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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen

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Was sind Einzeller (Protozoa/Protisten)?
Das Wissen um die Entstehung der Lebewesen auf dieser Erde und um ihre verwandtschaftlichen Beziehungen hat sich in den letzten Jahren durch den Einsatz verschiedener genetischmolekularbiologischer Methoden um Dimensionen erweitert, die vor Jahren noch undenkbar waren. Dennoch bleiben viele Fragen weitgehend offen, und die heute aufgestellten Systeme sind prinzipiell mit ähnlichen Fehlern behaftet wie die älteren. Sicher ist nur, dass bei den niederen Gruppen die Grenze zwischen Tier- und Pflanzenwelt (systematisch: Reiche Animalia, Plantae) aufgehoben wurde und die alten Namen Animalcula (kleine Tiere, van Leeuwenhoek 1676), Archaezoa (ursprüngliche Tiere, Petry 1892), Protozoa (Ur-, Vortiere, Goldfuß 1818), Protoctista (erste Tiere, Hogg 1861) oder auch Protista („Zellinge", Haeckel 1866) eigentlich nicht mehr auf die heutigen Verhältnisse zu übertragen sind. Am ehesten könnte noch der Begriff Protista die Ansprüche erfüllen, denn er schließt die klassischen Protozoen, einzellige autotrophe Organismen und auch einzellige Pilze ein. Allerdings wären hier wieder einige mehrzellige Gruppen, wie z. B. die Myxozoa, ausgeschlossen, die einige Autoren dann als durch ihren Parasitismus dedifferenzierte echte Vielzeller (Metazoa) - etwa aus der Gruppe der Nesselkapseln besitzenden Hohltiere (Coelenterata, Cnidaria) - einstufen.
Obwohl der Ursprung der ersten Eukaryoten (Organismen mit echtem Zellkern) natürlich ein Geheimnis ist und vermutlich auch bleiben wird, geht man davon aus, dass dieser Prozess durch Fusion verschiedener Prokaryoten geschehen ist. So sollen nacheinander die vorher als eigene Lebewesen existierenden Strukturen Kern, Mitochondrien, Peroxisomen, Hydrogeno- somen in andere eingedrungen und in dauerhafter Symbiose verblieben sein. Danach erfolgten die unterschiedlichsten Anpassungen, sodass heute viele Strukturen als konvergent eingestuft werden müssen und eben nicht Ausdruck einer tatsächlichen Verwandtschaft sind.
Bei den Protozoen (Urtiere, Vortiere) handelt es sich um Lebewesen, die alle Lebensfunktionen - Nahrungsaufnahme, Stoffwechsel, Exkretion, Reproduktion, Reizbarkeit, Motilität etc. - in einer Zelle vereinigen. Die Protozoen sind Eukaryoten, die artspezifisch einen, zwei oder relativ wenige Kerne besitzen. Zwar kann Polyploidie auftreten, jedoch ist Vielkernigkeit auf wenige Phasen des Entwicklungszyklus beschränkt. Die Zellbegrenzung stellt stets eine Zellmembran dar. Diese wie auch die zahlreichen Zellorganellen (endoplasmatisches Retikulum, Mitochondrien, Golgi-Apparate, Vakuolen, Ribosomen, Basalapparate, Zentriolen, Axonemen, Flagellen, Zilien, Lysosomen, Mikrotubuli, Filamente etc.) können bei den einzelnen Protozoengruppen in unterschiedlichster Weise auftreten. Ihre Anordnung und Spezialisierung dienen zur Diagnose insbesondere der parasitischen Formen. Die meist sehr schnelle Teilungsrate der Protozoen führt bei parasitischen Formen häufig zur Überschwemmung von Wirten und damit einhergehend zu bedeutsamen Erkrankungen.
Die parasitischen Protozoen haben viele Strategien entwickelt, um im Freien zu überleben (z. B. Zystenbildungen bei oralen Infektionsrouten) und/oder auf einen neuen Wirt übertragbar zu sein (z. B. Anpassung im Stoffwechsel und in der Körperform an einen blutsaugenden Ektoparasiten). Hierbei sind bei einigen Arten extrem starke Spezialisierungen (Wirtsspezifitäten) entstanden; ein Überleben dieser Formen ist nur durch massenhafte Produktion von Nachkommen zu garantieren. Aus der Vielzahl der in der Natur verwirklichten Wirt-Parasiten-Verhält-

nisse werden im Folgenden einige typische protozoäre Parasiten des Menschen und der Tiere (unter Vernachlässigung der Pflanzen als Wirte) ausgewählt und in Grundzügen dargestellt.

Trichomonas vaginalis (Trichomoniasis)
Name: Griech.: trichos = Härchen; monas = einfaches Wesen. Lat.: vagina = Scheide.

Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit verbreitet, insbesondere bei häufigem Partnerwechsel mit ungeschütztem Verkehr und Simultaninfektionen mit Pilzen und Bakterien, man schätzt Befall bei mehr als 500 Millionen Menschen.

Biologie/Morphologie: T. vaginalis (Abb. 3.1) gehört zur Gruppe der Flagellaten innerhalb der Einzeller. Dieser Parasit misst etwa 10-25 ^m und ist durch ein deutliches Axostyl und vier freie sowie eine Schleppgeißel charakterisiert, die nur bis zur Zellmitte reicht. Der Kern, der ein homogenes Zytoplasma aufweist, ist bei ungefärbten, schnell beweglichen Trophozoiten unsichtbar und liegt am vorderen Ende unmittelbar unter den Geißelansätzen. Die Ernährung erfolgt durch Phagozytose von Bakterien, die sich auf der Schleimhaut des Urogenitalsystems sowohl des Mannes als auch der Frau befinden. Unter bestimmten Bedingungen, die noch nicht ganz geklärt sind (evtl. pH-Schwankungen, Bakterienüberangebot, Verpilzung etc.) beginnt dieser Einzeller sich sehr stark durch eine längs verlaufende Zweiteilung zu vermehren. Zystenartige Dauerstadien treten nicht auf; die Parasiten selbst können im Freien nur kurze Zeit überleben.

Symptome der Erkrankung (Trichomoniasis): Die Inkubationszeit kann wenige Tage bis mehrere Wochen betragen. Die meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch oder gehen mit leichtem Brennen beim Wasserlassen und häufigem Harndrang einher. Bei der Frau kann ein weißlich-gelblicher, häufig etwas schaumiger vaginaler Fluor auftreten. Bei aufsteigenden Infektionen (engl. pelvic inflammatory disease) muss immer auch an andere Erreger gedacht werden. Beim Mann ist der Ausfluss aus der Harnröhre meist gering. Bei Prostatitis und Epididymitis müssen ebenfalls andere Krankheitserreger in Erwägung gezogen werden.

Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der frei beweglichen Trophozoiten im Schleim bzw. Ausfluss, der mit einem Tropfen 0,85%iger NaCl-Lösung verdünnt bzw. in einer Kultur „bebrütet" wurde. Die Giemsa-Färbung zeigt ein bläuliches Zytoplasma, während Kern, Axostyl und Geißeln rot erscheinen. Für die Differenzialdiagnose ist ihre Unterscheidung von Leukozyten wichtig. Der Nachweis von latenten Infektionen mit serologischen Verfahren (KBR, IIFT, IHA sowie ELISA) zeigte hohe Erfolgsquoten.

Infektionsweg: Die Übertragung erfolgt nahezu ausschließlich beim Geschlechtsakt, da die Trophozoiten im Freien - insbesondere in „gechlortem (44 mg/l) Wasser" - nicht lebensfähig sind. Vorsicht: Bei Verwendung von Wäscheschleudern in Schwimmbädern könnten Schleimpfropfen mit Trichomonaden in die eigene Badehose und so in/an die Genitalschleimhäute gelangen.

Prophylaxe: Keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr mit unbekannten Personen durchführen. Vorsicht beim Trocknen von Badehosen in Wäscheschleudern in öffentlichen Schwimmbädern.

Inkubationszeit: 4-24 Tage.

Präpatenz: 4-20 Tage.

Patenz: Monate bis Jahre bei mangelnder Hygiene bzw. Reinfektion (Ping-Pong-Typ) seitens des evtl. symptomlosen Partners.

Therapie: Die Behandlung muss unbedingt beide Geschlechtspartner einbeziehen, da es sonst zu Neuinfektionen kommt. Unter Berücksichtigung des häufig gleichzeitigen Befalls mit Pilzen (Candida-Arten) und verschiedenen Bakterien gelten Nitroimidazole, z. B. Metronidazol, als Mittel der Wahl: entweder 2 g als Einmaldosis oder (vor allem bei Therapieversagen) 2 x 500 mg tgl. über 7 Tage; evtl. kombiniert mit Vaginaltabletten (100 mg Metronidazol tgl.).


Flagellaten des Darms
Im Dickdarm und Zäkum des Menschen tritt eine Reihe apathogener Flagellaten auf, die, wie u. a. aus den Untersuchungen von Brugerolle (1976) hervorgeht, alle im Stuhl Zysten bilden können. Ihre Anzahl ist relativ gering, sodass sie meist erst bei Einsatz eines Anreicherungsverfahrens nachzuweisen sind (Abb. 3.2):

Pentatrichomonas hominis: 8-20 ^m lang, 4, häufig 5 vordere Geißeln, eine Schleppgeißel mit undulierender Membran wird am Hinterende frei; Achsenstab vorhanden.

Enteromonas hominis: 5-10 ^m lang, 3 freie vordere Geißeln, eine Schleppgeißel ohne undulierende Membran; ohne Achsenstab.

Chilomastix mesnili: 6-24 ^m lang, 3 vordere Geißeln, eine kurze Schleppgeißel verläuft in ganzer Länge in einem zytostomalen Kanal; ohne Achsenstab.

Retortamonas intestinalis: 4-9 ^m lang; eine vordere Geißel und eine Schleppgeißel, die aus einem Zytostom hervorragt; ohne Achsenstab.

Dientamoeba fragilis: wird in Abschnitt 3.10.2 ausführlich besprochen.

Trichomonas tenax

Name: Griech.: trichos = Haar, Fädchen; monas = einfaches Wesen. Lat.: tenere = halten, festhalten.

Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, weit verbreitet bei ungenügender Mundhygiene.


Abb. 3.2 Schematische Darstellung von Flagellaten des Darms: a, b) Chilomastix mesnili; c, d) Pentatrichomonas hominis; e, f) Retortamonas; g, h) Enteromonas hominis; i, j) Dientamoeba fragilis. AX = Axostyl; B = Basalapparat; CO = Costa; F = Flagellum; N = Zellkern, Nukleus; NV = Nahrungsvakuole; RA = Reste des Axostyls; RF = Schleppgeißel; RFI = Schleppgeißel in einer Invagination; ZW = Zystenwand.

Biologie/Morphologie: T. tenax tritt lediglich in der vegetativen Form auf (bildet somit angeblich keine Zysten) und erreicht im Mund eine Länge von etwa 5-16 ^im. Diese Formen besitzen vier vordere Geißeln und eine Schleppgeißel, die etwas hinter der Mitte endet. Die Vermehrung der birnenförmigen Trophozoiten erfolgt durch wiederholte Längsteilungen. Als Ernährungsgrundlage dienen phagozytierte Bakterien der Mundflora sowie Zuckerbeläge. Eine Darmpassage wird offenbar nicht überlebt, ebenso wenig ist eine Ansiedlung in der Vagina möglich. Im Mund kann es jedoch zu einer Massenvermehrung bei fehlender Hygiene kommen. Befallsraten von mehr als 50% sind dann häufig.

Symptome der Erkrankung: Fehlen; offenbar ist dieser Flagellat weitgehend apathogen, obwohl er schon mehrfach in der Lunge und in der Trachea beobachtet wurde.

Diagnose: Mikroskopischer Nachweis im aufgeschlämmten (0,85% NaCl) Zahnbelag.

Infektionsweg: Oral, bei Benutzung gemeinsamer Trinkgefäße von Personen mit reduzierter Mundhygiene; ebenso beim Küssen.

Prophylaxe: Mundhygiene durch Zähneputzen.

Inkubationszeit: Unbekannt.

Präpatenz: Unbekannt.

Patenz: Monate bei fehlender Mundhygiene.

Therapie: Nicht notwendig bei entsprechender Mundhygiene.

Entamoeba gingivalis

Name: Griech.: enteron = Darm; amoibe = Wechsel. Lat.: gingiva = Zahnfleisch.

Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, häufig, aber meist unbemerkt.

Biologie/Morphologie: E. gingivalis wird etwa 5-30 ^m groß und findet sich speziell im Zahnbelag bei mehr als 50% der Menschen. Diese Amöbe ist durch ein deutliches Ektoplasma charakterisiert. Das Chromatin des Kerns ist etwas gleichmäßiger am Rand als bei E. histolytica verteilt; der Nukleolus sitzt ebenfalls zentral. Im Endoplasma treten häufig Vakuolen mit in Lyse befindlichen Leukozyten auf, insbesondere bei Zahnfleischentzündungen. Die „normale" Nahrung sind Bakterien des Zahnbelags. Zysten werden nicht ausgebildet, und die Darmpassage wird nicht überlebt. Daher muss die Übertragung durch direkten Mund-zu-Mund-Kontakt erfolgen.

