3.12 Cyclospora cayetanensis (Cyclosporiasis)
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nismen von 8–10 µm Durchmesser beobachtet, die zunächst für Verwandte von Cyano- bakterien gehalten und folglich auch als CLBs (engl. cyanobacteria-like bodies) bezeichnet wurden. Andere Untersucher hielten diese Stadien, die ja ebenfalls (aber nicht nur) bei AIDS-Patienten auftreten, für Kryptosporidien. Umfassende Sporulationsexperimente so- wie elektronenmikroskopische Untersuchungen von Ortega et al. (1994) zeigten aber, dass es sich bei diesen Darmparasiten um die Oozyste (= Dauerstadium) eines Sporozoons (Kokzid im engeren Sinne) handelt. Daher wurde dieser Organismus als neue Art der Gattung Cy- clospora eingeordnet, deren Vertreter im Wesentlichen bei Insektivoren, Nagern, Reptilien, aber auch Tausendfüßern auftreten. Wie sich zeigte, liegt offenbar ein intrazellulärer Para- sitismus in den Darmepithelzellen vor, und nach einer unbekannten Entwicklungszeit und -weise werden schließlich Oozysten mit den Fäzes ausgeschieden. Im Freien entwickeln sich im Inneren der Oozysten binnen 5 und max. 13 Tagen (bei 25–32°C) 2 Sporozysten mit je 2 Sporozoiten von etwa 9 × 1,5 µm Größe (Abb. 3.21). Diese Sporozoiten können mit den für Kokzidien (vgl. Toxoplasma) üblichen Exzystierungsmedien freigesetzt werden. Auch die Anreicherungsverfahren der Kokzidien zeigen Erfolg bei der Isolation dieser Oozysten aus dem Humanfäzes. Der gesamte Lebenszyklus von C. cayetanensis ist jedoch noch unklar.
Auch ist unbekannt, ob es Bezüge zu den oben erwähnten, bisher bekannten Arten gibt bzw. ob die bei Schimpansen gefundenen Stadien identisch mit denen in Humanbefunden sind. 4. Symptome der Erkrankung: Der Befall von immunkompetenten und -kompromittierten Personen ist gleichermaßen möglich. Leitsymptom sind 3–4 täglich auftretende, intermit- tierende, wässrige Diarrhöen für 2–9 Wochen, die auch ohne Behandlung verschwinden können. Stets zeigten die Patienten auch starke Ermüdungserscheinungen und Oberbauch- beschwerden. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der Oozysten, die eine blaue Färbung bei Epifluo- reszenz zeigen, durch Anreicherung (Flotation) aus den Fäzes und nachfolgende Sporu- lation. Die Oozystenwände zeigen auch eine Reaktion auf die Ziehl-Neelsen-Färbung; sie reagieren allerdings negativ auf Jodfärbungen. 6. Infektionsweg: Oral durch die Aufnahme in oozystenkontaminiertem Wasser bzw. durch Oozysten mit der Nahrung. 7. Prophylaxe: Meiden von potenziell kontaminierter Nahrung etc.; Vorsicht (besonders im Labor!) im Umgang mit Humanfäzes.
Abb. 3.21 Cyclospora cayetanensis.
Schematische Darstellung einer in- fektiösen Oozyste mit 2 Sporozysten, die je 2 Sporozoiten enthalten.
52
Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
8. Inkubationszeit: 2–7 Tage. 9. Präpatenz: Etwa 1 Woche 10. Patenz: Immunkompetente Personen: etwa 2 Wochen, immunkompromittierte Personen: 7–12 Wochen. 11. Therapie: Bei sonst gesunden Personen mit leichter Symptomatik nicht notwendig.
In einigen, protrahiert verlaufenden Fällen zeigte sich Cotrimoxazol (2 × 800 mg Sulfamethoxazol/160 mg Trimethoprim tgl.) als wirksam. Bei Kindern konnten die Diar- rhöen sofort und die Oozystenausscheidung binnen 4 Tagen durch eine Gabe von 5 bzw. 25 mg Cotrimoxazol pro kg KGW für 3 Tage gestoppt werden.
3.13 Cryptosporidium-Arten (Cryptosporiasis)
1. Name: Griech.: kryptos = verborgen; sporos = Zyste, Samen. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit mit Prävalenzraten von 2,2% in In- dustriestaaten und 8,5% in Entwicklungsländern. Zum Teil aber auch mit epidemieartigem Auftreten (z. B. Alabama, 1993, 300 000 Befallene durch kontaminiertes Trinkwasser). 3. Biologie/Morphologie: Es ist eine Vielzahl von Cryptosporidium-Arten bekannt, von de- nen C. hominis und C. parvum beim Menschen nachgewiesenermaßen zu Erkrankungen führen. C. parvum ist dazu – wegen geringer Wirtsspezifität – am weitesten verbreitet und kann sowohl Kälber, Schafs-, Ziegenlämmer, Ferkel und Fohlen als auch den Menschen befallen. Inwieweit andere Arten (C. muris bei Mäusen, Kälbern, Katzen; C. baileyi beim Geflügel) ebenfalls auf den Menschen übertreten, ist noch unbekannt. Molekularbiologisch werden neben anderen der humane Genotyp 1 und der bovine Genotyp 2 unterschieden, deren Arten aber gleichermaßen den Menschen befallen können. Die Entwicklung dieser Kokzidien (Stamm: Sporozoa) erfolgt auf den Epithelzellen des Darmes, wobei die Mik- rovilli zerstört bzw. zur Bildung einer spezifischen Halte- und Nährstruktur (engl. feeder organelle) angeregt werden. Nach einer Phase der Schizogonie mit Merozoitenbildung er- folgt die Gamogonie, wobei nach Befruchtung der Makro- durch Mikrogameten kugelige
Abb. 3.22 Lebenszyklus von Arten der Gattung Cryptosporidium. Die Artbestimmung ist wegen der Wirtsunspezifität verwirrend. C. parvum und C. muris befallen eine Vielzahl von Säugern. Wichtig ist, dass immunkompromittierte Personen (z. B. bei AIDS) an diesen opportunistischen Erregern (starke Autoinvasion) sterben können. 1. Orale Aufnahme von Sporozysten, die durch Wandumwandlung aus der Oozyste hervorgegangen sind und 4 Sporozoiten enthalten. 2.–8. Die Sporozoiten heften sich an der Darmzelloberfläche fest und bilden nach Wachstum in einer spezifischen inneren Vakuole je einen Schizonten (4) mit 8 Merozoiten (8) aus. Diese Merozoiten können sich wiederum an nicht infizierten Darmzellen festheften und eine neue Schizogonie einlei- ten (2–8). 9.–12. Gamogonie: Bildung von Makro- (10, 11) und 16 Mikrogameten (9.1, 9.2); die Zygote bildet eine Wand aus und wird so zur Oozyste (12). 13.–16. Sporogonie: Bildung von Sporozysten. Die Entwicklung kann auf 2 Wegen verlaufen (13, 15). Endoautoinvasion: Die Oozyste bildet sich noch im Darm zur Sporozyste um, die dann evtl. (14) die Sporozoiten freisetzt und somit eine neue Schizogonie (2–8) im gleichen Wirt einleitet. Dies führt zur Überschwemmung des Darms mit Parasiten. Solche Sporozysten können natürlich auch ausgeschieden werden (13.1, 16). 15., 16. Die Oozysten (12) können auch unsporuliert ausgeschieden werden und sich erst im Freien zur infektiösen Sporozyste umbilden.
AZ = Anheftungszone; HC = Wirtszellen; MA = Makrogamont; MI = Mikrogamont; MG = Mikrogamet; N = Kern, Nukleus; NH = Nukleus der Wirtszelle; OW = Oozystenwand; RB = Restkörper; S = Schi- zont; SP = Sporozoit; SW = Sporozystenwand; V = innere Vakuole.
