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Kapitel 1 Das Phänomen Parasitismus

Der Name Parasit leitet sich vom griechischen Wort parasitos = Beisitzer ab und bezeichnete ursprünglich sog. Vorkoster an adeligen Höfen. Sie probierten vor dem Mahl die Speisen, riskierten dabei Vergiftungen, wurden dafür aber (ohne zu arbeiten) verköstigt. Der Neid der anderen führte schnell dazu, dass der Begriff negativ belegt wurde und dass heute nicht nur tierische Parasiten als Schmarotzer bezeichnet werden.
Alle Tiere und auch die Menschen haben ein gemeinsames Problem: den Nahrungserwerb.
Nur wenn sie dieses erfolgreich lösen, können die anderen Lebensfunktionen, die letztlich zur Erhaltung der Art erforderlich sind, ausgeführt werden. Von Pflanzenfressern abgesehen, dient der Kleinere (Schwächere) dem Größeren (Stärkeren = ökol. Räuber) als Beute zur Ernäh- rung. Eine Chance für kleine Arten lag jedoch darin, sich am Mahl der großen zu beteiligen (Kommensalismus) oder diesen an der Oberfläche Nährstoffe direkt zu entziehen (Ektopa- rasitismus). Daraus entwickelte sich die Vorstellung, dass die Parasiten bei entsprechender Prädisposition aus primär freilebenden Arten abzuleiten sind, wobei offenbar mehrere Wege zum Parasitismus geführt haben.
Nach dem heutigen Stand der vorhandenen Parasitenarten kann grob zwischen Ektoparasi- ten und Endoparasiten unterschieden werden, je nachdem, ob sie die äußere Oberfläche oder innere Organsysteme befallen.
Ektoparasiten können ausschließlich stationär (z. B. Läuse) oder temporär parasitieren (z. B. Stechmücken). Es finden sich aber auch alle Übergänge zwischen beiden Gruppen (z. B. einige Schildzecken, manche Flöhe). Der Weg zum Endoparasitismus dürfte wohl von sol- chen Ektoparasiten (z. B. Krätzmilben; in der Haut minierende Fliegenlarven) als auch von Kommensalen, die in den Darm und andere Körperhöhlungen gelangten, beschritten wor- den sein, sodass heute faktisch alle Wirbeltierorgane von Parasiten aufgesucht werden. Der intrazelluläre Parasitismus stellt eine Sonderform des Endoparasitismus dar und setzt eine entsprechende Prädisposition voraus, u. a. eine geringe Größe des Parasiten.
Parasiten befallen einen oder mehrere Wirte und werden daher als monoxen (monözisch = einwirtig) oder heteroxen (mehrwirtig) definiert. Dabei kann die „Anpassung" des Parasiten an die Lebens- und Ernährungsweise der jeweiligen Wirte im Verlauf der Evolution in vielen Fällen so eng geworden sein, dass er als obligat ein- (monoxen) oder mehrwirtig (di- oder poly-heteroxen) zu bezeichnen ist. Andere Parasiten haben ein weniger spezifisches Wirts- spektrum; ihr Entwicklungsgang wird dann als fakultativ bezeichnet.
Sucht ein geschlechtlich differenzierter Endoparasit während seiner Lebenszeit verschie- dene Arten von Wirten auf, so gilt als Endwirt (engl. final host; häufig synonym zu definitive host gebraucht) derjenige Wirt, in dem der Parasit zur Geschlechtsreife gelangt (z. B. ist der Mensch Endwirt für den Rinderbandwurm Taenia saginata).
Als Zwischenwirt (intermediate host) werden dagegen jene Wirte bezeichnet, in denen eine ungeschlechtliche Vermehrung oder aber Reifung des Parasiten abläuft (z. B. Rind für die Finne des Rinderbandwurms). Die Begriffe Haupt- und Nebenwirt beziehen sich auf die Be- vorzugung bestimmter Wirte. So sind z. B. für Trichinen Schwein und Ratte Hauptwirte, aber der Mensch ist nur Nebenwirt bzw. Fehlwirt, zumal von diesem aus die Entwicklung nicht weitergeht (Ausnahme Menschenfresser!). Parasiten, die sich wie Ruhramöben in ihren Wirten lediglich ungeschlechtlich vermehren, können allerdings bei dieser Klassifizierung von Wirten nicht eingeordnet werden. Als Vektoren werden Ektoparasiten bezeichnet, die einen Erreger
übertragen, der sich im Regelfall in ihnen weiterentwickelt. Ursprünglich wurde angenommen, dass Vektoren lediglich mechanisch übertragen und in ihnen keine Entwicklung stattfindet.
