Bestimmung dieser sehr kleinen Formen anhand von mikroskopischen Präparaten gestellt werden (Evans et al. 1961; Evans und Till 1966).
Abb. 5.17 Symptome nach Rickettsienübertragung. a) Tâche noir bzw. bleue = schwarzer Fleck nach Infektion mit Rickettsia conori. b) Generalisiertes Exanthem bei Rickettsiose (hier auf der Fußsohle).
a b
5.4 Milben
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5.4.1 Hühnermilben (Dermanyssidae)
Dermanyssus gallinae 1. Name: Griech.: derma = Haut; nyssein = stechen. Lat.: gallina = Henne, gallus = Hahn. Engl. red poultry mite, red chicken mite; dt. Rote Hühnermilbe, Rote Vogelmilbe. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit in den gemäßigten Klimazonen. 3. Biologie/Morphologie: Die Hühnermilbe oder Rote Vogelmilbe ist weltweit in den gemä- ßigten Klimazonen bei wilden und domestizierten Vogelarten als Plageerreger verbreitet (Abb. 5.18). Diese Art kann massenhaft in Hühnerställen, bei Truthähnen, in Taubenschlä- gen, an den Aufenthaltsorten verwilderter Tauben und sogar bei sämtlichen Stubenvögeln vorkommen. Die nüchternen Weibchen sind etwa 0,7–1 mm lang, im vollgesogenen Zu- stand aber größer; die Männchen sind nur etwa 0,6 mm lang. Die Weibchen haben lange, stilettförmige Cheliceren, die im besonderen Maß für das Blutsaugen geeignet sind; die Männchen besitzen noch die für Mesostigmata typischen scherenförmigen Cheliceren.
Die Weibchen weisen auf der Rückenseite eine zungenförmige Kutikulaverdickung auf; die übrige Kutikula ist elastisch und mit feinen Falten versehen, sodass bei der Blutaufnahme in geringem Maß, aber doch ähnlich wie bei den Zeckenweibchen eine Dehnung möglich ist. Die Eier sind, wie meist bei den Milben, bezogen auf die Körpergröße sehr groß. Ein Weibchen legt insgesamt etwa 40 Eier, pro Ablage etwa 4–8. Die aus dem Ei schlüpfende Larve häutet sich zur Protonymphe, diese zur Deutonymphe, und diese schließlich zum adulten Tier; die Larven nehmen kein Blut auf. Die gesamte Entwicklung dauert 8–16 Tage, kann aber bei niedrigen Temperaturen und ungünstigen Ernährungsbedingungen wesent- lich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Hühner- und Vogelmilben sind vorwiegend nachts unterwegs. Tagsüber verbergen sie sich in Ritzen von Sitzstangen, Brettern, Mauerwerk usw.
Das nächtliche Blutsaugen nimmt nur kurze Zeit in Anspruch. Schaden entsteht durch den Massenbefall. Durch den ständigen Blutverlust werden die Vögel geschädigt und die Eier- produktion vermindert, auch werden Erreger auf die Hühner übertragen. Achtung: Diese Milben können längere Zeit (Monate) hungern.
Der Mensch kann von diesen Milben befallen werden, wenn er in infestierten Geflügelstäl- len zu tun hat oder wenn Stubenvögel befallen sind. Immer wieder sind Plagen aufgetreten, wenn nach einer Taubenbekämpfung die im Mauerwerk versteckten, hungrigen Milben in Unmengen in die umliegenden Wohnungen vordrangen und über die Bewohner herfielen.

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4. Stichwirkung: Die meistens massenhaft vorhandenen Stiche findet man besonders an den Unterarmen, an Hals und Brust oder ausgehend von einem Befall an den Beinen auch bis zur Gürtellinie am Bauch. Die Stichstellen jucken intensiv und sind durch eine kleine Papel gekennzeichnet. Bei Kindern tritt vielfach eine Vesikelbildung auf. Zur Behandlung der Stichwirkung eignen sich Antihistaminika enthaltende Mittel. 5. Übertragung von Krankheitserregern: Dermanyssus gallinae überträgt keine für den Men- schen pathogenen Krankheitserreger. Bei Hühnern und anderem Geflügel kommt es aber zur Übertragung von Erregern der Geflügelpest etc. 6. Bekämpfung und Prophylaxe: Entscheidend für die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen ist die Ermittlung des Ausgangspunkts der Plage. Dabei ist zu bedenken, dass die Milben sich tagsüber verstecken und nachts auch nur kurzfristig zum Blutsaugen hervorkommen.
Vogelnester am Haus, v. a. nach dem Ausfliegen der Jungen, Taubenbrutstätten, aber auch Vogelbauer in der Wohnung könne die Ursache des Übels sein. Eine Behandlung des Stalls mit einem Neem enthaltenden Spritzmittel (MiteStop®) beseitigt die Plage, muss aber wie- derholt werden, weil Larven in Verstecken schlüpfen oder vollgesogene Adulte dort verhar- ren (Schmahl et al. 2010).
5.4.2 Rattenmilben (Liponyssidae)
Ornithonyssus (syn. Liponyssus, Bdellonyssus) bacoti 1. Name: Griech.: ornis, ornithos = Vogel; nussein = stechen; bdella = Blutegel; lipos = Fett.
Engl. tropical rat mite; dt. Tropische Rattenmilbe. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Die Tropische Rattenmilbe ist weltweit ver- breitet, in Deutschland wurde sie aber bisher nur an wenigen Orten eindeutig nachgewiesen sowie in Labors bzw. Zoohandlungen eingeschleppt. Sie gelangt aber oft von Zoohandlun- gen aus mit importierten Nagern bzw. Spreu in Wohnungen. Der Mensch wird v. a. befallen, wenn nach der Bekämpfung von Ratten und Mäusen in Lagerräumen usw. die natürlichen Wirte nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Milbe saugt tagsüber Blut. 3. Stichwirkung: Der Stich gilt als schmerzhaft und verursacht stark juckende Papeln, die einen Durchmesser von fast 2 cm erreichen können. 4. Übertragung von Krankheitserregern: In den Südstaaten der USA und in Chile wurden in Ornithonyssus bacoti die zu den Rickettsien gehörenden Erreger des murinen Fleckfiebers nachgewiesen. Bei chemotherapeutischen Untersuchungen dient die Rattenmilbe als Über- träger einer Rattenfilarie (Litomosoides carinii). 5. Bekämpfung: Aussprühen der Wohnung bzw. befallener Käfige mit MiteStop®; auch kön- nen Hühner mit dem 1:30 mit Wasser verdünnten Mittel eingesprüht werden.
Ornithonyssus sylviarum 1. Name: Griech.: ornithos = des Vogels. Lat.: sylva, silva = Wald. Engl. northern fowl mite; dt.
Nordische Vogelmilbe.
Die Nordische Vogelmilbe befällt in den gemäßigten Zonen zahlreiche wildlebende Vögel und Hausgeflügel. Im Gegensatz zu Dermanyssus gallinae findet bei dieser Art die gesamte Entwicklung auf dem Wirt statt (Abb. 5.19). Der Mensch kann ebenso wie von Dermanys- sus gallinae unter entsprechenden Umständen befallen werden. 2. Stichwirkung, Übertragung von Krankheitserregern, Bekämpfung: s. Dermanyssus galli- nae (Abschn. 5.4.1).
Ophionyssus natricis 1. Name: Griech.: ophis = Schlange. Engl. snake mite, reptile mite; dt. Schlangenmilbe.
Die Schlangenmilbe saugt Blut an Schlangen und Eidechsen; sie wurde weltweit in Zoolo- gischen Gärten und Tierhandlungen an diesen Wirten nachgewiesen. Beim Umgang mit befallenen Reptilien können die Milben auch auf den Menschen übergehen. Für die Bekämp-

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fung eignet sich das Mittel Acarol® (Fa. Alpha-Biocare), das auf die Oberfläche der Reptilien gesprüht wird.
Weitere verwandte Milbenarten können als Lästlinge, aber nur in einigen Fällen auch als Blutsauger in Erscheinung treten. Ermittlung der Herkunft dieser Milben und sorgfältige Be- stimmung anhand mikroskopischer Präparate ist auch in diesen Fällen erforderlich.
5.4.3 Herbstmilben (Trombiculidae)
Neotrombicula autumnalis 1. Name: Griech.: thromobs = Klumpen, Knoten; neos = neu. Engl. chigger, red bug oder har- vest mite; dt. Herbstmilbe, Entenmilbe. 2. Biologie/Morphologie: Die Larven der Herbstmilben oder Erntemilben sind auffallend rot gefärbt, nur etwa 0,3 mm lang, von ovaler, flacher Gestalt (Abb. 5.20, 5.21). Im vollgesoge- nen Zustand sehen sie gelb bis orangefarben aus und sind doppelt so groß. Es gibt weltweit etwa 700 Arten, von denen etwa 20 für den Menschen als Erreger einer Dermatitis bzw. als Überträger von Erregern von Bedeutung sind. Lange Zeit kannte man nur diese Larvenfor- men und beschrieb sie unter Gattungsnamen wie Leptus, Atoma u. a. Als man die im Boden als Vegetarier versteckt lebenden erwachsenen Stadien erkannte, waren Umbenennungen erforderlich. In Europa spielt vor allem Neotrombicula (Trombicula) autumnalis neben 3 weiteren Arten dieser Gattung sowie Trombicula toldti und Euschöngastia xerothermobia für den Menschen eine Rolle. Neotrombicula autumnalis kommt außer in Europa in Russ- land, der Türkei, China und in Teilen Nordamerikas vor. Die erwachsenen Stadien leben und überwintern im Boden und können bei Dürre, Frost oder Regen bis zu 1 m tief in diesen ein- dringen. Sie sind etwa 2 mm lang und mit langen, weißen gefiederten Haaren versehen. Aus den in Deutschland von Mai bis September an der Erdoberfläche abgelegten Eiern schlüpfen danach die 6-beinigen, rotgefärbten Larven. In Wiesen, Gärten usw. lauern sie stellenweise massenhaft am Gras und in der Krautschicht auf geeignete Wirte. Kaninchen, Ratten, Mäuse, Igel und andere Säugetiere, darunter auch der Mensch, können befallen werden. Pro Jahr gibt es in Deutschland nur eine Generation (in südlichen Ländern sind es mehrere).
Abb. 5.19 Nordische Vogelmilbe (Ornithonyssus sylviarum).
232 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
Die Larven der Herbstmilben haben am Vorderende des ungegliederten Körpers je ein Paar sichelförmige Cheliceren und Pedipalpen. Wenn die Larven einen geeigneten Wirt gefunden haben, suchen sie für den Einstich eine dünnhäutige Stelle, bei Kleinsäugern an den Ohren oder an den Genitalien; bisweilen können Hunderte von Larven an einer Maus gefunden werden. Beim Menschen wandern die Larven an den Beinen entlang aufwärts, aber ebenso auch von Händen und Armen aufwärts sowie vom Kragenbereich aus auf Brust und Rücken.
Sie stechen im Knöchel- und Oberschenkelbereich ebenso wie in der Bauchregion und an

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anderen Körperpartien. Werden sie durch eng anliegende Kleidungsstücke wie Unterwäsche mit Gummizug, Gürtel, Büstenhalter usw. am Weiterkommen behindert, so findet man an diesen Stellen oft massenhaft Stiche. Die sichelförmigen Cheliceren werden in die Haut einge- stochen. Der in die Haut gelangende Speichel löst das Gewebe auf. Es entsteht schließlich ein dünnes, hyalines Rohr, das sog. Stylostom, das bis in die untersten Schichten der Epidermis, wenn nicht gar bis in das Corium reicht. Durch dieses Rohr wird wie durch einen Rüssel das aufgelöste Zellmaterial und Lymphe, nicht aber Blut gesogen! Diese etwas umständliche Saugmethode erfordert erhebliche Zeit; die Larven saugen, wenn sie nicht gestört werden, 3–5 Tage an der gleichen Stelle und fallen dann ab. Nach einer Ruhepause werden sie zu Nymphen und häuten sich schließlich zu Adulten. Diese beiden Stadien sind keine Parasiten. 3. Stichwirkung: Der Einstich ist nicht spürbar. Der in die Haut gelangende Speichel verur- sacht erst nach einigen Stunden starken Juckreiz (engl. scrub-itch), der am 2–3. Tag beson- ders intensiv wird und anschließend ganz allmählich abklingt. Um die Stichstelle erscheint parallel zur Steigerung des Juckreizes eine hochrote Papel, die bis zu 30 mm Durchmesser erreichen kann (Abb. 5.22), die kleine Milbe ist darin kaum noch zu entdecken. Bei häu- figen Stichen kann die Reaktion abnehmen, in anderen Fällen aber auch stärker werden.
Antihistaminika enthaltende Salben können den Juckreiz lindern. 4. Prophylaxe: Als Repellent hat sich der Wirkstoff Saltidin (z. B. in Viticks®, Doctan®) bewährt. 5. Symptome der Erkrankung: Beim Menschen kommt es nach 14-tägiger Inkubationszeit zu den für alle Rickettsiosen typischen Erscheinungen: anhaltendes Fieber, starke (Stirn-) Kopfschmerzen, und, beim Tsutsugamushi-Fieber, zu einem generalisierten masernartigen Exanthem. An der Stichstelle der Milbe, häufig in der Leistenregion, kann sich eine Pri- märläsion mit sehr schmerzhafter lokaler Lymphknotenreaktion ausbilden. Die Therapie besteht in der Gabe von Tetrazyklinen (z. B. Doxycyclin). 6. Übertragung von Krankheitserregern: Larven von Leptotrombidium akamushi und L. de- license übertragen die Erreger der wichtigsten von Milben verbreiteten Krankheit des Menschen, das Tsutsugamushi-Fieber (engl. scrub typhus oder tsutsugamushi disease). Diese Krankheit wird von Rickettsia tsutsugamushi (syn. R. orientalis) verursacht und kommt in

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Ost- und Südostasien, Indien, Neuguinea, Nordaustralien sowie auf manchen Inseln im Indischen und Pazifischen Ozean vor. Die Milben nehmen die Rickettsien nur im Larven- stadium auf, geben sie an die folgenden Stadien weiter und übertragen sie sogar transovari- ell auf die nächste Generation.
Wegen der raschen Antigenvariation von R. tsutsugamushi sind Rezidive oder, bei längerem Aufenthalt im Endemiegebiet, Neuerkrankungen immer wieder möglich. Die Letalität der unbehandelten Krankheit liegt bei 5–20%.
Eine Reihe weiterer Milben der Trombidiformes kann bei Lagerarbeitern, die mit Ge- treide, Stroh, Heu und anderen Naturprodukten zu tun haben, bisweilen zur Plage werden.
Hier soll lediglich die Kugelbauchmilbe, Pyemotes (Pediculoides) ventricosus, erwähnt wer- den, die an Getreideschädlingen parasitiert (u. a. Kornmotte, Getreidemotte, Kornkäfer, Strohwespe) und beim Menschen Stichreaktionen in Form stark juckender Quaddeln sowie Bläschen verursachen kann. Die Weibchen sind an dem stark aufgetriebenen, kugelförmi- gen Hinterleib leicht zu erkennen. 7. Bekämpfung: Besprühen befallener Flächen bzw. Böden im Garten mit MiteStop® (Fa. Alpha- Biocare).
Schutz mit dem Repellens Viticks®.
5.4.4 Pelzmilben (Cheyletiellidae)
Cheyletiella-Arten 1. Name: Griech.: cheilos = Lippe. Engl. fur mites. 2. Biologie/Morphologie: Bisweilen kann es bei Arten der Gattung Cheyletiella, die im Fell von Hunden und Katzen nach anderen Milben usw. jagen, zu Massenvermehrungen kommen.
Berichte hierüber liegen aus mehreren europäischen Ländern vor. Cheyletiella blakei wurde bei Katzen in Europa, Amerika und Afrika nachgewiesen. C. yasguri kann bei Hunden, C. pa- rasitivorax bei Kaninchen vorkommen. Haben befallene Hunde und Katzen miteinander Kontakt, so kann C. yasguri auch auf Katzen übergehen. Die Cheyletiella-Arten (Abb. 5.23) legen ihre Eier an die Haarbasen ihrer Wirte und versehen sie mit feinen Spinnfäden, sodass die betreffenden Fellpartien ihrer Wirte bei einem Massenvorkommen wie mit Mehl be- stäubt erscheinen. Bei Katzen gilt dies für den Rückenbereich und die Partie hinter den Oh-

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ren, bei Hunden ebenfalls für den Rücken und bei den seltenen Fällen, in denen Kaninchen stärker befallen sind, für den Schulterbereich. Cheyletiella-Arten scheinen bei ihren Wirten entweder keinerlei Symptome hervorzurufen oder zu vermehrter Hautschuppenbildung und Juckreiz zu führen. Jungtiere leiden wesentlich stärker als ausgewachsene Tiere. Junge Hunde scheuern an den befallenen, stark juckenden Partien das Fell ab. Die Tierhalter können an Körperstellen, die mit den befallenen Haustieren häufig in Kontakt kommen, d. h. vorwie- gend an Brust und Armen, unter stark juckenden, geröteten Papeln leiden, die 0,5–1 cm Durchmesser erreichen können. Diese Hautreaktionen verschwinden, sobald der Milbenbe- fall getilgt ist oder kein Kontakt mehr mit den befallenen Haustieren besteht. 3. Zur Diagnose kann man die sehr kleinen Eier und Milben durch Andrücken eines Tesafil- mes an Haut und Haarbasen gewinnen, anschließend den Tesafilm auf einen Objektträger kleben und mikroskopisch untersuchen (vgl. Analtupfverfahren). 4. Bekämpfung: Mehrfaches Behandeln der infizierten Haustiere mit ungiftigen Kontaktin- sektiziden (z. B. Wash-Away Hund, MiteStop®), beim Menschen damit duschen.
5.4.5 Krätzmilben (Sarcoptidae)
1. Name: Griech.: sarx = Fleisch; koptein = verwunden. Engl. scabies mites. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, insbesondere bei Personen in Asy- len, Lagern, Altenheimen etc., wo ständig Körperkontakt erfolgt. 3. Biologie/Morphologie: Die Krätzmilbe Sarcoptes scabiei (aber auch die Räudemilben der Haustiere – sie sind Rassen dieser Art) graben bis 1 cm lange Gänge in der Epidermis des

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Menschen. Die Adulten, die durch 4 stummelartige Beinpaare ausgezeichnet sind (Larven besitzen nur 3!), werden maximal etwa 0,3–0,5 mm × 0,2–0,4 mm groß und ernähren sich von Hautpartikeln. Die weiblichen Nymphen verlassen ihren Gang und wandern auf der Haut umher, um sich dort von den agilen Männchen begatten zu lassen und sich danach binnen ½ Stunde in die Haut einzugraben. Schon wenige Stunden nach dem Eingraben beginnt die Eiablage, wobei für 2–4 Monate täglich 1–4 Eier abgesetzt werden (danach sterben die Weibchen in der Haut). Aus den schlüpfenden Larven entwickeln sich in 9–10 Tagen wieder Männchen oder in 12–15 Tagen Weibchen. Der Befall des Menschen erfolgt durch ein begattetes Weibchen, das vor dem Einbohren bei Körperkontakt auf den neuen Wirt gelangt ist. Daher sind häufig alle Familienmitglieder bzw. Kontaktpersonen in Alten- heimen, Hospizen, Krankenhäusern etc. befallen (Abb. 5.24–5.27). 4. Symptome der Erkrankung: Häufig beginnt bei Erwachsenen der Prozess im Bereich zwischen den Fingern, im Genitalbereich und in der Leistenregion und breitet sich sym- metrisch an den Flanken, in der Nabelregion, am Gesäß, aber auch an Beinen, Fußrücken, vorderen Achselfalten und Armen aus. Charakteristische Prädilektionsstellen sind die Interdigitalfalten und der Penis, an dem das Exanthem häufig nodulären Charakter hat.
Gesicht und Kopfhaut sind selten befallen (Ausnahmen: mangelernährte Säuglinge, Klein- kinder und AIDS-Patienten). Der Juckreiz hält sich tagsüber in Grenzen, beginnt aber ge- radezu schlagartig – und pathognomonisch – beim Zubettgehen. Einzelne morphologische und Verlaufscharakteristika sind (Abb. 5.27): a) Der Milbengang. Die meist nur 1–4 mm langen, intraepidermalen Gänge, in deren leicht blasig aufgetriebenem Ende die weibliche Milbe sitzt, erscheinen (bei hellhäuti- gen Menschen) blassrosa bis bräunlich und können durch Kratzeffekte blutig verändert sein.