3.13 Cryptosporidium-Arten 53
Oozysten auftreten, die im Fall von C. parvum und C. baileyi etwa 5 µm Durchmesser errei- chen und bei C. muris etwa 6–8 µm messen (Abb. 3.22–3.25). Nach den vorliegenden Er- gebnissen scheint es zweierlei Oozystenformen zu geben: eine, die sich erst im Freien unter Bildung von 4 Sporozoiten zur Sporozyste umgestaltet, sowie eine weitere, die dies bereits im Darmlumen vollzieht, sodass die dann dort austretenden Sporozoiten bereits wieder die
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schizogenen Vermehrungsprozesse einleiten und so insbesondere bei immunkompromit- tierten Personen zu einer Überschwemmung des Darmepithels mit Parasitenstadien füh- ren. Insbesondere dieses Stadium trägt zum „Erfolg" des Parasiten als opportunistischem Erreger bei immungeschwächten Personen bei. Immunkompetente Personen und auch Tiere verfügen dagegen nach einer einmaligen Infektion über eine lebenslange Immunität aufgrund von sich entwickelnden humoralen und zellulären Abwehrmechanismen. Wegen der sehr effektiven Übertragung von Erregern aus Tierfäzes auf den Menschen handelt es sich bei der von Kryptosporidien ausgelösten Erkrankung um eine Zoonose. 4. Symptome der Erkrankung (Kryptosporidiose): In den meisten Fällen traten für 3–12 Tage starke abdominale Krämpfe und heftige Diarrhöen (bis 8 l wässriger Stuhl, mit Millionen von Oozysten) auf. Diese Diarrhöen führten nachweislich in mehreren Fällen zum Tod, da sich die typischen Kokzidiose- wie auch Amöbenmittel als nicht wirksam erwiesen. 5. Diagnose: Die auch ohne Fixierung gut haltbaren Oozysten lassen sich im Stuhl und sel- ten auch im Sputum nachweisen. Aufgrund ihrer kleine Größe und schlechten Anfärbbar- keit sind sie mit den üblichen Methoden der parasitologischen Stuhluntersuchung jedoch schlecht darstellbar. Als einfache Suchmethode eignet sich die Phasenkontrast- oder die Nativkontrastmethode mit oder ohne Karbolfuchsin-Hintergrundfärbung. Zur genaueren Differenzierung im Ausstrich sind die modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung nach Garcia und die Safranin-Methylenblau-Färbung geeignet. Bei schwachem Befall ist eine gewisse Anreicherung mit der Zuckerflotation nach Sheather aus Stuhl- oder Sputumproben er- reichbar. In Biopsien aus dem Intestinaltrakt oder anderen befallenen Organen lassen sich alle Entwicklungsstadien nachweisen. Zur Flotation eignet sich auch die folgende Zucker- lösung: Zucker 500 g Aqua bidest. 320 ml Phenol 6,5 g 6. Infektionsweg: Oral, durch Aufnahme von sporozoitenhaltigen Dauerstadien (Oo-, Sporo- zysten) in Fäzes von Tieren bzw. Menschen bzw. über Oozysten-kontaminiertes Trinkwas-
Abb. 3.25 TEM-Aufnahme eines Schizonten von C. parvum, der in die Mikrovilli einer Darmzelle eingebettet ist.
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
ser oder Nahrungsmittel. Besonders gefährdet sind Kinder unter 5 Jahren, ältere Personen sowie Personen mit Immunsuppression. 7. Prophylaxe: Immunkompromittierte Personen sollten jeden Kontakt zu Tier- und Hu- manfäzes meiden. Da die Oozysten sehr klein sind und mit dem Luftzug verdriftet werden können, ist insbesondere in Krankenhäusern für den schnellen Abtransport von Fäzes und peinliche Sauberkeit zu sorgen. Gerätschaften mit Fäkalkontakten sollten hitzesterilisiert werden. UV-Licht tötet auch die Oozysten ab! Achtung: Sofern mindestens 2 Personen eine Koinfektion aufweisen, besteht nach dem Infektionsschutzgesetz Meldepflicht. 8. Inkubationszeit: 1–2 Tage. 9. Präpatenz: 2–4 Tage. 10. Patenz: 12–14 Tage. 11. Therapie: Eine wirksame zugelassene Behandlung steht derzeit noch nicht zur Verfügung.
Bovines Kolostrum (Lactobin), Paromomycin (2 g tgl. oral), Octreotid (bis 0,5 mg s. c. 3 × tgl.), Spiramycin und Azithromycin wurden in einigen Fällen mit Erfolg eingesetzt. Eine dauerhafte Sanierung ist bei AIDS-Patienten in der Regel jedoch nicht zu erreichen. Im Versuchsstadium hat sich ergeben, dass Nitazoxanid (3 × 500 mg tgl.; Kinder 2 × 100 mg tgl.) zur deutlichen Krankheitsverkürzung geführt hat.
3.14 Sarkosporidien
Hierbei handelt es sich um zweiwirtige Einzeller, bei denen die geschlechtlichen Stadien in Fleischfressern und die ungeschlechtlichen Gewebezysten in Alles- bzw. Pflanzenfressern parasitieren.
3.14.1 Sarcocystis-Arten im Darm (S. suihominis, S. bovihominis)
1. Name: Griech.: sarx = Fleisch; kystos = Zyste. Lat.: sus = Schwein; homo = Mensch; bos, bo- vis = Rind. Miescher'sche Schläuche = Muskelzystenstadien: benannt nach dem Schweizer Friedrich Miescher (1811–1887).
Abb. 3.26 Lebenszyklus von Sarcocystis suihominis. 1. Sporozoit (wird oral in Sporozysten aufgenommen). 2. 2 Generationen von Schizonten bilden durch Endopolygenie zahlreiche (je 50–90) Merozoiten in Endothelzellen der Gefäße. 3. Merozoit 4. Zystenbildung in speziellen Zellen (bes. Muskel und Gehirn); Wartestadien!! 5. Im Darm freigesetzter Zystenmerozoit nach Verzehr einer infizierten Muskelfaser durch den End- wirt. 6.1 Makrogamont in der Lamina propria des Darms. 6.2 Mikrogamont. 7.1 Makrogamet. 7.2 Begeißelter Mikrogamet. 8. Zygote (noch in der Wirtszelle). 9.–11. Sporulation (findet noch in der Lamina propria des Darms statt). 11. Infektionsfähige Sporozyste mit 4 Sporozoiten.
Infektionsverlauf: (1—3) Etwa 20 Tage; (4) nach etwa 50–60 Tagen p. i., infektionsfähig für Jahre; (5–11) etwa 6–9 Tage. DM = Merozoitenanlage; DR = aufgerissene OW; HC = Wirtszelle; K = Kern, Nukleus; NH = Kern der Wirtszelle; OW = Oozystenwand; PC = primäre Zystenwand; PV = parasito- phore Vakuole; RB = Restkörper; S = Sporozyste; SP = Sporozoit; WB = Hüllbildungskörper.
3.14 Sarkosporidien 57
2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit; vermutlich sind mehrere Hundert Millionen Menschen infiziert, ohne allerdings Symptome zu bekommen. 3. Biologie/Morphologie: Zwei Sarcocystis-Arten (S. suihominis und S. bovihominis) durch- laufen in den subepithelialen Zellen der Lamina propria des Dünndarms ihre ge- schlechtliche Entwicklung (Gamogonie) und im Gegensatz zu anderen Kokzidien auch die zur Sporozoitenbildung (i. e. infektiöse Stadien) führende Sporogonie (Abb. 3.26).
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Eine weitere ungeschlechtliche Vermehrungsphase (Schizogonie) findet dagegen in den Zwischenwirten (Schwein bei S. suihominis; Rind bei S. bovihominis) statt, wo schließ- lich in der Muskulatur zahlreiche Gewebezysten mit infektiösen Zystenmerozoiten als Wartestadien ausgebildet werden. Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Auf- nahme derartiger Muskelzysten mit ungenügend gekochtem Fleisch der entsprechenden Zwischenwirte (Mettwurst, Schinken, Tatar, Steak medium etc.). Nachdem sich innerhalb von 24 h p. i. innerhalb von Vakuolen in Darmzellen geschlechtliche Stadien gebildet und vereinigt haben, entstehen noch innerhalb dieser Wirtszellen Oozysten; hier erfolgt auch die Ausdifferenzierung von 2 Sporozysten mit je 4 Sporozoiten. Vom 5.–7. Tag p. i. an sind dann Oozysten und Sporozysten (wobei die dünne Oozystenwand während des An- reicherungsverfahrens aufreißt) in den Fäzes nachzuweisen. Die Oozysten erreichen eine Größe von etwa 20–25 µm × 12–15 µm, während die Sporozysten etwa 14 × 8 µm messen (Abb. 3.27, 3.28). 4. Symptome der Erkrankung (Sarkosporidiose, Kokzidiose): Das Auftreten und das Ausmaß der Symptome sind abhängig sowohl von der Zahl aufgenommener Parasiten als auch von der Parasitenart. S. suihominis ist wesentlich pathogener als S. bovihominis.
Bei starken Infektionen mit zahlreichen Gewebezysten kommt es nach wenigen Stun- den (4–24 h) zu Schweißausbrüchen, Kältegefühl, gefolgt von Erbrechen und heftigen Diarrhöen mit kolikartigen Schmerzzuständen. Der enorme Wasserverlust stört den Elektrolythaushalt so empfindlich, dass Schäden von dieser Seite in den Vordergrund treten und den Krankheitsverlauf komplizieren. Die Symptome klingen binnen 24 h wieder ab. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der Sporozysten mithilfe der Flotationsmethode. 6. Infektionsweg: Oral, durch Verzehr von rohem bzw. halbrohem, zystenhaltigem Fleisch von Schweinen bzw. Rindern. 7. Prophylaxe: Keine 8. Inkubationszeit: 4–8 Stunden. 9. Präpatenz: 5–10 Tage. 10. Patenz: 6–8 Wochen. 11. Therapie: Eine spezifische Chemotherapie ist unnötig, allerdings ist bei hohem Wasser- und Elektrolytverlust Substitution erforderlich.