Bei der Malaria zeigte sich aber, dass in der Mücke sogar die geschlechtliche Entwicklung abläuft und sie somit zum Endwirt wird. Solche Mücken sind aber z. B. für Filarien Zwischen- wirte, da hier lediglich ein Larvenwachstum (L1–L3) stattfindet. Im Falle von Spirochäten oder anderen Bakterien, Rickettsien und Viren finden die Termini Überträger bzw. Vektor für die beteiligten Ektoparasiten (Zecken, Insekten) ebenso Verwendung. Allerdings gilt auch hier die Einschränkung, dass diese Evertebraten wegen der meist in ihnen stattfindenden Vermehrung der Mikroorganismen als „Wirte" definiert werden können.
Im Entwicklungszyklus von Parasiten tritt meist nur ein Endwirtstyp (z. B. Raubtiere) auf, es finden sich aber oft mehrere, dann unterschiedliche Typen von Zwischenwirten (Klein- krebse, Fische, z. B. bei Trematoden, Fischbandwürmern etc.). Bei den Arten der Einzellergat- tung Caryospora gibt es jedoch zwei unterschiedliche Endwirte. So laufen Geschlechtsprozesse mit der Bildung von Oozysten sowohl beim primären Endwirt (Schlangen) als auch bei Beute- tieren (Nagern) als sekundärem Endwirt ab. Werden derartige Stadien von Hunden gefressen, können in deren Haut ebenfalls Oozysten entstehen. Somit liegt eine extreme Wirtsunspezifität vor. Bei einer Reihe von fleischfressenden und insbesondere kannibalischen Arten (die Art- genossen fressen) haben sich einige Parasiten etabliert, die diese Wirte gleichzeitig als End- und Zwischenwirte nutzen. So entstehen bei bestimmten Sarcocystis-Arten, die an Eidechsen parasitieren, neben den geschlechtlichen Stadien im Darm Gewebezysten in der Muskulatur der Eidechsen. Dies gilt ebenso für Toxoplasma gondii beim Endwirt Katze wie auch für den Fadenwurm Trichinella spiralis, der im gleichen Wirtstier die Männchen und Weibchen (im Darm) und die Larven (in der Muskulatur) entwickelt.
Bei der Ausbreitung von Parasiten spielen noch weitere Wirtstypen eine Rolle, die aber nicht im Gegensatz zum End- bzw. zum Zwischenwirt stehen: 1) Reservoirwirt. Hierbei handelt es sich (aus menschlicher Sicht) um Wirbeltiere, die als weitere Wirte (z. B. Hunde und Nagetiere für Leishmanien des Menschen) dienen und von denen aus Parasiten immer wieder auf den Menschen übertragen werden können. Dagegen hat z. B. die menschliche Malaria, abgesehen von einigen Affenarten, keine Reservoirwirte. 2) Transportwirt (engl. paratenic host). Hierbei handelt es sich um Zwischenwirte, in denen keine Parasitenvermehrung stattfindet, sondern nur eine Reifung zum Infektionsstadium hin. Sie fungieren häufig auch als „Stapelwirt", d. h., in ihnen reichern sich die Entwick- lungsstadien der Parasiten an, garantieren so die geographische Verbreitung ausreichender Infektionen bei Endwirten und führen oft zu massivem Befall. 3) Fehlwirt. Gerät ein Parasit in einen Wirt, aus dem er sich unter natürlichen Umständen nicht mehr befreien kann oder in dem er sich nicht weiterentwickelt, so gilt dieser als Fehl- wirt. Es können dabei zwei Varianten unterschieden werden: a) Der Mensch dient einigen wirtsunspezifischen Parasiten als „echter Zwischenwirt" (z. B.
Toxoplasma, Echinococcus); eine Weiterentwicklung im Endwirt (Katze bzw. Hund) wird jedoch durch die im Normfall aus ethischen Gründen unterbleibende Übertragung ver- hindert. b) Mensch oder Tier werden von bestimmten, sehr wirtsspezifischen Parasiten nicht als Endwirte akzeptiert, sondern dienen lediglich als zeitweilige Wirte bis zum Absterben (z. B. Spargana der Fischbandwürmer; Larven des Hundespulwurms Toxocara; Badeder- matitis durch Zerkarien von Schistosomen der Wasservögel).