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b) Ein feinpapulöses Sekundärexanthem, gelegentlich auch ein Ekzem, als Hypersensitivi- tätsreaktion auf Milbenantigene. c) Hyperkeratotische Krustenbildung tritt besonders bei mangelernährten Kindern und bei AIDS-Patienten (auch im Gesicht) auf. Diese hyperkeratotische Form, bei der die honiggelben bis bräunlichen Krusten bis über ½ cm dick werden können, trägt den Na- men Scabies norwegica. Die Krusten und abfallenden Schuppen enthalten eine Unzahl von Milben. Diese Form ist also hochkontagiös (Abb. 5.27 a). d) Bakterielle Superinfektion der Milbengänge und der Exantheme.

5. Diagnose: – Hautinspektion: Verstärkter Pruritus, feine Papeln, z. T. mit Exanthem. Aufsuchen von einzelnen Milbengängen an Prädilektionsstellen. Am Ende der Milbengänge stecken die Weibchen, die mit einer sterilen Nadel durch Hautperforation entnommen werden können. – Hautschabung: In stark entzündeten Hautbereichen werden Krusten mit einem sterilen Skalpell abgeschabt, für 5–30 min (je nach Dicke des gewonnenen Materials) in 10%ige Kalilauge verbracht und danach mikroskopiert. Die typischen Milben bzw. ihre Eier treten dann hervor, da das Keratin der Haut bzw. die Exsudatkrusten von der Kalilauge zerstört werden. 6. Infektionsweg: Körperkontakt: Befruchtete Weibchen (= Telonymphen) wandern bei Kör- perkontakt auf einen neuen Wirt über, bohren sich im neuen Wirt ein und beginnen nach der Reifung mit der Eiablage (1–4 Eier pro Tag). 7. Prophylaxe: Köperkontakt mit Krätzmilbenträgern meiden, ebenso Kleidertausch. Wech- sel der Bettwäsche; Abkühlen der Schlafräume bis gegen 0°C für ca. 24 Stunden in entspre- chender Jahreszeit. 8. Inkubationszeit: Spätestens 2 Wochen nach dem Erstbefall treten Hautsymptome auf. 9. Präpatenz: Erste Larven erscheinen 15 Tage nach dem Übertritt eines Weibchens. 10. Patenz: Weibchen leben etwa 2 Monate; durch ständigen Eigenbefall kann sich eine Mil- benpopulation über Jahre halten. 11. Therapie: Vielfach wird empfohlen, die Haut mit Hexachlorcyclohexan (Permethrin) oder Crotamiton einzureiben. Gegen den Juckreiz helfen kortikosteroidhaltige Salben. Der



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Juckreiz persistiert allerdings 1–2 Tage nach Therapiebeginn, während die Effloreszenzen erst im Verlauf von 10–14 Tagen spontan abheilen. Es hat sich aber gezeigt, dass Milben in nichtbehandelten Bereichen überleben. Daher wird heute angeraten, Ivermectin (oral oder pour-on) einzusetzen (z. B. als Stromectol® aus Frankreich oder Ivomec®, das für Schweine zugelassen ist).
5.4.6 Haarbalgmilben (Demodicidae)
1. Name: Griech.: demas = Körper; dex = gestreckt. Lat.: folliculus = Bläschen; brevis = kurz.
Engl. follicle mites. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, vorwiegend Übertragung zwi- schen Mutter und Kind; häufig bei HIV-Patienten stark ausgeprägter Befall. Faktisch alle Menschen sind Träger dieser Milben, meist aber unbemerkt. 3. Biologie/Morphologie: Die Haarbalgmilbe, Demodex folliculorum, und die Talgdrüsen- milbe, D. brevis, sind mit 0,3–0,4 mm bzw. 0,25 mm (D. brevis) in beiden Geschlechtern relativ klein (Abb. 5.28). D. folliculorum ernährt sich vom Follikelepithel, während D. bre- vis den Zellinhalt des Talgdrüsenepithels verzehrt. Die einzelnen adulten Milben leben nur etwa 5 Tage; ihre Entwicklung dauert etwa 10 Tage, sodass eine relativ kurze Genera- tionsfolge vorliegt. Die Übertragung von Milben von Mensch zu Mensch (alleiniger Wirt) erfolgt durch Körperkontakt. 4. Symptome der Erkrankung: Obwohl die Befallsrate mit höherem Alter des Menschen bis zu 100% steigt und bei Menschen mittleren Alters häufig um die 1000 Milben vorhanden sind, gelten unmittelbare klinische Symptome als selten. Allerdings wird den Milben eine Beteiligung an einer Reihe von Hauterkrankungen wie Verhornungsstörungen, Rosacea,

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Areata-artige Alopezien, Pyodermie-artige Erscheinungen, Lupus miliaris, Blepharitis, peri- orale Dermatitis, mikropapulöse Läsionen etc. zugeschrieben. 5. Diagnose: Zum Nachweis der Milben in der Haut wird im befallenen Bereich Talg aus der Haut (besonders in der naso-labialen Zone) ausgepresst und in einem Tropfen konzent- rierter Milchsäure mithilfe des Lichtmikroskops näher untersucht. Andere Milben sitzen in den Haarbälgen. 6. Infektionsweg: Körperkontakt, vorwiegend bereits zwischen Mutter und Säugling, wobei es zum Übertritt von befruchteten Weibchen kommt. 7. Prophylaxe: Regelmäßige Haar- und Körperhygiene. 8. Inkubationszeit: 2 Wochen, wenn es überhaupt zu Symptomen beim Befall kommt. 9. Präpatenz: 2 Wochen. 10. Patenz: Jahre, durch wiederholte Eigeninfektion. 11. Therapie: Siehe Krätzmilben (Abschn. 5.4.5).
5.4.7 Hausstaubmilben (Tyroglyphidae)
1. Name: Griech.: tyros = Käse; glyphein = eingraben. Engl. house dust mites. 2. Biologie/Morphologie: Diese Familie enthält 5 Gattungen mit 13 Arten, von denen 3 Arten Hausstaubmilben der Gattung Dermatophagoides (Abb. 5.24, 5.29, 5.30) weltweit verbreitet und in besonderem Maß für die Humanmedizin interessant sind: D. pteronyssi- nus, D. farinae und Euroglyphus maynei. In Mitteleuropa ist D. pteronyssinus am meisten verbreitet. Die Hausstaubmilben gelten als eine der Ursachen allergischer Reaktionen der Atemwege in Form von Asthma, Konjunktivitis und Rhinitis. Aus Hausstaub extrahiertes Allergen und das aus diesen Milben gewonnene Allergen hatten die gleiche Wirkung in Form von Hautreaktionen bei allergischen Patienten. Ein Allergen, das isoliert und als eine Protease charakterisiert werden konnte, soll aus Kotballen von Milben stammen, im Wohnbereich mit der Luftzirkulation verbreitet werden, auf die Schleimhäute des Menschen geraten und Asthma sowie Schleimhautreizungen verursachen. Manche For- scher behaupten immer wieder, dass Hautschuppen die wichtigste Nahrungsquelle der Hausstaubmilben seien. Der Mensch verliere pro Tag etwa 1–1,5 g Hautschuppen, die v. a. in Betten, Polstermöbeln, Kleidung und Teppichböden als wichtigsten Aufenthaltsorten der Milben landeten. Bisher ist diese Auffassung, so plausibel sie auch sein mag, nicht eindeutig nachgewiesen. Xerophile Aspergillus-Arten sollen die fetthaltigen Hautschuppen besiedeln und für die Hausstaubmilben nutzbar machen. Die Hausstaubmilben haben sich aus der Nestfauna von Säugetieren entwickelt, haben den „Nestbereich" des Menschen besiedelt und sind offensichtlich Allesfresser. Hierzu passt, dass von einigen Arten, die im Hausstaub vorkommen, Massenvermehrungen in Lebensmittelvorräten, Fischmehl und Futtermitteln für Hühnerzuchten und Schweinemästereien bekannt geworden sind. In früheren Jahrhunderten hatten die Betten eine Strohschütte oder einen Strohsack statt der heute üblichen Matratze. Darin konnte sich eine reichhaltige Fauna entwickeln. Hausstaub enthält heute anorganisches wie organisches Material, Nahrungs- und Hautreste, Detritus, Pollen, Pilze, Fasermaterial u. a. Dieses Material wird verwertet von Pilzen und Milben sowie den räuberischen Milben, die auf diese Milben Jagd machen, wie beispielsweise Cheyletus-Arten (Getreidemilben). Ganz offensichtlich handelt es sich bei den Hausstaub- milben um Kulturfolger, die von den in den letzten Jahrzehnten im Wohnbereich des Menschen eingetretenen Veränderungen profitieren. Die Verwendung von Teppichböden in Wohn- und Schlafräumen, die niedrigen Betten, die damit, trotz Verwendung von Staubsaugern, erschwerte Reinigung von Ecken und Nischen sowie das Vorhandensein von Schlupfwinkeln für Milben im Lückensystem der Teppichbodentextur haben der verstärkten Entwicklung dieser Milben in Wohnräumen Vorschub geleistet. Jahreszeitlich kann die Milbenzahl erheblichen Schwankungen unterliegen. Milben gedeihen umso bes- ser, je höher die Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind.

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3. Diagnose: Man kann eine aufwendige Untersuchung der feinen Komponenten von Haus- staub unter dem Stereomikroskop vornehmen. Nach Martini (1952) werden 0,1–0,5 g Feinstaub in einem Becherglas mit 2 ml einer Tensidlösung (Extran u. a.) gerührt, bis alles benetzt ist. Anschließend führt man 50 ml Darling-Lösung (1 Teil gesättigte Kochsalzlö- sung + 1 Teil Glyzerin) hinzu, rührt das Ganze auf einem Magnetrührer etwa 1 Minute, gießt es dann in eine Petrischale und untersucht es mit dem Stereomikroskop. Die isolierten Milben werden zu Präparaten verarbeitet und mikroskopisch untersucht. Diese Untersu- chungsmethode erfordert gute taxonomische Kenntnisse, da im Wohnbereich des Menschen 20–40 verschiedene Milbenarten angetroffen werden können, von denen auch Allergene produziert werden. Von medizinischer Bedeutung im Hinblick auf die Auslösung schwererer Allergien sind aber nur 2 Arten, Dermatophagoides pteronyssinus und D. farinae.
Eine andere Methode ist der sog. Milbenkot-Test (von verschiedenen Firmen angeboten), der über eine grob quantitativen Guaninnachweis eine Abschätzung der vorhandenen Mil- benmenge im feinen Hausstaub ermöglicht.
Ein Hauttest mit einem unter die Haut injizierten gereinigten Allergen ermöglicht fest- zustellen, ob eine Allergie gegen Hausstaubmilben vorliegt. Neuerdings wird berichtet, dass Asthmatiker mit nachgewiesener Milbenallergie nach einer Immuntherapie gegen Hausstaubmilben-Allergene deutlich weniger Medikamente einnehmen mussten. 4. Zur Bekämpfung von Hausstaubmilben in Teppichböden und andern Wohntextilien emp- fiehlt sich ein ungiftiger, wasserfreier Extrakt aus Neemsamen (Tre-san®, MiteStop®).
5.5 Insekten (Insecta, Hexapoda)
Die Klasse Insecta (Kerbtiere) ist die umfangreichste Gruppe des Tierreichs, was die Artenzahl und die Individuendichte betrifft. Das System der Insecta enthält primär ungeflügelte, nie- dere Formen, die sog. Apterygota, und primär geflügelte, höhere Insekten, die Pterygota. Zu Letzteren gehören alle parasitischen Formen, die vorwiegend ektoparasitisch (temporär oder stationär) auf ihren Wirten leben.
System: Stamm: ARTHROPODA (Auszug) Unterstamm: Tracheata Klasse: Insecta (Hexapoda, Insekten, Kerbtiere) Unterklasse: Apterygota (ungeflügelte Formen) Unterklasse: Pterygota (primär geflügelt) Ordnung: Phthiraptera (Tierläuse) Unterordnung: Anoplura (Saugläuse) Unterordnung: Mallophaga (Beißläuse) Ordnung: Rhynchota (Wanzen) Familie: Reduviidae (Raubwanzen) Familie: Cimicidae (Bettwanzen) Ordnung: Diptera (Zweiflügler) Unterordnung: Nematocera (Mücken) Familie: Phlebotomidae (Sandmücken) Familie: Culicidae (Stechmücken) Familie: Ceratopogonidae (Gnitzen) Familie: Simuliidae (Kriebelmücken) Unterordnung: Brachycera (Fliegen) Familie: Tabanidae (Bremsen) Unterordnung: Cyclorrhapha (Deckelschlüpfer) Familie: Muscidae (Fliegen)
5.5 Insekten
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Familie: Glossinidae (Schmeißfliegen) Familie: Sarcophagidae (Fleischfliegen) Familie: Gasterophilidae (Magenfliegen) Familie: Oestridae (Dasselfliegen) Familie: Hippoboscidae (Lausfliegen) Ordnung: Siphonaptera (Flöhe)
Insekten können a) als Zwischenwirte wichtiger Parasiten des Menschen und seiner Nutztiere (Protozoen, Ces- toden, Nematoden u. a.) dienen, b) als Überträger (Vektoren) Rickettsien, Bakterien und Viren verbreiten und c) bei der mechanischen Verschleppung von Protozoen, Pilzen und Bakterien mitwirken (z. B. Amöbenzysten durch Fliegen, Salmonellen, Shigellen, EHEC, Staphylokokken).
Endoparasitische Formen treten bei einigen höheren Insekten (= Pterygota) ebenfalls, aller- dings weit seltener auf (s. Myiasis, Abschn. 5.5.5.8; Sandfloh, Abschn. 5.5.1.6).
Der Bauplan der adulten Pterygota kann gerade bei den parasitischen Formen sehr modifi- ziert sein, weist jedoch stets folgende Grundzüge auf (s. Abb. 5.40): 1. Der segmentierte Körper besteht aus Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Rumpf (Abdomen). 2. Das chitinöse Exoskelett der getrenntgeschlechtlichen Insekten wird während des Wachs- tums in charakteristischer Weise gehäutet. Männchen und Weibchen weisen meist einen sexuellen Dimorphismus auf. 3. Der Kopf, dessen einzelne Segmente zu einer Kopfkapsel verschmolzen sind, trägt dorsal 1 Paar gegliederte Antennen (s. Abb. 5.52) und ventral 3 Paar Mundwerkzeuge: Mandibeln, Maxillen 1 und Maxillen 2. Außerdem sind am Kopf im Regelfall 1 Paar große Facetten- augen sowie bei einigen Arten mehrere Punktaugen vorhanden (s. Abb. 5.59), die bei den parasitisch lebenden Arten in unterschiedlicher Weise reduziert sein können. 4. Die 3 Thoraxsegmente (Pro-, Meso-, Metathorax) tragen ventral je 1 Paar (= Hexapoda) 5-gliedrige Extremitäten. Diese bestehen aus Coxa, Trochanter, Femur, Tibia und Tarsus, der mit charakteristischen Halteapparaten, Klauen etc. endet (daher der Name: Arthropoda = Gliederfüßer). 5. Meso- und Metathorax bilden durch Hautfalten primär 2 Paar Flügel aus, die mithilfe kräf- tiger Muskelzüge bewegt werden können, allerdings oft ganz oder teilweise rückgebildet sind (z. B. Diptera, Flöhe, Bettwanze). Die Flügelstruktur ist artkonstant und wird daher zur Taxonomie verwendet. 6. Die Segmente des Abdomens weisen keine Extremitäten auf, sondern lediglich funktionell verschiedene Fortsätze, die u. a. zur Kopulation bzw. Brutpflege dienen. Im Abdomen befinden sich die Geschlechtsorgane und die zum Teil sehr komplizierten Hilfsorgane (ak- zessorische Drüsen etc.) sowie als Exkretionssysteme die Malpighi'schen Schläuche. 7. Die Atmung der Insekten erfolgt durch ein z. T. bis zur Einzelzelle ziehendes Röhrensystem (= Tracheen), das sich mit charakteristischen Stigmen nach außen öffnet (s. Abb. 5.73). 8. Das röhrenförmige Herz liegt dorsal, das langgestreckte Nervensystem ventral, je in einem eigenen durch Diaphragmen getrennten Sinus, während der Darm im zentralen Bereich häufig ein mehr oder minder gerades Rohr bildet (s. Abb. 5.73). 9. Der Mitteldarm wird bei den meisten Arten von einer oder mehreren sog. peritrophischen Membranen ausgekleidet. Diese enthalten als Grundgerüst Chitinfilamente und stellen sowohl für die grob lysierte Nahrung als auch für manche Parasiten auf dem Weg zu den Darmepithelzellen eine Barriere dar.
Die pterygoten Insekten lassen sich nach ihrer ontogenetischen Entwicklung in 2 große Gruppen untergliedern: hemi- und holometabole Formen. Bei Hemimetabolen verläuft die Entwicklung schrittweise über Häutungen, wobei die Larven morphologisch den Adulten schon frühzeitig ähnlich sind (z. B. Wanzen, Läuse). Daher werden sie auch als Nymphen
244 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
angesprochen, denn ihre äußere Gestalt gleicht (im Gegensatz zu „holometabolen" Larven) schon weitgehend den Adulten. Erst die letzte Häutung führt schließlich zum geschlechtsreifen Stadium (Imago). Bei den Holometabolen (z. B. Fliegen, Mücken, Flöhe) folgt der Larven- entwicklung das sog. Puppenstadium. In diesem findet meist eine völlige Umstrukturierung (= Metamorphose) der Larvengestalt bis hin zum adulten männlichen oder weiblichen Insekt statt. Die Puppe ist entweder ein unbewegliches Ruhestadium oder sie bleibt wie bei Mücken beweglich, nimmt dann allerdings keine Nahrung auf.
5.5.1 Flöhe (Siphonaptera)
1. Name: Der deutsche Name Floh kommt von mhd. fliehan = flüchten. Griech.: syphon = Röhre; pteron = Flügel; aphanes = verborgen, klein. Engl. fleas; Franz. puce. 2. Biologie/Morphologie: Flöhe erkennt man leicht an ihrer seitlich abgeplatteten Form; tote Flöhe erwecken den Eindruck, sie seien gewaltsam plattgedrückt worden (Abb. 5.31–5.34).
Lebende Flöhe bewegen sich zwischen Haaren und Federn mit ihren langen Sprungbeinen rasch stakend voran. Die Bewegung wird ihnen dabei durch die Körperform erleichtert; die kurzen, keulenförmigen Antennen können in seitlich am Kopf vorhandene Gruben gelegt werden. Ein Zurückrutschen wird durch die schräg nach hinten gerichtete Beborstung, besonders durch die aus Reihen dicker Borsten gebildeten Kämme verhindert. Im „freien Gelände" kann sich der Floh durch große Sprünge fortbewegen, v. a. wenn es um das Errei- chen eines Wirtes geht. Vogelflöhe erreichen dabei bis zu 25 cm Weite; vom Menschenfloh, Pulex irritans, wurden Sprungweiten und -höhen bis zu 35 cm berichtet.
Alle Flöhe sind flügellos; ihre Färbung ist gelbbraun bis schwarz. Der Kopf ist auffallend klein. Seine Beborstung ist systematisch von besonderer Bedeutung. Die stechend-saugen- den Mundwerkzeuge sind relativ klein. Beim Stich dringen nur Epipharynx und Lacinien (maxillare Stechborsten) in die Haut ein. Die kurzen Fühler bestehen aus 2 Basalgliedern und einem aus mehreren, sehr kurzen Gliedern zusammengesetzten, keulenförmigen Endabschnitt. Augen fehlen entweder ganz oder sind nur in Form von einem Paar Ein- zelaugen vorhanden, die dicht vor den Antennen liegen. Mittel- und Hinterbeine dienen als Sprungbeine und haben jeweils eine verlängerte Hüfte (Coxa) und einen stark verdick- ten Schenkel (Femur). Die 5-gliedrigen Tarsen sind am Hinterende mit stark gebogenen Krallen versehen; da sie keine Haftvorrichtungen besitzen, bewegen sich Flöhe auf glatter Unterlage recht hilflos. Das umfangreiche Abdomen weist am Hinterende eine sog. Pygidi- alplatte mit zahlreichen Trichobothrien auf; diese Sinneshaare dürften der Wahrnehmung von Luftströmungen und damit der Wirtsfindung dienen.
Die Flöhe sind in beiden Geschlechtern Blutsauger an Warmblütern, an Vögeln (etwa 6%) und v. a. an Säugetieren (etwa 94%). Sie sind wenig wirtsspezifisch, wohl aber nest- typspezifisch. Peus (1972) hat daher folgende, in der Praxis nicht immer befriedigenden Definitionen vorgeschlagen: Als Hauptwirt gilt ein Wirt mit optimalem Nestmilieu. Beim Nebenwirt sind Wirt und Nest nicht optimal, aber annehmbar. Beim Zufallswirt sind der Wirt und sein Nest oder Lager für den Floh unbrauchbar, sodass er sich auf solchen Wirten nur kurzfristig als Irrgast aufhält.
Von den weltweit etwa 1600–2000 beschriebenen Arten kommen in Mitteleuropa etwa 80 Arten vor, von denen aber nur 5–10 Arten von medizinischer und hygienischer Bedeu- tung sind (Tab. 5.1). Bei der Artbestimmung muss man sehr gründlich vorgehen, weil die Flöhe nicht sonderlich wirtsspezifisch sind. Man kann nicht einfach das Vorkommen bei ei- ner Wirtsart für die Namensgebung verwenden. Eine genauere Bestimmung ist nur anhand von mikroskopischen Präparaten möglich.
Flöhe haben eine holometabole Entwicklung, d. h. sie bilden nach den Larven eine Puppe, aus der das Adultstadium schlüpft. Die etwas länglichen, weißen Eier werden schubweise abgelegt; die Weibchen von Pulex irritans legen bis zu 450 Eier. Weibchen des Katzenflohs (Ctenocephalides felis) legen pro Tag etwa 25 Eier, insgesamt bis zu 1000 Eier.