Abb. 3.27 Infektionsfähige Oozyste (a) und Sporozyste (b) von S suihominis. OW = Oozystenwand; R = Restkörper; S= Sporozyste; SP = Sporozoit.
a b
3.14 Sarkosporidien 59
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3.14.2 Sarcocystis-Arten in der Muskulatur
1. Name: Griech.: sarx = Fleisch; kystos = Zyste. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit (häufiger in den Tropen), dort si- cher Hunderttausende. 3. Biologie/Morphologie: In der Muskulatur von Menschen wie auch von vielen höheren Affen wurden Sarcocystis-Gewebezysten (etwa 120 × 70 µm) nachgewiesen. Diese Zysten liegen im Inneren von Muskelfasern und sind durch eine typische Primärhülle von den verbliebenen Muskelfilamenten der Zelle getrennt. In den kammerartigen Räumen liegen zahlreiche bananenförmige, etwa 9–15 µm lange Einzeller (Variationen evtl. fixierungsbe- dingt). Der Infektionsweg dieser humanen Zysten ist zurzeit unbekannt. Zwar ist bekannt, dass Sarcocystis-Arten einen obligaten Wirtswechsel zwischen einem fleischverzehrenden und einem pflanzen- bzw. allesfressenden Wirt haben und dass der Mensch auch Endwirt für mindestens 2 Sarcocystis-Arten sein kann (die geschlechtliche Entwicklung verläuft in seinem Darm), jedoch ist noch unklar, für welche Art der Mensch als Zystenträger Zwischenwirt ist. Denkbar wäre, dass er als Fehlwirt in einem Zyklus Primat-Carnivor involviert ist, zumal bei unseren Untersuchungen große Anzahlen von Sarcocystis-Gewe- bezysten bei Affen nachgewiesen wurden. 4. Symptome der Erkrankung: Bei einem Befall als Zwischenwirt treten beim Menschen über Jahre sich häufig wiederholende Schwellungen im subkutanen Bereich, Muskel- schmerzen und Bronchospasmen auf. Diese Anfälle gehen stets einher mit Fieber und einer hohen Eosinophilie. Wenige Fälle wurden allerdings durch Biopsien diagnostiziert, die meisten traten erst in histologischen Schnitten nach Obduktionen hervor. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis von Muskelzysten in Gewebeschnitten nach Biop- sien (Abb. 3.29).
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3.15 Toxoplasma gondii 61
6. Infektionsweg: Unbekannt; vermutlich orale Aufnahme von Sporozysten aus den Fäzes eines Fleischfressers. 7. Prophylaxe: Generelle Hygiene, Sauberkeit in der Küche. 8. Inkubationszeit: Unbekannt. 9. Präpatenz: 2–3 Monate (sofern die Entwicklung wie bei anderen Sarcocystis-Arten ab- läuft). 10. Patenz: 1–2 Jahre. 11. Therapie: Unbekannt, versuchsweise: Sulfonamide, Toltra- bzw. Ponazuril.
3.15 Toxoplasma gondii (Toxoplasmose)
1. Name: Griech.: toxon = Bogen, gebogen; plasma = Gebilde, Masse. Der Artname gondii kommt vom lat. Namen der Nagerart Gundi (Ctenodactylus gundi), bei der der Erreger von den französischen Forschern Nicolle und Manceaux 1907 zuerst beschrieben wurde. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit. Toxoplasma gondii ist vermutlich der am weitesten verbreitete Parasit beim Menschen (60–80% der älteren Menschen sind befallen). T. gondii ist der „Killer Nr. 3" bei HIV-Patienten. 3. Biologie/Morphologie: T. gondii ist ein Einzeller, der zur Gruppe der Sporozoa (Spo- rentierchen) gehört und weltweit beim Menschen, aber auch bei vielen Tieren verbreitet ist. Der Erreger hat einen fakultativen Entwicklungszyklus: Endwirte sind Katzen, die im Kot Dauerstadien (Oozysten) vom Isospora-Typ ausscheiden (Abb. 3.30). Diese etwa 12 × 10 µm großen Oozysten enthalten – nach einer Reifung im Freien – 2 Sporozysten mit je 4 Sporozoiten. Letztere sind infektiös, wenn die Oozyste vom Zwischenwirt (viele Tiere, Mensch) oder wieder vom Endwirt (Katze) aufgenommen wird. Beim Menschen sowie bei vielen Schlachttieren dringen die Parasiten zunächst in Zellen des RES-Systems ein, wo es innerhalb von sog. parasitophoren Vakuolen durch ständige Zweiteilungen (sog. Endodyogenien) zu einer enormen Vermehrung kommt. Die befallenen Zellen werden auch als sog. Pseudozysten bezeichnet (Abb. 3.31 a und b, 3.32). Während dieser akuten Phase der Infektion können die sichelförmigen, etwa 6–7 µm großen Parasiten intrazellulär im Blut, im Lymphknotenpunktat und auch im Liquor cerebrospinalis nach- gewiesen werden. Im weiteren Verlauf der Infektion werden dann in vielen Zelltypen der Zwischenwirte (unter Einschluss des Menschen) sog. Gewebezysten ausgebildet. Beson- ders häufig entstehen solche etwa 50–300 µm im Durchmesser erreichende Zysten im Gehirn und in der Muskulatur (Abb. 3.31 c, d). Werden diese Stadien von der Katze mit rohem Fleisch aufgenommen, kommt es zur neuerlichen Ausscheidung von Oozysten (Abb. 3.33). Nehmen dagegen andere Zwischenwirte (u. a. der Mensch, Schlachttiere) diese Stadien auf, wiederholt sich die akute Phase (i. e. Befall des RES) mit nachfolgender Gewebezystenbildung. 4. Symptome der Erkrankung (Toxoplasmose): Generell ist festzustellen, dass eine T. gon- dii-Infektion häufig völlig unbemerkt bleibt, da die Symptome (u. a. Gliederschmerzen, Mattigkeit) sehr unspezifisch sind und ernste Symptome relativ selten auftreten. (Häufig findet sich eine ausgeprägte Hyperplasie der Lymphknoten, ohne dass Parasiten im Punk- tat nachzuweisen sein müssen). Wie sich aus serologischen Untersuchungen ergibt, ist die Infektion relativ häufig, denn bis zu 80% älterer Menschen weisen signifikant positive Titer auf. Jedoch kann es bei der Toxoplasmose auch zu schwerwiegenden Schädigungen kommen. a) Erworbene (postnatale) Toxoplasmose (Infektion durch Oozysten aus Katzenkot oder Genuss von zystenhaltigem Fleisch). Hierbei können einzeln oder auch zusammen fol- gende Befunde nach einer Inkubationszeit von etwa 2–3 Wochen auftreten: – Lymphknotenschwellungen (Adenitis), – Befall der Augen (Iridozyklitis, Chorioretinitis),
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
– Befall des Gehirns (Meningoenzephalomyelitis), – Befall viszeraler Organe (interstitielle Pneumonie, Hepatitis, Myokarditis, Enteroko- litis, Myositis, Hautexanthem). b) Konnatale (kongenitale)Toxoplasmose. Große Schädigungsgefahr besteht nur bei Erstinfektion der Mutter während der Schwangerschaft. Allerdings ist nach Schätzun- gen des Bundesgesundheitsamts in Deutschland von 6000 bis 7000 solcher Erstinfek- tionen pro Jahr bei Schwangeren auszugehen. In etwa 50% der Fälle treten die Erreger auf den Fetus über, wobei jährlich bis zu 1500 Feten in Deutschland mittlere bis zu schwereren Schäden aufweisen. Hier können die oben beschriebenen Organgruppen beim Fetus befallen werden, was zu verschiedenen Fetopathien (u. a. Hydrozephalus, Verkalkung) führen kann. Frühgeburt oder Abortus sind dann häufig die Folge. Der Nachweis einer Toxoplasmose lässt sich oft nur serologisch erbringen, ist allerdings auch möglich, wenn parasitenhaltiges Biopsiematerial Versuchstieren (Mäusen) in- jiziert wird und sich die Parasiten im Leibeshöhlenexsudat stark vermehren. Auch wenn nicht gleich Schäden feststellbar sind, so kommt es bei mehr als 2500 Kindern eines Jahrgangs zu Spätschäden (evtl. erst nach 20 Jahren, wenn eine Augenbeteili- gung schleichend eintritt). 5. Diagnose: Eine akute Infektion lässt sich belegen durch den Nachweis von Trophozoiten im Blut, Lymphknotenpunktat, Liquor und in Gewebebiopsien; bei kongenitaler Infektion zudem durch den Nachweis von Gewebezysten in der Plazenta, im Fetus oder beim Neu- geborenen. Bei älteren Kindern und Erwachsenen sind öfter Gewebezysten anzutreffen, am ehesten in der Muskulatur und im Gehirn. Dies beweist lediglich das Vorliegen einer chronisch persistierenden Infektion; Gewebezysten in größerer Zahl sprechen allerdings für eine akute Erkrankung. Der mikroskopische Nachweis der Erreger im Lymphknoten- punktat bzw. im Liquorsediment von Neugeborenen mit entsprechenden Symptomen ist jedoch nur begrenzt erfolgreich, sodass den immunbiologischen Tests eine große Bedeu- tung zukommt.