Wirtsspezifität. Die eben dargestellten Wirtstypen leiten sich letztlich aus der unterschiedli- chen Adaption der Parasiten an bestimmte Wirtstiere bzw. -gruppen her. Dabei kann die „An- passung" einer Parasitenart sowohl beim End- als auch beim Zwischenwirt a) sehr eng sein, sodass nur eine einzige Wirtstierart befallen wird (z. B. Isospora hominis; der adulte Schweinebandwurm beim Mensch), b) sehr locker sein, sodass viele Wirte akzeptiert werden (z. B. Cryptosporidium-Arten, viele Trematoden; blutsaugende Ektoparasiten),
c) beim Zwischenwirt breit gefächert, beim Endwirt dagegen sehr eng sein; so ist z. B. bei To- xoplasma gondii zwar das geschlechtliche Stadium eng an Feliden (Endwirt) gebunden, die Gewebezysten treten aber bei allen Säugetieren und vielen Vögeln (Zwischenwirte) auf. Bei den menschlichen Malaria-Erregern liegen die Verhältnisse bezüglich der Wirte umgekehrt: Der Mensch ist als Zwischenwirt sehr spezifisch, die Zahl der Vektoren (Anopheles-Arten als Endwirte) groß.
Selbst Arten gleicher Gattung können alternativ zu den drei Gruppen gehören, sodass ein Zusammenwirken von genetischen, physiologischen und ökologisch manifestierten Faktoren ausschlaggebend für die beobachteten unterschiedlichen Wirtsspezifitäten sein dürfte. Aus die- sem variablen Verhalten resultieren u. a. die zum Teil heute in steigendem Maße beobachteten Schwierigkeiten bei der Taxonomie einzelner Parasitenarten.
Ontogenetische Entwicklung der Parasiten. Die Entwicklung der parasitären Arten kann auf zwei verschiedenen Wegen verlaufen: a) direkt (d. h. ohne Vermehrung!) über verschiedene, dem adulten Parasiten mehr oder min- der ähnliche Larven (Metamorphose, z. B. bei Insekten, Nematoden), b) indirekt, unter Einschaltung von Vermehrungsprozessen (z. B. bei Kokzidien, digenen Tre- matoden), die verschiedene Generationen aufeinander folgen lassen. Dieser Generations- wechsel kann wiederum obligat (z. B. Sarcocystis, digene Trematoden) oder fakultativ (z. B.
Strongyloides) ablaufen.
Generationswechsel. Bei vielen Protozoen tritt ein primärer Generationswechsel auf, da es hier durch Zellteilung zu einer Individuenvermehrung kommt, während diese bei Metazoen lediglich zu Wachstum führt. Erst durch Abschnürungsvorgänge entsteht eine neue, mehrzel- lige Generation (sekundärer Generationswechsel). Typische Generationswechsel von parasiti- schen Protozoen liegen z. B. bei den Kokzidien vor und umfassen den Wechsel zwischen einer geschlechtlichen Generation und einer oder zwei ungeschlechtlichen Generationen.
Beim sekundären Generationswechsel kann zwischen zwei Typen unterschieden werden: a) Metagenese: Hier erfolgt ein Wechsel zwischen einer (oder mehreren) ungeschlechtlichen und einer geschlechtlichen Generation (z. B. Echinococcus). b) Heterogonie: Dieser Begriff schließt den Wechsel zwischen einer eingeschlechtlichen (weiblichen, parthenogenetischen) und einer zweigeschlechtlichen Generation ein (z. B.
Strongyloides stercoralis).
Da zu den Geschlechts- und Chromosomenverhältnissen bei Parasiten nur relativ wenige Untersuchungen vorliegen, ist häufig die Einordnung in eine der beiden Generationswechsel- typen problematisch (z. B. bei Trematoden). Hinzu kommt, dass die Larven einiger Parasiten geschlechtsreif werden können (Neotenie) und so die Begriffsgrenzen weiter verwischt werden (z. B. Monogenea). In diesem Zusammenhang wird auch häufig der Begriff Polyembryonie verwendet.
Die parasitischen Würmer können getrenntgeschlechtlich oder Zwitter sein, wobei fast immer die Spermien zuerst reifen (= Protandrie). Meist sind die Zwitter bemüht, durch Ko- pulation mit anderen Individuen gleicher Art ohne Selbstbefruchtung auszukommen; diese bleibt aber z. B. bei den oft solitären und besonders großen Taenia-Bandwürmern die einzige Möglichkeit.