abelle 5.1: Wichtige Floharten Art Größe (mm)
Merkmale bevorzugte Wirte
Pulex irritans � 2–2,5 � –4
ohne jegliche kammartige Fort- sätze; Ocellarborste verläuft unter dem Augenrand
Mensch, Haustiere
Xenopsylla cheopis
� 1,4
� 2,5
ohne jegliche Kämme; Mesopleu- ron mit Versteifung; Ocellarborste verläuft über das Auge
Ratten, Mäuse, evtl. Mensch
Ctenocephalides canis, C. felis
� 2
� 3
je 1 Kamm unten am Kopf und hinten am Pronotum
Hund, Katze, Mensch
Ceratophyllus gallinae
� 3
� 3,5
1 Kamm hinten am Pronotum Geflügel, Mensch
Echidnophaga gallinacea
� 1,5–2
� 2–2,5
ohne Kämme; Thorax dorsal schmäler als Tergum 1 des Abdo- mens; � verankert sich mit Mundwerk- zeugen fest in der Haut
Hühnervögel, Hunde, Mensch (Tropen)
Tunga penetrans � 0,5–0,7 � 0,5–6,0
Pronotum ohne Kamm; Sensilium mit je 8 seitlichen Sinneszellen; bohrt sich in die Haut
Mensch, große Haustiere

Die Larvalentwicklung dauert bei Pulex irritans etwa 14 Tage (bei 18–29°C und 70–90% relativer Feuchte); bei Hühner-, Hunde- (Ctenocephalides canis) und Katzenfloh (C. felis) erfolgt sie in etwas kürzerer Zeit. Die Larven entwickeln sich bei den meisten Arten im Nest oder Lager des Wirtes bzw. in dessen Nähe. An diesen Stellen sucht man daher bei Verdacht auf Flohbefall nach den weißlichen, Mückenlarven ähnelnden, beinlosen Larven.
Der Menschenfloh, Pulex irritans, entwickelt sich in Dielenritzen, in Staub- und Kehricht- ansammlungen usw. Mit ihren kauenden Mundwerkzeugen können die Larven kein Blut saugen. Da die erwachsenen Flöhe mehr Blut saugen, als zur Darmfüllung nötig ist, gelangt überschüssiges Blut in das Nest der Wirte und kann in getrockneter Form den Larven als Nahrung dienen. Die Puppenruhe dauert etwa 7–10 Tage beim Menschenfloh; in Deutsch- land benötigt er für die gesamte Entwicklung im Sommer 4 Wochen, im Winter auch 6 Wochen. Trockenheit vertragen die Entwicklungsstadien nicht; die Trockenheit moder- ner Wohnungen und die hygienischen Verhältnisse gelten als Ursache für das sehr geringe Auftreten des Menschenflohs in Deutschland. Eine besonders bemerkenswerte Erscheinung ist die sog. Kokonruhe der Flöhe. Dabei bleibt der Floh nach dem Schlüpfen aus der Puppe noch in dem von der Larve vor der Verpuppung aus Seide gesponnenen und außen durch Staubpartikel hervorragend getarnten Kokon. Welche Faktoren die Dauer und die Been- digung der Kokonruhe bestimmen, ist noch unbekannt. Erschütterungsreize dürften eine Rolle spielen. Die Kokonruhe kann nur kurze Zeit, aber auch bis über 1 Jahr dauern. In lange unbewohnten, zuvor stark befallenen Gebäuden kann es schlagartig zu massenhaftem Auftreten von Flöhen kommen. Der Menschenfloh hat in Mitteleuropa seine Bedeutung verloren und wurde vom Katzenfloh (Ctenocephalides felis) abgelöst, der zurzeit 80% allen Flohbefalls auf Mensch, Hund und Katze ausmacht.
Nestbewohnende Flöhe halten sich auch bei längerem Ausbleiben des Wirtes im Nest oder Nistkasten (Vogelflöhe, Nagerflöhe) oder in der Lagerstatt des Wirtstieres auf (Katzen-, Hundeflöhe) und begeben sich nicht auf Wirtssuche. Das Haarkleid des Wirtes bewoh- nende Flöhe verlassen den Wirt nach dessen Tod rasch und suchen nach einem neuen Wirt.

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Dieses Verhalten des Tropischen Rattenflohs (Xenopsylla cheopis) spielt in der Epidemiolo- gie der Pest eine besondere Rolle; der Zusammenbruch einer Rattenpopulation kann zum Befall des Menschen durch infizierte Flöhe führen.
Im Sommer können sich Flöhe rascher entwickeln und vermehren. Daher sind Sommer und Herbst schon seit dem Mittelalter als „Flohzeiten" bekannt. Dies gilt natürlich heute für Flohbefall in Wohnungen und Stallungen nicht mehr. Flohplagen können von unhygieni- scher Haustierhaltung, Lagern von streunenden Katzen und Viehställen ausgehen.

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3. Stichwirkung: Der Floh ist beim Blutsaugen leicht zu stören, sticht aber rasch wieder an anderer Stelle (häufig in Reihen) (Abb. 5.35). Bei jedem erneuten Einstich jucken auch die früheren Stichstellen (Repetieren), sodass ein Floh den Eindruck erwecken kann, man habe es mit zahlreichen Flöhen zu tun. Das Krabbeln der Flöhe auf der Haut und die oft ver- gebliche Suche nach Flöhen können schlaflose Nächte bereiten. Flohstiche sind erkennbar als kleine, dunkle, eventuell tagelang sichtbare Punkte, umgeben von einem Hof geröteter und geschwollener Haut; die Rötung geht im Allgemeinen rasch zurück. Das Jucken kann tagelang anhalten. Im Einzelnen sind die Reaktionen auf Flohstiche wie bei allen Insek- tenstichen und allergischen Erscheinungen individuell sehr verschieden. Das Blutsaugen führt zu Blutflecken in der Unterwäsche und im Bettzeug; dies kann bei der Diagnose eines Flohbefalls hilfreich sein (Mehlhorn et al. 2012). 4. Übertragung von Krankheitserregern: Flöhe sind v. a. als Überträger der Pest von me- dizinischer Bedeutung. Die Erreger der Pest, Yersinia pestis, sind unbegeißelte, mit Kapsel versehene, gramnegative, stäbchenförmige Bakterien, deren Kapselproteine antigen und phagozytosehemmend wirken. Flöhe saugen die Pesterreger mit der Blutnahrung auf. In ihrem vorderen Darmabschnitt vermehren sich diese Bakterien massenhaft und können bei einer erneuten Blutmahlzeit durch Regurgitation (Erbrechen) in den Blutkreislauf eines Menschen gelangen. Auf dem Blutweg gelangt der Erreger in Lymphknoten, die 2–5 Tage nach der Infektion stark anschwellen, hämorrhagisch verfärbt sind und Bubonen oder Beulen genannt werden. Über 90% der Pestfälle verlaufen in dieser Weise. Die Pesterre- ger können anschließend in die Blutbahn gelangen. Erreichen sie die Lunge, so führen sie zur Bildung eines hochinfektiösen Sputums, das zu weiteren, direkten Infektionen führen kann. Diese als Lungenpest bezeichnete Form ist hochgradig letal. Die Pest existiert als sog. Reservoirkrankheit in Nagerpopulationen fast aller Erdteile und dient hier offenbar deren Bevölkerungsregulation. Unter besonderen Umständen kann sie jederzeit aus diesen Reservoiren ausbrechen und über Ratten als Zwischenglied sowie Flöhe als Vektoren den Menschen befallen. So kam es 1994 zur Epidemie in Indien mit Tausenden von Pestkran- ken. Entgegen älterer Auffassungen waren früher in Mitteleuropa nicht die Rattenflöhe, Nosopsyllus fasciatus und Xenopsylla cheopis, sondern der Menschenfloh, Pulex irritans, an der Übertragung der Beulenpest beteiligt. Diese Auffassung wurde durch Befunde anläss- lich einer Pestepidemie in Nepal 1967/1968 bestätigt, mit der eine Massenvermehrung von Pulex irritans einherging. Mittel der Wahl gegen Pest sind heute Tetrazykline.
Rattenflöhe können außerdem murines Fleckfieber, auch endemischen Flecktyphus oder Rattentyphus (engl. murine typhus) übertragen. Diese bei Nagetieren, v. a. Ratten, in tropi- schen und subtropischen Ländern weitverbreitete Krankheit wird von Rickettsia typhi (= R. mooseri) verursacht. Die Krankheitserscheinungen ähneln denen des klassischen Fleck- fiebers, sind aber milder. Zur Therapie verwendet man Tetrazykline und Chloramphenicol.
Wichtig ist die Prophylaxe durch Ratten- und Flohbekämpfung.
In Russland können Flöhe Erysipeloid übertragen, verursacht durch das Bakterium Ery- sipelothrix rhusiopathiae. Es handelt sich um eine Hautform des Schweinerotlaufs, die bei verschiedenen Tierarten vorkommt und nicht mit der Wundrose des Menschen zu ver- wechseln ist.
Neuerdings wurde gezeigt (Gruppen Mencke/Mehlhorn), dass Flöhe beim Saugen und auch durch Kot sehr leicht Viren übertragen können. In Flohkot blieben daher manche Virenar- ten für Wochen infektiös (Mencke et al. 2009).
Die Bekämpfung der Flöhe und ihrer Brut erfolgt mit Insektiziden. Bei Haustieren ist eine Behandlung auch der Lagerstatt unerlässlich, damit die Brut vernichtet wird. Hierzu stehen sog. Umgebungssprays zur Verfügung (z. B. Bolfo®Plus-Spray, Vet-Kem®-Umgebungsspray), die die Häutungen der Flohlarven unterbinden. Das aus Pflanzen gewonnene Mittel MiteStop® tötet sowohl Adulte als auch Larven. Die Adulten werden zudem auch durch das Versprühen von Pyrethroiden abgetötet. Hunde und Katzen können mit Pour-on-Präpa- raten (sie enthalten Insektizide) für 4–6 Wochen geschützt werden. Der Mensch kann sich mit Repellentien (z. B. Viticks®, Doctan®) für etwa 6 Stunden schützen.