Symptome der Erkrankung: Keine, obwohl von einigen Autoren eine Beteiligung an Kieferabszessen vermutet wird.

Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der Trophozoiten im aufgeschlämmten (0,85% NaCl) Zahnbelag.

Infektionsweg: Oral, durch Mundkontakt bzw. kontaminierte Trinkgefäße und Löffel etc.

Prophylaxe: Mundhygiene; sauberes Geschirr verwenden.

Inkubationszeit: Unbekannt.

Präpatenz: Unbekannt.

Patenz: Monate bis Jahre bei fehlender Mundhygiene.

Therapie: Nicht notwendig; lediglich Mundhygiene verbessern.

Giardia lamblia (syn. G. duodenalis bzw. intestinalis; Giardiasis)
Name: Benannt nach zwei Forschern: Alfred Giardi (1846-1908); W. D. Lambl (18411895).

Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, besonders gehäuft in den Tropen; es wird geschätzt, dass mehrere Hundert Millionen Menschen befallen sind, dass aber meist nur bei Immunsuppression deutliche Symptome auftreten.

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Biologie/Morphologie: G. lamblia-Trophozoiten sind in der Aufsicht von drachenartiger Gestalt und leben im Dünndarm, wobei diese Parasiten sich mit ihrer konkaven Bauchseite an den Mikrovilli der Darmepithelzellen festheften (Abb. 3.3). Der birnenförmige Trophozoit erreicht eine Länge von etwa 20 ^m, eine Breite von 7-10 ^m und ist durch den Besitz von 2 gleich großen Kernen sowie 8 freien Geißeln gekennzeichnet. Die Vermehrung erfolgt durch eine längs verlaufende Zweiteilung. In bestimmten Phasen der Infektion bildet G. lamblia Zysten mit 4 Kernen aus. Diese etwa 10-14 ^m großen, ovoiden Zysten gelangen mit den Fäzes ins Freie. Es werden bei Menschen und Tieren verschiedene Genotypen unterschieden, von denen die Typen A und B sowohl bei Menschen als auch bei Tieren vorkommen und wohl auch wechselseitig übertragen werden.
Symptome der Erkrankung (Giardiasis): Häufig bleibt eine Infektion symptomlos. Aus noch nicht ganz geklärten Gründen (Zusammenhang mit anderen Darmirritationen, Erregervarianten mit unterschiedlicher Pathogenität, erregerinduzierter Disac- charidasemangel der Duodenalmukosa, mangelnde Produktion von Immunglobulin A,
T-Zell-Defekte) kann es nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen bis mehreren Wochen zu Abgeschlagenheit, Übelkeit, krampfartigen Bauchschmerzen, Auftreibung des Abdomens, Flatulenz und wechselnden Diarrhöen mit teils profus wässrigen, teils sehr voluminösen und etwas schaumigen Entleerungen kommen. Die Stühle sind nicht eitrig (enthalten also keine Leukozyten), zudem nicht schleimig und nicht blutig, nur ausnahmsweise sind geringe Blutspuren nachweisbar. Bei ausgeprägter Diarrhö finden sich im Stuhl dann auch zahlreiche vegetative Stadien des Erregers, die allerdings im Freien nicht überleben können.
Bei chronischer Infektion, vor allem bei HIV-Patienten oder bei Kindern in den Tropen, können anatomische und funktionelle Veränderungen der Zotten und Krypten zur Malabsorption führen. Unterernährung und Giardiasis bedingen sich gegenseitig. Gelegentlich kommt es zur Invasion der Gallenwege. Instrumentelle Eingriffe mit Sondierung und Kontrastmittelfüllung der Gallenwege und des Ductus pancreaticus können ausgeprägte Entzündungen und gelegentlich eine schwere Pankreatitis durch Giardia lamblia zur Folge haben. Alles zusammen führt bei Kindern oft zu Entwicklungsverzögerungen. Bei HIV- Patienten können lebensbedrohliche massive Diarrhöen induziert werden.
Diagnose: Der Nachweis der Trophozoiten erfolgt im Frischpräparat und im gefärbten Ausstrich (Heidenhain-, Trichrom- oder Lawless-Färbung), am besten aus frischem und sofort untersuchtem Stuhl (Eigenbeweglichkeit im Frischpräparat!). Ist die Untersuchung von Durchfall-Stühlen nicht innerhalb einer Stunde und von geformten Stühlen nicht am selben Tag gewährleistet, sollte der Stuhl sofort nach dem Absetzen fixiert werden (PVA, MIF- oder SAFLösung), da sich die Trophozoiten rasch auflösen können. Zysten lassen sich im Gegensatz zu Trophozoiten auch in Stuhlproben nachweisen, die nicht frisch untersucht oder fixiert wurden. Zudem können sie unter Erhaltung ihrer Morphologie effektiv angereichert werden (MIF- oder SAF-Anreicherung). Die Ausscheidung von Zysten variiert jedoch häufig sehr und kann bei akuter Giardiasis mit dünnflüssigen Durchfällen völlig fehlen. Zum Ausschluss einer Giardiasis sollten daher mehrere (mindestens 3) Stuhlproben von verschiedenen Tagen auf Zysten und Trophozoiten untersucht werden. Gelegentlich lässt sich die Infektion nur durch den Nachweis von Trophozoiten in endoskopisch oder per Sonde gewonnenen Aspiraten bzw. Bürstenabstrichen (sofortige Untersuchung oder Fixierung wie oben) oder Biopsaten (nach Giemsa gefärbte Tupfpräparate und Histologie) aus dem Duodenum sichern. Die Wertigkeit immunologischer (IgM- und IgA-Antikörper; direkte Immunfluoreszenz oder Antigennachweis im Stuhl) und molekularbiologischer Methoden (PCR aus Stuhl) für die Individualdiagnostik ist derzeit noch nicht ausreichend validiert.
Infektionsweg: Oral, mit kontaminierter Nahrung bzw. Trinkwasser; wiederholte Infektionen möglich, da keine Immunität eintritt. Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme derartiger Zysten mit kontaminierter Nahrung oder Wasser, wobei sich auch die Verschleppung durch Fliegen als besonders wirkungsvoll erwies. Da die Typen A und B sowohl bei Menschen als auch Tieren auftreten, handelt es sich hier um eine Zoonose.
Prophylaxe: Reinlichkeit, Meiden bzw. Kochen von potenziell kontaminierter Nahrung bzw. Trinkwasser (Abkochen).
Inkubationszeit: 3-21 Tage (im Mittel etwa 1 Woche).
Präpatenz: 3-4 Wochen
Patenz: Evtl. Jahre.
Therapie: Die Behandlung erfolgt mit Metronidazol (3 X 400 mg tgl. über 5 Tage, Kinder 15 mg/kg KGW tgl.) oder anderen Nitroimidazolen; die Heilungsraten liegen bei ca. 90%. Albendazol (400 mg tgl. über 5 Tage) und Furazolidon sind ebenfalls wirksam. Nachkontrollen sind nur bei erneuten oder anhaltenden Beschwerden erforderlich. Allerdings sind alle diese Substanzen in der Schwangerschaft verboten, sodass dann eine symptomatische Behandlung erfolgen muss, z. B. mit der Aufnahme von viel Wasser und kohlenhydratreicher Nahrung, die „stopft". Reserve: 2 X 10 mg/kg KGW über 5 Tage.
Trypanosoma brucei-Gruppe (Afrikanische Trypanosomiasis)
Name: Griech.: trypanon = Bohrer; somo = Körper. Bruce = Name des engl. Forschers David Bruce (1855-1931).
Geographische Verbreitung/Epidemiologie: T. b. rhodesiense (Ostafrika), T. b. gam- biense (West- und Zentralafrika), mehrere Hunderttausend Fälle, Befallszahlen steigen aktuell.
Biologie/Morphologie: Beide Arten (Abb. 3.4, 3.5) sind morphologisch nicht voneinander zu unterscheiden. Im Blut dem Menschen treten sie als sog. trypomastigote Stadien auf, die sich frei im Blut mit einer Geißel fortbewegen, 15-40 ^im Länge erreichen und mit dem Speichel von Tsetsefliegen (Gatt. Glossina) bei der Blutmahlzeit in den Menschen injiziert werden. Mikroskopisch sind diese Trypanosoma-Stadien an einem abgerundeten Hinterende zu erkennen, an dem bei der Giemsa-Färbung der bläuliche, DNA-haltige Kinetoplast (= Teil des langen Mitochondriums) unter dem Basalapparat der Geißel erscheint, während hr Kern in der Zellmitte liegt. Durch einen sog. surface coat aus Proteinen und Mukopolysacchariden, dessen Zusammensetzung bei jedem Teilungsvorgang verändert wird, ist der Parasit weitgehend gegen die Antikörper des Wirts geschützt. Die Vermehrung erfolgt durch ständige Längsteilungen, die Ernährung durch anaerobe Glykolyse. Schlanke, trypomastigote Formen können auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden und sich im Liquor als trypomastigote Stadien oder im Hirn als amastigote Stadien (= mit einer extrem kurzen Geißel) vermehren. Einige der schlanken Blutformen wandeln
Abb. 3.4 Entwicklungszyklus von Trypanosoma brucei gambiense und T. b. rhodesiense (VSG-surface coat als Oberflächen-Striche dargestellt).
Schlanke, trypomastigote Blutform. Diese diploiden Stadien dringen später auch in die Zerebrospinalflüssigkeit ein.
Nach einigen Autoren (Soltys, Woo 1968; Ormerod, Venkatesan 1971) treten 48 h nach Infektion des Menschen a- bzw. mikromastigote Formen in der Chorioidea auf.
Umwandlung über „sphäromastigote Formen" zu schlanken Blutformen.
Intermediäre Form mit einem Mitochondrium mit Cristae. Hier erfolgt eine intensive Vermehrung durch Längsteilung des Parasiten.
Gedrungene, trypomastigote Blutformen mit zahlreichen Cristae im Mitochondrium. Nur dieses Stadium entwickelt sich in der Tsetsefliege weiter.
Trypomastigotes Stadium ohne surface coat im Kropf der Fliege. Dieser Aufenthalt (mind. 1 h) ist obligat, da hier das Mitochondrium umstrukturiert wird. Als sog. prozyklische (noch trypomasti- gote) Form mit Procyclin-surface coat teilt sich dieses Stadium für etwa 10 Tage im Mitteldarm und wandert dann auf noch nicht ganz geklärtem Weg (vermutlich vorwiegend) durchs Darmepithel bzw. durch Aufsteigen innerhalb der Speicheldrüsengänge in das Innere der Speicheldrüse. Der Kineto- plast und die Geißel sind bei dieser prozyklischen Form dichter an den Zellkern herangerückt.
Transformation zur epimastigoten Form während ständiger Längsteilungen im Inneren der Speicheldrüse.
Epimastigote Form mit einem Mitochondrium, das ein aktives Cytochrom-System aufweist. Hier findet auch die Reduktion zu haploiden Stadien statt. Danach erfolgt - in welcher Weise auch immer - die Fusion zu diploiden Stadien.
Metazyklische = infektionsfähige trypomastigote Form in der Speicheldrüse. Dieses Stadium besitzt wieder einen VSG-surface coat, und das Mitochondrium wird in der Ausdehnung reduziert. DNA-Messungen zeigen, dass diese sich in der Speicheldrüse nicht teilenden Stadien diploid sind und dies auch im Wirbeltierwirt bleiben. Auch die weiteren Stadien des Zyklus sind diploid. Für die gesamte Entwicklung werden temperaturabhängig etwa 25-30 Tage benötigt. Die Tsetsefliegen bleiben lebenslang (etwa 3 Monate) übertragungsfähig und können bis zu 50 000 metazyklische Stadien beim Stich injizieren - etwa 500 reichen allerdings bereits für eine sichere Infektion aus.
DS = entstehender, bei Übertragung voll ausgebildeter VSG-SC; F = Geißel; KF = Kurzflagellum; KI = Kinetoplast; MI = Mitochondrium; N = Nukleus, Kern; SC = surface coat.

sich bei Teilungen unter Umstrukturierung des Mitochondriums zu gedrungenen (engl. stumpy) Formen um. Nur diese Stadien sind in der Lage, sich nach dem neuerlichen Blutsaugakt in der Tsetsefliege weiterzuentwickeln. Im Kropf und später im Darm der Fliege bilden sie sich zu epimastigoten Stadien um, die den Ansatzpunkt der Geißel hinter der Zellmitte und somit vor dem Zellkern aufweisen. Diese sog. epimastigoten Stadien

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dringen schließlich nach Perforation der Darmwand in 20-40 Tagen zur Speicheldrüse vor, wo unter weiteren Teilungen schließlich die infektionsfähigen, durch den surface coat geschützten, trypomastigoten (= sog. metazyklische) Formen ausgebildet werden. Neben dem Menschen können auch noch sog. Reservoirwirte befallen werden. Dies sind bei T. b. gambiense Affen, Hunde, Schweine und Antilopen, bei T. b. rhodesiense Ziegen, Schafe, Rinder, Schweine und auch einige Antilopen. Dagegen entwickelt sich T. b. brucei, das die als Nagana bezeichnete Schlafkrankheit der Wiederkäuer auslöst, nicht im Blut des Menschen.