Entwicklungszeit. Die Larvalentwicklung verläuft bei Ektoparasiten stets temperaturabhängig, während bei Endoparasiten die Abwehrreaktionen des Wirts begrenzenden Einfluss haben.
Für die Entwicklungszeit zum Adulten lässt sich ebenfalls keine Regel aufstellen; bis zur Er- langung der Geschlechtsreife können wenige Tage bis einige Monate benötigt werden. Die Zeit zwischen der Infektion eines Wirts und dem ersten Auftreten von nachweisbaren Stadien bzw. dem Ausscheiden von Eiern wird als Präpatenz definiert; der Zeitraum vom Beginn der
Ausscheidung (oder des Auftretens von Larven) bis zum letzten Ausscheidungstermin gilt als Patenz. Die Patenz kann sich von wenigen Tagen (z. B. bei Kokzidien) auf Jahre (z. B. bei gro- ßen Bandwürmern, Filarien) erstrecken. Der Zeitraum zwischen Infektion und dem Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen wird als Inkubationszeit bezeichnet.
Adaptationen. Ektoparasiten haben spezielle Mundwerkzeuge und Verdauungssysteme entwi- ckelt, mit denen sie die von ihren Wirten gewonnene Nahrung verwerten (u. a. mithilfe von Endosymbionten). Endoparasiten haben demgegenüber noch weitere Probleme zu lösen; sie mussten u. a.: a) geeignete Invasionsmechanismen entwickeln, b) sich im Wirt verankern und ausreichend Nahrung aufnehmen, c) abwehrenden Wirtsreaktionen begegnen, d) die Nachkommenschaft schützen und so platzieren, dass eine Übertragung auf andere Wirte möglich ist. a) Invasionsmechanismen: Der Befall eines Wirts durch einen Endoparasiten kann passiv durch orale Aufnahme von Dauerstadien (z. B. Eier, Zysten, Gewebezysten) oder mittels einer „Injektion" durch Ektoparasiten bei deren Blutmahlzeit erfolgen, mithilfe von Mund- werkzeugen und/oder unter Einsatz von zum Teil sehr großen Drüsen (z. B. bei Miracidien, Nematodenlarven). b) Verankerung und Nahrungsaufnahme: Zur Verankerung in den verschiedensten Gewe- ben besitzen viele Parasiten Halteapparate; so haben z. B. Haken, Dornen, Saugnäpfe, sog.
Nachschieber oder Cuticulafalten bei den verschiedenen Gattungen diese Wirkung. Die Nahrungsaufnahme erfolgt im Regelfall über ein Darmsystem, aber bei allen Endoparasiten besteht die Tendenz und zum Teil die Notwendigkeit (z. B. bei den darmlosen Kratzern und Bandwürmern), die Nahrung über die Oberfläche aufzunehmen. c) Schutz vor Wirtsreaktionen (Immunevasion): Der Endoparasit muss sich besonders im Wirbeltierwirt vor dessen Verdauungs- bzw. Abwehrreaktionen schützen und unangreifbar für Enzyme werden, sofern er im Darmsystem des Wirts parasitiert. Einige Parasiten schüt- zen sich durch aufgelagerte Mukopolysaccharide, die in ihrer Gesamtheit als surface coat bezeichnet werden. Diese primär für Trypanosomen beschriebene Schicht hat allgemeinere Bedeutung erlangt, da ähnliche Bildungen bei vielen Wirbeltierparasiten beobachtet wur- den. Charakteristikum dieses surface coat ist die Fähigkeit, seine antigenen Eigenschaften ständig zu ändern. So bleiben Parasiten, die in Organen bzw. im Blut leben, unerkannt (Eklipse) von den spezifischen (z. B. Antikörper = Immunglobuline u. a.; IgE, IgG, IgM) wie auch unspezifischen (z. B. phagozytierende und lysierende Zellen) Abwehrsystemen des Wirts.
Als besondere Schutzmaßnahme haben somit viele Parasiten die molekulare Mimikry, d. h. die Gewinnung von Wirtssubstanzen bzw. Synthese von wirtsspezifischen Stoffen und deren Einbau in Oberflächenschichten, erfunden (z. B. Schistosomen, Fasciola, Filarien).