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5.5.1.1 Menschenfloh (Pulex irritans)
1. Name: Lat.: pulex = Floh; irritans = erregend, reizend. Engl. human flea.
Der Menschenfloh ist heute weltweit verbreitet, war aber ursprünglich nicht in Mitteleu- ropa beheimatet, sondern kam im Oligozän in den gemäßigten Gebieten Nordamerikas vor. Mensch und Haushund waren seit dem Pleistozän an seiner Ausbreitung beteiligt. Er scheint in den tropischen Gebieten Asiens zu fehlen und kann sich weder in der Arktis noch in der Antarktis dauerhaft halten. Der Menschenfloh ist nicht wirtsspezifisch. Er befällt neben dem Menschen auch Haustiere und verschiedene wildlebende Säugetiere. Er ist an der extrem dürftigen Beborstung der Kopfpartien (Glatzkopf) und dem Fehlen von Borstenkämmen zu erkennen (s. Abb. 5.34 a, b). 2. Übertragung von Krankheitserregern: Pest; Erysipeloid, im asiatischen Teil Russlands und in der Mongolei; Zwischenwirt für den Bandwurm Dipylidium caninum in Europa.
5.5.1.2 Katzenfloh (Ctenocephalides felis)
1. Name: Griech.: ktenos = Kamm; cephalon = Kopf. Lat.: felis = Katze. Engl. cat flea. 2. Biologie/Morphologie: Kommt in mehreren Rassen weltweit vor. Hauptwirt ist die Katze, doch geht dieser Floh auch auf den Hund sowie auf den Menschen über (macht heute ca. 80% des Bestands in deutschen Wohnungen aus!) Außerdem kann der Katzenfloh (s. Abb. 5.32, 5.33) Ratten, Mäuse und verschiedene wildlebende Säugetiere und sogar Vögel befallen. Er ist in Mitteleuropa nicht autochthon, sondern stammt aus Nordafrika und Vorderasien. Katzenimporte durch Römer nach Mitteleuropa sind zwar schon im 3.
Jahrhundert erfolgt, doch ist die Katze als Haustier erst seit dem 14. Jahrhundert stärker
Abb. 5.35 Flohstiche; sie stehen oft in Reihen.
250 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
verbreitet. Entsprechend seiner Herkunft aus wärmeren Ländern entwickelt sich der Kat- zenfloh offenbar besser in menschlichen Wohnungen als im Freien. Etwa seit 1960 hat sich in Deutschland in den zahlenmäßigen Relationen der 3 häufigsten Floharten im Bereich des Menschen ein beträchtlicher Wandel vollzogen, der verschiedene Ursachen hat. Die Zahl der in den Wohnungen gehaltenen Katzen und Hunde ist enorm gestiegen, die Wohn- und Heizungsverhältnisse haben sich drastisch verändert usw. Im Wohnbereich des Menschen ist nunmehr der Katzenfloh weitaus am häufigsten vertreten, während Menschenflöhe kaum und Hundeflöhe fast überhaupt nicht mehr in Erscheinung treten. Bei Flohplagen waren Katzen doppelt so häufig wie Hunde beteiligt, und das Verhältnis von Katzenfloh zu Menschenfloh ist 18:1. Massenvermehrungen von Katzenflöhen können durch unhy- gienische Haltung von Katzen und Hunden zustande kommen und unter Umständen die ganze Nachbarschaft in Mitleidenschaft ziehen. Verflohte Lager von streunenden Katzen in Schuppen, Gartenlauben, Kellern und andere Schlupfwinkeln können zum Ausgangspunkt von Plagen werden, die sich bisweilen schon über ganze Siedlungen erstreckt haben. 3. Übertragung von Krankheitserregern: Pest, weltweit; Zwischenwirt des Bandwurms Dipy- lidium caninum, in Europa und östlichen Teilen der USA; viele Virenarten.
5.5.1.3 Hundefloh (Ctenocephalides canis)
1. Name: Griech.: ktenos = Kamm; cephalon = Kopf. Lat.: canis = Hund. Engl. dog flea. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit verbreitet. Er befällt neben dem Hund auch Katzen, Kaninchen, Ratten, Fuchs, Wiesel, Iltis usw. und geht auch sehr leicht auf den Menschen über. Flohbefall des Menschen kann in südlichen Ländern zu 50% (und stellenweise noch mehr) auf das Konto des Hundeflohs gehen (in Deutschland findet sich vorwiegend der Katzenfloh). 3. Übertragung von Krankheitserregern: Pest, weltweit; Zwischenwirt für den Bandwurm Dipylidium caninum, in Europa und den östlichen Teilen der USA.
Hunde- und Katzenfloh lassen sich an folgenden Merkmalen unterscheiden: Beim Hundefloh ist der 1. Zahn des Kopfkammes halb so lang wie der 2.; beim Katzenfloh sind beide gleich lang, die Kopfpartie vor dem Auge ist beim Katzenfloh ausgedehnter als beim Hundefloh.
5.5.1.4 Vogelflöhe
Von den wenig wirtsspezifischen Arten kommt der Mensch am leichtesten in Kontakt mit den an Hühnern lebenden Arten Ceratophyllus gallinae und Echidnophaga gallinacea bzw. der auf der Taube vorkommenden Art Ceratophyllus columbae. Beim Reinigen von Nistkästen können ganze Schwärme über den Menschen herfallen. In derartigen Nistkästen hat man im Durch- schnitt 100, maximal sogar 5754 Flöhe gefunden. Vogelflöhe können unter Umständen aus Nes- tern von Tauben oder Spatzen in benachbarte Wohnungen gelangen. In Hühnerställen haben die Hühnerflöhe den Vorteil, dass ganzjährig Wirte und optimale Entwicklungsbedingungen in den Nestern zur Verfügung stehen. Vogelflöhe übertragen zahlreiche Erreger bei Geflügel.
5.5.1.5 Rattenfloh (Nosopsyllus fasciatus)
1. Name: Griech.: nosos = Krankheit; psyllos = Floh. Lat.: fasciatus = gestreift. Engl. northern rat flea. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit verbreitet. 3. Biologie/Morphologie: Hauptwirt ist die Wanderratte (Rattus norwegicus). Daneben kommt diese Art aber auch bei zahlreichen anderen Nagetieren sowie Raubtieren vor, denen diese
5.5 Insekten
251
Nager als Beute dienen; merkwürdig ist, dass er ebenso wenig wie der Hausmausfloh, Lepto- psylla (Ctenopsyllus) segnis, bei der Katze auftritt. Der Rattenfloh geht zudem leicht auf den Menschen über. Der Tropische Rattenfloh, Xenopsylla cheopis, ist der klassische Pestfloh. 4. Übertragung von Krankheitserregern: Pest, in USA; Pseudotuberkulose und Erysipeloid, in Russland.
5.5.1.6 Sandfloh (Tunga [Sarcopsylla] penetrans)
1. Name: Lat.: intingere = eintauchen; penetrare = eindringen. Griech.: sarx = Fleisch; psylla = Floh. Engl. jigger, sand flea, chigoe flea. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Der Sandfloh kommt in Mittel- und Südame- rika sowie im tropischen Afrika und neuerdings auch in Australien vor. 3. Biologie/Morphologie: Er ist sehr klein und v. a. als vollgesogenes Weibchen nicht mit anderen Flöhen zu verwechseln (Abb. 5.36). Die Larven des Sandflohs entwickeln sich im Sandboden an Stellen, an denen häufig Menschen anwesend sind. Die Entwicklung vom Ei zum Adulten wird in etwa 3 Wochen durchlaufen (es sind aber im Gegensatz zu den anderen Flöhen nur 2 Larvenstadien vorhanden). Aus dem Kokon geschlüpfte Flöhe wan- dern auf der Suche nach einem geeigneten Wirt umher. Weibchen halten sich besonders an den Füßen größerer Wirte fest; Mensch, Hund, Ratte und Schwein werden bevorzugt.
Meist wird die weiche Haut zwischen den Zehen und unter den Nägeln befallen; aber auch andere Körperpartien wie Hände, Ellenbeuge und Genitalregion können betroffen sein. Hat das Weibchen eine geeignete Hautpartie gefunden, dringt es (mit dem Vorderende voraus) in die Haut ein. Das Abdomen, in dem mehrere Tausend Eier heranreifen, wächst in etwa 8–10 Tagen zu Erbsengröße heran. Schließlich ist das Weibchen weitgehend von der Haut des Wirtes überwallt; es bleibt nur eine kleine Öffnung für die Atmung und die Abgabe von Eiern und Kot (Abb. 5.37–5.39). In der Haut befindliche Sandflöhe müssen sehr sorg- fältig entfernt werden, damit es nicht zu gefährlichen Sekundärinfektionen kommt. Die Abtötung in der Haut kann durch das Auftragen von Silikonölen oder durch eine 1:20 mit Wasser verdünnte Lösung von MiteStop® erfolgen.

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5.5.2 Läuse (Tierläuse; Phthiraptera)
1. Name: Mhd: luizen = Läuse. Griech.: phtheir = Laus. Lat.: apterns = ohne Flügel. Engl. lice. 2. Biologie/Morphologie: Bei den Tierläusen ist der Kopf schmaler als der Thorax und vorn schnauzenartig; die stechenden Mundwerkzeuge sind äußerlich nicht sichtbar, sondern liegen im Innern des Kopfes (Abb. 5.40). Charakteristisch sind die großen Klauen an den Beinen, mit denen sich die Läuse an Haaren und Textilien festhalten können. Die medi- zinisch wichtigen Lausarten sind ausgesprochen wirtsspezifisch. Die Gattung Pediculus umfasst 4 Arten, von denen 3 bei Affen und 1 beim Menschen vorkommen; die Gattung Phthirus weist nur 2 Arten auf, eine beim Gorilla und eine beim Menschen (Filzlaus). Die Läuse des Menschen sind weltweit verbreitet. Pediculus humanus kommt in 2 Unterarten vor, der Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis) und der Kopflaus (Pediculus humanus capitis); die beiden Unterarten gehen nicht ineinander über, lassen sich aber fruchtbar kreuzen. Beiden sind folgende Merkmale gemeinsam: Fühler 5-gliedrig; Augen reduziert zu jederseits einem relativ großen Facettenauge (Ommatidium); Einzelaugen (= Ocellen) fehlen. Die Orientierung auf dem Wirt erfolgt vorwiegend mithilfe der 5-gliedrigen Fühler, die mit vielen Sinneshaaren ausgestattet sind. Die Mundwerkzeuge sind stechend-saugend.
Sie sind in das Innere des Kopfes verlagert und befinden sich dort in einer sackförmigen Stachelscheide. Sie münden am schnauzenartig vorgezogenen vorderen Kopfteil (Mehlhorn und Mehlhorn 2010).
Am auffallendsten sind an einer Laus die kurzen, gedrungenen Klammerbeine, mit denen sich die Tiere sehr gut an den Haaren ihrer Wirte festhalten können. Ein daumenartiger, unbeweglicher Vorsprung umgreift einen Teil des Haares und ein langer, klauenartiger, beweglicher Tarsus sorgt für eine feste Umklammerung. Mithilfe eines sehr stark entwi- ckelten Muskels, der im verdickten folgenden Beinglied vorhanden ist, wird der Tarsus über eine lange Sehne bewegt. Läuse besitzen in keinem Stadium Flügel, sondern wandern „zu Fuß" von einem Wirt zum anderen. Das heißt, eine Übertragung von Läusen ist nur bei hinreichend engem Haar- bzw. Körperkontakt zu einem Verlausten oder durch gemeinsam

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benutzte Kämme, Haarbürsten, Kleidung (bei Kleiderläusen) usw. möglich. Das eiförmige Abdomen lässt ohne Weiteres 10 Segmente erkennen. Am 3.–8. Abdominalsegment liegen beiderseits Stigmen (Atemöffnungen). Das Männchen ist etwas kleiner als das Weibchen und leicht an dem stilettförmigen, vorragenden Penis am Hinterende zu erkennen. Das Weibchen besitzt keinen Legeapparat; die weibliche Geschlechtsöffnung mündet am ein- gekerbten Hinterende. Vollgesogen erscheinen die Tiere wegen des durchschimmernden aufgenommenen Blutes rötlich gefärbt; ältere Blutreste im Darm sehen schwarz aus. In hungrigem Zustand wirken die Läuse schmutzig gelblich, bräunlich oder fast schwarz. Die Färbung ist genetisch bedingt; schwarze Läuse gibt es bei den Eskimos und bei dunkelhäu- tigen Menschen.
Bei manchen Volksgruppen gelten Läuse nicht als Plage, sondern als Zeichen von Gesund- heit und großer Potenz, weil man der Ansicht ist, dass sie schädliche Säfte absaugen.
Die Kutikula der Läuse ist lederartig derb, sodass die Tiere gegen Druck recht unempfind- lich sind. Läuse zu „knacken" ist daher eine schwierige Aufgabe und als Bekämpfungs- methode längst überholt. Zudem ist die Kutikula überaus elastisch, sodass eine Laus eine beträchtliche Blutmenge aufnehmen kann.
5.5.2.1 Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis)
1. Name: Lat.: pes, pedis = Fuß; pediculus = kleines Füßchen; humanus = menschlich; corpus = Körper. Engl. body louse. 2. Biologie/Morphologie: Die etwa 3–4 mm große, weltweit verbreitete Kleiderlaus lebt an den von Kleidung bedeckten Körperteilen und in der Kleidung (Abb. 5.41). Sie bevorzugt raue Unterlagen, d. h. Wolle vor Seide, raue gegenüber glatt gewebten Stoffen und besonders Nähte von Stoffen. Vor allem im Sommer werden Kleiderläuse auch auf der Außenseite der Kleidung und sogar an Gürteln, Stiefeln usw. angetroffen. Sie können auch in Betten, Män- tel usw. geraten. Wenn sie hungrig sind, wandern sie auf der Suche nach einer geeigneten Nahrungsquelle umher und gelangen aktiv von Mensch zu Mensch. Das Temperaturopti- mum entspricht einer Temperatur zwischen Haut und Kleidung des Menschen (31–33°C).
Läuse verlassen überhitzte und fiebrige Körper. In Gebieten mit gemäßigtem und kühlem Klima spielen Läuse eine größere Rolle als in den Tropen. In tropischen Gebieten ist die Verlausung in der Regenzeit stärker als in der Trockenzeit. Läuse ertragen erhebliche Druckbelastungen (nüchterne Weibchen etwa 1 kg, Nissen 120–180 g). Temperaturen über 50°C töten Läuse und Nissen (Eier) in weniger als einer halben Stunde; bei 90–100°C werden sämtliche Stadien innerhalb 1 Minute abgetötet. Hunger wird bei höheren Tem- peraturen nur kurzfristig ertragen. Leichten Frost und Überflutung mit kaltem Wasser vertragen Läuse wie Nissen. Bei Körpertemperatur benötigen Läuse täglich mindestens eine Blutmahlzeit. Weibliche Läuse werden durchschnittlich 30–40 Tage alt und legen in dieser Zeit bis zu 300 Eier, etwa 5–14 Eier pro Tag; die Eier werden vom Weibchen mit einem rasch erhärtenden, sehr widerstandfähigen Sekret an Textilien und andere raue Unterlagen geklebt. Die Larven schlüpfen nach etwa 1 Woche. Die Generationsdauer vom Ei bis zum Ei der nächsten Generation (über 3 Häutungen) beträgt unter Normalbedingungen etwa 15 Tage. 20 000 Läuse pro Mensch scheinen die Höchstgrenze des Befalls zu sein. 3. Stichwirkungen: Zur Diagnose sollte man gleichermaßen nach Läusen, Nissen und den charakteristischen kleinen knotenförmigen Kotschnüren in der Kleidung und Körperbe- haarung wie auch nach Stichstellen suchen. Die Stichstellen sind von einem anfangs hellro- ten, später bläulich verfärbten, etwa 1 mm Durchmesser erreichenden Hof umgeben. Der Juckreiz ist von Mensch zu Mensch verschieden stark und kann auch durch Gewöhnung geringer werden. Quaddelbildung kann auftreten, häufig aber auch fehlen. Durch heftiges Kratzen können die Voraussetzungen für Ekzeme oder sogar eiternde Geschwüre geschaf- fen werden. Bei starker Verlausung kann es stellenweise zu brauner Verfärbung der Haut kommen.

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4. Übertragung von Krankheitserregern: Das klassische Fleckfieber, auch Flecktyphus (engl. louse borne spotted fever) genannt, wird in erster Linie durch Kleiderläuse verbreitet und durch Rickettsia prowazeki verursacht. Es ist in Europa. Afrika und Asien beheimatet.
Die Übertragung der Erreger erfolgt durch den trockenen, staubfeinen, Rickettsien enthal- tenden Kot. Beim Kratzen der stark juckenden Läusestiche entstehen leicht kleine Wunden, über die ebenfalls eine Infektion erfolgen kann. Die in den Körper des Menschen gelangten Rickettsien siedeln sich in den Endothelzellen der Kapillaren und kleineren Blutgefäße an und vermehren sich darin. Aus zerstörten Endothelzellen werden die Rickettsien frei, gelan- gen in die Blutbahn und so zu neuen Endothelzellen.
Klinisches Bild: Nach einer Inkubationszeit von etwa 10–14 Tagen kommt es zu einem mindestens 10 Tage anhaltenden, sehr hohen Fieber, Flecken von 2–4 cm Durchmesser auf der Haut, Benommenheit, starken Gliederschmerzen und Husten. Zur Behandlung dienen heute Doxycyclin, Tetrazykline, davor lag die Letalität bei 10–20% der Erkrankten. Zum spezifischen Nachweis der Krankheitserreger verwendet man Blutausstriche, die mit fluo- reszenzmarkierten Antikörpern behandelt wurden. Als Schutz gegenüber dieser epidemisch auftretenden Krankheit, die stets im Gefolge der Verlausung auftritt, hilft nur eine rigorose Läusebekämpfung mithilfe von Insektiziden. Bei besonders exponierten Personen kann eine Schutzimpfung angebracht sein. R. prowazeki verbleibt auch nach klinischer Heilung in RES-Zellen und kann noch nach 20 Jahren Rezidive auslösen (Brill-Zinsser'sche Krank- heit). Die zur Diagnose eingesetzte Weil-Felix-Reaktion wird dann wieder positiv.
Das Fünftagefieber oder Wolhyni'sche Fieber (auch Schützengrabenfieber, engl. trench fever) wird von Bartonella (syn. Rickettsia) quintana hervorgerufen. Bei dieser Krankheit kommt es nach einer Inkubationszeit von 5–20 Tagen etwa alle 5 Tage periodisch zu Fie- berschüben. Die Zahl der Fieberanfälle variiert zwischen 3 und 12, wobei häufig Rezidive vorkommen. Rickettsien sind im Blut der Patienten nicht nur während der Fieberperio-
Abb. 5.41 REM-Aufnahme einer Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis) mit Eiern an Gewebe.
256 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
den, sondern noch Wochen danach sowie während der Rezidive nachzuweisen. In der als Überträger dienenden Kleiderlaus dringt der Erreger nicht in das Darmepithel der Laus ein, sondern besiedelt nur die Oberfläche der Darmzellen sowie das Lumen des Darms und vermehrt sich extrazellulär. Nur dadurch kann diese Art vom Erreger des klassischen Fleckfiebers unterschieden werden, denn es werden keine Antikörper im Wirt gebildet, sodass keine serologische Diagnose möglich ist und keine Immunität zustande kommen kann. Die Krankheit nimmt im Allgemeinen einen gutartigen Verlauf. Todesfälle kommen kaum vor, aber der Erkrankte kann über 1 Jahr kontagiös bleiben. Die Krankheit ist heute nahezu weltweit bei vielen Obdachlosen anzutreffen und kann oft zu Endokarditis führen.
Therapie: Doxycyclin.
Das europäische oder endemische Rückfallfieber oder Läuserückfallfieber, das weltweit vorkommt, wird von Spirochäten der Art Borrelia recurrentis verursacht und von Klei- der- wie auch Kopfläusen verbreitet. Es wird aber weder beim Stich noch durch Läusekot übertragen, sondern kann nur nach dem Zerbeißen oder Zerdrücken von Läusen mit Läusetrümmern in den Körper des Menschen gelangen. Heute spielt es noch in Nordafrika, Afrika und Amerika eine Rolle.
Klinisches Bild des Rückfallfiebers: Die meisten Erkrankungen treten in Kriegs- oder Hungerzeiten auf. Nach einer Inkubationszeit von etwa 8 Tagen kommt es plötzlich unter heftigem Schüttelfrost zu hohem Fieber bis um 41°C mit starker Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. Diese erste Fieberepisode dauert etwa 5 Tage. Nach mehreren afebrilen Ta- gen kommt es zum Rückfall. Dabei werden die Fieberdauer und die Symptomatik bei jedem folgenden Rückfall kürzer und schwächer. Klinisch ist in der Mehrzahl der Fälle eine Milz- und Lebervergrößerung und bei vielen Patienten ein mäßiger Ikterus zu beobachten. Die Hauterscheinungen können makulös, petechial oder papulös sein. Auch eine meningoenze- phalitische Symptomatik kann auftreten: Wahrscheinlich halten sich die Borrelien während der fieberfreien Phasen im Zentralnervensystem auf. Bei den neurologischen Zeichen stehen Benommenheit und Hirnnervenlähmungen im Vordergrund, gelegentlich folgen auch eine Hemiplegie oder Krampfanfälle. Todesursache ist meist eine Myokarditis mit entsprechen- den Rhythmusstörungen, eine zerebrale Blutung, gelegentlich auch ein Leberversagen. 5. Diagnose: Diagnostisch ist die wichtigste Methode die Erregersuche (Spirochäten) im Blutausstrich und Dicken Tropfen während der Fieberphasen. Die Borrelien sind an ihrer schlanken, geschlängelten, an einem Ende oft eingerollten Form leicht zu erkennen. 6. Therapie: Für die Therapie kommen Tetrazykline, Chloramphenicol, Penicillin und, v. a. bei Schwangeren und bei Kindern unter 8 Jahren, auch Amoxicillin und Erythromycin in Frage.
5.5.2.2 Kopflaus (Pediculus humanus capitis)
1. Name: Lat.: pediculus = kleines Füßchen; caput = Kopf. Engl. head louse. 2. Biologie/Morphologie: Die Kopflaus ist in beiden Geschlechtern kleiner als die Kleider- laus, die Segmentierung des Hinterleibs tritt deutlicher hervor, und bei den Weibchen fehlt am 4. Hinterleibssegment die Längsmuskulatur vollständig (Abb. 5.42). Die Bevorzugung der Kopfhaare als Aufenthalt geht so weit, dass Kopfläuse nur selten in größerer Zahl an Augenbrauen, Bart sowie an anderer Körperbehaarung angetroffen werden; umgekehrt kommen Kleiderläuse nur ausnahmsweise bei starker Verlausung auch an Kopfhaaren vor. Bastarde beider Rassen sind aber häufig. Die Vorzugstemperatur der Kopflaus ist mit 28–29°C niedriger als die der Kleiderlaus. Kopfläuse können in den Tropen besser existie- ren als Kleiderläuse. Niedrige Temperaturen werden besser ertragen als höhere (40–50°C).
Bei Temperaturen unter 12°C werden keine Eier mehr abgelegt.
Die Kopflaus klebt das längliche Ei mit einer längeren sog. Manschette aus Klebdrü- sensekret, das in besonderen Drüsen des Weibchens produziert wird, am Haar fest. Die Manschette umfasst das Haar und das Sekret wird auch über das Ei verteilt. Ein derart angeklebtes Ei nennt man eine Nisse (Abb. 5.43). Das Ei besitzt am Vorderende Luftlö-