Abb. 3.30 Entwicklungszyklus und Übertragungswege von Toxoplasma gondii. Der typische Kokzdi- enzyklus läuft im Darmepithel von Feliden ab, die sich durch Oozysten (2), „Pseudozysten" (8) und Gewebezysten (6, 11) infizieren. 1.–11. Infektionswege bei Zwischenwirten (ZW). 1.–2. Oozysten werden unsporuliert (1) mit den Fäzes ausgeschieden; im Freien (2) erfolgt dann die Bildung von 2 Sporozysten zu je 4 Sporozoiten. 3. Nach oraler Aufnahme von Oozysten werden die Sporozoiten im Darm freigesetzt und verlassen den Darm des Zwischenwirts. 4. Sporozoiten dringen in eine Vielzahl von Zellen ein. In einer parasitophoren Vakuole setzt eine starke Vermehrung durch fortlaufenden Endodyogenien ein, sodass sog. „Pseudozysten" entstehen.
Akute Phase der Erkrankung! 5.–6. Gewebezystenbildung. Nach einiger Zeit kommt es zur Bildung von sog. Gewebezysten, besonders in Gehirn- und Muskelzellen des Zwischenwirts. Nach Endodyogenien enthalten diese Gewebezysten (6) schließlich zahlreiche Zystenmerozoiten, die übertragungsfähig sind (Wartesta- dien!). Sie entwickeln sich entweder zu Schizonten, wenn sie oral von der Katze (mit Fleisch des ZW) aufgenommen werden (6.1), oder vermehren sich erneut über Pseudozysten, falls sie (ebenfalls mit Fleisch des ZW) von anderen Fleischfressern verzehrt werden (7, 8). 7.–10. Im Fleischfresser erfolgt nach oraler Aufnahme von „Pseudo-" oder Gewebezysten im Fleisch der Zwischenwirte 1 die Bildung von Gewebezysten, die ihrerseits wiederum für Katzen (11) infek- tiös sind.
Bei vielen Zwischenwirten kann zusätzlich noch eine diaplazentare Übertragung erfolgen (bei 5.1, 9.1), sofern eine Erstinfektion vorliegt.
EN = Endodyogenie; HC = Wirtszelle; HN = Nukleus der Wirtszelle; OC = Oozyste; PC = primäre Zys- tenwand; PV = parasitophore Vakuole; RB = Restkörper; SP = Sporozoit; SPC = Sporozyste.
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a) Abklärung des Infektionszeitpunkts: Hierzu ist die Bestimmung der Antikörperklassen IgM und IgG notwendig. Eine fri- sche Infektion wird dabei durch das zeitlich frühere Auftreten von IgM indiziert. Feh- len diese Antikörper oder sind sie geringer als die der IgG-Gruppe, so liegt eine ältere Infektion vor. IgM werden durch folgende Verfahren nachgewiesen: – indirekter Immunofluoreszenztest (IIFT), – Double-Sandwich IgM-ELISA (DSIgM-ELISA), – Reverse enzyme immuno assay (REIA), – Immuno sorbent agglutination assay (ISAgA), – Enzyme immuno assay.
Diese Verfahren zeigen eine Infektion für die Länge von etwa 1 Jahr an. Die IgG-Anti- körper können mit – der Komplementbindungsreaktion (KBR), – dem Färbetest nach Sabin und Feldman (SFT), – dem indirekten Immunofluoreszenztest (IIFT), – dem enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA), – dem direkten Agglutinationstest (DAT) nachgewiesen werden.
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b) Erkennung der Erstinfektion bei Schwangeren: Hier ist die sog. Serokonversion, d. h. der Wechsel von einem serologisch negativen Ergebnis zur Zeit der Konzeption bzw. Beginn der Schwangerschaft zu einem positiven Befund während der Schwangerschaft, von ausschlaggebender Bedeutung, denn aus- schließlich frische Erstinfektionen sind bei Schwangeren therapiebedürftig. c) Bewertung der Antikörperreaktionen: – Toxoplasma-Antikörper zeigen sich im IIFT bereits 11 Tage nach der Infektion und erreichen nach 3–4 Wochen bereits den höchsten Titerstand im IIFT und SFT. – Signifikante IgG-Antikörperspiegel und nicht nachweisbare IgM-Antikörper sowie KBR-Titer von ≥ 1:10 deuten auf eine akute Toxoplasmose hin.
Achtung: Titerschwankungen bei (wiederholten) Untersuchungen können entweder physiologisch bedingt sein oder auf das Analyseverfahren zurückgehen. 6. Infektionsweg: Aufgrund des komplizierten Entwicklungszyklus unter Einbeziehung des Endwirtes (Katze) und vieler Zwischenwirte (u. a. Fleischtiere) ergeben sich für den Men- schen 4 unterschiedliche Infektionswege: a) Orale Aufnahme von Oozysten aus Katzenkot bzw. vom -fell. Achtung: Oozysten kön- nen von Insekten (Fliegen, Schaben) aus Katzenkot auf Lebensmittel etc. verschleppt werden. b) Orale Aufnahme von Parasiten in Gewebezysten mittels rohen oder halbrohen, konta- minierten Fleisches (z. B. in Schweinemett, Salami, mildem Schinken etc.). c) Intrauterin (diaplazentar, kongenital): Im Fall der Erstinfektion der Mutter während der Schwangerschaft können Erreger auf den Fetus übertreten und ohne Behandlung zu schwersten Schäden führen. Immerhin sind bis zu 1% der Neugeborenen infiziert. d) Bluttransfusionen haben im Allgemeinen eine geringe Bedeutung bei der Übertragung der Toxoplasmose-Erreger, weil sie nur in geringen Mengen im Blut auftreten. 7. Prophylaxe: Kleinkinder, Schwangere (mit negativem Serumtiter) sowie immunsuppri- mierte Personen sollen den Kontakt mit freilaufenden Katzen meiden und auf den Genuss jeglichen rohen Fleisches verzichten. Tieffrieren von Fleisch bis –30° für mind. 24 h oder Braten und Kochen bei mind. 54° tötet Toxoplasmen ab. Katzen im eigenen Heim sollen nicht mit rohem Fleisch gefüttert werden. Die serologische Überwachung von Schwange- ren ist zudem dringend zu empfehlen (bei jeder der offiziellen Schwangerschafts-Kontroll- untersuchungen U1–U9). 8. Inkubationszeit: Stunden bis 2 Tage bei akuter Toxoplasmose. 9. Präpatenz: Abhängig von der Pathogenität bzw. Virulenz des Parasitenstamms: 1–2 Tage bis hin zu mehreren Wochen. 10. Patenz: Jahre; Gewebezysten können je nach Gewebe lange bestehen bleiben und im Falle des Platzens auch zu neuen akuten Erkrankungen führen (siehe chronische Toxoplas- mose). 11. Therapie: a) Kongenitale Toxoplasmose: Eine Behandlung ist nicht nur bei manifester, sondern auch bei asymptomatischer kongenitaler Infektion empfehlenswert, um das Risiko der Entwicklung von Spätmanifestationen/-schäden zu reduzieren; Pyrimethamin 1 mg/ kg KGW jeden 2. Tag (bei schweren Organschädigungen initiale Sättigung mit 2 mg/kg KGW tgl. über 3 Tage) kombiniert mit Sulfadiazin, 2 × 50 mg/kg KGW tgl; zusätzlich 5 mg Folinsäure jeden 2. Tag (1–2 × wöchentlich Kontrolle von Blutbild und Throm- bozyten). Therapiedauer bei asymptomatischer Infektion 6 Monate, bei manifesten Schädigungen 12 Monate. Bei Unverträglichkeit Spiramycin, 100 mg/kg KGW tgl. in 2–3 Tagesdosen (ggf. 3-wöchige Behandlungszyklen alternierend mit Pyrimethamin/ Sulfadiazin über jeweils 4–6 Wochen). Bei aktiver ZNS-Infektion oder Chorioretinitis mit Makulabeteiligung zusätzlich Prednison, 1–2 mg/kg KGW, bis zum Abklingen der Entzündungszeichen. b) Postnatale Toxoplasmose bei Immunkompetenten: Leichtere Verläufe wie die un- komplizierte Lymphadenopathie bedürfen keiner Therapie. Eine Behandlung ist nur
3.16 Plasmodium-Arten 67