Andere Arten maskieren sich, indem die Parasitenantigene von Antikörpern des Wirts bedeckt erscheinen (z. B. Fasciola). Wieder andere Parasitenarten unterbinden die Bildung oder reduzieren die Gesamtmenge von MHC-(engl. major histocompatibility complex) An- tigenen, sodass sie nicht vom T-Lymphozyten-System erkannt werden können. Schließlich siedeln sich einige Parasitenstadien in Organsystemen mit geringer Immunaktivität an (z. B.
Zystizerken mancher Bandwürmer im Gehirn). Dieses Phänomen gezielter Organsuche beim Entweichen vor der Immunabwehr wird auch als Sequestration bezeichnet. Die oben beschriebenen Methoden zum Schutz vor dem Immunsystem reichen vielen Parasiten nicht aus. Sie haben – häufig zusätzliche Verfahren entwickelt, durch die sie das Immunsystem des Wirts teilweise oder ganz ausschalten, also zur Immunsuppression beim Wirt führen.
Dies kann zum einen durch Immunblockade erfolgen, wobei von den Parasiten im Über- schuss produzierte lösliche Antigene die Antikörper des Wirts binden und somit von der Parasitenoberfläche ablenken. Zum andern werden von einigen Parasiten (z. B. Trypano- somen) die B-Lymphozyten des Wirts zu so starker Antikörperproduktion stimuliert, dass
sich das ganze System schließlich erschöpft. Auch scheiden bestimmte Parasiten Substanzen ab, die Antikörper und/oder immunkompetente Zellen inhibieren. Ist das Immunsystem erst einmal geschwächt, können sog. opportunistische Erreger zu einer Überschwem- mung des Wirts führen, da das in langen Jahren der Koentwicklung von Wirt und Parasit etablierte Gleichgewicht zugunsten des Parasiten verschoben wird.
Nematoden und Insektenlarven schützen sich durch ihre derbe Cuticula, die zudem noch gehäutet werden kann und somit ebenfalls eine gewisse Maskierung garantiert. Andere Parasiten überdauern intrazellulär alle Wirtsattacken, wobei offenbar die Abkapselungs- versuche des Wirts (Gewebezysten) zunächst zum Vorteil des Parasiten ausschlagen (z. B.
Sarcocystis, Trichinella, Onchocerca). Die Beeinflussung des Wirts durch den Parasiten kann dabei so weit gehen, dass dieser bestimmte Steuerungsgruppen übernimmt. Anders wären die Umstrukturierung der Wirtszellen und ihrer Kerne durch Trichinen, Toxoplasmen und Sarcocystis-Arten zu Gewebezysten nicht zu erklären. Auch können Teilungsprozesse von Lymphozyten, z. B. durch Theileria-Arten, neu stimuliert werden.
Eine für Parasiten oft gestellte Frage zielt auf die Grundlage der Wirtsspezifität. Warum entwickelt sich ein Parasit nur im Hund und nicht auch im Menschen oder umgekehrt?
Dazu können stoffwechselphysiologische Erkenntnisse gewisse Hinweise liefern. So hat sich z. B. ergeben, dass parasitische Würmer – von einigen Ausnahmen abgesehen – die Fä- higkeit verloren haben, Lipidkomplexe de novo zu synthetisieren. Die Abhängigkeit dieser Parasiten von den Lipiden, die sie von ihrem Wirt erhalten können, bestimmt vielleicht die Wirtsspezifität. Man kann davon ausgehen, dass eine besondere Spezies sich eng an die Er- reichbarkeit dieser Lipide angepasst hat, ohne die der Parasit in einem Wirt nicht überleben kann. Hier liegt vielleicht die Erklärung für das Fehlen bestimmter Gruppen von Würmern in manchen Wirten.
Dieses Problem ist weniger bedeutsam bei Kohlenhydraten und Proteinen, die von relativ einfachen Molekülen nicht-spezifischer Natur aufgebaut werden können. d) „Brutfürsorge": Der Endoparasit muss, um die Arterhaltung sicherzustellen, die Nach- kommenschaft vor den Abwehrreaktionen des Wirts bzw. im Freien schützen. Dies geschieht durch starke Hüllen bzw. dicke Eikapseln. Auch ist es notwendig, die Nach- kommenschaft in Körperbereichen des Wirts so anzusiedeln, dass sie sicher zu anderen Wirten gelangt. So werden z. B. die Eier von Schistosomen in Nähe des Darms bzw. der Blase abgesetzt; Malaria-Gamonten und Mikrofilarien wandern (evtl. zyklisch) in die peripheren Blutgefäße des Wirts, und Trematoden der Gattung Paragonimus legen ihre Eier in Lungenaveolen ab. Generell ist zu beobachten, dass häufig enorme Mengen von Eiern bzw. Larven produziert werden, von denen zumindest einige auf jeden Fall ihren nächsten Wirt erreichen sollten. Eine andere Möglichkeit, eine große Nachkommenschaft zu erzielen, ist die Einschaltung einer ungeschlechtlichen Vermehrung, die eine parasi- täre Überschwemmung eines Wirtes zur Folge hat (z. B. Schizogonie bei den Kokzidien, Zerkarienbildung bei Trematoden). Auf diese Weise wird erreicht, dass ein neuer Wirt befallen werden kann.