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cher (Aeropylen), über die der Embryo mit Sauerstoff versorgt wird, die aber andererseits verhindern, dass ein zu großer Feuchtigkeitsverlust eintritt. Ganz ähnlich sehen auch die Nissen der Filzlaus aus, die sich nur anhand der Porenanordnung auf dem Eideckel von de- nen der Kopflaus unterscheiden lassen. Ein Weibchen kann pro Tag 2–8 und in ihrem etwa 3 Wochen dauernden Leben etwa 90–150 Eier ablegen. Bei starkem Befall kann es durch Verklebung der Haare bei der Nissenbildung, durch Ekzeme und Einwuchern „wilden Flei- sches" zur Bildung des sog. Weichselzopfes kommen; dessen Entfernung auf chirurgischem Weg gilt als problematisch. Die Embryonalentwicklung dauert 7–10 Tage, die Entwicklung von Ei zu Ei etwa 3 Wochen. Die Entwicklungsdauer hängt von der Temperatur und Luft- feuchtigkeit ab. Die nur 1 mm lange Larve der Kopflaus ist im Haar schwer zu finden und sieht ähnlich wie die ausgewachsene Laus aus. Über Häutungen entstehen nach 2 weiteren Larvenstadien die geschlechtsreifen Tiere. Das Männchen ist 2,3–2,6 mm lang und schlan- ker als das 2,6–3,1 mm lange Weibchen. 3. Stichwirkung: Juckreiz sowie durch heftiges Kratzen verursachte Ekzeme (durch Superin- fektion mit Bakterien) entsprechen den Erscheinungen bei Kleiderläusen. 4. Epidemiologie: Die Zunahme des Kopflausbefalls in den letzten 20 Jahren ist kein nati- onales, sondern ein weltweites Phänomen. Das Problem ist nicht in Schwierigkeiten der Diagnose zu suchen. Es liegt auch nicht an einem Mangel geeigneter Bekämpfungsmittel, an der Entstehung von resistenten Läusestämmen oder an der Einschleppung durch Gast- arbeiter, Touristen etc., dass das Kopflausproblem immer noch ungelöst ist. Zumindest in Deutschland rührt es daher, dass es sich als schwierig erweist, die Einschleppung aus Problemfamilien einzudämmen, die sich jeder Bekämpfungsaktion widersetzen, weil sie aus den verschiedensten Gründen darin keinen Sinn sehen. Ein weiterer Grund sind die hohen Kosten für manche Präparate. Dadurch kommt es in Kindergärten und Schulen ständig zu einem neuen Nachschub an Kopfläusen.
Ende der 70er-Jahre untersuchte das Bundesgesundheitsamt durch Umfragen bei 157 Ge- sundheitsämtern das Kopflausproblem. Unter 27 600 von Kopfläusen befallenen Personen waren 17% bis 5 Jahre alt, 44% 5–10 Jahre alt, 24% 10–15 Jahre alt und nur 4% 15–20 Jahre alt. Am stärksten befallen war demnach die Altersgruppe der 5- bis 10-jährigen Kinder, wobei Mädchen und Jungen etwa gleich stark infiziert waren. In der Gruppe der 20- bis 40-Jährigen waren Frauen 3- bis 5-mal stärker als Männer befallen. Die aktuellen Zahlen, die aus den verschiedensten Ländern gemeldet werden, zeigen, dass es zurzeit weltweit zu regelrechten Epidemien kommt, weil viele der älteren Anti-Laus-Produkte nicht mehr wirken. Schätzungen zufolge betragen die Kosten für die Läusemittel sowie der Arbeits- ausfall der betroffenen Mütter in den USA etwa 3–4 Milliarden USD pro Jahr. Ebenso wie in anderen europäischen Ländern und in den USA kam es auch in Deutschland nach der Einschleppung von Kopfläusen in Kindergärten, Schulheimen und Sommerlagern zu einer weiträumigen Ausbreitung der Läuse. Eine Zunahme der Verlausung war generell nach den Sommerferien und im Herbst zu verzeichnen. Dies gilt auch noch 2012 mit zunehmender Tendenz. 5. Kopflausbefall fällt unter das Infektionsschutzgesetz: Wenn in Kindergärten, Schulen, Jugendwohnheimen, Ferienlagern und ähnlichen Einrichtungen Läusebefall auftritt oder zu vermuten ist, so muss dies vom Leiter der betreffenden Einrichtung sofort dem zustän- digen Gesundheitsamt gemeldet werden. Bei einem Läusebefall dürfen Schüler, Lehrer und andere an einer Schule tätige Personen so lange nicht mehr am Unterricht und anderen Ver- anstaltungen der Schule teilnehmen, bis nach dem Urteil des behandelnden Arztes oder des Gesundheitsamts eine Weiterverbreitung der Verlausung durch die betreffenden Personen nicht mehr zu befürchten ist (was heute durch den schriftlichen Beleg einer durchgeführten Behandlung mit einem Läusemittel erwirkt werden kann). 6. Therapie/Vorbeugung: Zur Bekämpfung der Läuse und ihrer Eier (Nissen) haben sich mehrere Mittel gut bewährt. Dabei geht die Tendenz der Mittel weg von den insektizidhalti- gen Produkten (Pyrethroide), weil von den Läusen Resistenzen entwickelt wurden. Es wer- den immer mehr Medizinalprodukte (Shampoos) eingesetzt, die die Läuse und die Stadien
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in den Nissen mechanisch durch Ersticken töten (z. B. Wash-Away Laus®, Sensomed® Läu- seshampoo, Linicin). Auch existieren neu entwickelte Repellentien gegen Läuse (Picksan, NoLice, Linicin Preventive Spray).
5.5.2.3 Filzlaus (Phthirus pubis)
1. Name: Griech.: phtheir = Laus; pubis = Schambein. Engl. pubic louse; franz. Papillon d'amour; dt. Schamlaus. 2. Biologie/Morphologie: Phthirus pubis ist weltweit verbreitet und lebt im Allgemeinen an den Schamhaaren, kann aber auch gelegentlich an den Achselhaaren, Wimpern, Augen- brauen und sogar Kopfhaaren gefunden werden. Filzläuse können sich so fest ans Haar klammern, dass sie sogar beim Festhalten an Wimpern und übriger Augenbehaarung das Öffnen des Lides verhindern. Die Filzlaus ist an ihrer charakteristischen Körperform leicht von Kopf- und Kleiderlaus zu unterscheiden (Abb. 5.44, 5.45). Die an Haare angeklebten Eier (Nissen) ähneln denen der Kopflaus und lassen sich von diesen nur anhand der An- ordnung der Poren auf dem Eideckel unterscheiden. Die Weibchen können bis zu 26 Tage leben. Die Jungen schlüpfen schon nach 5–8 Tagen aus den Eiern, und die Larven werden in 15–17 Tagen geschlechtsreif.
Filzläuse sind wenig beweglich und saugen meist unentwegt an der gleichen Körperstelle.
Hunger bzw. Entfernen vom Körper des Wirtes vertragen sie sehr schlecht. Die Ausbreitung der Filzlaus von einer Person zur anderen soll vorwiegend beim Geschlechtsverkehr erfol- gen, ist aber auch auf anderem Weg möglich. 3. Stichwirkung: Die Stiche verursachen im Allgemeinen geringeren Juckreiz als die der Kopf- und Kleiderläuse. Durch Kratzen können Ekzeme entstehen. An Stellen mit starkem Befall kann die Haut blass bläulich erscheinen (franz. taches bleues).

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4. Die Bekämpfung der Filzlaus erfolgt nicht mehr mit der quecksilberhaltigen, berühmten „grauen Salbe" früherer Zeiten, sondern mit den im Abschnitt über die Kopflaus (Abschn. 5.5.2.2) erwähnten Mitteln.
5.5.2.4 Weitere Tierläuse
Manche Tierläuse (z. B. Schweineläuse – Haematopinus suis, Hundeläuse – Linognathus seto- sus) können gelegentlich von Haus- oder Wildtieren auf den Menschen überwechseln, bleiben aber wegen der hohen, bezüglich ihrer Gründe noch ungeklärten Wirtsspezifität der Läuse nicht lange auf dem Menschen. Das gleiche gilt, wie bei Bauern nachgewiesen, auch für die an ihrem breiten, flachen Kopf leicht von den Läusen unterscheidbaren Beißläuse = Mallopha- gen (Haarlinge von Säugetieren und besonders Federlinge des Hausgeflügels). Mallophagen ernähren sich mit Hilfe ihrer kauenden Mundwerkzeuge durch Knabbern von Hautresten und dergl., können damit aber nicht Blut saugen. Beim Geflügelrupfen können Federlinge auf den Menschen geraten und irrtümlich als „echte Läuse" angesehen werden.
5.5.3 Wanzen (Bett-, Raubwanzen; Heteroptera)
5.5.3.1 Bettwanze (Cimex lectularius)
1. Name: Lat.: cimex = Wanze; lectularius = zum Bett gehörend. Engl. bed bug. 2. Biologie/Morphologie: Die Bettwanze ist weltweit verbreitet. Sie ernährt sich durch nächt- liches Blutsaugen, nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Haustieren, besonders beim Geflügel, außerdem bei Sperlingen, Staren, Schwalben und Fledermäusen.
Der Körper der etwa 5–6 mm langen adulten Bettwanze ist dorsoventral abgeplattet – daher der Name „Tapetenflunder" (Abb. 5.46, 5.47). Am Kopf sitzen 2 vorstehende Komplexau- gen und 4-gliedrige Fühler. Der gerade, lange Rüssel liegt in Ruhe der Kopf- und Vorder- brustunterseite an. Will die Wanze stechen, so klappt sie ihn nach vorn. Die Stechborsten

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(Mandibeln und Maxillen) bilden gemeinsam ein Doppelrohr aus jeweils 2 Halbrinnen; in einem Rohr fließt der Speichel, im anderen die Blutnahrung. Die Stechborsten werden von der 3-gliedrigen Unterlippe (Labium) umgeben; diese ist nach vorne offen und dient beim Stechakt allenfalls als Führung für die Stechborsten, dringt aber nicht in die Haut des Wirtes ein. Der Kopf sitzt breit der Vorderbrust an; diese ist kragenartig ausgebildet, etwas seitlich vorgezogen und berührt fast die Augen. Die Mittelbrust hat ganz kleine Flügelrudimente, während die Hinterbrust weder Flügel noch Flügelrudimente aufweist. Die Männchen sind etwas schlanker als die Weibchen und haben am Hinterende einen kleinen, dolchartigen

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Kopulationsapparat. Die Stinkdrüsen münden verdeckt von Fortsätzen der Mittelbrust an den Hüften der Hinterbeine; das Sekret hat einen unangenehmen Geruch, was zu einem typischen Gestank in verwanzten Räumen führt.
Die Eier werden mit einem klebrigen, wasserlöslichen Sekret ebenso wie Kot in den Verste- cken abgesetzt, etwa 1–12 gleichzeitig. Die Bettwanze entwickelt sich hemimetabol, d. h. die kleinen Wanzenlarven ähneln bereits den Erwachsenen. Über 5 Häutungen wird ohne Pup- penstadium das Erwachsenenstadium erreicht. Zwischen den Häutungen ist jeweils mindes- tens eine Blutmahlzeit erforderlich. Die gesamte Entwicklung dauert bei Zimmertemperatur etwa 6–8 Wochen. Die Imagines können in Gefangenschaft über 1 Jahr alt werden.
Als Versteck dienen der Bettwanze Ritzen aller Art, lose Tapeten, Bilder, Bettgestelle, Bü- cher usw., nasse und kalte Stellen werden gemieden. Wanzen sind lichtscheu und nachts aktiv. Hunger erträgt die Bettwanze bei niedrigen Temperaturen etwa ½ Jahr, Kälte ohne Weiteres, Feuchte und Hitze dagegen nicht. Bei Hunger können die Wanzen erstaunlich weit wandern. Cimex gilt als untauglicher Vektor für Krankheitserreger, allerdings berich- ten neuerdings einige Autoren von „mechanischen" Übertragungen durch kontaminierte Mundwerkzeuge bzw. durch Ausscheidung von Viren, Bakterien im Kot. 3. Stichwirkungen: Kein Stichschmerz. Die Haut reagiert eventuell mit der Bildung einer stark juckenden Quaddel; vielfach sticht eine Wanze mehrfach und täuscht so stärkeren Befall vor.
Die Stichwirkung ist individuell verschieden (Abb. 5.48), kann aber auch vollständig fehlen.
Das Immunsystem reagiert auf das Fremdeiweiß des Wanzenspeichels. Bei längerem Befall kann eine Immunisierung erfolgen. Allergische Reaktionen sind ebenfalls möglich. 4. Bekämpfung: Die Bekämpfung der Bettwanze ist mit den heutigen Insektiziden (u. a. als Fogger) kein Problem, sollte aber stets vom Fachmann durchgeführt werden. Auch stehen mit MiteStop® pflanzliche Produkte zur Verfügung. Wichtig ist aber das Einsprühen aller Verstecke und Wanderwege.
Abb. 5.48 Patientin mit über den gesamten Körper verteilten Bett- wanzenstichen.
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5.5.3.2 Weitere Wanzenarten
5.5.3.2.1 Tropische Bettwanzen (Cimex hemipterus, C. rotundatus)
Sie befallen in den warmen und tropischen Gebieten der Erde Menschen, Hühner und Fle- dermäuse, ähneln zwar Cimex lectularius sehr, haben aber eine nicht so breite Vorderbrust, sowie einen schmaleren Kopf und ein schlankeres Abdomen; außerdem sind sie dunkler in der Braunfärbung. Der 2. Hinterleibsring ist der breiteste (bei C. lectularius der 3.). Gegen Trockenheit und niedrige Temperaturen ist C. hemipterus empfindlich. Die Lebensweise und Entwicklung entsprechen der von C. lectularius.
5.5.3.2.2 Vogelwanze (Oeciacus hirundinis)
Diese Art lebt in den Nestern der Mehlschwalbe in Europa. Oeciacus vicarius kommt in Schwalbennestern in Amerika vor. Beide Arten überwintern in den Nestern und können bis zur Rückkehr der Schwalben hungern. Bisweilen wandern sie aber auch in benachbarte Woh- nungen ein und können so zu einer Plage auch beim Menschen werden.
5.5.3.2.3 Fledermauswanze (Leptocimex boueti)
Diese Art kommt in Westafrika bei Fledermäusen vor und kann ebenfalls den Menschen befallen.
5.5.3.2.4 Raubwanzen (Reduviidae)
1. Name: Der dt. Name leitet sich vom Verhalten dieser Tiere ab, die ihre Beute, aber auch ihre Artgenossen überfallen. Lat.: redivivus = wiederkehrend. Engl. Raptor bugs. 2. Biologie/Morphologie: Raubwanzen sind lediglich in Süd- und Mittelamerika wegen der Übertragung der Erreger der Chagas-Krankheit (Trypanosoma cruzi) von medizinischer Bedeutung, besonders in Venezuela, Brasilien und Argentinien. Von den zahlreichen, fast aus- schließlich in Lateinamerika verbreiteten Arten können eine ganze Reihe natürliche Infektio- nen mit Trypanosoma cruzi aufweisen und bei zahlreichen Haus- und Wildtieren Blut saugen.
Für die Übertragung der Krankheitserreger auf den Menschen sind folgende Arten von Bedeutung: u. a. Triatoma infestans (Abb. 5.49), T. dimidiata, T. maculata, Rhodnius prolixus und Panstrongylus megistus. Diese Reduviiden sind große, kräftige Tiere. Im erwachsenem Zustand sind sie im Gegensatz zu den Bettwanzen flugfähig (wenn auch nicht gut) und damit in der Lage, sich rasch zu verbreiten. Auffallend ist die lange, nasenartige Vorder- kopfpartie (Rostrum), an deren Unterseite der Rüssel liegt, während an den Seiten, kurz vor den Augen, die langen, 4-gliedrigen Fühler eingelenkt sind; nur bei Rhodnius fehlt das lange Rostrum. Die Vorderflügel sind sog. Halbdecken ohne Cuneus. Die Flügelmembran weist 2–3 große Zellen auf. Die Triatomen leben in ähnlichen Verstecken wie die Bettwanzen. Je- des Weibchen legt etwa 2000 Eier. Der Entwicklungszyklus ist art- und temperaturabhängig und benötigt bis zu 1 Jahr und mehr. Die europäische Kotwanze bzw. Staubwanze (Redu- vius personatus; Abb. 5.50) gehört in diesen Formenkreis. Sie tritt auch in Mitteleuropa auf, lebt räuberisch und sticht den Menschen eher zufällig (aber sehr schmerzhaft). 3. Stichwirkung: Die Triatoma-Arten stechen den Menschen vor allem ins Gesicht (engl. kissing bug), an Händen und Füßen. Der eigentliche Stich ist kaum spürbar. Die Hautreakti- onen sind sehr unterschiedlich. 4. Übertragung von Krankheitserregern: Trypanosoma cruzi durchläuft in der Wanze einen Gestaltwechsel (über epimastigote zu infektiösen trypomastigoten Stadien). Die Triatomen

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haben die Angewohnheit, vor dem Blutsaugen oder anschließend den Darm zu entleeren.
Dabei können die infektionsfähigen Trypanosomen über den Stichkanal, Kranzwunden usw. in die Haut und weiter in die Blutbahn des Wirtes gelangen. Die Infektion erfolgt somit nicht über den Stechrüssel, sondern über den Kot, der beim Kratzen in die Wunde eingerieben wird.
Da hungrige Wanzen auch vollgesogene Artgenossen anstechen und aussaugen, kann auf diese Weise innerhalb der Wanzenpopulation eine Ausbreitung der Chagas-Erreger erfolgen. 5. Bekämpfung: In endemischen Gebieten werden Pyrethroide versprüht, die Kotwanzen können mit dem Neem-Extrakt MiteStop® in Schuppen etc. getötet werden.
5.5.4 Mücken (Moskitos; Nematocera)
1. Name: Der Name leitet sich von dem portugiesischen Wort mosquitos = Mücke ab. Griech.: mema = Faden, keras = Horn. 2. Biologie/Morphologie: Der überwiegende Teil der Mückenarten saugt kein Blut; auch in- nerhalb der Stechmücken (Culicidae) gibt es etliche Gattungen, die entweder gar kein Blut saugen oder nicht beim Menschen Blut saugen. Unter den blutsaugenden Arten benötigen nur die Weibchen Blutnahrung, und zwar im Zusammenhang mit der Eibildung; die Männ- chen saugen lediglich Blütensäfte. Die großen, langbeinigen Schnaken (Tipulidae) kommen im Spätsommer oft in beträchtlicher Zahl abends vom Licht angelockt in die Wohnungen geflogen. Sie saugen aber ebenso wenig Blut wie die von Herbst bis Frühjahr an sonnigen Tagen in Schwärmen über Wegen usw. tanzenden sog. Wintermücken (Trichoceridae). Die von Haus- und Straßenbeleuchtung in der Nähe von Gewässern in Unmassen angelockten kleinen Zuckmücken (Chironomidae) sind ebenfalls keine Blutsauger.