Symptome der Erkrankung (Trypanosomiasis, Trypanosomose):

Stadium

Furunkulöse Primäraffekte (sog. Trypanosomenschanker). Ödematöse Hautschwellungen treten an der Stichstelle für etwa 1-3 Wochen infolge der starken lokalen Parasitenvermehrung auf (zahlreiche Trypanosomen befinden sich in der Ödemflüssigkeit).

Fieber (bis etwa 39°C) von der 2. bis 4. Woche nach dem Stich infolge des Befalls des zirkulierenden Blutes durch Trypanosomen (Inkubationszeit). Die Parasiten sind erst jetzt im Ausstrich nachweisbar! Das Fieber kann 2-3 Wochen andauern und bald wieder verschwinden; dies hängt davon ab, wie schnell die meisten Parasiten von Antikörpern vernichtet werden. Neuerliche Parasitenvermehrungen mit nachfolgender Zerstörung führen zu weiteren Fieberschüben (bis 41°C), die unregelmäßig auftreten und nur im Fall von T. brucei rhodesiense-Infektionen mit Schüttelfrost verbunden sein können (s. auch Malaria).

Lymphknotenschwellungen (Polyadenitis) infolge der Verbreitung der Erreger über das Lymphsystem zum Zeitpunkt ihres ersten Auftretens im Blut. Besonders charakteristisch sind Schwellungen im Bereich des seitlichen Halsdreiecks. Bei Infektionen mit T. brucei rhodesiense haben Lymphknotenschwellungen allerdings kaum Bedeutung!
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Stadium:
Befall des Zentralnervensystems bei T. b. rhodesiense nach etwa 3 Monaten, bei T. brucei gambiense allerdings erst nach 9-18 Monaten. Hier kommt es zu einer fortschreitenden Meningoenzephalitis, die ohne Behandlung tödlich verläuft. Daher muss überprüft werden, ob sich im Liquor bereits Parasiten befinden, zumal zu diesem Zeitpunkt nur noch wenige Formen im Blut auftreten und eine andere Therapie notwendig ist. Das unbehandelte Endstadium der Trypanosomiasis ist durch die namensgebende Schlafsucht charakterisiert. Bei der Infektion mit T. brucei rhodesiense, die erheblich heftiger verläuft und oft in weniger als 6 Monaten zum Tod führt, tritt der Exitus häufig schon vor dem Erscheinen von zerebralen Symptomen infolge eines Herzversagens bei Myokarditis ein.
Diagnose: In Anbetracht der ernsten Prognose und der differenten Therapie sollte stets versucht werden, die Diagnose durch den Nachweis von Trypanosomen zu sichern. Dies ist möglich in der Ödemflüssigkeit des sog. Trypanosomenschankers (Punktion oder Skarifizierung), im Blut, in Lymphknotenpunktaten (bes. bei T. b. gambiense), im Knochenmark und im Liquor. Die Trypanosomen können in Nativpräparaten (sofortige Untersuchung) bereits bei mittlerer Vergrößerung an ihrer lebhaften Beweglichkeit erkannt werden. Die Struktur der morphologisch identischen afrikanischen Trypanosomen ist am besten in nach Giemsa gefärbten Ausstrichen (von Blut und Punktaten) zu erkennen. Im Dicken Tropfen ist die Morphologie häufig schlecht erhalten und eine Identifikation erschwert. Die Parasitämie verläuft in der Regel wellenförmig und ist nach dem Abklingen des akuten fieberhaften 1. Stadiums meist gering, sodass wiederholte Untersuchungen und Anreicherungsverfahren erforderlich sind. Einfache Anreicherungsverfahren sind die Differenzialzentrifugation und die Mikrohämatokritmethode, bei der die Trypanosomen (und auch Mikrofilarien) nach Zentrifugation (5 min bei > 10 000 g) in der direkt an der Zellsäule angrenzenden Plasmaschicht an ihrer Bewegung zu erkennen sind (Betrachtung durch die Glaswand der Hämatokritkapillare bei schwacher und mittlerer Vergrößerung) oder die QBC-Methode. Die effektivste Anreicherung und sensitivste Diagnostik ist mit der Ionenaustauschchromatographie nach Lanham zu erreichen. Dabei werden die Blutzellen in einer mit 2-10 ml Diethylaminoethylzellulose gefüllten Miniatursäule (z. B. mit Gaze abgedichtete Plastikspritze) zurückgehalten, während die Trypanosomen aufgrund ihrer unterschiedlichen Oberflächenladung in einem Phosphat-Glukose-Puffer (pH 8) eluieren und nach Zentrifugation quantitativ angereichert sind. Je nach Säulenvolumen können damit 0,2-1 ml (oder mehr) Blut untersucht werden. Vor allem bei T. b. rhodesiense ist auch eine Isolierung im Tierversuch möglich (i. p. Verimpfung von 0,5 ml Blut auf Nager); Trypanosomen können nach 3-9 Tagen im Blut der Tiere nachgewiesen werden. In jedem Fall muss zudem eine Liquoruntersuchung durchgeführt werden, um festzustellen, ob ein Befall des ZNS vorliegt. Hierzu wird Liquor sofort nach Abnahme zentrifugiert (10 min bei 900 g) und im Nativpräparat des Sediments nach beweglichen Trypanosomen gefahndet. Auch wenn keine Trypanosomen nachweisbar sind, ist bei gesicherter extrazerebraler Trypanosomiasis und einer Pleozytose (> 5 Zellen/pl) mit Eiweißvermehrung (> 40 mg/dl) eine ZNS-Invasion anzunehmen.
IgG- und meist auch IgM-Antikörper sind außer während der ersten 10-14 Tage der Erkrankung in der Regel nachweisbar (IFT, ELISA, CATT); falsch negative und falsch positive Ergebnisse kommen jedoch vor. Bei ZNS-Invasion lässt sich häufig eine autochthone IgG- und IgM-Antikörperbildung im Liquor nachweisen. Im Serum - und bei ZNS-Invasion auch im Liquor - findet man eine z. T. erhebliche Vermehrung des Gesamt-IgM.
Infektionsweg: Perkutan beim Stich (= salivare Infektion) beider Geschlechter der blutsaugenden Tsetsefliegen der Gatt. Glossina (s. Abb. 5.66). Achtung: Infektionen sind auch bei Bluttransfusionen möglich.
Prophylaxe: Auftragen von Repellentien (Doctan®, Viticks-Cool-Plus®) auf die Haut und Kleidung in entsprechenden Gebieten Afrikas.
Inkubationszeit: Nach 1-21 Tagen bildet sich um die Stichstelle ein lokales Ödem (Primäreffekt). Nach 3 Wochen beginnt Fieber. Zerebrale Ausfallserscheinungen: 3 Monate bei T. b. rhodesiense, 9-12 Monate bei T. b. gambiense.
Präpatenz: Nach 1-3 Wochen finden sich Parasiten im Bereich der Stichstelle.
Patenz: Jahre bei chronischem Befall.
Therapie: Mittel der Wahl im 1. Stadium ist Suramin (Testdosis von 100 mg wegen gelegentlicher Idiosynkrasie; dann 20 mg/kg KGW täglich i. v. am Tag 1, 3, 7, 14 und 21. Gesamtmaximaldosis 5 g. Vorsicht: Nebenwirkung Nephrotoxizität). Bei Unverträglichkeit oder Resistenz: Pentamidin 4 mg/kg KGW täglich i. m. oder i. v. über 7-10 Tage (Wirkung auf T. b. rhodesiense unsicher). Medikamente im 2. Stadium: Melarsoprol (hohe Toxizität) und Eflornithin (im 2. Stadium von T. b. rhodesiense-Infektionen nicht zuverlässig). Die maximale Einzeldosis Melarsoprol soll pro Tag 3,6 mg/kg KGW nicht übersteigen (Gabe 3-4 Tage, dann 5-6 Tage Pause, dann 3-4-malige Wiederholung des Zyklus. Eflornithin: Therapieschema: für 14 Tage täglich 4 x (alle 6 h!) 100 mg/kg KGW). Achtung: Ohne Therapie verläuft die Trypanosomiasis faktisch immer tödlich. Die Letalität während der Behandlung erreicht trotzdem bis zu 15%.
3.6 Südamerikanische Trypanosomen
Trypanosoma cruzi (Chagas-Krankheit)
Name: Griech.: trypanon = Bohrer; soma = Körper. Der Artname cruzi wurde zu Ehren von Oswaldo Cruz (1872-1917) gewählt. Engl. Chagas disease: Carlos Chagas (1879-1934) - ein brasilianischer Forscher.
Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Kalifornien, südl. USA; Süd- und Mittelamerika: Mexiko bis Argentinien und Nordchile; etwa 50-80 Millionen Befallene, aktueller Rückgang durch Wanzenbekämpfungsprogramme.
Biologie/Morphologie: Die Infektion des Menschen und zahlreicher Reservoirwirte eines sylvatischen Zyklus (z. B. Gürteltier, Opossum, Hund, Katze, Affen, Nagetiere) erfolgt beim Stich von blutsaugenden Raubwanzen, u. a. der Gattung Triatoma und Rhodnius (s. Abb. 5.49). Im Gegensatz zu den afrikanischen Trypanosomen erfolgt die
Abb. 3.6 Entwicklungszyklus von Trypanosoma cruzi.
. A- bzw. mikromastigotes Stadium direkt im Zytoplasma von verschiedenen Wirtszellen, z. B. RES- Zellen, Herzmuskel. Diese Stadien vermehren sich durch Zweiteilung so stark, dass zystenartige „Nester" entstehen (sog. Pseudozysten).
.-3. Transformation zur trypomastigoten Form, die einen surface coat besitzt (via epimastigote Stadien).
Trypomastigote Form im Blut nach Aufreißen der Wirtszelle. Dieses Stadium wird von den Raubwanzen beim Stich aufgenommen.
Nach Stich kontinuierliche Umwandlung zur epimastigoten Form während häufiger Längssteilungen im Mitteldarm der Raubwanze.
Epimastigote, teilungsaktive Form im Enddarm der Wanze.
Metazyklische = übertragungsbereite, trypomastigote Form aus dem Rektum der Wanze. Dieses sich nicht mehr teilende Stadium vollzieht eine Veränderung im Aufbau seines surface coats, der in allen Stadien zwar gleich dünn, aber chemisch anders strukturiert ist. Aus abgesetzten Kottropfen der Wanze dringt es durch den Stichkanal oder direkt über Schleimhäute in den Wirbeltierwirt ein.
DS = entstehender SC; F = Geißel; HC = Wirtszelle; KI = Kinetoplast; MI = Mitochondrium; N = Nukleus; NH = Kern der Wirtszelle; SC = surface coat; SF = Kurzflagellum; cone nosed bugs = Raubwanzen.

Übertragung hier allerdings nicht durch den Speichel, sondern die trypomastigoten Stadien sind in Kottröpfchen enthalten (Abb. 3.6, 3.7). Die Wanzen setzen diese vor oder bei der Blutmahlzeit ab, verschleppen sie selbst in die Stichwunde, oder die Wirte kratzen sich die Erreger ein. Im Blut erscheinen diese trypomastigoten Stadien C- oder S-förmig und erreichen 15-20 ^im Länge. Sie dringen sehr bald in die Zellen des Wirtes (besonders in Makrophagen, Muskel-, Nervenzellen) ein und vermehren sich direkt im


Zytoplasma durch ständige Zweiteilungen, wobei sie zunächst als amastigote, später als epimastigote und schließlich wieder als trypomastigote Stadien erscheinen. Diese befallenen Wirtszellen werden auch als Pseudozysten bezeichnet, gehen aber während der Vermehrungsphase der Parasiten zugrunde, sodass ganze Organe (z. B. Herz) große Gewebeverluste erleiden. Die Vermehrung verläuft schleichend über mehrere Jahre und bleibt vom Körper - wegen des vorwiegend intrazellulären Aufenthalts - weitgehend unbemerkt. Nimmt eine Wanze trypomastigote Stadien mit dem Blut auf, heften sich diese an ihrer Mitteldarmwand fest, wandeln sich zu epimastigoten Formen um und vermehren sich intensiv durch eine längsverlaufende Zweiteilung. Am Hinterende des Wanzendarms angelangt, erfolgt die Umstrukturierung zur infektiösen, trypomastigoten (= metazyklischen) Form.