gerechtfertigt bei Organmanifestationen (Enzephalitis, Myokarditis, Chorioretinitis u. a.) oder ausgeprägten und persistierenden Allgemeinsymptomen. Die Standardthe- rapie erfolgt mit Pyrimethamin, 2 × 100 mg am 1. Tag (Kinder 2 mg/kg KGW), dann 25–50 mg (Kinder 1 mg/kg KGW) täglich, kombiniert mit Sulfadiazin, 4 × 500–1000 mg täglich (Kinder 50–100 mg/kg KGW tgl.); zusätzlich Folinsäure, 10 mg tgl. (Blut- bildkontrolle). Therapiedauer: 2–6 Wochen (bei Chorioretinitis 4 Wochen) je nach Schwere der Erkrankung, Therapieerfolg und Verträglichkeit. Bei Chorioretinitis mit Erblindungsgefahr (Makulabeteiligung) zusätzlich Prednison, 1–2 mg/kg KGW täglich. c) Toxoplasmose in der Schwangerschaft: Therapie nur bei eindeutiger Indikation; Behandlung ab der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) mit Pyrimethamin (50 mg am 1. Tag, dann 25 mg tgl.), Sulfadiazin und Folinsäure (nach Standardschema, Blutbildkontrollen); 3- bis 4-wöchige Behandlungszyklen mit 4- bis 6-wöchigen Intervallen bis zur Entbindung. Vor der 20. SSW (falls gegen Schwangerschaftsab- bruch entschieden wurde) oder bei Unverträglichkeit von Pyrimethamin/Sulfadiazin wird Spiramycin, 3 g (9 Mio. I. E.) täglich in 3–4 Tagesdosen gegeben (bis zur Ent- bindung). d) Toxoplasmose bei Immunkompromittierten: Bei AIDS vorwiegend als Enzephalitis mit meist fokalen Läsionen und z. T. typischen Verdachtsbefunden im CT (hypodense intrazerebrale Areale mit ringförmiger Kontrastmittelanreicherung); daneben (bes. bei Transplantationspatienten) auch disseminierte und kardiopulmonale Krankheits- manifestationen. Therapiebeginn bei Toxoplasmose-Enzephalitis bereits bei Verdacht (Klinik, CT-Befund, Ausschluss anderer Ursachen). Behandlung mit Pyrimethamin, am 1. Tag 200 mg, dann 75 mg (25–100) täglich und Sulfadiazin 4 g (2–6) täglich in 4 Tagesdosen. Dosierung und Therapiedauer (mindestens 3 Wochen) je nach Schwere der Erkrankung, Therapieerfolg und Verträglichkeit. Zusätzlich Folinsäure (nicht Folsäure!) 10–15 mg täglich, kurzfristige Blutbildkontrolle. Bei Sulfonamidunverträg- lichkeit kann Pyrimethamin mit Clindamycin (4 × 600 mg tgl.) kombiniert werden.
Atovaquone (4 × 740 mg tgl.) und Azithromycin/Pyrimethamin zeigten in Pilotstu- dien ebenfalls Wirksamkeit. Wegen der hohen Rezidivrate ist im Anschluss an eine erfolgreiche Behandlung eine suppressive Erhaltungstherapie (sekundäre Prophylaxe) erforderlich. Wirksam sind Pyrimethamin/Sulfadiazin (25–50 mg/ 2–4 g tgl.) oder Pyrimethamin allein (50–75 mg tgl.); weniger zuverlässig auch Dapson, Cotrimoxazol und Clindamycin. Die Kombination Epiroprim/Dapson zeigte im Tierversuch eine aus- gezeichnete Wirkung und führte zur Eliminierung der Toxoplasmen bei gleichzeitiger Wirkung gegen Bakterien.
3.16 Plasmodium-Arten (Malaria)
1. Name: Lat., ital.: mala = schlecht; aria = Luft. Franz.: paludisme = Sumpffieber. Deutsch: Wechselfieber. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Feucht-warme Länder zwischen 40° nördli- cher und 30° südlicher Breite. Weltweit sind über 200 Millionen Menschen befallen. Jähr- lich sterben noch immer bis zu 1,5 Millionen (vor allem Kinder). 3. Biologie/Morphologie: Bei den Malaria-Erregern handelt es sich um Einzeller (Protozoa) der Gruppe der Sporozoa (Sporentierchen, Apicomplexa), die von weiblichen Mücken der Gattung Anopheles ausschließlich auf den Menschen (kein Tierreservoir!) beim Saugakt übertragen werden. Eine Infektion ist allerdings auch durch infizierte Blutkonserven mög- lich (die Plasmodien bleiben im gekühlten Zitratblut mindestens 14 Tage infektionstüch- tig), ferner durch gemeinsame Benutzung von Spritzenbestecken bei Drogenabhängigen.
Von konnataler Malaria spricht man bei transplazentarer oder perinataler Plasmodien-
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
übertragung. Eine Sonderform der natürlichen Übertragung ist die sog. Airport-Malaria, die bei Flughafenarbeitern oder in der Nähe von Flughäfen wohnenden Personen auftreten kann, wenn sie von im Flugzeug „eingereisten" Mücken gestochen werden. Nach der Über- tragung von infektionsfähigen Stadien (Sporozoiten) im Mückenspeichel erfolgt zunächst eine ungeschlechtliche Vermehrung (exoerythrozytäre Schizogonie) in Leberparenchym- zellen und im RES (Retikulo-endotheliales System). Erst nach 1–6 Wochen (artspezifisch!) befallen die in der Leber gebildeten ungeschlechtlichen Stadien (Merozoiten) die roten Blutkörperchen. Dabei wird die Zeit bis zu ihrem ersten Auftreten im Blut als Präpatenz, die Zeit bis zu den ersten klinischen Symptomen (nicht identisch!) als Inkubationszeit definiert (Abb. 3.34).
Nach dem Eindringen des Merozoiten in den Erythrozyten (Abb. 3.35) befindet sich der Parasit zunächst im Stadium eines kleinem einzelligen Trophozoiten, der sich lichtop- tisch als Siegelring darstellt, da sich seine große, zentrale Nahrungsvakuole nicht anfärbt und diese den Zellkern an den Rand drängt (Abb. 3.36). Durch Kernteilung und Zyto- plasmavermehrung wachsen die Trophozoiten zu Teilungsformen (Schizonten) heran, die den Erythrozyten schließlich weitgehend ausfüllen und je nach Art aus 8–32 neuen Merozoiten bestehen. Diese werden nach Platzen des Erythrozyten frei und befallen neue Erythrozyten. In den Blutkörperchen wiederholen sich solche ungeschlechtlichen Vermehrungsprozesse (erythrozytäre Schizogonie), die durch Wirtseinflüsse synchroni- siert werden und schließlich rhythmisch (artspezifisch!) zur Freisetzung von zahlreichen Merozoiten sowie verdautem Hämoglobin (sog. Pigment) führen (Abb. 3.37). Beson- ders die freien Merozoiten und weniger das Pigment scheinen für die ihrer Freisetzung folgenden, typischen Fieber verantwortlich. Das lichtmikroskopisch braun-schwarz er- scheinende Pigment wird in den Endothelien zahlreicher Organe (Gehirn, Niere, Leber etc.) abgelagert und gilt als Marker (Abb. 3.38) für eine bestehende oder überstandene Infektion.
Für die klinische Beurteilung der Malaria und für eine möglichst frühzeitige Diagnose ist wichtig zu wissen, dass nicht von Anfang an die typischen, zeitlich genau festgelegten An- fälle auftreten, da die erwähnte Synchronisation der Merozoitenfreisetzung einige Tage bis 1 Woche dauern kann. Bis dahin ist das Fieber unspezifisch und wechselnd in seiner Zeitfolge (sog. Schüffner'sches Anfangsfieber). Es kann sogar als Kontinua (= dauernd anhaltend) auftreten. Auch die malariatypische Milzvergrößerung wird in der Regel erst am Ende der ersten Woche manifest. Die meist begleitenden Kopf- und Gliederschmerzen und die normale oder erniedrigte Zahl der Leukozyten führen daher leicht zur Fehldiagnose einer „Grippe". Dies kann sich im Fall der lebensbedrohlichen Malaria tropica fatal auswirken!