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Die Bestimmung von Mückenarten ist wegen der großen Variabilität schwierig und sollte daher, wenn irgend möglich, dem Fachmann überlassen werden.
Männchen und Weibchen lassen sich bei den einheimischen Stechmücken aber relativ leicht unterscheiden. Sind die Fühler mit auffallend langen, in Wirteln stehenden Haaren versehen, so handelt es sich um ein Männchen; wenn die Fühler aber nur mit relativ kurzen Haaren besetzt sind, liegt ein Weibchen vor (Abb. 5.52).
Bestimmungstabelle für die Gattungen einheimischer Stechmückenweibchen (nach Martini 1952): 1 a) Taster lang, Schildchen gleichmäßig gerundet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anopheles 1 b) Taster kurz, Schildchen 3-lappig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 a) Hinterleibsende spitz mit langen Cerci oder Klauen der Vorderfüße gezähnt oder beides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aedes 2 b) Hinterleibsende stumpf; Klauen stets ohne Zahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 a) Flügelschuppen auffallend breit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mansonia (früher Taeniorhynchus) 3 b) Flügelschuppen schmal oder haarförmig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 a) Große Mücken, 7 mm lang, Flügel 4 mm, Spirakularborsten vorhanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Culiseta (früher Theobaldia) 4 b) Allenfalls mittelgroße Mücken, 5 mm lang, Flügel 4 mm, Spirakularborsten fehlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Culex In Abb. 5.51 und 5.52 sind die charakteristischen Merkmale der 3 wichtigsten Gattungen ein- heimischer Stechmücken zusammengestellt.
5.5.4.1 Fiebermücken der Gattung Anopheles
1. Name: Griech.: anopheles = wertlos. Engl. fever mosquitoes. 2. Biologie/Morphologie: Anopheles-Arten sind in tropischen und subtropischen Gebieten die gefürchteten Überträger der Malaria. Sie kommen auch in Deutschland in mehreren Arten und bisweilen in beachtlicher Individuenzahl vor. Das aktuelle Fehlen der Malaria

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in Deutschland ist nicht durch das Fehlen der Überträger, sondern durch die epidemiolo- gische Besonderheit dieser Krankheit bedingt (= Mindestdauertemperatur von 18°C für 14 Tage) und durch eine mangelnde Anzahl von Infizierten, bei denen sich die Mücken mit Erregern infizieren können. Die bei uns vorkommenden Arten der Gattung Anopheles ha- ben sehr unterschiedliche biologische Besonderheiten (Abb. 5.53, 5.54). Sie legen alle ihre Eier mit seitlichen, gasgefüllten Schwimmkammern einzeln auf die Wasseroberfläche des Brutgewässers. Bei der Eiablage können wenige bis über 400 Eier abgegeben werden. Ein Weibchen kann während seines Lebens bis zu 2500 Eier in etwa 10 Gelegen absetzen. Die ausschlüpfenden Larven benötigen je nach Temperatur 2–3 Wochen für die Entwicklung.
Die Puppenzeit dauert 3–5 Tage. Als Brutgewässer dienen meistens die verkrauteten Ränder von stehenden Gewässern und Gräben. Anopheles plumbeus brütet in regenreichen Gegen- den Westdeutschlands und der Mittelgebirge in den Wasseransammlungen von Baumhöh- len. Manche Anopheles-Arten bevorzugen für die Entwicklung brackiges bis salzhaltiges Wasser. Wenn in der Nähe der Brutgewässer nicht genügend Blutspender zur Verfügung stehen, können die Mücken in Schwärmen mehrere Kilometer weit wandern. Die meisten
Abb. 5.54 REM-Aufnahme einer Anopheles-Mücke.
Abb. 5.53 LM-Aufnahme einer Anopheles-Mücke.
268 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
Anopheles-Arten sind nachts aktiv, vorwiegend abends und frühmorgens. A. plumbeus sticht jedoch tags und nachts. Einige Arten scheinen Großvieh als Blutspender gegenüber dem Menschen zu bevorzugen. A. atroparvus überwintert gern in Ställen und Häusern, während A. maculipennis und A. messeae stets fern von Warmblütern überwintern. Diese beiden Arten saugen auch im Winter noch Blut. Die Anopheles-Arten fliegen ähnlich wie Theobaldia annulata im Zickzack. Sie sind keine eigentlichen Plagegeister für den Men- schen, weil sie auf dem Land wohl stärker vom Vieh angezogen werden und in den Städten nur selten vorkommen. 3. Übertragung von Krankheitserregern: Die Malariaerreger des Menschen werden aus- schließlich von Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen. Im Mittelmeergebiet sind es die Arten Anopheles labranchiae, A. superpictus, A. pharoensis. In Afrika sind Anopheles funestus, A. moucheti, A. nili sowie Formen des A. gambiae-Komplexes Überträger. In Vorderasien kommen v. a. Anopheles stephensi, A. fluviatilis und A. pulcherrinus infrage, während in Indien und Sri Lanka Anopheles culicifacies vorherrscht. Im südlichen Asien sind A. maculatus, A. sundaicus sowie verschiedene Artenkomplexe Überträger der Ma- laria, während in Süd- und Mittelamerika Anopheles albimanus, A. pseudopunctipennis, A. bellator, A. cruzii, A. darlingi, A. aquasalis, A. albitarsis sowie A. nuneztovari als Vektoren dienen. Lokal können einzelne Arten entsprechend den ökologischen Gegebenheiten vor- herrschen.
Arten der Gattung Anopheles spielen außerdem eine wichtige Wolle bei der Übertragung von Filarien der Gattungen Wuchereria und Brugia (s. Abb. 4.49). 4. Bekämpfung: Siehe Abschn. 5.6
5.5.4.2 Hausmücken (Culex-, Culiseta-Arten)
1. Name: Lat.: culex = Mücke; seta = Borste. Engl. house mosquitoes. 2. Biologie/Morphologie: Die Hausmücken der Gattungen Culex und Culiseta (Theobaldia) sind auch in Laienkreisen so bekannt, dass ihre biologischen Eigenarten immer wieder einfach auf alle Mücken übertragen werden und so vollkommen falsche Vorstellungen und Bekämpfungsmaßnahmen zustande kommen. Culex pipiens (die „Pfeifende") ist eine kleine, unscheinbare Mücke, die bräunlich-grau gefärbt ist, hellere Bänder quer über dem Hinterleib und dunkle Beine sowie einfarbige graue Flügel besitzt. Ihr Flug ist ebenso wie der dabei resultierende Flugton gleichmäßig. Culiseta (Theobaldia) annulata ist dagegen eine große Mücke von schwarzgrauer Farbe mit weißen Querbinden, mit weiß geringelten Beinen und dunklen Farbtupfen auf den Flügeln. Ihr Flug ist durch rasche Wendungen und eine damit zusammenhängende ungleiche Höhe des Flugtons gekennzeichnet. In der Le- bensweise stimmen diese beiden Arten aber überein. Beide sind eng an menschliche Sied- lungen gebunden. Ihre Wanderlust ist sehr gering. Brutstätten, Überwinterungsmöglichkei- ten und Blutspender sind dicht beieinander zu finden. Beide Arten haben eine besondere Vorliebe für verunreinigtes Wasser und kommen mit den kleinsten künstlichen Wasseran- sammlungen als Brutgewässer aus. Häusliche Abwässer und sogar jauchiges Wasser sind für ihre Entwicklungsstadien geeignet. Sie vermehren sich daher nicht nur in Regentonnen, Kanistern, Büchsen, Dachrinnen, Wassertrögen, Gräben, Tümpeln, Teichen und Jauche- gruben, sondern auch in der Kanalisation, in Kellerschächten, Brunnen, Zisternen usw. Die Überwinterung erfolgt als Mücke in nicht zu trockenen Kellern, Schuppen, Scheunen, Lau- ben, Schächten, Erdbauten, Brennholzstapeln, Reisighaufen usw. Die zunehmende Kühle im Herbst treibt diese Mücken auch in die benachbarten Wohnungen, wo sie vielfach noch eine letzte Blutmahlzeit vor der Winterruhe zu ergattern suchen. Die Männchen sterben im Herbst nach der Begattung des Weibchens. Es überwintern daher nur die Weibchen. Diese verlassen im Frühjahr wieder das Winterquartier und beginnen mit der Eiablage. Die etwa 15–300 Eier eines Geleges sind zu einem gewölbten, sog. Eierschiffchen verklebt, das auf der Wasseroberfläche schwimmt. Die Deckel der einzelnen Eier befinden sich auf der dem

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Wasser zugekehrten Unterseite. Die Larvenstadien werden in 2–3 Wochen durchlaufen, das Puppenstadium in wenigen Tagen. Da den ganzen Sommer über Brutgewässer vorhanden sind, können zahlreiche Generationen bis zum Herbst zustande kommen, ihre Zahl hängt lediglich von der Temperatur ab. Wegen der geringen Tendenz zum Wandern muss man bei den Hausmücken die Ursache einer Plage in unmittelbarer Nähe suchen. Nur bei diesen Arten ist eine Vernichtung der Überwinterungsstadien möglich.
Die von Culex pipiens (Abb. 5.55) verursachten Belästigungen sind bei weitem nicht mit den Plagen durch Aedes-Arten zu vergleichen. Culex pipiens bevorzugt im Allgemeinen Vogelblut gegenüber Menschen- bzw. Säugerblut. Eine besondere Form benötigt bei hinrei- chender Ernährung auf dem Larvenstadium kein Blut mehr für die Bildung entwicklungs- fähiger Eier (sog. autogene Stämme). Neben den bisher genannten beiden Arten gibt es in beiden Gattungen noch eine Reihe weiterer Arten, die außerhalb menschlicher Siedlungen leben. 3. Übertragung von Krankheitserregern: Culex pipiens fatigans lebt im Bereich menschlicher Siedlungen, hat eine enorme Verbreitung in den ausufernden Slums tropischer Großstädte erreicht und ist in den Tropen, mit Ausnahme der pazifischen Region, der wichtigste Über- träger von Filarien der Gattung Wuchereria. (s. Abb. 4.49). 4. Bekämpfung: Siehe Abschn. 5.6
5.5.4.3 Wald- und Wiesenmücken der Gattung Aedes
1. Name: Griech.: aedes = Zimmer, Raum. 2. Biologie/Morphologie: Wald- und Wiesenmücken (Abb. 5.51, 5.56) haben einen ganz charakteristischen Lebenslauf. Sie überwintern im Eistadium. Die Eier werden nicht auf der Oberfläche von Gewässern, sondern an Stellen abgelegt, die zeitweise überflutet werden. Die Weibchen sterben nach der Ablage von 100 und mehr Eiern. Die Eier sind widerstandsfähig gegen Trockenheit, Hitze und Kälte. Im Herbst und Winter durchlaufen sie eine Ruhephase,
Abb. 5.55 Makroaufnahme von Culex-Mücken.
270 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
die Diapause. Im Frühjahr können mehrere Reize das Schlüpfen der innerhalb von 8 Tagen entwickelten Larven induzieren. In erster Linie ist hierfür eine Überflutung verantwortlich; daneben sind die Temperaturerhöhung und das Absinken des Sauerstoffgehalts im Brutge- wässer von Bedeutung. Sehr wesentlich ist, dass nicht alle Larven schlüpfen, sondern dass viele Eier „überliegen" und so im Fall einer vollständigen oder teilweisen Vernichtung der zuerst geschlüpften Population als Reserve dienen können. Dies ist auch bei der Planung von Bekämpfungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Die Entwicklung der Stechmücken erfolgt über 4 Larvenstadien und 1 Puppenstadium zu den Adulten. Im Herbst sterben die Adulten, lediglich die Eier überdauern den Winter.
Die sog. Waldmücken, wie beispielsweise Aedes cantans (die „Singende"), A. punctor und A. communis legen ihre Eier einzeln auf feuchtem Boden in sumpfigen Waldgebieten, v. a.
Erlenbruchwäldern ab. Sobald während der Schneeschmelze im zeitigen Frühjahr der Wasserspiegel steigt, können die Larven schon bei Wassertemperaturen von 2–5°C aus den Eiern schlüpfen und anschließend ihre Larvenzeit bis Ende April durchlaufen. Bekämp- fungsmaßnahmen sind während dieser Zeit am sinnvollsten. Anfang Mai bis Juli können die stechlustigen Weibchen eine Plage in den feuchten Wäldern sein. Im Gegensatz zu den Wiesenmücken neigen die Waldmücken nicht zu Wanderungen. Bleiben Überschwemmun- gen aus, so können die Eier bis zu mehreren Jahren „überliegen", ohne ihre Schlüpffähigkeit einzubüßen.
Die Überschwemmungswiesen bewohnenden Wiesenmücken sind ebenfalls Aedes-Arten.
A. vexans (die „Quälende") ist der schlimmste Plageerreger in Deutschland. Die Wiesenmü- cken überwintern ebenfalls auf dem Eistadium und entwickeln sich nach der Überflutung bei geeigneten Temperaturen im Frühjahr. Eine erste Mückenplage kommt dann im Früh- jahr zustande. Bei den üblichen Niederschlägen im Sommer kann bei erneut steigendem Wasserstand, außer in Dürrejahren, noch eine 2. Mückenplage ab Juli hinzukommen.
Durch die Bewässerung von Wiesen kann die Entwicklung von Aedes vexans besonders gefördert werden. Die Entwicklung erfolgt wegen der höheren Wassertemperaturen im Sommer bereits innerhalb von 8–12 Tagen. In trockenen Sommern überdauern die Eier bis zum folgenden Frühjahr. Sie können sogar mindestens 3 Jahre „überliegen". In Auwäldern kommt besonders Aedes sticticus, auf feuchten Wiesen A. vexans vor. Die Mückenplage, die von diesen und verwandten Arten ausgeht, ist jedoch nicht auf feuchte Wiesen- und Auwaldgebiete beschränkt, denn diese Arten neigen zu ausgedehnten Wanderungen bis zu 10 km oder gar 20 km Entfernung. Die Plage beginnt in den betroffenen Gebieten etwa 14 Tage nach Erreichen des höchsten Wasserstands im Sommer. 3. Übertragung von Krankheitserregern: Aedes aegypti ist einer der wichtigsten Krankheits- überträger. Diese Art ist weltweit in den Tropen und Subtropen verbreitet. Sie weist auf der Rückseite des Thorax eine auffallende, charakteristische, aus weißen oder silberfarbenen Schuppen gebildete, leierförmige Zeichnung auf. Diese Art wird leicht mit Verkehrsmitteln verschleppt. Sie ist in der Lage, sich in kleinsten Wasseransammlungen zu vermehren. Eine der wichtigsten Tropenkrankheiten ist das von Viren verursachte Gelbfieber, das von dieser Mücke übertragen wird. Das von einer Virusart der gleichen Familie, der Flaviviridae, ver- ursachte Denguefieber galt bis vor wenigen Jahrzehnten als eine relativ gutartig verlaufende Krankheit. Seither ist es zu einer gefährlichen, in Ausbreitung begriffenen Viruskrankheit geworden, die in Asien, dem Westpazifik, Ostafrika sowie in Mittel- und Südamerika etwa 1,5 Milliarden Menschen bedroht. Man nimmt an, dass in den letzten Jahrzehnten mehr als 600 000 Menschen erkrankten und mehr als 20 000 Menschen an dieser Krankheit starben.
Ursprünglich war diese Krankheit wohl eine Zoonose, die von A. albopictus übertragen wurde (die Art wurde mittlerweile auch in Deutschland heimisch). Dessen Rolle übernahm nach dem 2. Weltkrieg die in den immer größer werdenden Slums heutiger Großstädte in den Tropen sich ausbreitende Gelbfiebermücke, A. aegypti. Gleichzeitig breitete sich eine Variante des Denguefibers, das Hämorrhagische Denguefieber (engl. dengue haemorrhagic fever, DHF) ausgehend von den Philippinen und Indonesien in ganz Asien aus. Am meis- ten gefährdet sind bei dieser Variante des Denguefiebers Kinder im Alter von 1–13 Jahren.