Symptome der Erkrankung (Chagas-Krankheit; amerikan. Trypanosomiasis): Man unterscheidet eine akute und eine chronische Phase der Erkrankung. Nach der Inokulation vermehren sich die Erreger zunächst fokal und rufen eine starke Entzündungsreaktion hervor (Chagom). Häufig ist das Gesicht in Augennähe betroffen: Es kommt zur Rötung und Schwellung der Wange, der Augenlider und der Bindehaut des betroffenen Auges (Romana-Zeichen). Der präaurikuläre Lymphknoten kann anschwellen. Nach 1- bis 3-wöchiger Inkubationszeit beginnt die hämatogene Verbreitung der Erreger, die charakterisiert sein kann durch Fieber, Lymphknotenschwellungen, Hepatosplenomegalie sowie Ödeme im Gesicht und an den Beinen. Besonders bei Kindern tritt gelegentlich eine Myokarditis oder eine Meningoenzephalitis auf, die bereits in der akuten Phase zum Tod führen können. Ansonsten verlieren sich all diese Symptome im Verlauf von Wochen bis Monaten. Achtung: In dieser Phase können die Parasiten im Blut leichter beobachtet werden (s. Anreicherungsverfahren). Hierbei handelt es sich um 15-20 ^im lange C- oder S-förmige trypomastigote Stadien, deren Kinetoplast sehr groß ist und am zugespitzten hinteren Zellpol liegt (Abb. 3.7 a). Diese Formen unterscheiden sich deutlich von apathogenen Stadien der Art T. rangeli, die ebenfalls von Wanzen übertragen werden.

In der chronischen Phase der Erkrankung, die über viele Jahre völlig symptomlos verlaufen kann (sog. Intermediärphase), treten Parasiten im Blut nur noch selten auf, da sie sich vorwiegend intrazellulär vermehren, bis die Folgen der Organläsionen als Chagas- Leiden manifest werden. Betroffen sind vor allem der Herzmuskel (Abb. 3.8) und das Reizleitungssystem mit entsprechenden schweren EKG-Veränderungen, aber auch die viszeralen Hohlorgane. Zur Frage der Pathogenese ist nicht geklärt, ob es sich um direkte Erregereinwirkung oder um einen Autoimmunmechanismus handelt. Die Kardiomyopathie, die vorwiegend den rechten Ventrikel betrifft, führt über akute und chronische Entzündungsschübe und Fibrosierung zur Kardiomegalie und häufig zu einem sog. Herzspitzenaneurysma. Die kongestive Kardiomyopathie endet meist innerhalb weniger Monate tödlich. Die Läsionen des Reizleitungssystems verursachen Überleitungsstörungen und Arrhythmien, die zum plötzlichen Herztod führen können. An Ösophagus und Kolon, aber auch an anderen Hohlorganen, führt die Zerstörung der Nervenzellen des Meißner'schen und Auerbach'schen Plexus zum Tonus- und Motilitätsverlust mit enormer Erweiterung (Megaösophagus, Megakolon) mit entsprechenden Komplikationen der Dysphagie und Obstipation. Diese Patienten können an Aspirationspneumonie oder Ileus zugrunde gehen.

Diagnose: Trypomastigote Formen lassen sich am ehesten während des akuten Stadiums direkt im Blut nachweisen. Im Frischpräparat fallen sie durch ihre Beweglichkeit auf. Die Details sind am besten im gefärbten Ausstrich zu beurteilen. Der Dicke Tropfen erbringt eine gewisse Anreicherung, die Morphologie ist jedoch meist erheblich beeinträchtigt. Oft sind zum Nachweis effektivere Anreicherungen erforderlich, wie Differen- zialzentrifugation oder Mikrohämatokritmethode (siehe T. b. gambiense/rhodesiense; die Lanham-Methode ist für T. cruzi weniger geeignet). Sehr effektiv ist die einfache Methode nach Strout: Man lässt 10-20 ml Blut gerinnen, zentrifugiert das Serum erst 5

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Abb. 3.7 Giemsa-gefärbtes Stadium von T. cruzi im Blutausstrich (a). REM-Aufnahme eines epimas- tigoten Stadiums aus dem Wanzendarm (b).


Minuten bei 150 g (Entfernung restlicher Erythrozyten), dann 10 Minuten bei 600 g; die beweglichen Trypanosomen sind im Sediment angereichert. Im akuten Stadium (bes. bei akuter Meningoenzephalitis) sind trypomastigote Stadien gelegentlich auch im Liquor zu finden.

In der chronischen Phase der Erkrankung gelingt ein direkter Nachweis meist nicht. In bis zu 50% der Fälle ist jedoch die Xenodiagnose erfolgreich. Hierzu lässt man 40 im

Labor gezüchtete, parasitenfreie Raubwanzen (3. und 4. Nymphenstadium) am Patienten Blut saugen (alternativ Membranfütterung mit entnommenem Blut) und untersucht den Kot bzw. Darmtrakt der Wanzen nach 30 bzw. 60 Tagen auf epimastigote (Abb. 3.7 b) und trypomastigote Parasiten. Durch mehrfache Hämokulturen (in verschiedenen Zellkulturmedien) gelingt in einem Teil der Fälle ebenfalls eine Isolierung im chronischen Stadium. Schließlich ist auch eine Isolierung auf Nagern möglich. In Gebieten, in denen T. rangeli verbreitet ist, muss diese apathogene Trypanosomenart differenziert werden, weil sonst die sehr toxische Therapie unnötigerweise den Patienten belastet. Schließlich kann man gelegentlich auch amastigote Stadien in Biopsien verschiedener Organe wie Skelettmuskulatur, Myokard (Katheterbiopsien), Darm, Leber u. a. finden; für eine gezielte Diagnostik ist die histologische Untersuchung jedoch wenig geeignet.

Serologische Untersuchungen sind im chronischen Stadium oft der einzige Hinweis auf eine Infektion. Mit zahlreichen Tests (IFT, ELISA, KBR, IHA, Direktagglutination) lassen sich bei über 95% der Patienten IgG-Antikörper nachweisen; im akuten Stadium und bei kongenitalen Infektionen sind meist IgM-Antikörper vorhanden. Negative Testergebnisse sind in den ersten Wochen nach Infektion möglich; falsch positive Reaktionen können bei Patienten mit Leishmaniosen und T. rangeli-Infektionen auftreten. Mit der diagnostisch sehr erfolgreich angewandten PCR ist ein sehr sensitiver Nachweis von T. cruzi-DNA (im Blut und in Biopsien) auch im chronischen Stadium möglich.

Infektionsweg: Perkutan durch Einreiben von trypomastigoten Stadien im flüssigen Wanzenkot, der während oder vor dem meist nächtlichen Blutsaugen abgesetzt wird (= stercorare Infektion). - Achtung: Infektionen durch Bluttransfusionen oder Muttermilch sind häufig.

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Prophylaxe: Bekämpfung von Wanzen in Behausungen mit Insektiziden.
Inkubationszeit: 5-20 Tage bis zum Auftreten von Ödemen (z. B. am Augenlid).
Präpatenz: 1-2 Monate.
Patenz: Evtl. Jahre bei chronischem Verlauf.
Therapie: Am wirksamsten im akuten wie im chronischen Stadium ist Nifurtimox 8-10 mg/kg KGW (Kinder 15-20 mg/kg KGW) täglich über 3-4 Monate (Lampit®). Ebenfalls wirksam sind Benznidazol (Radanil®, Raganil®) 5-7 mg/kg KGW täglich über 60 Tage. Bereits eingetretene Schädigungen im chronischen Stadium werden durch die Therapie nicht mehr beeinflusst.
3.6.2 Trypanosoma rangeli
Name: Griech.: trypanon = Bohrer; soma = Körper. Der Artname wurde zu Ehren des südamerikanischen Forschers Rangel vergeben.
Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Guatemala, El Salvador, Costa Rica, Panama, Kolumbien, Venezuela und Brasilien.
Biologie/Morphologie: Trypomastigote Stadien werden insbesondere von Raubwanzen der Gattung Rhodnius (R. prolixius) mit dem Speichel (= salivare Infektion) beim Stich auf den Menschen übertragen. Zahlreiche Säugetierarten stellen ein breites Reservoir dar. Die trypomastigoten Blutstadien erreichen eine Länge von 30 ^m (T cruzi nur 20 ^m!), aber ihr Kinetoplast bleibt winzig. Sie vermehren sich extrazellulär im Blut des Menschen durch wiederholte Längsteilungen. Intrazelluläre Stadien treten offenbar nicht auf; auch bleibt ihre Gesamtzahl im Blut gering. In ihrem Darm erfolgt die Vermehrung durch Bildung und Teilung von sog. epimastigoten Stadien, die sich auf dem Weg zur Speicheldrüse zu trypomastigoten Formen umwandeln.
Symptome der Erkrankung Weitgehend fehlend - falls überhaupt vorhanden.
Diagnose: Wegen der geringen Parasitendichte ist die Xenodiagnose das Mittel der Wahl. Etwa 2-13 Wochen nach dem Saugakt von vorher parasitenfreien Wanzen lassen sich in deren Speicheldrüsen T. rangeli-Stadien nachweisen, sofern das aufgenommene Blut kontaminiert war. Da die Chemotherapie von T. cruzi oft mit schweren Nebenwirkungen verbunden ist, sollte eine Fehlbehandlung infolge der Verwechslung mit einem T. rangeli- Befall möglichst ausgeschlossen werden. - Vorsicht: Es gibt Kreuzreaktionen mit T. cruzi bei serologischen Untersuchungsverfahren.
Infektionsweg: Perkutan mit dem Speichel beim Stich von Raubwanzen (salivarer Infektionsweg).
Prophylaxe: Bekämpfung von Wanzen in Behausungen durch Sprühen von Insektiziden in mögliche Verstecke (z. B. hinter Leisten, in Ritzen etc.).
Inkubationszeit: Da die Art apathogen ist, bleibt ein Befall meist unbemerkt.
Präpatenz: 1 Woche.
Patenz: Jahre.
Therapie: Nicht notwendig.
3.7 Leishmania-Arten (Erreger der Haut-, Schleimhaut- und
. Amerikanischen Leishmaniasis)
Name: Der Gattungsname ehrt den englischen Forscher W. B. Leishman (1865-1926).
Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Trockene, sandige, gebirgige Gebiete: L. do- novani infantum (Anrainerstaaten des Mittelmeeres), L. tropica (südl. Balkan, Griechenland, Türkei, Kaukasische Länder, Saudi-Arabische Küste, Afghanistan, Pakistan), L. major (nördl. Afrika, Vorderer Orient und Libanon, Irak, Syrien, nördl. Saudi-Arabien, Iran, südl.

Afghanistan, Pakistan, Schwarzmeergebiet, Westafrika zwischen 10. und 13. Breitengrad, lokal in Mittel- und Zentralafrika), L. aethiopica (Äthiopien, Kenia, Tanzania, Namibia), L. mexicana-Komplex (Texas, Mexico bis Nordargentinien bzw. Peru im Westen Südamerikas), L. braziliensis-Komplex (östl. Mittelamerika, sonst ähnl. wie L. mexicana). Es wird geschätzt, dass mindestens 100 Millionen Menschen befallen sind.

Biologie/Morphologie: Die Infektion des Menschen beginnt mit dem Stich von dämmerungsaktiven Sandmückenweibchen der Gatt. Phlebotomus (s. Abb. 5.61) (in Südamerika: Lutzomyia und Sergentomyia). Dabei werden sog. promastigote Stadien (die Geißel inseriert vorn) übertragen (Abb. 3.9). In der Haut gelangen diese Stadien in Zellen des Endothels, in Histiozyten und auch in Makrophagen und wandeln sich dort innerhalb von Verdauungsvakuolen zu sog. Amastigoten um, die sehr klein sind (2-4 ^m), einen zentralen Kern und einen DNA-haltigen Kinetoplast besitzen und deren kurze, die Zelloberfläche nicht überragende Geißel im Lichtmikroskop nicht sichtbar ist (Abb. 3.10). Durch ständige Zweiteilungen werden die Wirtszellen im Stichbereich zerstört. Infolge des steten Befalls von Nachbarzellen breiten sich die Parasiten mehr oder weniger konzentrisch um die Stichstelle aus. Die Erreger der Schleimhautleishmaniosen geraten nur in geringem Maß ins Blut oder in lokale Lymphknoten, sodass stets eine Metastasierung mit Ansiedlung neuer Herde in relativer Nähe der Stichstellen zu beobachten ist. Daher lassen sich die Parasiten am leichtesten in Biopsien bzw. Hautabstrichen der Randgebiete infizierter Bereiche nachweisen. Nimmt eine Sandmücke derartige Amastigote wieder auf, schließt sich der Zyklus mit der Bildung von Promastigoten und deren Vermehrung durch Zweiteilung im Mückendarm (Abb. 3.11). Alle Arten haben Reservoirwirte (L. tropica - Hunde, Nagetiere; L. aethiopica - Klippschliefer; L. mexicana-Komplex - Nager), von denen aus immer wieder Erreger auf den Menschen übertragen werden können. Nach einer überstandenen Infektion sind die jeweiligen Wirte in den meisten Fällen immun gegen einen Neubefall mit Erregern der gleichen Art. Die Verbreitung der Erreger bei den Reservoirwirten ist so groß, dass die Hautleishmaniasis als typische Zoonose gelten kann.