Als Kontinua werden dabei Fieber bezeichnet, die in einer 24-h-Periode nicht mehr als 1°C schwanken. Remittierende Fieber bleiben hoch, schwanken aber um mehr als 1,5°C binnen 24 h. Bei intermittierenden Fiebern wechseln fieberfreie Phasen mit unterschied- lich hohen Fiebern innerhalb 24 h (Abb. 3.39). 5 Arten von Malaria-Erregern können in den endemischen Gebieten auftreten; sie un- terscheiden sich deutlich in ihren Blutstadien (auch von den beim Menschen seltenen Erregern der Gattung Babesia) sowie in den von ihnen hervorgerufenen klinischen Symp- tomen. a) Plasmodium vivax Erreger der Malaria tertiana; b) P. ovale Erreger der Malaria tertiana; c) P. malariae Erreger der Malaria quartana; d) P. falciparum Erreger der Malaria tropica; e) P. knowlesi Erreger einer Malaria vom Typ Malaria tertiana, die vorwiegend bei Affen auftritt, aber aktuell in Südasien auch verstärkt bei Men- schen vorkommt.
Für die Chemotherapie ist der Erregernachweis im Ausstrich unbedingt notwendig, zumal auch Doppelinfektionen mit 2 Arten und daher auch die Überlagerung der Fieberschübe vorliegen können. Der Zeitpunkt der Blutentnahme ist bei P. vivax, P. ovale und P. malariae
3.16 Plasmodium-Arten 69
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1. Sporozoit wird beim Saugakt in den Körper injiziert. 2./3. Schizontenentwicklung in einer Leberparenchymzelle mit der Bildung von Merozoiten. 4.–7. Bildung eines erythrozytären Schizonten mit der Freisetzung von Merozoiten nach Platzen des Erythrozyt. 9.1, 9.2 Entwicklung von � und � Gamonten in jeweiligen Erythrozyten. 10., 11. Makro- (10) und Mikrogamonten (11) im Mückendarmlumen. 12., 13. Bildung von Mikrogameten. 14. Fusion von �/� Gameten. 15.–17. Bildung = Heranwachsen der Zygote in einem Ookineten. 18.–21. Durchdringen des Ookineten der Darmwand und Entwicklung von Sporozoiten in einer Oo- zyste unterhalb der Basalmembran des Darms. 21. Freisetzung der Sporozoiten, die in die Speicheldrüse (22) einwandern.
BM = Basalmembran des Mückendarms; E = Erythrozyt; IN = Darmzelle; LP = Leberparenchymzelle; N = Nukleus; PG = Pigment; PV = parasitophore Vakuole; SG = Speicheldrüse.
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(nach Auftreten von klinischen Symptomen) gleichgültig, während bei P. falciparum Blut stets sofort untersucht werden muss. Die meisten Erreger zeigen sich am Ende einer Fie- berphase.
Nach einiger Zeit wiederholter Schizogonien im Blut bilden sich einige Merozoiten zu männlichen oder weiblichen Gamonten um, die für mehrere Wochen (= Lebenszeit der Erythrozyten) im Blut verbleiben. Nimmt eine weibliche Anopheles-Mücke diese Stadien auf, wachsen sie in deren Darm zu einem einzigen weiblichen Makrogameten. Nach der Fusion der Gameten zur Zygote entsteht aus ihr ein beweglicher Ookinet, der die peritro- phische Membran des Mückendarms durchbricht, sich zwischen Darmepithel und Basal- lamina ansiedelt und dort zur Oozyste differenziert, die durch einen ungeschlechtlichen Teilungsprozess Tausende fadenförmiger Sporozoiten entstehen lässt (Sporogonie). Diese Sporozoiten wandern schließlich nach einer Gesamtentwicklungszeit von 8–25 Tagen (temperaturabhängig) über die Leibeshöhle der Mücke in deren Speicheldrüse ein und ge- langen beim nächsten Stich in den neuen Wirt, wo sie binnen 30 Sekunden bis 2 Minuten in Zellen der RES eindringen (Abb. 3.34). In der Speicheldrüse haben diese Sporozoiten einen surface coat entwickelt, der sie vor dem Immunsystem des Menschen schützt. Bei P. vivax und P. ovale können Sporozoiten in Leberzellen mehrere Monate oder sogar Jahre als Hypno- bzw. Dormozoiten ruhend überleben, bevor sie mit der Vermehrung beginnen und zu Rezidiven führen.
Die auf Hypnozoiten zurückzuführenden neuen Anfälle werden im englischen Sprach- gebrauch als relapse bezeichnet und bedeuten den Neubefall eines vorher parasitenfreien Bluts. Diese relapses treten vorwiegend bei P. vivax auf, wo je nach Stamm unterschiedlich lange (bis 24 Monate verzögert) Rezidive auftreten, nachdem in 7–28 Tagen der primäre Blutbefall abgeschlossen ist. (Ausnahme in temperierten Zonen: der P. v. hibernans- Stamm, wo der primäre Blutbefall erst nach 8–12 Monaten erfolgt.). Als recrudescence wird das Wiederauftreten von klinischen Symptomen in solchen Fällen bezeichnet, wo zwar stets eine geringe Anzahl von Erregern in Erythrozyten vorhanden war, ihre Anzahl aber nicht zur Erkrankung führte. Bei P. malariae werden die für Jahre immer wieder auftreten- den Fieberschübe auf dieses Phänomen der recrudescence zurückgeführt.
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Bei den Malaria-Erregern des Menschen gibt es – von einigen wenigen Affenarten abge- sehen – kein nennenswertes Reservoir, sodass hier vorwiegend befallene Menschen als Quelle für Infektionen der Mücken dienen. In endemischen Gebieten haben die Einwoh- ner nach wiederholten Infektionen eine Semiimmunität entwickelt, die häufig nur noch geringe Krankheitssymptome zulässt. Bestimmte Erkrankungen wie Sichelzellenanämie – HbS, Thalassämie oder auch ein Mangel an Glukose-6-phosphat-Dehydrogenase schüt- zen vor den Auswirkungen einer Malaria tropica, da die Parasiten entweder gar nicht in die Erythrozyten eindringen können oder sich in den Erythrozyten nur unzureichend entwickeln.
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abelle 3.1: Vergleich der Daten im Entwicklungszyklus der Plasmodium-Arten des Menschen Art Präpatenz = minimale Dauer der exoerythrozytären Schizogonie
Mittel des Beginns der erythrozytären Schizogonie
Dauer der erythro- zytären Schizogonie
erstes Auftreten von Gamonten im Blut
P. vivax 8 d 13–17 d 48 h 11–13 d P. ovale 8 d 13–17 d 48 h 20–22 d P. falciparum 5 d 8–12 d 36–48 h 17–22 d P. malariae 13–17 d 28–37 d 72 h 24–31 d
d = Tage, h = Stunden
Tabelle 3.2: Merkmale der asexuellen Blutstadien der Malaria-Erreger des Menschen
Art Parasiten- stadien im peripheren Blut
Größe der Tropho- zoiten
Anzahl der Schizonten- kerne
Pigment Wirtszellenveränderung
P. vivax alle 2/3 RBC 12–24 gelbbraum stark vergrößert mit Schüffner'scher Tüpfelung P. ovale alle 2/3 RBC 6–12 hellbraun leicht vergrößert, Ober- fläche ausgefranst, Schüffner'sche Tüpfelung
P. falci- parum
meist nur Siegelringe (Trophozoiten) Gamonten
1/5 RBC 8–24 verstreut; hellbraun; als Klumpen: schwarz- braun
meist keine, aber gelegent- lich mit Maurers Fleckung
P. malariae alle 2/5 RBC 6–12 (8 oft rosettenför- mig ange- ordnet)
dunkelbraun meist keine
RBC = rote Blutkörperchen
Tabelle 3.3: Merkmale der sexuellen Blutstadien der Malaria-Erreger des Menschen (Giemsa-Färbung) Art Form Mikrogamont Makrogamont P. vivax kugelig/ovoid 10 µm; Kern rot, exzen- trisch; Plasma hellblau/ rosa; Pigment feinkörnig
11 µm; Kern klein, dunkelrot; Plasma blau; viel Pigment
P. ovale kugelig/ovoid 9 µm; ähnlich P. vivax 9 µm; ähnlich P. vivax P. falciparum sichel- bzw. bananenförmig 9–11 µm; Kern groß und diffus; Plasma rosa; Pig- ment diffus zerstreut
12–14 µm; Kern zentral und rot; Plasma blau bis violett; Pigment um den Kern konzentriert
P. malariae kugelig/ovoid 7 µm; wie P. vivax 7 µm; wie P. vivax
3.16 Plasmodium-Arten 75 Tabelle 3.4: Vergleich der klinischen Symptome bei den verschiedenen Malaria-Arten (nach ver- schiedenen Autoren)
Merkmal P. falciparum P. vivax P. ovale P. malariae
häufige Inkubations- zeiten
8–24 Tage 9–18 Tage 10–17 Tage 18–40 Tage
prodromale Sympto- matik
influenzaartig influenzaartig influenzaartig influenzaartig
Eingangsfieber täglich, remit- tierend oder dauernd
unregelmäßig bis täglich
unregelmäßig bis täglich
regelmäßig alle 72 h
Periodizität etablierter Fieberschübe
kein Fieber, dau- erndes Fieber oder alle 36–48 h
48 h 48 h 72 h
initialer Paroxysmus schwer, für 16–36 h
leicht bis schwer, für 10 h
leicht, für 10 h
leicht bis schwer, für 11 h
Dauer einer unbehan- delten Erkrankung
2–3 Wochen 3–8 Wochen und mehr
2–3 Wochen 3–24 Wochen
Dauer des Parasiten- bestands bei Nichtbe- handlung
6–8 Monate 5–7 Jahre bis 2 Jahre 30 Jahre und mehr
Anämie ++++ ++ + ++ ZNS-Syndrom ++++ +/– +/– +/– Nierensyndrom +++ +/– – +++ Blackwater-Fieber ++++ + + + + = vorhanden, Häufigkeit; – = nicht vorhanden
Tabelle 3.5: Malaria: Geographische Verbreitung und Empfehlungen zur Chemoprophylaxe für Aufenthalte bis zu 3 Monaten (Dt. Gesellschaft für Tropenmedizin 2011)
1. Afrika Nordafrika
Tunesien kein Malaria-Risiko Marokko, Algerien, Libyen sehr geringes Malaria-Risiko; Malaria-Prophylaxe in der Regel nicht erforderlich.