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Nach einer Inkubationszeit von 5–8 Tagen folgt eine erste, 2–3 Tage währende Phase mit Fieber, Leibschmerzen und Erbrechen. An den folgenden Tagen schwillt das Gesicht an und die Extremitäten werden feucht und kalt. Danach kommt es zu Hämorrhagien an Haut und Schleimhäuten, Nasenbluten, und es kann Blut im Erbrochenen wie im Stuhl auftre- ten. Jüngst wurde in Deutschland auch der Vektor der japanischen Enzephalitis, die sog.
Buschmücke (Aedes japonicus), nachgewiesen. 4. Bekämpfung: Siehe Abschn. 5.6
5.5.4.4 Mansonia richiardii
1. Name: Der Name leitet sich von 2 Forschern ab. 2. Biologie/Morphologie: M. richiardii ist die einzige einheimische Art der Gattung Man- sonia; der früher verwendete Gattungsname Taeniorhynchus ist nicht mehr gültig. M. ri- chiardii überwintert als Larve in vegetationsreichen Brutgewässern. Larven und Puppen dieser Art haben eine ungewöhnliche Form der Sauerstoffbeschaffung. Im Gegensatz zu den übrigen einheimischen Stechmückenlarven kommen sie zu diesem Zweck nicht an die Wasseroberfläche, sondern bohren mithilfe von Sägezähnen am Atemrohr bzw. an den Atemhörnchen Wasserpflanzen an und entnehmen diesen den nötigen Sauerstoff. Als Brut- gewässer kommen nur solche infrage, die nicht austrocknen. Das Weibchen legt die Eier im August/September ähnlich wie bei Culex pipiens zu einem Schiffchen vereinigt auf der Was- seroberfläche ab. Mansonia hat in Europa nur 1 Generation pro Jahr. Die Mücken schlüpfen im Juni/Juli. Die Weibchen sind bei Tag und Nacht sehr zudringlich und können in den Brutgebieten bei massenhaftem Vorkommen eine ähnliche Plage sein wie Aedes-Arten.
Abb. 5.56 a) Makroaufnahmen einer Aedes-Mücke beim Saug- akt. b) Stichreaktionen nach Aedes-Stichen.
a
b
272 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
5.5.4.5 Kriebelmücken (Simuliidae)
1. Name: Lat.: simulare = nachmachen; mhd. kriebel = klein, mickrig. Engl. black flies. 2. Biologie/Morphologie: Die Kriebelmücken sind klein, etwa 4–5 mm lang, schwarz bzw. dunkel gefärbt und von charakteristischem Habitus, der mehr einer Fliege als einer Mücke gleicht (Abb. 5.57–5.59). Der Thorax sieht durch das umfangreiche, stark aufgewölbte Scu- tum (Rückenschild) bucklig aus. Die Beine sind kürzer und kräftiger als bei Stechmücken.
Die Flügel sind breit und im Gegensatz zu denen von Stechmücken ohne Schuppen. Nur die vorderen Flügeladern treten deutlich hervor. Die Facettenaugen sind groß und bei Männ- chen und Weibchen unterschiedlich gestaltet. Die kurzen, hornförmigen Antennen haben 9–12 Glieder, bei den meisten Arten 11 Glieder. Bei den blutsaugenden Weibchen haben die Maxillen und Mandibeln an den Spitzen Zähnchen, die bei den nicht blutsaugenden Männchen fehlen. Nicht alle Arten sind Blutsauger. Es gibt Formen, deren Weibchen, ohne Blut aufgenommen zu haben, entweder nur den ersten Satz Eier oder alle Eier entwickeln können (autogene Formen). Unter den Blutsaugern gibt es Arten, die alle möglichen warm- blütigen Wirbeltiere angreifen, während andere eine besondere Vorliebe für Vögel bzw.
Säugetiere haben. Keine Art ist ausschließlich Blutsauger am Menschen. Den Menschen an- greifende Arten sind wenig wählerisch bei Warmblütern. Kriebelmücken sind gute Flieger; sie können, teilweise in Schwärmen, kilometerweit von Brutgewässern entfernt angetroffen werden. Wahrscheinlich spielt ein Verdriften durch Luftströmung ebenfalls eine Rolle.
Kriebelmücken wurden noch in einer Höhe von 1500 m gefangen. Die Belästigung durch Kriebelmücken ist in Europa und Nordamerika besonders im Frühjahr bzw. im Frühsom- mer besonders stark. Zu dieser Zeit schlüpft die als Larve überwinternde Generation bei einem Temperaturanstieg im Brutgewässer massenhaft. Auf der Suche nach Blutspendern können Kriebelmücken auch den Menschen befallen. Für das Entstehen neuer Plagegebiete in Mitteleuropa scheint die vom Menschen verursachte Verschmutzung der Brutgewässer verantwortlich zu sein. Eine in solchen Gewässern zur Massenvermehrung neigende Art ist Odagmia ornata. Ursachen dieser Massenvermehrungen können sowohl das erhöhte Nahrungsangebot als auch das Verschwinden von Räubern sein. In subarktischen Gebieten mit schnell fließenden Gewässern können Kriebelmücken zu schweren Plage- und Scha- denserregern werden. Die Artbestimmung ist schwierig, allein in der besonders wichtigen Sammelgattung Simulium sind 35 Untergattungen (nach anderer Auffassung Gattungen) mit 810 Arten, darunter 300 paläarktische Arten, enthalten. Die Entwicklung der Kriebel- mücken findet im Wasser satt. Im Allgemeinen werden schnell fließende Bäche, aber auch größere Ströme und bei einigen afrikanischen Arten sogar stehende Gewässer bevorzugt.
Die Eier werden an Wasserpflanzen und Steinen in Gruppen zu 150–600 Stück abgelegt.
Die Larven lassen sich leicht von allen anderen Wasserbewohnern unterscheiden. Der Kör- per ist langgestreckt und kann mithilfe zahlloser kleiner Kutikulahäkchen am Hinterende oder durch klebrige Schleimfäden an Wasserpflanzen und Steinen festgehalten werden. An der blassbraunen Kopfpartie sind neben den Mundwerkzeugen ein Paar charakteristische, auffallende große Fächer vorhanden; diese erzeugen keine Wasserströmung, sondern filtern passiv aus dem vorbeiströmenden Wasser Nahrungspartikel, die von Zeit zu Zeit mithilfe der Mandibeln zur Mundöffnung transportiert werden. Am Thorax ist ein Fußstummel vorhanden, mit dem sich die Larven wie Spannerraupen fortbewegen können. Die Larven durchlaufen 6–8 Stadien, wobei der Zeitraum von der Temperatur der Brutgewässer ab- hängt. In den Tropen reichen dafür 1–2 Wochen. In Mitteleuropa sind 2–3 Generationen während des Sommers möglich. Larven, die aus im Herbst abgelegten Eiern hervorgehen, werden erst im folgenden Frühjahr erwachsen, d. h. die Überwinterung erfolgt im Larven- stadium. Zur Verpuppung spinnt die Larve einen tütenförmigen Kokon nahe der Wasser- oberfläche an Wasserpflanzen oder Steinen. Die Puppe besitzt auffallende, fadenförmige Kiemen. Die nach dem Schlüpfen zurückbleibenden charakteristischen Kokons und die typische Larvengestalt ermöglichen auch dem Laien ohne Weiteres die Feststellung von Kriebelmückenbrut in Gewässern.
5.5 Insekten
273
In Afrika ist v. a. in der Regenzeit mit Kriebelmückenplagen zu rechnen, wobei es von Gebiet zu Gebiet Unterschiede gibt, teilweise treten die Plagen sogar periodisch auf. Krie- belmücken stechen fast stets im Freiland, und zwar am Tag, wohl wegen ihrer vorwiegend optischen Orientierung. Die einzelnen Arten bevorzugen bestimmte Körperstellen ihrer Wirte; nur die Ohren oder nur die Bauchregion usw. Die Blutaufnahme dauert relativ lange, im Allgemeinen 4–6 Minuten, bisweilen bis zu 1 Stunde, und wird möglichst nicht unterbrochen. Sie erfolgt im Abstand von wenigen Tagen; zeitweilig ernähren sich auch die Weibchen von Blütennektar.

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3. Die Stichreaktionen sind sehr verschieden; von allergischen Erscheinungen abgesehen, sind sie abhängig von der Zahl der Stiche und der Gewöhnung (Abb. 5.60). Massenbefall von Rindern im Frühjahr auf der Weide kann besonders schwere Schäden hervorrufen: Neben Stichwirkungen (starke Hämorrhagie) und Schorfbildung besonders in der Bauchregion, bei Kühen in der Euterregion, bei Bullen in der Skrotumregion, kann es vorwiegend bei Jungtie- ren durch heftige allergische Reaktionen sogar zu Todesfällen kommen. In manchen Gebie- ten kann Viehzucht ohne drastische Bekämpfungsmaßnahmen unmöglich sein. Der Stich ist sehr schmerzhaft, sodass Rinder bei Annäherung von Kriebelmückenschwärmen flüchten.










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4. Übertragung von Krankheitserregern: Kriebelmücken übertragen beim Menschen weder Protozoen- noch Viruskrankheiten. Sie spielen jedoch in Zentralafrika und Mittelamerika eine erhebliche Rolle als Überträger einer Filarie, Onchocerca volvulus, die beim Menschen zur sog. Flussblindheit (s. Abb. 4.54) führt. Dieser Erreger wird offenbar nur durch be- stimmte Kriebelmücken von Mensch zu Mensch übertragen. Ein Reservoir an Wildtieren scheint dabei keine Rolle zu spielen. Es gibt aber eigene Onchocerca-Arten bei Rindern und anderen Wirten.
In Brasilien überträgt Simulium amazonicum eine weitere Filarie des Menschen, Mansonella ozzardi. Kriebelmücken übertragen ferner bei Vögeln eine Reihe von Leucocytozoon-Arten, in Australien bei Kaninchen Myxomatoseviren sowie auch in Deutschland eine Reihe von Filarienarten bei Wild- und Haustieren. 5. Bekämpfung: Siehe Abschn. 5.6
5.5.4.6 Schmetterlingsmücken (Psychodidae) und Sandmücken (Phlebotomidae)
1. Name: Griech.: psyche = Seele, Hauch; phleps = Ader. Engl. moth flies; sand flies. 2. Biologie/Morphologie: Die wegen ihrer auffallenden Behaarung an Körper und Flügeln als Schmetterlingsmücken bezeichneten Formen werden nicht mehr als einheitliche Gruppe Psychodidae, sondern als 2 getrennte Familien Psychodidae (Schmetterlingsmücken) und Phlebotomidae (Sandmücken) geführt (Abb. 5.61, 5.62). Die Psychodidae (engl. moth flies) sind keine Blutsauger. Ihr kurzer Rüssel ist nicht als Stechorgan geeignet. Die Flügel werden in der Ruhe dachförmig angeordnet. Psychoda-Arten kommen bei uns v. a. auf Toiletten bzw. als Larven in Gullys, Wasserabflüssen etc. vor. Sie entwickeln sich außerdem mas- senhaft in Kläranlagen, wo die Larven an den von Bakterien bewachsenen Schlacken gute Entwicklungsbedingungen finden. Die Phlebotomidae haben kräftige stechende Mund- werkzeuge mit 5-gliedrigen Tastern, die länger sind als der Stechapparat. Die Flügel werden von diesen sehr kleinen Mücken nicht dachförmig, sondern erhoben „wie bei Engelchen" getragen. Während die Psychodidae stets eine deutlich ausgebildete Analader aufweisen,
Abb. 5.60 Stich einer Kriebel- mücke: Charakteristisch ist die zentrale Hämorrhagie.
276 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
fehlt diese bei den Phlebotomidae völlig oder ist sehr stark reduziert. Die Flügel sind we- niger dicht behaart als bei den Psychodidae. Die Phlebotomidae werden engl. als sand flies bezeichnet. Dabei ist aber zu bedenken, dass man u. a. in Australien und Westindien unter dieser Bezeichnung auch Ceratopogonidae (Gnitzen) und Simuliidae (Kriebelmücken) versteht. Man kennt inzwischen mehr als 530 Arten, von denen die Hälfte in Amerika vor- kommt. Die Phlebotomidae leben vorwiegend in den Tropen und Subtropen. Von den 24 Gattungen sind nur 3 von medizinischer Bedeutung: Phlebotomus und Sergentomyia in der Alten Welt und Lutzomyia in Amerika.
Als Brutplätze dienen Höhlen, Erdspalten, Schutthaufen, Bauten von Nagern und Eidech- sen usw., sofern die Verstecke dunkel, feucht, aber nicht nass sind. Die Larven leben von allen möglichen zerfallenen organischen Substanzen, einschließlich Insektenresten, Kot verschiedener Tiere und Abfällen. Daher finden manche Arten in menschlichen Siedlungen der Tropen und Subtropen sehr günstige Entwicklungsbedingungen und können als Ima- gines zu einer Plage werden, wenn sie nicht bei Bekämpfungsmaßnahmen gegen Malaria übertragende Stechmücken vernichtet werden.
Die Entwicklungsdauer hängt von der Temperatur ab. Von der Eiablage bis zum Schlüp- fen der Mücke vergehen bei 18–20°C etwa 100 Tage, bei 28°C weniger als 50 Tage, bei manchen Arten etwas mehr als 4 Wochen. Wie bei den Stechmücken saugen auch beim den Sandmücken nur die Weibchen Blut. Tagsüber sitzen die Tiere in dunklen Verste- cken. Nachts sind sie aktiv, besonders an warmen, windstillen, feuchten Abenden. Meist bleiben sie in unmittelbarer Nähe der Brutplätze; bisher ist eine maximale Wanderstrecke

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von 1 km nachgewiesen. Die Wirtsspezifität ist zumindest bei einigen Arten gering. Die wenigsten Arten saugen überhaupt am Menschen. Viele Arten saugen nur an Reptilien. In Südeuropa hat Phlebotomus papatasii 2 Flugzeiten, die erste im Juni, die zweite im August bis September. 3. Stichwirkungen: Die Stiche der sehr kleinen nachtaktiven Sandmücken finden sich an Stel- len mit dünner Haut im Gesicht, Nacken, Händen, Knöchelbereich. Der Stich selbst ist sehr schmerzhaft, weil diese Mücken kleine Blutseen in die Haut „sägen". 4. Übertragung von Krankheitserregern: Die Sandmücken spielen v. a. als Überträger von Leishmania-Arten eine wichtige Rolle (s. Abb. 3.9, 3.12) . In bestimmten Höhenlagen Perus und Kolumbiens übertragen sie in Trockengebieten das Bakterium Bartonella bacilliformis, den Erreger des lebensbedrohlichen hämolytischen Oroya-Fiebers (engl. Carrion's di- sease). Wird die Krankheit überlebt, kann sich im späteren Verlauf eine Hautkrankheit, die Verruga peruana, entwickeln, die wegen ihres Bakterienreichtums als Infektionsquelle für die Mücken dient. In den südlichen Gebieten Eurasiens, in Ägypten und Indien sind Sand- mücken (vor allem Phlebotomus papatasii) Überträger der Viruskrankheit Pappataci-Fie- ber (auch als Dreitage- bzw. Hundsfieber bezeichnet). Die Erreger können wahrscheinlich vom Mückenweibchen auf die Eier und weiter auf die Larven übergehen. Gelbfieberviren und andere Viren sind zwar aus Sandmücken isoliert worden, doch ist noch unklar, ob diese auch als Überträger fungieren. 5. Bekämpfung/Vorbeugung: Siehe Abschn. 5.6



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5.5.4.7 Gnitzen (Ceratopogonidae)
1. Name: Griech.: keras = Horn; pogon = Bart. Engl. biting midges. 2. Biologie/Morphologie: Diese kleinen bis sehr kleinen Mücken erreichen 1–4 mm Länge.
Sie werden als Gnitzen, engl. als biting midges, in Nordamerika als punkies oder noseeums bezeichnet (Abb. 5.63, 5.64). Von den etwa 50 Gattungen sind nur 4 Gattungen medizinisch als Blutsauger und Krankheitsüberträger beim Menschen und bei Säugetieren von Interesse: Culicoides, Leptoconops, Forcipomyia und Austroconops. Die Larven leben in feuchtem Boden oder am Rand von Gewässern, auch in brackigem Wasser und in Meerwasser, in Blattachseln tropischer Pflanzen, wie auch in feuchtem Pflanzenmaterial (z. B. Tierfutter). Sie können sehr unterschiedlich aussehen. Nur die Weibchen saugen mit ihrem kurzen Stechrüssel Blut. Die meisten Arten stechen in den Abend- und Nachtstunden; sie bevorzugen zum Einstich die Ränder der Kleidung des Menschen. Bei der Abwehr durch Mückenschleier, Drahtgaze und Moskitonetze muss man die Winzigkeit dieser Mücken berücksichtigen. Die Stiche verursa- chen ein unangenehmes Brennen. Besonders unangenehm ist das massenhafte Auftreten der Gnitzen, v. a. in Tundra- und Sumpfgebieten im hohen Norden Europas, Asiens und Nord- amerikas. Die Gattung Culicoides ist mit 800 Arten weltweit verbreitet. Die meisten Arten sind an der fleckenförmigen Zeichnung auf den in der Ruhe flach auf dem Rücken getragenen Flü- geln zu erkennen. Der Aktionsradius dieser Gnitzen ist meistens klein, sie können allerdings leicht mit dem Wind verdriftet werden. Dennoch können diese Gnitzen in manchen Gebieten eine unerträgliche Plage darstellen. Viele Arten sind Blutsauger bei Vögeln.


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Die Gattung Forcipomyia (Subgenus Lasiohelea) enthält etwa 50 Arten, die meist in wärme- ren Gebieten vorkommen. Die Gattung Leptoconops tritt ebenfalls in diesen Gebieten auf.
Zu ihr gehören gefürchtete Plagegeister des Menschen, die tagsüber aktiv sind. Eine austra- lische Art sticht vorwiegend im Bereich der Augen und kann 3 Tage währende Schwellun- gen verursachen.
Austroconops macmillani ist die einzige Art dieser Gattung, die in Westaustralien vorkommt und ebenfalls am Tag den Menschen plagt. 3. Übertragung von Krankheitserregern: Die Bedeutung der Gnitzen als Überträger von Viruskrankheiten wird erst allmählich erkannt. Als Überträger von Viruskrankheiten der Haustiere sind sie schon länger bekannt (engl. blue tongue disease der Schafe und African horse sickness). In den Jahren 2006–2009 kam es im gesamten Gebiet Mitteleuropas zu ei- nem blue-tongue-Ausbruch mit 4–40% Todesfällen bei befallenen Rinden bzw. Schafen. Die von Gnitzen übertragenen Filarien sind allerdings ohne humanmedizinische Bedeutung. 4. Bekämpfung/Vorbeugung: Siehe Abschn. 5.6
5.5.5 Fliegen (Brachycera)
Name: Mhd.: fliugan = fliegen. Griech.: brachys = kurz, keras = Horn. Engl. flies; franz. mouches.
5.5.5.1 Schnepfenfliegen (Rhagionidae)
1. Name: Griech.: rhagion, rhax = Beere. Engl. snipe flies. 2. Biologie/Morphologie: Schnepfenfliegen mehrerer Gattungen stechen den Menschen. Ver- treter der Gattung Symphoromyia landen geräuschlos auf der Haut und verursachen sehr schmerzhafte Stiche; sie kommen in Eurasien und Nordamerika vor. Die Gattung Atheris findet sich in Nord- und Südamerika. In Australien sind Arten der Gattungen Austroleptis und Spaniopsis als Plagegeister des Menschen festgestellt worden.
5.5.5.2 Lausfliegen (Hippoboscidae)
1. Name: Griech.: hippos = Pferd. Lat.: bos = Rind. Engl. keds. 2. Biologie/Morphologie: Die Lausfliegen erhielten ihren Namen, weil sie wie Läuse festge- krallt im Haarkleid ihrer Wirte leben. Sie sind von gedrungener Gestalt und haben stämmige Beine mit großen Klauen zum Festklammern. Ihre Flügel sind verschieden stark reduziert.
Die Mundwerkzeuge sind stechend-saugend. Die Lausfliegen legen keine Eier, sondern ge- ben verpuppungsreife Larven ab. Hippobosca equina, die Pferdelausfliege, und H. camelina sind geflügelt. Lipoptena cervi, die Hirschlausfliege (Abb. 5.65), bleibt im männlichen Ge- schlecht geflügelt, während die Weibchen nach Erreichen eines Wirtes die Flügel abwerfen.
Sie kommen bei verschiedenen Arten der Cervidae (Hirsche) vor. Pseudolynchia maura und P. canariensis sind Taubenparasiten und besitzen Flügel. P. maura wurde mit Haustauben weltweit verbreitet. Melophagus ovinus, die Schafslausfliege (im engl. fälschlich als sheep tick bezeichnet), hat keine Flügel. Sie wird durch Körperkontakt übertragen und vollendet den gesamten Lebenszyklus auf dem Wirt. Die Puparien werden faktisch fertig vom Weibchen abgesetzt, sie haften durch ein klebriges Sekret an der Schafwolle.
Alle genannten Arten können auch den Menschen gelegentlich angreifen, v. a. wenn der ei- gentliche Wirt nicht mehr als Nahrungsquelle zur Verfügung steht. Der Stich der Lausfliege ist schmerzhaft. Unangenehmer als der Stich soll aber der hartnäckige Angriff und das Festklammern an Haut und Haaren sein. 3. Bekämpfung/Vorbeugung: Siehe Abschn. 5.6