Abb. 3.9 Lebenszyklus der Leishmania-Arten

Promastigotes Stadium wird nach dem Stich von einem Makrophagen im Hautbereich aufgenommen, meist mit der Geißel voran.

Umwandlung zu einer mikromastigoten Form (im Wirtszytoplasma, in Vakuolen; sog. Phagosomen) binnen 24 h.

Vermehrung durch Zweiteilung. Die Wirtszelle wird starkt gedehnt und platzt schließlich; vorher liegen die Parasiten häufig direkt in den Resten des Wirtszytoplasmas.

Bei Arten des L. donovani-Komplexes befallen mikromastigote Stadien das RES innerer Organe. 4. Mit dem Stich aufgenommene mikromastigote Formen wandeln sich im Darm der Sandmücke zu promastigoten, die sich an die Darmwand mit der Geißel anheften.

. Vermehrung durch Längsteilung.

.-7. Differenzierung zum schließlich infektiösen Stadium. Die Reifung zu Infektionsstadien und die Vermehrung finden vor allem nach Aufreißen der als „Sack" ausgebildeten peritrophischen Membran statt. Die Parasiten heften sich dann an der Darmwand des Insekts mithilfe der Geißel fest, gelangen so in den Vorderdarm und von dort aus beim nächsten Stich wieder in einen neuen Wirt. Allerdings haben sich zuvor auch hier sog. metazyklische Formen (von 5-8 p,m Länge) gebildet. Die gesamte Entwicklung in der Mücke dauert meist nur 5 Tage.

Alle Stadien besitzen einen dünnen surface coat, der sich allerdings in den beiden Wirten in seinem Aufbau unterscheidet.

B = Basalapparat; F = Geißel; HC = Wirtszelle; KI = Kinetoplast; N = Nukleus; NH = Kern der Wirtszelle; PV = parasitophore Vakuole; RES = retikulo-endotheliales System; RW = Reste des Wirtszytoplasmas; SF = Kurzflagellum; WZ = Wirtszelle; sand fly = Sandmücke.

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Symptome der Erkrankung: Die Hautleishmaniasis ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von klinisch unterschiedlicher Erkrankungen, die von einer oder verschiedenen Erregerarten hervorgerufen werden können (Abb. 3.12).
Altwelt-Hautleishmaniasis:
trockene Hautleishmaniasis (L. tropica, L. infantum);
feuchte Hautleishmaniasis, Orientbeule, Aleppobeule (L. major);
diffuse Haut-/Schleimhautleishmaniasis (L. aethiopica).
Neuwelt-Hautleishmaniasis:
Chiclero-Geschwür am Ohr (L. mexicana mexicana);
Espundia, Schleimhautleishmaniasis (L. braziliensis braziliensis);
diffuse Hautleishmaniasis (L. mexicana amazonensis, L. mexicana pifanoi);
Uta, trockene Hautleishmaniasis (L. braziliensis peruviana).
Generell lässt sich Folgendes festhalten: Nach einer Inkubationszeit von 2-4 Wochen, seltener nach mehreren Monaten, entwickeln sich an den Stichstellen juckende, rötliche Papeln und Knötchen, die allmählich in Ulzeration übergehen. Die verschiedenen Manifestationsformen hängen außer von der Art der Erreger entscheidend auch von der immunologischen Reaktionsweise des Wirtsorganismus ab. Bei der Infektion mit L. tropica, also bei der altweltlichen Orientbeule, kommt es im Verlauf vieler Monate meist zur spontanen Abheilung („Einjahresbeule"), wenn nicht bakterielle Superinfektionen den Verlauf komplizieren. Es bleibt eine hypopigmentierte, flache Narbe. Bei den (süd)amerikanischen Leishmaniosen muss aus prognostischen Gründen zwischen den Hauptspezies unterschieden werden. L. mexicana verursacht ebenfalls kutane Krankheitsbilder mit Tendenz zur Spontanheilung, entsprechend der Orientbeule. Die Erkrankung durch L. braziliensis neigt zur (lymphogenen oder hämatogenen) Ausbreitung auf andere Hautregionen und vor allem zur Schleimhautbeteiligung (Espundia), die als destruierende Erkrankung im Bereich der Mund- und Nasenschleimhaut zu derber Infiltration der Lippen infolge Verlegung des Lymphabflusses oder zur Zerstörung des Nasenknorpels führen kann (engl. tapir nose). Unbehandelt können sich Dutzende weiterer, teils ulzerierender, teils auch hyperkeratoti- scher Herde, insbesondere im Gesicht, an Hals, Schultern und Armen bilden. Nach neuesten Berichten sollen einige Arten der „Hautleishmaniose-Erreger" auch in der Lage sein, das Krankheitsbild der Eingeweideleishmaniose hervorzurufen (Kreutzer et al. 1993).
Diagnose: Bei der kutanen oder mukokutanen Leismaniasis können die Erreger in Abstrichen, Punktaten und Biopsien der Haut- oder Schleimhautläsionen nachgewiesen werden. Dazu wird Material aus dem Randbereich möglichst frischer Läsionen (an der Grenze zu gesundem Gewebe) entnommen und von einem Teil werden Impressionsausstriche (Tupfpräparate) angefertigt und nach Giemsa gefärbt, mit dem anderen Teil wird eine Kultur angelegt. Die typische Struktur der Leishmanien stellt sich in histologischen Schnittpräparaten meist sehr viel schlechter dar als im zytologischen Präparat (ggf. Identifikation mittels Immunperoxidasemethode). Die kutanen Leishmaniosen der Alten Welt (L. tropica, L. major) und vor allem die diffuse kutane Leishmaniasis enthalten oft zahlreiche Parasiten, während der direkte Erregernachweis bei den meist parasitenarmen kutanen und mukokutanen Leishmaniosen der Neuen Welt sowie bei der Rezidivans-Leishmaniasis und dem Post-Kala-Azar-Leishmanoid häufig schwierig ist. Erreger der L. braziliensis-Gruppe sind zudem oft schwierig zu kultivieren oder nicht zu isolieren, sodass zusätzlich eine Inokulation in die Pfote oder Nase eines Goldhamsters empfehlenswert ist (Untersuchung auf Amastigote nach Bildung einer Induration bzw. eines Ulkus).
Die Serologie (IFT, ELISA u. a. Verfahren) ist bei mukokutanen Infektionen meist positiv, während bei kutanen Leishmaniosen Antikörper häufig nicht oder nur in niedriger Konzentration nachweisbar sind. Rezidivans- und diffuse kutane Leishmaniose sind in der Regel seronegativ. Eine exakte Differenzierung der Arten und Unterarten ist möglich mittels elektrophoretischer Isoenzymanalyse (nach Anzucht) monoklonaler Antikörper und DNA-in-situ-Hybridisierung. Die PCR als sehr sensitive Nachweis- und Differenzierungsmethode ist heute ein gängiges Verfahren.

Infektionsweg: Perkutan durch den Stich von Sandmücken (s. Abb. 5.61, 5.62).

Prophylaxe: Auftragen von Repellentien (z. B. Autan®, Viticks-Cool-Plus®, Doctan®) auf die Haut bzw. Kleidung zur Abwehr von Mücken. In endemischen Gebieten wurde versuchsweise eine Impfung mit lebenden Erregern und nachfolgender Behandlung zur Etablierung einer Immunität erprobt.

Inkubationszeit: 2-4 Wochen seltener bis 1 Jahr.

Präpatenz: 1-3 Wochen.

Patenz: Monate.

Therapie: Bei unkomplizierter kutaner Leishmaniasis ist eine systemische Therapie in Anbetracht der potenziellen Toxizität und der Selbstheilungstendenz nicht gerechtfertigt; ggf. mehrfache periläsionale Injektionen mit 1-3 ml (100-300 mg) Natriumstiboglukonat sowie Behandlung bakterieller Sekundärinfektionen. Bei allen mukokutanen Leishmaniosen sowie bei Rezidivans-, diffuser kutaner und disseminierter oder entstellender kutaner Leishmaniasis ist eine systemische Therapie wie bei viszeraler Leishmaniasis indiziert.

Leishmania donovani-Komplex (Viszerale Leishmaniasis)
Name: Der Name leitet sich von den englischen Entdeckern der Art = W. B. Leishman (1865-1926) und Charles Donovan (1863-1951) ab.

Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Jeweils trockene, sandig-bergige Gebiete: Leishmania donovani donovani: Indien, China, Zentralasien, östl. Afrika von Ägypten bis Kenia und Uganda, westl. Afrika mit Senegal, Mali, Nigeria; L. donovani infantum: Balearen, Korsika, Sardinien, Mittelmeerküsten, Schwarzmeergebiet, Vorderer Orient mit Saudi-Arabien, Jemen, Irak und Iran, Äthioien, China; L. donovani chagasi: Mittel- und Südamerika: lokal von Mexiko bis südl. Brasilien. Mehr als 100 Millionen Befallene.

Biologie/Morphologie: Es ist noch ungeklärt, ob es sich beim L. donovani-Komplex um 3 Unterarten oder um 3 eigenständige Arten handelt, zumal sie sich morphologisch auch nicht unterscheiden lassen. Die Infektion des Menschen beginnt mit dem Stich weiblicher Sandmücken der Gattungen Phlebotomus (L. d. donovani, L. d. infantum) bzw. Lutzomyia (L. d. chagasi) (s. Abb. 5.61). Dabei werden sog. promastigote Stadien (Geißel sitzt vorn) von 10-20 |im Länge mit Darminhalt in die Stichwunde erbrochen. Diese Promastigoten werden im Hautbereich von Makrophagen des Wirts aufgenommen, in Verdauungsvakuolen eingeschlossen und wandeln sich dort zu ovoiden amastigoten bzw. mikromasti- goten Stadien von etwa 2-4 ^im Länge um. Ihre nur im Elektronenmikroskop sichtbare Geißel liegt in einer tiefen Geißeltasche, überragt niemals die Oberfläche und ist somit in Giemsa-gefärbten Blutausstrichen unsichtbar. Durch ständige Zweiteilungen im Inneren dieser Vakuolen kommt es zur Bildung von zahlreichen (bis 200!) amastigoten Stadien, bis schließlich die Wirtszelle zugrunde geht und platzt, was zum Befall benachbarter Zellen führt. Starke Vermehrung im Hautbereich kann zur Entstehung von Hautläsionen auch beim L. donovani-Komplex führen. Allerdings verschwinden die Erreger relativ bald aus dem Hautbereich und dringen ins RES (Retikulo-endotheliales System) des Darms, der Leber, der Milz, des Knochenmarks und der Lymphknoten ein. Nimmt eine Sandmücke beim Stich derartige Amastigote auf, entstehen in ihrem Vorderdarm Promastigote, die sich durch Zweiteilung stark vermehren und so den Zyklus schließen. Bei allen 3 hier zitierten Erregertypen können neben dem Menschen auch einige Tiere als sog. Reservoirwirte befallen sein. So sind das bei L. d. infantum der Hund, Fuchs, Wolf, Waschbär und die Ratte, während bei L. d. chagasi offenbar nur der Fuchs und der Hund echte Bedeutung erlangen. Nach einem auskurierten L. donovani-Befall sind Zweiterkrankungen sehr selten, sodass offenbar eine starke Immunität entwickelt wird.

Symptome der Erkrankung (Kala-Azar, Dum-Dum-Fieber, Schwarze Krankheit, Viszerale bzw. Eingeweideleishmaniasis): Der überwiegende Teil der Infektionen verläuft inapparent. Manifestationsfaktoren können Unterernährung, Immunsuppression z. B. bei HIV-Infizierten (AIDS-Syndrom) sein. Im Erkrankungsfall kommt es nach einer sehr variablen Inkubationszeit von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten zu Fieber (ohne Schüttelfrost) bis 39°C und 40°C, das wochenlang anhalten, aber auch von afebrilen Phasen unterbrochen sein kann und schließlich in eine subfebrile Kontinua übergeht. In den hochfebrilen Phasen treten oft 2 Fiebergipfel innerhalb 24 Stunden ein. Leitsymptome der typischen Erkrankung sind neben dem Fieber eine zunehmende Splenomegalie, gelegentlich auch Hepatomegalie und Lymphknotenschwellungen, weiter eine zunehmende Anämie und Leukopenie mit Leukozytenzahlen unter 2000/mm3 (in 75% der Fälle). Auch die Thrombozytenzahlen sind stark erniedrigt. Eine Eosinophilie gehört nicht zum Krankheitsbild! In der Elektrophorese sind die Gammaglobuline stark erhöht, das Albumin erniedrigt. Einweißverschiebung und Anämie führen bei der Blutsenkungsreaktion zu einer Sturzsenkung. Die Hautfarbe kann ein aschfahles Aussehen annehmen. Unbehandelt führt die viszerale Leishmaniasis in diesem Vollbild nach ^ bis 3 Jahren in der Kachexie zum Tode meist durch bakterielle Komplikationen. Differenzialdiagnostisch sind in der febrilen Anfangsphase andere mit Splenomegalie (und evtl. Leukopenie und Anämie) einhergehende Erkrankungen zu bedenken: Malaria, Typhus, (Miliar-)Tuberkulose, Sepsis, Brucellose, Schistosomiasis in der hepatosplenomegalen Spätphase, Lymphome, Leukämie. Als Spätkomplikation einer erfolgreich behandelten Eingeweideleishmaniose kommt es nach etwa 1-10 Jahren in 20% der Fälle in Indien und etwa 2% der Fälle in Afrika zu einem sog. Dermalen Post-Kala-Azar Leishmanoid (DPKL) mit der Ausbildung von stark pigmentierten oder erythematösen Hautknoten (vorwiegend im Gesicht).