Ägypten geringes Malaria-Risiko in den Sommermonaten (Juni bis Ok- tober) im Nildelta, in El Fayum und in Oberägypten; Prophylaxe mit Chloroquin zu empfehlen
tropisches Afrika
6
Im gesamten tropischen Afrika (südlich der Sahara bis zum Norden von Namibia, Botswana und der Republik Südafrika sowie Madagaskar) besteht ein hohes Malaria-Risiko. Die überwiegende Zahl der nach Deutschland importierten Mala- ria-Erkrankungen wurde in Afrika erworben.
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
Tabelle 3.5: Fortsetzung
Kontinuierliche medikamentöse Prophylaxe mit Mefloquin, da dadurch die höchste Schutzwirkung erzielt wird. In Frage kommt auch eine Kombination aus Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation (z. B.
Mefloquin)
südliches Afrika
Namibia, Botswana Malaria-Prophylaxe nur für den Norden der Länder mit Me- floquin oder mit Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation (z. B. Mefloquin) Republik Südafrika Malaria-Prophylaxe für das Grenzgebiet zu Zimbabwe und Mosambik mit Mefloquin oder mit Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation (z. B.
Mefloquin). Für Kurzaufenthalte im Krüger-Nationalpark ist evtl. auch nur die Mitnahme eines Malaria-Medikaments zur Notfalltherapie möglich (z. B. Mefloquin).
Mauritius sehr geringes Malaria-Risiko im Norden; Malaria-Prophylaxe in der Regel nicht erforderlich Seychellen, Réunion kein Malaria-Risiko; Prophylaxe nicht erforderlich 2. Asien und Ozeanien Die Hauptstädte Asiens sind in der Regel malariafrei (Aus- nahmen: Rangun, Delhi). Das Malaria-Risiko ist insgesamt geringer als in Afrika, es kommen aber in vielen Gebieten Multiresistenzen vor.
Naher und Mittlerer Osten Israel, Kuwait, Libanon, Zypern, Abu Dhabi, Dubai, Sharjah
kein Malaria-Risiko
Türkei geringes Risiko in den Sommermonaten in Südost-Anatolien und an der türk. Riviera; Malaria-Prophylaxe in der Regel nicht erforderlich
Irak, Iran, Jordanien, Syrien geringes Risiko; Malaria-Prophylaxe mit Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation emp- fohlen
Saudi-Arabien Stadtgebiete der Westprovinz weitgehend malariafrei; für andere Landesteile Prophylaxe mit Chloroquin und Progua- nil unter Mitnahme einer Notfallmedikation empfohlen
Armenien, Aserbajdschan, Kasachstan, Usbekistan, Kirgi- sistan, Tadschikistan, Turkme- nistan
nur geringes Risiko in Süd-Tadschikistan; Malaria-Prophyla- xe in der Regel nicht erforderlich
indischer Subkontinent Gebiete im Himalaya-Gebiet oberhalb 2500 m sind mala- riafrei.
Bangladesch, Bhutan, Indien, Nepal, Pakistan, Sri Lanka für diese Gebiete Prophylaxe mit Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation empfohlen
Malediven
6
kein Malaria-Risiko
3.16 Plasmodium-Arten 77
Tabelle 3.5: Fortsetzung
Südostasien Brunei, Japan, Hongkong, Korea, Singapur, Taiwan
kein Malaria-Risiko
China (VR) in Nord- und Nordostchina geringes Malaria-Risiko; in der Regel keine Prophylaxe erforderlich; in Süd- und Südostchi- na höheres Risiko (besonders in Yunnan und auf der Insel Hainan), bei Aufenthalten in ländlichen Gebieten Prophylaxe mit Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfall- medikation (z. B. Mefloquin) empfohlen
Indonesien (außer Irian Jaya), Philippinen, West-Malaysia Für diese Gebiete wird eine Prophylaxe mit Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation empfoh- len. Unter Umständen (z. B. auf Bali und Java in Indonesien) ist auch (bei konsequentem Mückenschutz) nur die Mitnah- me eines Malaria-Medikaments zur Notfalltherapie möglich.
Die philippinischen Inseln Cebu, Leyte, Bohoi und Catandua- nes sind malariafrei.
Thailand Bangkok und Pataya mit näherer Umgebung, Chiang-Mai und nähere Umgebung, größere Städte in Südthailand und dortige Inseln (Phuket, Ko Samui usw.): Für diese Gebiete ist in aller Regel eine medikamentöse Prophylaxe entbehrlich.
Konsequenter Mückenschutz und die Mitnahme einer Not- fallmedikation sind zu empfehlen.
Grenzgebiete zu Burma, Laos und Kambodscha: s.u.
Burma (Myanmar), Irian Jaya (West-Papua), Ost-Malaysia, Laos, Kambodscha, Vietnam
Für diese Gebiete wird neben konsequentem Mückenschutz eine kontinuierliche medikamentöse Prophylaxe mit Meflo- quin empfohlen.
Anmerkung zu Kambodscha und zu den Grenzgebieten Thailands zu Kambodscha, Laos und Burma: Aufgrund der besonderen Resistenzsituation kann alternativ auch eine Malaria-Prophylaxe mit Doxycyclin in Betracht gezogen werden.
Ozeanien Malaria gibt es in Papua-Neuguinea sowie östlich und süd- lich davon bis Vanuatu.
Australien, Cook-Inseln, Fid- schi, Französisch Polynesien, Neukaledonien, Neuseeland
kein Malaria-Risiko
Papua-Neuguinea, Vanuatu Hohes Malaria-Risiko. Für diese Gebiete ist eine konti- nuierliche medikamentöse Prophylaxe mit Mefloquin zu empfehlen.
3. Mittel- bis Südamerika mit Karibik
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Generell besteht in Mittelamerika ein geringes Malaria- Risiko. Es kommt überwiegend die Malaria tertiana vor; die Hauptstädte sind in der Regel malariafrei. In der Karibik kommt Malaria tropica in Haiti und in der Dominikanischen Republik vor; die anderen Inseln sind malariafrei.
Für folgende Gebiete wird eine Malaria-Prophylaxe mit Chlo- roquin emfpohlen:
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
Tabelle 3.5: Fortsetzung
Mexiko Karibikküste, Grenzgebiet zu Guatemala, Halbinsel Yucatan, Pazifikküste außer Halbinsel Baja California Guatemala tiefe Regionen, Küstenabschnitte, Grenzgebiet zu Belize Belize ganzes Land Honduras Küstenabschnitte El Salvador Küstenabschnitte Nicaragua ganzes Land Costa Rica Küstenabschnitte, tiefe Regionen Panama westlich des Panamakanals geringes Risiko; östlich des Panamakanals in den Dschungelgebieten und Grenzgebiet zu Kolumbien hohes Risiko: Mefloquin oder Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation
Haiti ganzes Land Dominikanische Republik nur in den Grenzgebieten zu Haiti geringes Malaria-Risiko; bei reinen Badereisen und Tagesausflügen in die Umgebung in der Regel keine Malaria-Prophylaxe erforderlich.
Südamerika Im Amazonasbecken und den Zuflussgebieten besteht ein Malaria-Risiko mit mehrfach resistenten Erregern. Malaria- Prophylaxe mit Mefloquin oder Chloroquin und Proguanil unter Mitnahme einer Notfallmedikation wird hierfür emp- fohlen.
Das Küstengebiet am Pazifik hat ein geringes Malaria-Risiko.
Hier ist entweder eine Malaria-Prophylaxe empfohlen oder nur Mitnahme eines Notfallmedikaments.