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5.5.5.3 Tsetsefliegen (Glossinidae)
1. Name: Tswana: tsetse = Wort ahmt das Fluggeräusch nach. Lat.: glossa = Zunge. Engl. tsetse flies. 2. Biologie/Morphologie: Die Tsetsefliegen werden vielfach als Unterfamilie der Muscidae oder als Gattung zu den Stomoxyinae (Stechfliegen) gestellt. Es gibt nur 1 Gattung, Glos- sina, die ausschließlich in den subtropischen und tropischen Gebieten Afrikas zwischen 5° nördlicher und 20° südlicher Breite vorkommt. Sie fehlt in Nord-, Nordost- und Südafrika.
Tsetsefliegen sind durch mehrere Merkmale leicht zu erkennen: Die (zungenförmigen) Flü- gel sind in Ruhestellung flach über dem Abdomen angeordnet. Die Arista auf der Antenne hat nur auf der Oberseite gefiederte Haare.
Die Tsetsefliegen (Abb. 5.66, 5.67) legen keine Eier, sondern jeweils eine Larve, die sich im Mutterleib durch Drüsensekrete ernährt und in verpuppungsreifem Zustand in feuchtem Gelände abgelegt wird. Trotzt ihres guten Flugvermögens führen die Tsetsefliegen kaum Wanderungen aus (Windverdriftung ist jedoch möglich). 3. Übertragung von Krankheitserregern: Tsetsefliegen übertragen mehrere Trypanosoma- Arten des Menschen, u. a. die Erreger der Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei gambiense und T. brucei rhodesiense; bei Tieren u. a. die Erreger der Nagana, T. brucei brucei. 4. Bekämpfung: Da Tsetse „Einzelkämpfer" sind und ihre abgelegten Larven im Sand ver- steckt werden, ist die einzige Möglichkeit, Fallen (mit dunklem Inneren) in der Nähe von Weidetieren bzw. Wohnungen aufzustellen.
5.5.5.4 Echte Fliegen (Muscidae)
Die Familie Muscidae schließt Arten ein, deren Adulte leckende (typische Labellen) oder stechende Mundwerkzeuge ausgebildet haben, mit deren Hilfe sie sich von Detritus bzw. Blut ernähren. Einige Arten haben erhebliche Bedeutung als mechanische Überträger von Viren, Bakterien und Protozoen.
5.5.5.4.1 Stubenfliege (Musca domestica)
1. Name: Lat.: musca = Fliege; domesticus = zum Haus gehörend. Engl. housefly. 2. Biologie/Morphologie: Sie misst 7–8 mm, legt etwa 2000 Eier, z. B. in Fäzes von Haustieren (Pferd, Kuh), aber auch in Kot des Menschen ab. Aus den Eiern schlüpfen die typischen,

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madenartigen Larven (6–12 mm), die sich von Dung ernähren, aber auch gastro-intestinal vorübergehend parasitisch bei verschiedenen Wirten leben können. Aus einer tönnchenför- migen Puppe schlüpft die Imago durch einen kreisförmigen Spalt in der Puppenhülle (cyc- lorraph). Die Gesamtdauer der Entwicklung liegt (temperaturabhängig) zwischen 8 und 50 Tagen (Abb. 5.68). 3. Übertragung von Krankheitserregern: Da die adulten Stubenfliegen häufig Fäzes, gele- gentlich aber auch eiternde Wunden aufsuchen, können sie mechanisch zahlreiche Krank- heitserreger (u. a. Zysten der Amöbenruhr, Erreger des Typhus, der Cholera, der Kinder- lähmung sowie von Salmonellosen) übertragen. Aktuelle Untersuchungen von Förster et al. (2012) haben über 100 Erregerarten auf Stubenfliegen nachgewiesen, die in Nähe von Stallungen oder Hundewiesen gefangen worden waren. Sie enthielten u. a. auch zahlreiche Pilze sowie enterohämorrhagische E. coli-Bakterien (EHEC, EPEC etc.). Von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit der Übertragung der sog. Ägyptischen Augenkrankheit (Trachom), die von dem spezialisierten gramnegativen Bakterium Chlamydia trachomatis verursacht wird. Die Krankheit ist in den südlichen und östlichen Ländern am Mittelmeer, in Afrika, in weiten Teilen Asiens sowie in Südamerika verbreitet. Man nimmt an, dass etwa 500 Millionen Menschen vom Trachom befallen sind und dass diese Krankheit die häufigste Ursache der Blindheit ist. Sie grassiert vor allem unter mangelhaften hygienischen Bedingungen. Die Diagnose erfolgt am besten fluoreszenzmikroskopisch an Ausstrichen, die mit markierten Antikörpern behandelt wurden. Zur Behandlung dienen Antibiotika.
Der Erreger kann durch Stubenfliegen, aber auch durch direkten und indirekten Kontakt, beispielsweise durch gemeinsam benutzte Handtücher, verbreitet werden.
5.5.5.4.2 Stallfliege, Wadenstecher (Stomoxys calcitrans)
1. Name: Griech.: stomoxys = spitzmündig. Lat.: calcitrare = mit den Füßen austreten. Engl. stable fly. 2. Biologie/Morphologie: Die gesamte Entwicklungszeit des Wadenstechers beträgt etwa 27–37 Tage, nachdem von den etwa 70 Tage lebensfähigen Weibchen etwa 60–100 Eier in strohhaltigem Dung abgesetzt wurden. Sowohl Männchen als auch Weibchen saugen Blut.
Dies erfolgt sowohl im Stall als auch auf der Weide (Abb. 5.69). Daher haben die Adulten
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der Stomoxys-Arten neben ihrer Lästigkeit als mechanische Überträger der Erreger des Milzbrands, infektiöser Anämie etc. besondere Bedeutung.
5.5.5.5 Graue Schmeißfliegen (Sarcophaga-Arten)
1. Name: Griech.: sarx = Fleisch, phagein = fressen. 2. Biologie/Morphologie: Die Vertreter der Gattung Sarcophaga (u. a. S. carnaria) werden etwa 10–16 mm lang (Abb. 5.70). Die Weibchen setzen an Tierkadavern im Freien kleine, lebende Larven ab. Dies erfolgt auch am Menschen bei entsprechenden unhygienischen Umständen, wenn dieser ruhig liegt oder tot ist. Diese Larven kriechen dann in Körperöffnungen (Nase, After) ein und führen zum Krankheitsbild der Myiasis. Im Weiteren haben diese Fliegen als mechanische Überträger von verschiedenen Krankheitserregern große Bedeutung.
5.5.5.6 Blaue Schmeißfliegen (Calliphora-Arten)
1. Name: Griech.: kallos = schön, phorein = tragen. 2. Biologie/Morphologie: Diese Schmeißfliegen werden 10–14 mm groß und legen ihre etwa 1000 Eier im Allgemeinen an Aas ab (Abb. 5.71). Sie können ebenso wie Fliegen der Gat- tung Sarcophaga die Ursache einer Myiasis sein.

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5.5.5.7 Grüne Schmeißfliegen (Lucilia-Arten)
1. Name: Lat.: lucidus = leuchtend, lux = Licht, cilium = Borsten. 2. Biologie/Morphologie: In warmen Gebieten legen verschiedene Lucilia-Arten (u. a. L. seri- cata, L. caesar), die als Adulte gold- bis blaugrün erscheinen (Name: Goldfliege), ihre Eier in Geschwüre, in den Gehörgang und in die Nase von im Freien schlafenden Personen (Abb. 5.72). Die ausschlüpfenden Larven können schwere Schäden verursachen; infolge Sepsis kann es sogar zu Todesfällen kommen. Saubere Maden und lyophilisierte Extrakte aus ihnen werden zur Heilung von sog. „nicht-heilenden" Wunden eingesetzt.

5.5.5.8 Myiasis
1. Name: Griech.: myia = Mücke (auch für Fliegen verwendet). 2. Biologie/Morphologie: Die Larven einiger cyclorrhapher Fliegen parasitieren statio- när beim Menschen und bei Wirbeltieren (Abb. 5.73, 5.74). Ein derartiger Befall wird allgemein als Myiasis bezeichnet. Man beobachtet ihn in der Haut, in Wunden, in den Augen oder auf inneren Schleimhäuten des Wirtskörpers (Nasen-, Rachenraum, Magen, Darmkanal, Urogenitalsystem). Dabei setzt das Weibchen gezielt die Eier oder schon die

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Larve (bei larviparen Arten) auf die Körperoberfläche (Haut/Fell) ihres Wirtes. Von dort aus wandern (bohren sich) die Larven in die von ihnen bevorzugten Gewebe/Höhlungen ein, die sie erst nach 2 Häutungen (3. Larve) kurz vor der Verpuppung wieder verlassen (Abb. 5.74).
Diese stationär parasitischen Larven sind typische fußlose „Maden" (apod); sie erscheinen walzenförmig mit verjüngtem Vorder- und abgestutztem Hinterende (Abb. 5.74). Der kleine, einziehbare Kopf trägt 2 Rudimente der Antennen und 2 hakenartige Mundwerkzeuge, die miteinander verbunden sind und mithilfe derer sich die Larven in den Geweben auch tem- porär verankern. Die 11–12 Segmente dieser Larven sind z. T. mit Dornen besetzt und kön- nen ventral Kriechleisten ausgebildet haben. Das abgestutzte Hinterende trägt als Abschluss der Tracheen typische paarige Stigmenplatten, deren Struktur als wichtigste taxonomische Elemente Verwendung finden (Abb. 5.73). Diese Larven lassen sich meist relativ leicht aus der Haut entfernen, da sie in der Nähe der Oberfläche bleiben müssen, um Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen. Dermatobia hominis (engl. human botfly; Mittel- und Südamerika) sucht nicht selbst den späteren Wirt für ihre Larven (Abb. 5.74), sondern heftet ihre Eier (etwa 100!) an das Abdomen blutsaugender Insekten. Dieser als Phoresie bezeichnete Trans- port führt zur Ausbreitung der Brut, die als Larve in die Haut der Wirte (Mensch, Rinder) eindringt und im „Bohrloch" bis zu einer Größe von 2,5 cm heranwächst, aber nicht wie

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die Dasselfliegenlarven (Hypoderma-Arten) in der Haut bzw. Körper wandert. Da bei der wichtigsten Rasse der Wollschafe, den Merinoschafen, im Gegensatz zu den Wildrassen auch der Analbereich stark behaart ist, findet dort Lucilia cuprina ideale Entwicklungsmöglich- keiten und stellt in Australien ein großes Problem der Schafhaltung dar. Eine erfolgreiche biologische Bekämpfung wird im Süden der USA zum Schutz der Rinder praktiziert (sterile male technique). In Fabriken wird Callitroga hominivorax gezüchtet. Die Männchen werden dann sterilisiert und in sehr großer Zahl freigelassen. Die von diesen Männchen begatteten Weibchen legen sterile Eier, aus denen keine Made schlüpft. Unterbleibt eine Bekämpfung, befallen die Larven als sog. „Schraubenwurm" (engl. screw worm) den Menschen (s. Name) und viele Tiere in Süd- und Nordamerika.
Die Schäden, die derartige endoparasitische Fliegenlarven bei Mensch und Tieren her- vorrufen, sind vielfältig und können besonders bei massiertem Auftreten der Parasiten – meist infolge von Sekundärinfektionen – auch zum Tod der Wirte führen (s. Zumpt 1965; Wetzel 1971; Boch, Supperer 1992). Eine Fliegenentwicklung ist frühzeitig zu verhindern durch Insekten-Wachstumsregulatoren, die auf Dung aufgesprüht oder bereits via Futter verabreicht werden. Für die unterschiedlichen Fliegen – Haus- und Gesichtsfliege (Musca domestica, M. autumnalis), Stallfliege (Stomoxys calcitrans), Hornfliege (Haematobia irri- tans) – bei den verschiedenen Tierarten bieten sich mehrere Wachstumsregulatoren an, die die Chitinbildung der Insekten stören oder die Häutungen von deren Larven verhindern. Zu diesen Substanzen gehören z. B. Cyromazin (Larvadex®, Neporex®, Vetrazin®, Ciba Geigy), Diflubenzuron (Madex®, Schaumann), Methopren (Precor/Sandoz, Zoecon/Janssen). Kom- binationen vorstehender Substanzen mit anderen Wirkstoffen zur Indikationserweiterung existieren ebenfalls.
5.5.6 Bremsen (Tabanidae)
1. Name: Lat.: tabanus = Stecher. Engl. horse flies. 2. Biologie/Morphologie: Bremsen sind große Fliegen (5–25 mm lang), mit auffallend gefärbten Augen und rasantem Flug. Auch in dieser Gruppe sind nur die Weibchen Blut- sauger. Ihre Mundwerkzeuge sind relativ klobige Stechapparate, sodass die Stiche recht schmerzhaft sind (Abb. 5.76). Die Fühler sehen wie kleine Hörner aus (Abb. 5.75). Welt- weit gibt es über 3000 Arten. Als Plagegeister des Menschen kommen aber nur 3 Gattun- gen infrage: a) Tabanus, die eigentlichen Bremsen (engl. horse flies) mit glasklaren Flügeln und einheit- lich oder quer gebänderten gefärbten Augen. b) Haematopota (von einigen Autoren wird diese Gattung auch als Chrysozona geführt), sie werden als Regenbremsen oder blinde Fliegen (engl. clegs, stouts) bezeichnet, mit gefleckten Flügeln und Augenfärbung in Form eines Zickzackmusters. c) Chrysops, engl. deer flies; Flügel mit breitem getöntem Band, die Augenfärbung ist fle- ckenhaft verteilt (Abb. 5.78).
Blutdürstige Weibchen aller Bremsen können rasant und hartnäckig angreifen und zu einer Plage für Mensch und Vieh werden. Sie sind durch ihre ausgezeichnete Flugfähigkeit in der Lage, auch Reiter, Radfahrer usw. zu verfolgen. Die Larven entwickeln sich im schlammigen Uferbereich von Gräben, Teichen, Seen und Flüssen. 3. Übertragung von Krankheitserregern: Tabanidae können mit Blutresten an den Label- len Anthrax-(Milzbrand-) und Anaplasmose-Erreger rein mechanisch, als Transportwirt, verbreiten und wohl auch auf den Menschen übertragen. In Europa, Nordasien und Nord- amerika verbreiten Zecken und Tabanidae die Tularämie, eine Krankheit, die durch das Bakterium Francisella (= Pasteurella) tularensis verursacht wird. In den USA ist Chrysops discalis wichtiger Überträger. In Afrika sind Chrysops-Arten Vektoren einer Filarie (Loa loa) des Menschen (s. Abb. 4.51). 4. Bekämpfung/Vorbeugung: Siehe Abschn. 5.6

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5.6 Schutz vor Insektenbefall
Da viele Insektenarten entweder Blut saugen, sich auf der Haut niederlassen, mit Erregern kon- taminiert sind oder einfach nur lästig werden, sind Schutzmaßnahmen notwendig.
5.6.1 Schutz vor Mücken
1. Feine Gaze vor den Fenstern anbringen. 2. Regentonnen regelmäßig (unter 10 Tagen) inklusive Bodensatz leeren. 3. In Teichen/Tümpeln im Garten Fische, Frösche einsetzen und ggf. das Gewässer mit kristal- linem Bacillus thuringensis behandeln. 4. Schutz des Menschen (für 6–8 Stunden) durch Sprühen von Repellentien auf Haut und Kleidung (z. B. Viticks®, Doctan®). 5. Das Fell von Tieren mit Insektiziden behandeln (Schutz für 4–6 Wochen).
5.6.2 Schutz vor Fliegen
1. Feine Gaze vor den Fenstern anbringen. 2. Keine Lebensmittel frei herumstehen lassen. 3. Keine Lebensmittel auf den Komposthaufen verbringen. 4. Mülltonnen nie offen stehen lassen. 5. Kot von Tieren aus dem Garten entfernen. 6. Fliegenklatsche in Küche bereithalten, um einzelne Fliegen zu erschlagen. 7. Klebrigen Fliegenfänger aufhängen.
5.7 Vampirfische
Im Amazonas und seinen Nebenflüssen leben sog. Candiru- bzw. Vampirfische, die maximal 1 cm lang werden und 2 hakenartige Zähne im Maul besitzen. Mithilfe dieser Zähne können
Abb. 5.78 Makroaufnahme eine Chrysops-Bremse von dorsal.
292 Kapitel 5 Giftige Arthropoden und Ektoparasiten
sie sich in die Haut, Kiemen etc. ihrer Wirte (Fische, Säuger) einbohren und Blut saugen.
Mehrfach drangen sie beim Baden bzw. während des Fischens oder beim Trinken in die Harn- blase, die Nasenhöhle, Mundhöhle und in die Haut (Stadien unter 3 mm) des Menschen ein.
Dies führte stets zu massiven Entzündungsreaktionen in den betroffenen Organen und evtl. zur Sepsis. Als Therapie bleibt als einzige Möglichkeit die mechanische Entfernung, sofern die Fische die Körperhöhlen des Menschen nicht spontan mit dem Urin verlassen oder im Körper absterben (Homewood 1994).
5.8 Vampire (Fledermäuse)
In Süd- und Mittelamerika gibt es eine Reihe von Fledermausarten, die mit ihren Zähnen Wirbeltiere (Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen, aber auch nachts im Freien lagernde Menschen) an der Haut ritzen und dann das austretende Blut auflecken. Dies ist v. a. bei Vertretern der Gat- tungen Desmodus, Diaemus und Diphylla bekannt, die landläufig malerisch als „Chupacapras" bezeichnet werden. Beim Lecken des Blutes können diese Vampire die Erreger der Tollwut, aber auch anderer Tierseuchen (Derringue bovine, Mal de Caderas) übertragen. Die meisten Fledermäuse jagen allerdings lediglich Insekten oder fressen Pflanzenfrüchte.