Diagnose: Bei der viszeralen Leishmaniasis können die Amastigoten von L. donovani in Punktaten von Milz, Knochenmark, Lymphknoten und Leber sowie im Blut (in der Reihenfolge der Sensitivität) nachgewiesen werden. Allerdings ist eine Milzpunktion bei der häufig vorliegenden Thrombopenie (z. T. zudem Verminderung von Gerinnungsfaktoren) mit einem wesentlichen Risiko belastet. Meist werden daher Knochenmarkspunktate oder Biopsate vorsichtig ausgestrichen oder ausgetupft und nach Giemsa oder panoptisch nach Pappenheim gefärbt. Zudem empfiehlt sich die Beimpfung einer geeigneten Kultur (NNN- Agar, Schneiders Drosophila-Medium u. a.). Eine Isolierung auf Goldhamstern ist ebenfalls möglich (i. p. Verimpfung); mit einem positiven Ergebnis (Tupfpräparate der Milz) ist jedoch erst nach 6-8 Wochen zu rechnen. Wegen der geringen Parasitendichte gelingt ein Nachweis im peripheren Blut (Ausstrich, Dicker Tropfen, Ausstrich der Leukozytenschicht nach Zentrifugation in Hämatokritröhrchen) meist nicht. PCR-Methoden zum Nachweis von Leishmanien-DNA aus Knochenmark sind in Erprobung.

Serodiagnostisch (IFT, ELISA u. a. Methoden) lassen sich meist hohe Antikörperspiegel nachweisen. Kreuzreaktionen mit kutaner und mukokutaner Leishmaniasis sind häufig und treten auch bei der Chagas-Krankheit auf. Falsch negative Ergebnisse sind möglich im Endstadium der Erkrankung und bei Immunkompromittierten.

Infektionsweg: Perkutan, beim Stich von Sandmücken.

Prophylaxe: Auftragen von Repellentien (Autan®, Viticks-Cool-Plus®, Doctan®, etc.) auf die Haut bzw. Kleidung in entsprechenden Gebieten; Schlafen unter Moskitonetzen.

Inkubationszeit: 10-60 Tage, selten auch bis zu 1 Jahr.

Präpatenz: 1-3 Wochen.

Patenz: Monate bis Jahre; Selbstheilungen sind selten; ohne Behandlung meist letal.

Therapie: Mittel der Wahl bei viszeraler Leishmaniasis sind 5-wertige Antimon(Sb)- Präparate: Natriumstiboglukonat und Megluminantimonat in einer Dosierung von 20 mg Sb/kg KGW täglich i. m. oder i. v. über 30 Tage. Die Heilungsrate liegt allerdings nur bei 90-95%. Alternativpräparate bei Antimonresistenz oder Unverträglichkeit sind Pentamidin und Amphotericin B. Paromomycin (i. m.) sowie Allopurinol und die Kombination von Antimonpräparaten mit Gamma-Interferon wurden ebenfalls mit Erfolg angewendet. Miltefosin (Impavido®) ist ein Mittel, das oral angewendet wird (3 Dosen, insgesamt tgl. 1,5-2,5 mg/kg KGW für 28 Tage).

Entamoeba histolytica (Entamoebiasis, Amöbenruhr, Rote Ruhr)
Name: Griech.: entos = innen; amoibos = formwechselnd; histos = Gewebe; lysis = Auflösung. Engl. amoebic diarrhea.

Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Warme Länder, jedoch einschleppbar in gemäßigte Zonen, mehr als 500 Millionen Menschen sind befallen, mehr als 75 000-100 000 Tote jährlich.

Biologie/Morphologie: Die Ruhramöbe E. histolytica tritt in drei verschiedenen Formen im Darm des Menschen auf (Abb. 3.13, 3.14):

Minutaform (10-20 ^m),

Magnaform (20-30 ^m,

Zystenform (10-15 ^m).

Minuta- wie auch Magnaformen sind durch hyaline, bruchsackartig hervorquellende Pseudopodien sowie in gefärbten Präparaten durch ihre ringförmigen Kerne mit punktförmigem, zentralem Nukleolus gekennzeichnet. Die Minutaform (Darmlumenform) vermehrt sich durch Zweiteilung. Aus noch nicht geklärten Gründen - es gibt in endemischen Gebieten Millionen Minutaträger ohne jede klinische Symptome - wachsen Minutaformen zu Magnaformen (Gewebeform) heran und dringen in die Darmwand ein. Hier ernähren sie sich von Gewebsfetzen wie auch durch Aufnahme von Erythrozyten, die bei der Diagnose sehr hilfreich sind. Die Magnaform kann bis zur Leber, Lunge und relativ selten auch ins Gehirn gelangen und dort zur Abszessbildung führen. Nach einer unbestimmten Dauer einer Infektion kommt es im Enddarmlumen zur Bildung von charakteristischen Dauerstadien (Zysten). Dies erfolgt stets aus Minutaformen und niemals aus Magnaformen! Die Zysten sind zunächst 1-, dann 2- und schließlich noch im Darm 4-kernig. Die Kerne besitzen stets einen zentralen Nukleoleus. Bei Diarrhöen erscheinen alle Zystentypen wie auch die vegetativen Formen im Stuhl. Daher ist es wichtig, bei Verdacht auf Amöbenbefall stets frischen, möglichst noch körperwarmen Stuhl zu untersuchen. Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme infektiöser 4-Kern-Zysten mit verschmutzter Nahrung (evtl. durch Fliegen kontaminiert) oder durch Unsauberkeit nach der Defäkation auf kontaminierten Anlagen. Im Dünndarm schlüpfen zunächst die vierkernigen Amöben aus, und durch Kern- und Zytoplasmateilung entstehen schließlich 8 einkernige Minuta- Amöben, die durch wiederholte Zweiteilungen den Dickdarm besiedeln und schließlich wieder Zysten bilden. Ein Amöbenträger kann täglich 30-40 Millionen derartiger Zysten ausscheiden, ohne klinische Symptome aufzuzeigen. Nach neueren Untersuchungen der Isoenzymmuster der Amöben (sog. Zymodeme) gibt es pathogene und nichtpathogene Stämme. DNA-Analysen u. a. der Arbeitsgruppe Tannich (Hamburg) bewiesen die Existenz einer nichtpathogenen Art (Entamoeba dispar) neben der pathogenen Art E. histolytica, wobei E. dispar 90% aller Fälle ausmacht und lediglich Minutastadien ausbildet, während bei E. histolytica stets Minuta- und Magnaformen entstehen können.

E. histolytica unterscheidet sich deutlich von E. dispar in der Stärke der zyto- bzw. proteolytischen Aktivität und auch in der Menge an Adhäsionsrezeptoren, mit denen erst der Kontakt zur Wirtszellwand/Kolonschleim geschaffen wird. Trotz der bestehenden Potenz von E. histolytica, in die Darmwand einzudringen, kommt es nur bei einem geringen Prozentsatz von derartigen Amöbenträgern zur tatsächlichen Penetration. Die Gründe hierfür sind unbekannt, werden aber u. a. in unterschiedlichen Immunreaktionen vermutet.

Symptome der Erkrankung (Entamöbiasis, Amöbenruhr): Nach kurzer, einige Tage währender, oder aber erst nach jahrelanger, symptomloser Vermehrung der Minutaformen kann es zum Auftreten von klinischen Symptomen kommen, wenn die Darmwand von Amöben befallen wird. Eine einheitliche Inkubationszeit ist daher kaum anzugeben. Im Verlauf der Erkrankung lassen sich verschiedene Phasen feststellen:

Intestinale Amöbiasis

Zu Beginn treten häufig nur leichtere gastro-intestinale Beschwerden auf wie Druckgefühl, ziehende Schmerzen, Übelkeit ohne ausgesprochenen Brechreiz, aber kein Fieber.

Im Gegensatz hierzu setzt bakterielle Ruhr fulminant mit Fieber und Diarrhöen ein. Der Stuhl ist in der Anfangsphase der Amöbenruhr noch geformt oder breiförmig und enthält stets glasige Schleimflocken. Im weiteren Verlauf der Amöbiasis nimmt die Anzahl der Stuhlentleerungen auf 5-10 pro Tag zu (bei der bakteriellen Ruhr sind es mehr!), und der Stuhl wird breiförmiger. Jedoch tritt nur extrem selten völlig

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Abb. 3.13 Lebenszyklus von Entamoeba histolytica. CB = kristalliner Körper; CW = Zystenwand; E = Erythozyt; EN = Endozytoplasma; EP = Exozytoplasma; LB = Lobopodium; N = Nukleus; VE = Verdauungsvakuole mit Erythozyt.

wasserartiger Stuhl auf. Die Stühle sind zu diesem Zeitpunkt mit Blut durchzogen und erscheinen durch größere Schleimmengen glasig-glänzend, was ihnen insgesamt „Himbeergelee-artiges" Aussehen verleiht (Abb. 3.15). Auch jetzt besteht ein deutlicher Unterschied zu bakteriellen Ruhrstühlen, die weißlich-eitrig erscheinen. Bei weiterem Andauern der Infektion mit E. histolytica wird das Allgemeinbefinden beeinträchtigt. Es kommt zur Invasion der Kolonschleimhaut, die selbst meist nur kleine, manchmal konfluierende Ulzera (sog. Flaschenhals- bzw. Knopfloch-Ulzera) mit erhabenem Rand

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View attachment 5935aufweist, unter denen aber ausgedehnte Nekroseareale entstehen, die oft bis in die Mu- scularis propria reichen und sekundär bakteriell besiedelt werden. Abhängig von der Zahl, Ausdehnung und Lokalisation der Geschwüre treten schwere kolikartige Leib- schmerzen, zunehmende Abgeschlagenheit, wechselndes, gelegentlich hohes Fieber auf.
In den Geschwüren kann es durch Arrosion von Blutgefäßen zu vermehrtem Blutabgang mit den dysenterischen Stühlen, aber auch zu lebensbedrohlichen arteriellen Blutungen kommen, die eine chirurgische Intervention erfordern. Insgesamt ähneln Symptomatik und Verlauf einer Colitis ulcerosa, allerdings lassen sich in Abstrichen des Kolon eindeu- tig die Magnaformen nachweisen. Komplikationen können in Form des sog. Amöboms auftreten, das ist ein lokal begrenzter, entzündlicher, benigner Tumor mit passagebehin- dernder Tendenz. Infolge von bakteriellen Sekundärinfektionen kann es zur Perforation des Darms mit nachfolgender Peritonitis und tödlichem Verlauf der Erkrankung auch bereits in dieser Phase kommen. Häufig verschwinden aber auch die Darmsymptome ohne Behandlung, was jedoch nicht eine weiterbestehende Infektion ausschließt! b) Extraintestinale Amöbiasis Nicht immer nimmt eine Darminfektion einen dramatischen Verlauf. Häufig treten als An- zeichen lediglich leichtere ziehende Leibschmerzen und erhöhter Stuhldrang auf. Auch im Blutbild lassen sich keine Besonderheiten feststellen. Dieser schleichende Verlauf schließt in keiner Weise aus, dass es nicht zu einer extraintestinalen Abszessbildung in Leber, Lunge oder relativ selten im Gehirn kommt. Dieser Prozess setzt oft erst nach Monaten oder Jah- ren ein und äußert sich beim Leberabszess (Abb. 3.16), der wegen der fehlenden Membran eigentlich kein Abszess, sondern eine unscharf begrenzte Zerfallshöhle ist, in Mattigkeit, Fieber um 38° und bis über 39°, gewöhnlich ohne Schüttelfrost, zunehmend schwerem Krankheitsgefühl und von der Lokalisation des singulären oder der multiplen histolyti- schen Zerfallshöhlen abhängigen Schmerzen. Die meisten Leberabszesse liegen im rechten Leberlappen und führen durch die rasche Größenzunahme und die daraus folgende Kap- selung der Leber zu dumpfem Spontan- und starkem Druckschmerz im rechten Ober- bauch und – bei zwerchfellnaher Lage – auch zu stechenden, atemabhängigen Schmerzen.