Venezuela Caracas, Isla Marguerita und die Küstenregion sind ma- lariafrei. Prophylaxe empfohlen für Reisen ins Inland zum Orinoco-Fluss, in die Regionen südlich des Orinoco und den Grenzgebieten zu Brasilien, Kolumbien und Guayana.
Guayana, Surinam Malaria-Risiko im ganzen Land Kolumbien Der Zentralbereich inkl. Bogota ist malariafrei; Prophylaxe für Grenzgebiet zu Panama, Pazifikküste und Amazonasge- biet (Tiefland).
Ecuador im zentralen Hochland kein Malaria-Risiko, an der Pazifikküs- te geringes Malaria-Risiko; Notfallmedikation oder Prophyla- xe empfohlen; im Amazonasgebiet Prophylaxe empfohlen Brasilien Malaria-Prophylaxe empfohlen für ländliche Gebiete; die ge- samte Ostküste sowie die an der Küste liegenden Provinzen südlich von Fortaleza sind malariafrei.
Bolivien Malaria-Prophylaxe nur im Amazonasgebiet Argentinien, Paraguay sehr geringes Malaria-Risiko, keine Prophylaxe erforderlich Chile, Uruguay kein Malaria-Risiko
3.16 Plasmodium-Arten 79
4. Symptome der Erkrankung: a) Plasmodium vivax (Malaria tertiana) Nach einer Inkubationszeit von 9–18 Tagen (gelegentlich länger) setzt Fieber ein, das zu- nächst unspezifisch verläuft und erst nach der Synchronisation die typischen Anfälle zeigt (Tab. 3.4). Dann tritt unter Schüttelfrost von ca. 1 h Dauer alle 48 h (bei 2 Parasitenpopu- lationen evtl. auch alle 24 h) Fieber von 40–41°C auf, das mehrere Stunden anhält, bis der Anfall mit einem profusen, 2–3 h dauernden Schweißausbruch endet. Ohne Behandlung können 10–15 Anfälle folgen, die allmählich an Intensität verlieren. Ebenso sind Rück- fälle (sog. Rezidive) für 5–7 Jahre möglich (meist 1–2). Wenn (bei 2 Parasitenpopulatio- nen) typische Fieberanfälle alle 24 h auftreten, spricht man von einer Malaria duplicata. b) Plasmodium ovale (Malaria tertiana) Nach einer Inkubationszeit von etwa 10–17 Tagen treten Fieber alle 48 h auf (wie bei P. vivax). Nach etwa 4–8 Anfällen in Folge verschwinden die Krankheitssymptome, aller- dings können Rezidive bis zu 2 Jahre erfolgen. c) Plasmodium malariae (Malaria quartana) Nach einer Inkubationszeit von bis zu 6 Wochen (heimgekehrte Urlauber!) tritt nach der Synchronisation Fieber (40–41°C) mit einer einleitenden Phase von Schüttelfrost alle 72 h auf. Bei Überlagerung verschiedener Parasitenpopulationen kann es auch bei dieser Art zu Fieber alle 24 h bzw. alle 48 h kommen, die sich in unbehandelten Fällen bis zu 20-mal wiederholen. Rekrudeszenzen können bei unbehandelter Infektion extrem lange (angeblich bis zu 30 Jahre) auftreten. d) Plasmodium falciparum (Malaria tropica) Die Inkubationszeit dauert etwa 14 Tage (8–24 Tage). Bei unterlassener oder falsch ge- wählter Chemoprophylaxe kann die Krankheit also schon nach 8 Tagen Aufenthalt im Endemiegebiet manifest werden. Andererseits gibt es bei unzureichender Prophylaxe bzw. Teilresistenz der Erreger erhebliche Verzögerungen, sodass noch Wochen und Monate nach Verlassen des Endemiegebiets mit dem Auftreten einer Malaria tropica ge- rechnet werden muss! Das Fieber ist unregelmäßig, wechselnd, bis 39°C oder auch über 40°C. Gelegentlich tritt auch eine Fieberkontinua auf, und in seltenen Fällen kann die Malaria tropica mit nur geringem Fieber oder sogar afebril verlaufen (algide Malaria; lat. algidus = kalt). Noch weniger als bei den anderen Malaria-Formen darf also bei der Ma- laria tropica mit rhythmischen Fieberanfällen gerechnet werden. Begleitende Symptome sind Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und zunehmendes Krankheitsgefühl.
Unter den Laborbefunden fallen eine normale oder erniedrigte Zahl der Leukozyten, ein Abfall der Thrombozyten, eine rasch ansteigende Blutsenkungsreaktion und eine zunehmende Anämie auf. Der im Gegensatz zu anderen Malaria-Formen lebensbedroh- liche Verlauf der Malaria tropica wird dadurch bestimmt, dass sich die parasitenhaltigen Erythrozyten an die Kapillarwände heften, was u. a. an den im Elektronenmikroskop sichtbaren knobs an der Erythrozytenoberfläche liegt (Abb. 3.40, 3.41). Daraus folgt eine Störung der Mikrozirkulation mit Stase, Azidose, perivaskulärem Ödem und petechialen Blutungen. Abhängig von der vorwiegend befallenen Gefäßprovinz kommt es vom 4. bis 5.
Krankheitstag an zu den Zeichen schwerer und zunehmender Organläsionen: am Gehirn als zerebrale Malaria mit schweren Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung und infolge des zunehmenden Hirnödems zu Krampfanfällen, weiten neurologischen Ausfällen, Bewusst- losigkeit bis zum Koma mit tödlichem Ausgang. Die zerebrale Malaria ist die häufigste Todesursache bei der Malaria tropica. Schwere Organläsionen können auch die Niere betreffen, bis zum dialysepflichtigen Nierenversagen (renale Malaria), die Lunge mit in- terstitiellem und alveolärem Ödem, das kardiovaskuläre System mit Rhythmusstörungen bis zur Gefügedilatation des Myokards, die Leber mit über die Hämolyse hinausgehen- dem, hepatischen Ikterus als Zeichen entsprechender Einschränkung der Organfunktion, schließlich den Magen-Darm-Trakt mit dem Leitsymptom Diarrhö. Durch eine schwere, aus dem Zerfall der parasitierenden Erythrozyten allein nicht erklärbare Hämolyse kann es zum Schwarzwasserfieber mit Nierenversagen und drohender Tubulusnekrose kommen.
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Die Vielzahl der aus den Organläsionen resultierenden Symptome erklärt die häufigen und für den Patienten oft fatalen Fehldiagnosen, wenn nicht früh genug an eine Malaria gedacht und eine kompetente Diagnostik eingeleitet wird. In Deutschland muss zurzeit mit 1500–2500 jährlichen Malaria-Erkrankungen gerechnet werden, bei denen der Anteil der Malaria tropica bei 70% liegt. 90% dieser Erkrankungen werden aus Afrika importiert. Die Letalität betrug während der letzten 10 Jahre ca. 4%. Prognostisch un- günstige Faktoren sind dabei eine unterlassene oder unzureichende Chemoprophylaxe, die Verkennung der Symptome durch Patienten und Ärzte (Fehldiagnosen: Grippe, Hepatitis, Enzephalitis, Pyelonephritis, fieberhafte Durchfallerkrankung etc.) und das Lebensalter der Patienten. Bei den über 60-jährigen liegt die Letalität bei 16%. Von über 200 Millionen befallenen Personen sterben jährlich bis zu 1,5 Millionen. 5. Diagnose: Entscheidend ist der Parasitennachweis im Blutausstrich oder im Dicken Trop- fen. Der Dicke Tropfen ergibt je nach Dicke eine ca. 20- bis 40-fache Anreicherung und ist daher eher geeignet, geringe Parasitämien (<0,1%) zu entdecken. Seine Beurteilung und insbesondere die Differenzierung der Plasmodienarten ist jedoch schwieriger; häufig gelingt nur die Abgrenzung zwischen P. falciparum- und nicht-falciparum-Plasmodien. Für die Artdiagnose im Ausstrich sind folgende Kriterien von Bedeutung (vgl. Tab. 3.3, 3.4; Abb. 3.36):
Ausstrich
Ein kleiner (!) Blutstropfen wird mit einem Deckglas auf einem sauberen Objektträger aus- gezogen und an der Luft getrocknet (Abb. 3.42 Mitte). Danach erfolgt: 1) Fixierung des luftgetrockneten Ausstrichs für ca. 3 min mit absolutem Methanol. 2) Trocknen des Ausstrichs an der Luft. 3) Färbung nach Giemsa 4 für 30 min. 4) Abspülen der Färbelösung mit scharfem Pufferstrahl aus der Spritzflasche. 5) Eindecken des trockenen Ausstrichs mit Eukitt 6 oder anderen Einbettungsmitteln. 6) Ansehen im Mikroskop (40×, 100×)
Abb. 3.40 REM-Aufnahme eines Erythrozyten mit 2 Schizonten von P. alciparum und zahlreichen knobs an der Oberfläche.
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