Pathogenität. Parasiten schaden ihren Wirten auf verschiedene Weise. Sie können: a) Zellen und Organe mechanisch zerstören (z. B. Plasmodium, Onchocerca, Ancylostoma); b) Gewebe zu Vermehrungszwecken stimulieren und im Extremfall maligne Wucherungen induzieren (z. B. Leberegel); c) als Nahrungskonkurrenten wichtige Stoffgruppen entziehen (z. B. Diphyllobothrium, Blut- egel); d) durch Stoffwechselprodukte Vergiftungen (Intoxikationen) herbeiführen (z. B. Trypano- soma cruzi, Malaria-Erreger, Zecken); e) Anlass für bakterielle Sekundärinfektionen sein, die größere Schäden als der Parasit selbst hervorrufen (z. B. Entamoeba; Ascaris-Larven in der Lunge); f) als Ektoparasiten andere Erreger (z. B. Protozoen, Würmer, aber auch Bakterien und Viren) übertragen.

Die pathogene Wirkung eines Parasiten kann auf verschiedene Wirte sehr unterschiedlich sein; dies hängt u. a. auch von seinem Virulenzgrad ab. Generell ist es im Interesse eines jeden Parasiten, den Wirt nicht zu sehr zu beeinträchtigen oder dessen Tod herbeizuführen, da ihm damit die Grundlage entzogen würde. So rufen besonders „angepasste" Parasiten (in evolutio- närem Sinne alte Formen) nur geringe pathogene Erscheinungen bei ihren Wirten hervor, und beide können auch jahrelang (oft 20 Jahre) miteinander auskommen (z. B. Bandwürmer, be- stimmte Filarien). Es liegt aber im Wesen von Parasiten, dass sie von der Substanz des Wirtes zehren, was nicht immer zu offensichtlichen Schäden führen muss. Erkrankungen infolge von Parasiten verlaufen oft zunächst akut und später infolge sich entwickelnder Abwehr chronisch, oder es kommt zu symptomloser, latenter Infektion. Grob kann auch bei Parasiten zwischen Zoonosen und Anthroponosen unterschieden werden. Als Zoonose werden Erkrankungen bezeichnet, die durch dieselben Parasitenarten sowohl beim Menschen als auch beim Wirbel- tier hervorgerufen werden können (z. B. Toxoplasmose, Trichinose). Dabei ist die vorwiegende Richtung der Infektion, die in den beiden Unterbegriffen Anthropozoonose bzw. Zooanthro- ponose ausgedrückt werden soll, eigentlich unerheblich, da vom Einzelfall abhängig. Als echte Anthroponosen gelten dagegen Erkrankungen, die von Erregern verursacht werden, deren Übertragung ausnahmslos von Mensch zu Mensch erfolgt (z. B. Enterobius vermicularis). Eine Sonderform der Zoonosen stellen im Weiteren die von Arthropoden übertragenen Erreger und die daraus resultierenden Erkrankungen dar. Dabei kann wiederum zwischen direkter, mechanischer (ohne Vermehrung, z. B. einige Trypanosoma-Arten) und zyklischer Über- tragung (Metazoonose mit Weiterentwicklung bzw. Vermehrung, z. B. Malaria, Filariosen) unterschieden werden.