Die Patienten liegen nach rechts gekrümmt, atmen nur oberflächlich und wehren jede Berührung ängstlich ab. Gelegentlich wölbt sich an der rechten seitlichen Thoraxwand ein entzündliches Infiltrat vor. Dieses Bild, verbunden mit hoher Leukozytose im peripheren Blut, die häufig weit über 20 000/µl beträgt und mit einer in der Regel sehr rasch und hoch an- steigenden Senkung muss in erster Linie an einen Amöbenabszess denken lassen. Ultraschall- und evtl. computertomographische Bilder mit einer oder mehreren, evtl. konfluierenden Höhlenbil- dungen ergänzen diesen Verdacht. Mit der Che- motherapie sollte dann sofort begonnen werden.
Geradezu pathognomonisch ist das sehr rasche Ansprechen auf die Chemotherapie: Bereits von nächsten Tag an gehen Schmerzen, Leberschwel- lung, Fieber und die humoralen Entzündungs- parameter rasch zurück. (Ist dies nicht der Fall, muss an eine andere Ätiologie – bakterielle Abs- zesse, Tumor, Echinokokkose – gedacht werden.) Beim Amöbenabszess erübrigt sich meist eine di- agnostische oder therapeutische Abszesspunktion wegen des geschilderten Verlaufs. Aus demselben Grund ist eine chirurgische Intervention bei die- sem typischen Verlauf kontraindiziert.

Wird die Einleitung der Therapie verzögert, kann es als Komplikation zur gedeckten oder
freien Perforation in die Bauchhöhle kommen. Nicht selten bildet sich bei zwerch- fellnaher Lokalisation ein meist rechtsseitiger Pleuraerguss, es kann aber als weitere Komplikation auch zu einer Durchwanderung des Zwerchfells und Entleerung in die Pleurahöhle oder Abszessbildung in der adhärenten Lunge kommen. Solche Komplika- tionen erfordern dann meist ein chirurgisches Vorgehen. 5. Diagnose: Bei der intestinalen Amöbiasis können Trophozoiten nativ im Stuhl oder in endoskopisch gewonnenem Material (besonders in blutigen Schleimflocken) nachgewiesen werden. Bewegliche Trophozoiten mit typischer bruchsackartiger Pseudopodienbildung sind nur bei umgehender Untersuchung von frischem Material zu sehen (Abb. 3.14a). Die großen (20–40 µm), gewebeinvasiven Trophozoiten (sog. Magnaformen, Abb. 3.14b) ent- halten häufig phagozytierte Erythrozyten. Sollte eine sofortige Untersuchung nicht möglich sein, ist eine Konservierung empfehlenswert (PVA-, MIF- oder SAF-Lösung). In gefärbten Ausstrichen (Heidenhain-, Trichrom- oder Lawless-Färbung), die von frischem oder fi- xiertem (am besten mit PVA-Lösung) Material angefertigt wurden, lassen sich Trophozoi- ten zuverlässig von apathogenen intestinalen Amöbenarten differenzieren. Gewebeinvasive Trophozoiten können auch histologisch in Dickdarmbiopsien bzw. Operationspräparaten identifiziert werden.
E. histolytica-Zysten (Abb. 3.14c) sind nicht nur im Nativpräparat und im gefärbten Aus- strich nachzuweisen, sondern können zudem effektiv aus dem Stuhl angereichert werden (MIF- oder SAF-Anreicherung). Wird der Stuhl dabei nicht am selben Tag untersucht, ist eine Konservierung direkt nach dem Absetzen in MIF- oder SAF-Lösung empfehlenswert.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei akuter Amöbenruhr in der Regel (noch) keine Zys- ten augeschieden werden.
Eine Anzucht in Kulturen (Robinson-Medium u. a.) gelingt bei einem Teil der mikros- kopisch positiven Fälle (40–70%) sowie gelegentlich bei mikroskopisch negativen. Die diagnostische Sensitivität der Serologie ist der parasitologischen Stuhluntersuchung deut- lich unterlegen, insbesondere wenn Letztere mehrfach und unter optimalen Bedingungen durchgeführt wird.
Morphologisch ist eine Unterscheidung zwischen pathogenen und apathogenen E. histo- lytica-Stämmen nicht möglich, außer wenn erythrophage Trophozoiten (Magnaformen) gefunden werden. Anhand des Isoenzymmusters (elektrophoretische Zymodembestim- mung) oder durch genotypische Charakterisierung (DNA-in-situ-Hybridisierung, PCR) ist eine Pathogenitätsbestimmung nach kultureller Anzucht möglich. PCR-Methoden zum Nachweis von E. histolytica-DNA und zur gleichzeitigen Pathogenitätsbestimmung direkt aus dem Stuhl sind vorhanden. Schließlich können auch Koproantigene mittels ELISA

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nachgewiesen werden. Ob diese Methoden geeignet sind, die parasitologischen Untersu- chungen zu ersetzen, ist fraglich.
Die Serodiagnostik ist nur bei invasiver Amöbiasis (Amöbenruhr, extraintestinale Amö- biasis) bedeutsam. Spezifische Antikörper werden bei invasiven Erkrankungen regelmäßig gebildet; allerdings können die Serologie (IFT, ELISA), PCR, Kernspin u. a. Verfahren bei akutem Verlauf initial noch negativ sein, sodass ggf. kurzfristige Wiederholungen erforder- lich sind. Die Diagnostik des Amöbenleberabszesses erfolgt mit bildgebenden Verfahren (CT, Sonogramm), nachdem etwa 65 Tage als Inkubationszeit vergangen sind. 6. Infektionsweg: Oral, durch Aufnahme von 4-Kern-Zysten mit kontaminierter Nahrung (z. B. Salat) oder im Trinkwasser. Achtung: Fliegen verschleppen die Zysten auf die Nahrung. 7. Prophylaxe: Meiden von ungeschältem Obst oder ungekochtem Gemüse in warmen Län- dern. Abkochen von Trinkwasser in Amöbengebieten; schnelles Entfernen von Fäzes auf Krankenstationen. 8. Inkubationszeit: 2–21 Tage, Leberabszess oder andere Organe: 2–3 Monate. 9. Präpatenz: 2–7 Tage. 10. Patenz: Evtl. Jahre. 11. Therapie: Mittel der Wahl sind Nitroimidazole, da sie intestinal und im Gewebe auf die Trophozoiten wirken (z. B. 3 × 500–750 mg Metronidazol täglich oral über 5–10 Tage; Kinder 30 mg/kg KGW täglich). Nicht selten persistiert jedoch eine asymptomatische Zys- tenausscheidung (Stuhlkontrollen nach Behandlung), die mit Diloxanidfuroat (3 × 500 mg täglich oral über 10 Tage oder Paromomycin (3 × 500 mg pro Tag für 8–10 Tage) saniert werden kann. Bei massiver Blutung, Perforation, Appendizitis und therapieresistentem Amöbom kann eine chirurgische Intervention erforderlich werden. Achtung: Sowohl Met- ronidazol als auch Paromomycin sind in der Schwangerschaft kontraindiziert.

3.10 Fakultativ pathogene Amöben
Hierbei handelt es sich um freilebende Amöben, die sich unter bestimmten Bedingungen im Menschen ansiedeln können.
3.10.1 Fakultativ pathogene Amöben der Gattungen Acanthamoeba, Naegleria und Balamuthia
1. Name: Die Gattungsnamen leiten sich von griech. akanta = Stachel, Borsten; amoiba = Wechsel; sowie vom Namen des Schweizer Forschers Naegler ab. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, v. a. in eutrophen Gewässern; Be- fall und Symptome insbesondere bei immungeschwächten Personen, da aber sicher Hun- derttausende. 3. Biologie/Morphologie: In den letzten Jahren wurden in zunehmender Zahl Fälle bekannt, in denen freilebende Amöben offenbar beim Baden (besonders in geheizten Schwimmbä- dern von ca. 30°C) über den pharyngo-nasalen Raum (via Ductus olfactorius?) in das ZNS des Menschen eindrangen und dort zu schweren Schädigungen mit Todesfolge führten (Abb. 3.17). Da derartige Amöben auch bei Gesunden im Nasen- und Rachenraum häufig nachgewiesen werden konnten, bleibt bis heute ungeklärt, unter welchen Bedingungen diese freilebenden, wasserständigen Amöben derartig pathogen werden können. Nach Isolierung aus dem Liquor wurden Amöben folgender Gattungen festgestellt: a) Acanthamoeba-Arten (u. a. A. castellanii). Isolierte Amöben (bis 40 µm groß) besitzen zahlreiche, gelegentlich gegabelte Pseudopodien (sog. Acanthopodien; Abb. 3.18). Im Liquor können wie im Freien zudem Zysten (8–30 µm Durchmesser) auftreten, deren Wand auf der Innenseite polygonal erscheint. Amöben aus dieser Gruppe, von der

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einige Arten gelegentlich auch der Gattung Hartmannella zugeordnet werden, wurden auch aus Ulzerationen der Cornea isoliert. b) Naegleria-Arten (N. fowleri, N. gruberi) treten im Liquor als kleine Amöben (20 × 7 µm) mit relativ großen, hyalinen Pseudopodien auf. Im freien Wasser bzw. in erwärmten Plattenkulturen werden allerdings auch kleine, etwa 10–16 µm große Zysten sowie zweifach begeißelte Stadien ausgebildet (Abb. 3.17).
Abb. 3.17 Entwicklungsstadien von Naegleria- und Acanthamoeba-Arten. CV = kontraktile Vakuole; CW = Zystenwand; EC = äußere Zystenwand; EN = innere Zystenwand; FP = Filopodium; F = Flagellum; LP = Lobopodium; N = Nukleus; NU = Nukleolus; OS = Ostiole; P = Pore; U = Uroid = Hinterende.
Abb. 3.18 Lichtmikroskopische Aufnahme eines Acanthamoeba- Stadiums mit den typischen fa- denförmigen Pseudopodien.
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
c) Bei AIDS-Patienten findet sich auch: Balamuthia mandrillaris (12–60 µm), eine bei Affen verbreitete Art. 4. Symptome der Erkrankung: Etwa 3–9 Tage nach dem Bad treten beim Patienten bei Naeg- leria-Befall die Symptome einer Meningoenzephalitis auf, bei der sich der Zusammenhang mit einer Amöbeninfektion differenzialdiagnostisch nicht unmittelbar nachweisen lässt.
Daher wurden derartige Amöben häufig erst bei Sektionen aufgefunden, wenn nicht zuvor Liquor untersucht wurde. Ein direkter Nachweis kann durch Injektion gewonnener Punk- tate in Versuchstiere erbracht werden. Die Erkrankung, die auch als primäre Amöben- Meningoenzephalitis (PAME) bezeichnet wird, verläuft sehr heftig, sodass ohne Behand- lung in wenigen Tagen (1–2 Wochen) der Tod eintritt. Dies wurde auch in experimentellen Infektionen an Affen nachgewiesen.
Generell sollen Naegleria-Arten deutlich pathogener sein und zu lebensbedrohlichen, akuten Infektionen führen, während Acanthamoeba-Arten eher für chronische Leiden (evtl. über Monate hin) verantwortlich sind. Acanthamoeba und Balamuthia können aber ebenfalls eine granulomatöse Amöben-Enzephalitis (GAE) hervorrufen, sich zudem in den physio- logischen Aufbewahrungsflüssigkeiten von harten Kontaktlinsen entwickeln und dann zu schweren Konjunktividen, Keratitis bzw. Uveitis führen. Auch ist ihr gehäuftes Auftreten im Bodensatz von Umspülbehältern von Zahnarztstühlen belegt, sodass hier eine Gefährdung besteht. Diese 3 Amöbentypen stellen eine extreme Gefahr für immunsupprimierte Personen dar (z. B. AIDS-Patienten), wo sie sich als opportunistische Erreger stark vermehren. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der Trophozoiten in der Zerebrospinalflüssigkeit nach Punktionen bzw. nach Inokulation von entnommenen, verdächtigen Proben in eine Kultur. Bei umgehender Untersuchung eines Frischpräparats des meist eitrigen Liquors können die stark beweglichen, 10–20 µm großen Trophozoiten von N. fowleri und anderen Naegleria-Arten beobachtet werden. Gelegentlich gelingt auch der Nachweis der bis zu 40 µm großen Trophozoiten von Acanthamoeba-Arten (träge Beweglichkeit, faden- bzw. nadelförmige Acanthopodien) im meist serösen Liquor (Zentrifugation 10 min bei 250 g) oder in Abstrichen von Cornealulzera. Die Morphologie ist in fixierten Ausstrichen am besten mittels Giemsa- oder Trichromfärbung zu beurteilen. In HE-gefärbten histo- logischen Schnittpräparaten ist die Identifikation und Differenzierung der Amöben oft schwierig. Trophozoiten und bei Acanthamoeba-Arten auch die 10–25 µm großen Zysten fallen am ehesten in der PAS- oder Methenamin-Silber-Färbung auf. Zur Identifizierung und Artbestimmung eignen sich besonders immunhistologische Methoden (Immunflu- oreszenz/Immunperoxidase) mit mono- oder polyklonalen Antikörpern. Serologische Untersuchungen können bei Acanthamoeba-Keratitis einen Hinweis geben. Diagnose und exakte Artbestimmung (mittels Isoenzym- und DNA-Analyse) gelingen nicht selten auch kulturell, wenn frisches Material optimal verimpft wird. PCR-Methoden zum Direktnach- weis in Liquor, Abstrichen und Gewebebiopsien sind ebenfalls verfügbar.
Acanthamoeba sp. kann auch in Flüssigkulturen gehalten werden. Der direkte Nachweis ist sehr dringend gefordert, da die Kulturverfahren dauern, der Patient aber evtl. schon vorher stirbt.
Kulturverfahren: Naegleria: – 2%iger Bacto-Agar (Difco) mit hitzegetöteten Bakterien der Art Aerobacter aerogenes – 20 g Bacto-Casitone mit 100 ml frischem, sterilem Pferdeserum zu 1 l Aqua dest.
Acanthamoeba und Naegleria: 1) 1,5 g Agar in 100 ml Pages Amöbenmedium lösen und sterilisieren. Pages Medium, das aus 120 mg NaCl, 4 mg MgSO4, 136 mg KH2PO4 plus 1 l Wasser besteht, bleibt autokla- viert bei 121°C (für 15 min) mindestens 6 Monate im Kühlschrank haltbar. 2) Auf 60°C abkühlen lassen und in Plastik-Petrischalen gießen; die gekühlt gelagerten Platten halten 3 Monate. 3) Einer 18–24 h alten Kultur von Escherichia coli bzw. Aerobacter aerogenes wird 0,5 ml Pages Medium zugesetzt.
3.10 Fakultativ pathogene Amöben 47
4) Suspendierte Bakterien aufnehmen und 2–3 Tropfen davon auf die Agarfläche bringen. 5) Zerebrospinales Punktat (0,5 ml) oder Gewebe auftropfen und bei 37°C bebrüten. 6) 1 Woche danach Oberfläche mit dem Stereomikroskop auf Amöben absuchen. 6. Infektionsweg: Nasal bei Meningitis, unklar scheint noch das Stadium (Zyste, Trophozoit).
Harte Kontaktlinsen können aus der physiologischen Aufbewahrungslösung Acanthamö- ben ins Auge verschleppen. Eine Infektion über luftverdriftete Zysten ist noch unbewiesen, scheint aber möglich (wird vor allem bei Acanthamoeba vermutet). Acanthamöben werden auch häufig in Biofilmen von Wasserleitungs- bzw. Befeuchtungsanlagen angetroffen. Sie nehmen häufig Legionellen als Nahrung auf. Bei Durchspülung der Leitungen wandeln sich ihre Amöbenstadien in Zysten um, schließen dabei die Legionellen ein, setzen diese aber wieder frei, sobald das Reinigungsmittel verschwunden ist. 7. Prophylaxe: Nicht in eutrophen = pflanzenreichen Seen schwimmen, ggf. Nasenklammern verwenden. Kontaktlinsenflüssigkeit oft wechseln – kühl stellen. 8. Inkubationszeit: 1 Tag bis 2 Wochen. 9. Präpatenz: 1 Tag bis 2 Wochen. 10. Patenz: 3 Wochen im Fall des Überlebens bei Naegleria-Infektionen; mehrere Wochen bei unbehandeltem chronischen Acanthamoeba-Befall. 11. Therapie: Bei primärer Meningoenzephalitis (PAME) durch Naegleria-Arten erwies sich in Einzelfällen eine frühzeitige Therapie mit Amphotericin B (täglich 1 mg/kg KGW i. v. und 0,5–1 mg intrathekal bzw. intrasternal) als erfolgreich; durch Kombination mit Rifampicin i. v. und Miconazol i. v. und intrathekal ist möglicherweise eine Wirkungsverstärkung erreichbar.
Bei granulomatöser Amöben-Enzephalitis (GAE) durch Acanthamoeba-Arten sollte ein The- rapieversuch mit Pentamidin (4 mg/kg KGW täglich i. v.) erfolgen, eventuell in Kombination mit Ketoconazol und Miconazol. Bei Acanthamoeba-Keratitis konnte bei einem Teil der Fälle eine Abheilung erreicht werden durch eine kontinuierliche topische Kombinationsbehand- lung mit Propamidinisethionat, Bacitracin/Neomycin/Polymyxin B und Miconazol oder Clotrimazol; bei ungenügender Wirksamkeit sollte eine zusätzliche systemische Behandlung mit Itraconazol (200 mg tgl.) oder Pentamidin (4 mg/kg KGW tgl. i. v.) versucht werden.
3.10.2 Dientamoeba fragilis
1. Name: Griech.: di = doppelt, zweifach; entos = innen; amoibos = formwechselnd. Lat.: fra- gilis = zerbrechlich. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, wenige Fälle beim Menschen. 3. Biologie/Morphologie: Trophozoiten von D. fragilis leben im Dickdarm des Menschen, werden 3–12 µm groß, enthalten häufig 2 Kerne (mit groben Chromatinschollen) sowie zahlreiche Nahrungsvakuolen, die Bakterien und Pilze einschließen. Die Vermehrung er- folgt durch Zweiteilung, Zystenstadien sind unbekannt. Manche Autoren ordnen D. fragilis den Flagellaten zu, da unter bestimmten Bedingungen angeblich Geißelansätze entstehen.
Diese Art wurde auch bei höheren Primaten (im Zoo) nachgewiesen. 4. Symptome der Erkrankung: Unter noch nicht näher bekannten Umständen treten breiige Durchfälle mit abdominalen Schmerzen auf. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der zahlreichen, stark beweglichen Amöben in fri- schem Stuhl oder in fixierten Fäzes. Zystenstadien treten nicht auf, daher keine Anreiche- rungsmöglichkeit. Anzuchtverfahren s. Entamoeba histolytica. 6. Infektionsweg: Unbekannt. Angeblich u. a. durch Einschluss in Eier des Maden- bzw.
Pfriemwurms Enterobius vermicularis und orale Aufnahme von offenbar doch existenten Zystenformen bzw. Dauerstadien. 7. Prophylaxe: Vermeidung von Kontakt mit Humanfäzes; Vorsicht auch bei Umgang mit Affenfäzes (im Zoo). 8. Inkubationszeit: Variabel, da nur fakultativ pathogen. 9. Präpatenz: Tage bis Wochen.
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Kapitel 3 Einzeller beim Menschen
10. Patenz: Monate. 11. Therapie: Metronidazol (Dosierung wie bei Amöbiasis); Doxycyclin (2 × 100 mg tgl. über 10 Tage), Paromomycin (3 × 500 mg tgl. oral über 5–7 Tage) oder halogenierte Hydroxy- chinoline (z. B. Iodoquinol 3 × 650 mg tgl. über 3 Wochen) sind ebenfalls wirksam.

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3.10.3 Apathogene bzw. schwach pathogene Amöben
Im Dickdarm des Menschen treten eine Reihe als apathogen eingestufter Arten auf, wobei fol- gende besonders hervorgehoben werden sollen (Abb. 3.19): 1. Entamoeba dispar und E. moshkovski. Aussehen, Größe und Biologie entsprechen Enta- moeba histolytica. 2. Entamoeba coli. Die langsam beweglichen, sehr häufigen Trophozoiten werden bis 40 µm groß, die infektiösen, meist 8-kernigen (oft auch mehr) Zysten erreichen immerhin 30 µm Durchmesser. Der Nukleolus (Kernbinnenkörper) liegt im Kern etwas außerhalb der Mitte (Unterscheidung zu E. histolytica, wo ein zentraler Kern auftritt). 3. Entamoeba hartmanni. Diese Art ist mit max. 10 µm Größe sowohl in den Zysten als auch Trophozoiten deutlich kleiner als E. histolytica, sonst aber nur schwer morphologisch von diesen zu unterscheiden, da die Zysten auch 4 Kerne enthalten. Evtl. handelt es sich um die alte und neuerdings wieder beachtete Art E. dispar. 4. Entamoeba gingivalis. Diese Art findet sich im Zahnbelag von Menschen bei ungenügen- der Zahnpflege. 5. Endolimax nana. Diese Art, deren Trophozoiten meist unbeweglich und abgerundet im Darm vorliegen, besitzt im Zystenstadium meist 4, gelegentlich auch 5–8 Kerne, die aller- dings bei lebenden Amöben nur schwer sichtbar sind. Auch diese Amöben treten im Darm relativ häufig auf. 6. Jodamoeba bütschlii. Diese Amöbe wird als Zyste 6–15 µm groß und ist durch eine große Glykogenvakuole gekennzeichnet.
3.11 Isospora belli (Isosporiasis)
1. Name: Griech.: isos = gleich; sporos = Samen, Spore; kystos = Zyste. Lat.: bellum = Bauch. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Global, man schätzt weltweit mehrere 100 Millionen Infizierte (u. a. traveller's disease). 3. Biologie/Morphologie: Das zu den Sporozoen gehörende Kokzid I. belli vollzieht sowohl seine ungeschlechtliche (Schizogonie) als auch die geschlechtliche Entwicklung (Gamogo- nie) innerhalb einer Vakuole des Zytoplasmas der Epithelzelle des Dünndarms. Nach der Befruchtung des Makro- und Mikrogameten entsteht aus der Zygote durch Abscheiden einer derben Wand eine sog. Oozyste von etwa 25–35 µm × 18–20 µm Größe, die mit den Fäzes ins Freie gelangt. Dort werden innerhalb von 3 Tagen 2 Sporozysten mit je 4 Sporozoiten in jeder Oozyste gebildet. Die Oozysten sind im Gegensatz zu vielen anderen Oozysten (z. B. Sarkosporidien) schlank-oval und erscheinen an einer Seite leicht zuge- spitzt (Abb. 3.20). Bei genügender Feuchtigkeit bleiben diese sog. sporulierten Oozysten im Freien mindestens 1 Jahr infektiös und überdauern auch Temperaturen nahe dem Ge- frierpunkt. 4. Symptome der Erkrankung (Kokzidiose): Bereits 2 Tage p. i. (= Inkubationszeit) kann es bei schweren Infektionen im Verlauf der Schizogonie mit starker Parasitenvermehrung zu heftigen (evtl. rezidivierenden) Diarrhöen kommen, die mehrere Tage oder gar Wochen andauern und mit Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Schwache Infektionen bleiben dagegen meist unbemerkt (s. auch besondere Indikation bei AIDS, wo es stets zu Malab- sorption, Steatorrhö und besonders schweren Flüssigkeitsverlusten kommt). Bei AIDS-Pa- tienten wurden die Parasiten auch in großer Anzahl extra- und intrazellulär in darmfernen Lymphknoten angetroffen (= allgemeine Disseminierung mit entsprechender, organspezi- fischer Symptomatik; Restrepo et al. 1987). Achtung: Auch bei Nicht-AIDS-Patienten kann es zum Wiederaufflammen der Infektion nach 2–20 Wochen kommen. 5. Diagnose: Nachweis der Oozysten im Stuhl; dies ist auch im unfixierten Stuhl nach meh- reren Tagen noch möglich (Oozysten dann meist sporuliert). Bei schwächerem Befall sind


Anreicherungsmethoden (MIFC, Flotation) empfehlenswert. In Dünndarmbiopsien kön- nen zudem auch die anderen Entwicklungsstadien gefunden werden. Im histologischen Schnitt ist eine sichere Zuordnung und Differenzierung lichtoptisch jedoch schwierig (besser Tupfpräparate). Nicht selten besteht eine mäßige Bluteosinophilie. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme sporulierter Oozysten mit kontaminierter Nahrung oder im Trinkwasser. 7. Prophylaxe: Meidung potenziell durch Humanfäzes kontaminierter Nahrung (z. B. Salat) bzw. Abkochen von Trinkwasser bei Aufenthalt im Freien. 8. Inkubationszeit: 2–13 Tage (Beginn der schizogenen Vermehrungsteilung). 9. Präpatenz: 7–9 Tage. 10. Patenz: 2 Wochen bis 1–2 Jahre (bei AIDS-Patienten). 11. Therapie: Die akute Isosporiasis ist meist selbstlimitierend und erfordert keine spezifische Therapie. Mittel der Wahl bei protrahiertem oder chronischem Verlauf (gehäuft bei Immun- kompromittierten) ist Cotrimoxazol (4 × 800 mg Sulfamethoxazol und 160 mg Trimethop- rim tgl.) über 10 Tage, dann 2 × täglich über 3 Wochen. Pyrimethamin, 50–75 mg täglich, ist ebenfalls wirksam. Bei AIDS-Patienten ist wegen hoher Rückfallraten häufig eine langfristige Suppressionstherapie bzw. Rezidivprophylaxe mit Cotrimoxazol in niedriger Dosierung erforderlich (z. B. 1 × 400 mg Sulfamethoxazol/80 mg Trimethoprim tgl.). In den USA wurden AIDS-Patienten mehrfach erfolgreich mit Diclazuril (1 × tgl. 200 mg für 7 Tage) behandelt. Auch hat sich gezeigt, dass bei Unverträglichkeit mit der o. g. Therapie Ciprofloxaxin (2 × tgl. 500 mg für 7 Tage) eingesetzt werden kann.​