Parasitennachweise. Die im Wirbeltier auftretenden wechselseitigen, sehr komplexen Wirt- Parasit-Beziehungen und Kombinationsmöglichkeiten können hier nicht alle dargestellt wer- den. Erwähnt sei aber, dass jeder Parasit den Charakter eines Antigens hat, auf das der Wirt z. B. mit der Bildung von Antikörpern antwortet. Hierbei handelt es sich um normale biolo- gische Reaktionen, die primär keinen pathologischen Charakter haben, denn auf artfremde Eiweißkörper (z. B. Serum) reagiert der Organismus in gleicher Weise. Da viele Parasiten sich nicht in Ausscheidungen der Wirte nachweisen lassen (z. B. bei intrazellulärer Lage), bietet die Bildung von Antikörpern eine willkommene Möglichkeit, die Anwesenheit des Parasiten (An- tigen) durch eine entsprechende Seroreaktion festzustellen. Die dafür entwickelten Verfahren sind bisher vorwiegend in der Human- und Veterinärmedizin angewandt worden, gehören heute aber zum allgemeinen Wissensgut des Parasitologen.
Das Grundprinzip der Reaktionen besteht in der Tatsache, dass sich die im Blut von Wir- beltieren auftretenden Antikörper (Immunserum) mit dem spezifischen Antigen (Parasit) verbinden. Es gilt, diesen Vorgang sichtbar zu machen. Dazu gibt es direkte und indirekte Methoden. Die direkte Methode besteht z. B. darin, dass das Antigen (z. B. eine Schistoso- menzerkarie) mit dem frischen Immunserum (z. B. von einer Schistosoma-infizierten Maus) zusammengebracht wird. Das Ergebnis besteht in der Bildung eines Präzipitats um die Zer- karie, das sich wie eine künstliche Haut an der ganzen Zerkarienoberfläche bildet. Diese als Zerkarienhüllenreaktion bezeichnete Methode zum Nachweis von Schistosoma-Antikörpern wird auch in der Humanmedizin verwendet.
Die indirekten Methoden bedienen sich eines Vermittlers, der das Ergebnis der Antigen- Antikörper-Reaktion makroskopisch oder wieder mikroskopisch abzulesen erlaubt. Die ein- fachste Methode besteht in der Bindung des Antigens an Kunststoffpartikel von geringer Größe, die in Anwesenheit des spezifischen Antikörpers agglutinieren (indirekte Latex-Ag- glutination, ILAT): ein Ergebnis, das sich durch die Zusammenballung der Plastikkügelchen in kleinen Röhrchen ablesen lässt. Im positiven Fall bildet sich am Grund des Röhrchens eine knopfartige Agglutination der Kunststoffpartikelchen; im negativen Fall bleiben diese diffus verteilt.
Als klassische indirekte Methode darf die Komplementbindungsreaktion (KBR) angese- hen werden. Diese bedient sich eines Verfahrens, bei dem das sog. hämolytische System als
Indikator verwendet wird. Werden z. B. Hammelblutkörperchen (Antigen) einem Kaninchen injiziert, so bildet sich ein hämolysierender Antikörper, der in Anwesenheit eines dritten Faktors, des Komplements, einem unspezifischen Serumanteil, im spezifischen Immunsystem Erythrozyten zur Hämolyse bringt. Das gleiche Prinzip gilt unter Verwendung eines gelösten Antigens für jedes andere Antigen-Antikörper-System. Bringt man Antigen und Antikör- per eines Parasiten in entsprechenden Mengen mit einer adäquaten Menge Komplement zusammen, so verbinden sich Antigen und Antikörper. Setzt man diesem System das oben beschriebene hämolytische System hinzu, ohne zusätzliches Komplement, dann wird im Fall der Anwesenheit des kompletten ersten Antigen-Antikörper-Systems das hämolytische System nicht zur Reaktion kommen; das Komplement wurde vom ersten Antigen-Antikörper-System „verbraucht". Die Reaktion, die makroskopisch abgelesen werden kann, fällt positiv (keine Hä- molyse) im Sinne der ersten Antigen-Antikörper-Reaktion, z. B. bei Amöbiasis, aus.
Eine weitere indirekte Methode liegt in dem sog. indirekten Immunofluoreszenztest (IIFT) vor. Hierbei wird das Antigen mit dem Antikörper im Serum des Menschen zusam- mengebracht. Eine positive Bindung lässt sich dadurch sichtbar machen, dass nun ein Anti- Mensch-Serum mit Fluorescein-Isothiocyanat gekoppelt auf die Antigen-Antikörper-Bindung gebracht wird. Dieser Farbstoff fluoresziert im ultravioletten Licht gelbgrün. Tritt nun nach Durchführung dieser Reaktion eine deutliche gelbgrüne Färbung aus dem Antigen-Antikör- per-Komplex auf, so ist die Reaktion als positiv zu bewerten. Bleibt sie aus, und nimmt der Parasit eine rötliche Gegenfärbung an, ist die Reaktion negativ ausgefallen.
Der indirekte Hämagglutinationstest (IHAT) verwendet ebenfalls einen Vermittler, um eine Antigen-Antikörper-Reaktion sichtbar werden zu lassen. Als Träger des „gelösten" An- tigens werden Säugetier-Erythrozyten verwendet, die nach einer „Fixierung" durch Glutar- aldehyd oder Tannin aufnahmefähig werden. Diese Erythrozyten haben somit gleichsam die Eigenschaften der Parasiten und agglutinieren in Anwesenheit des zugehörigen spezifischen Antikörpers. Der IHAT, der in kleinen Reagenzröhrchen oder Mikrotiterplatten durchgeführt wird, ist positiv, wenn sich die Erythrozyten gleichmäßig auf dem Boden vernetzen. Im nega- tiven Fall liegen die Erythrozyten knopfartig auf der Unterlage.
Indirekte Verfahren sind der Radioimmunoassay (RIA) und der Enzyme-Linked Immuno Sorbent Assay (ELISA), die in Bezug auf die Empfindlichkeit die vorher erwähnten Verfahren häufig übertreffen und noch geringste Mengen von Antigen/Antikörpern erfassen.
Beim RIA wird einer der beiden Reaktionspartner mit einem Radioisotop, beim ELISA mit den Enzymen Peroxidase oder alkalische Phosphatase gekoppelt. Wegen des geringeren tech- nischen und finanziellen Aufwands hat der ELISA Eingang in die Routinediagnostik gefunden, während der RIA Spezialuntersuchungen vorbehalten bleibt.
Beim ELISA wird das Antigen an einen Träger (Polystyrol) gekoppelt. Daraufhin wird das auf Antikörper zu prüfende Serum zugesetzt. Das Sorbens (Polystyrol) führt durch Auswa- schen zur Trennung des freien, vom Immunkomplex gebundenen Enzyms, das daraufhin (mit einem Farbindikator versetzt) photometrisch bestimmt wird.
Die immunbiologischen Methoden stellen wichtige Verfahren dar, um auch einen latenten Parasitenbefall zu erkennen. Die Spezifität der Ergebnisse hängt von der Reinheit der Rea- genzien ab, die bei gelösten Antigenen häufig nicht befriedigt. Hinzu kommt, dass insbeson- dere Helminthen sehr komplex sind; daher gibt es häufig nur Gruppenreaktionen und keine artspezifischen Ergebnisse (d. h. nur für Trematoden oder Cestoden oder Nematoden). Die derzeitige Forschung versucht, diese Mängel durch Reinigung der Antigene zu beseitigen. Weit spezifischer, aber für den Routinegebrauch meist zu kompliziert, sind molekularbiologische Techniken. So reicht z. B. bei der sog. PCR (engl. polymerase chain reaction; Polymeraseketten- reaktion) extrem wenig antigenes Material (DNA) aus, um dennoch einen exakten Nachweis zu führen.
In zahlreichen Wirt-Parasit-Beziehungen kommt es zur Ausbildung von spezifischen Antikörpern, die zu einer mehr oder minder starken Immunisierung führen. Bei dieser „erworbenen Resistenz" (acquired immunization) handelt es sich um eine auf der Anti- körperproduktion beruhenden Widerstandsfähigkeit eines infizierten Organismus gegen
einen weiteren Befall mit der gleichen Erregerart (Superinfektion), solange die Erstinfektion besteht. Diese Infektionsimmunität, die früher auch als Präimmunität bzw. Prämunition be- zeichnet wurde, ist für die Mehrzahl der Parasitosen die charakteristische Form der Immuni- tät, die bei (allerdings wenigen) Arten einen Neubefall durch die gleiche Parasitenart generell verhindern kann (z. B. bei Theileria parva) oder doch zumindest milder verlaufen lässt (z. B.
Schistosomen). Dieser Vorgang darf nicht verwechselt werden mit der ererbten Resistenz, die bestimmte Wirte gegen bestimmte Erreger unempfänglich macht oder aber einzelne Stämme einer Parasitenart unempfindlich gegen Insektizide oder Chemotherapeutika werden lässt.
Insbesondere letztere Erscheinungsform der Resistenz gewinnt in jüngster Zeit eine immer größere Bedeutung, z. B. bei der Therapie der Malaria oder bei der Bekämpfung von Nah- rungsmittelschädlingen.​