Skip to main content

Kapitel 4 Würmer beim Menschen

4.1 Was sind Würmer?
Die in den folgenden Abschnitten 4.2 bis 4.4 dargestellten Parasitengruppen werden generell als Helminthen = Würmer zusammengefasst, obwohl sie außer einem mehr oder minder wurmförmigen Aussehen kaum Gemeinsamkeiten im Bauplan oder etwa in der Reaktion auf Chemotherapeutika haben. Sie unterscheiden sich jedoch von den Protozoen (Kap. 3) durch die bei den meisten Arten fehlende unmittelbare Vermehrung im Endwirt. So entwickeln sich in der Regel nur so viele adulte Parasiten im Endwirt, wie Larven in ihn gelangen. Eine starke Vermehrung kann dagegen in Zwischenwirten stattfinden (z. B. Trematoden).
Große Fortschritte gelangen in den letzten Jahren in der medikamentösen Behandlung der Wurmkrankheiten, sodass heute einige gut verträgliche und dazu noch gut wirksame Präparate vorliegen, die in den jeweiligen Abschnitten vorgestellt werden. Allerdings treten immer mehr Resistenzen der Parasiten gegen Chemotherapeutika in Erscheinung, sodass unbedingt auf einen sachgerechten Einsatz (Zeiten, Dosierung) geachtet werden muss. Auch darf die Suche nach neuen Substanzklassen, gegen die dann noch keine Resistenzen bestehen können, nicht vernachlässigt werden, damit Alternativen zumindest zum vorübergehenden Einsatz verfügbar sind, zumal beobachtet wurde, dass Resistenzen in Parasitenpopulationen nach einiger Zeit auch wieder verschwinden können.
Die beim Menschen wichtigen Wurmarten gehören zu den sog. Plathelminthes (mit den Gruppen Saugwürmer = Trematoda und Bandwürmer = Cestoda) sowie zu den sog. Ne- mathelminthes (früher als Aschelminthes bezeichnet), die in deutscher Sprache als Schlauch- würmer, englisch als roundworms gekennzeichnet sind.
4.2 Saugwürmer (Trematoda)
Die Klasse der Trematoden enthält ausschließlich Parasiten, die sich mittels Halteapparaten an inneren und äußeren Oberflächen ihrer Wirte verankern. Neben Besonderheiten im Ent- wicklungszyklus wurden diese Verankerungssysteme auch zur systematischen Gliederung der Trematoden verwendet. Zu den Trematoden werden nach dem alten System im Wesentlichen folgende Gruppen gerechnet: •• Aspidobothrea •• Monogenea •• Digenea
Nach dem System von Ehlers gehören hierhin allerdings nur die •• Aspidobothrii •• Digenea
Da jedoch auch dieses System noch weiterer Klärung bedarf, werden die einzelnen Taxa hier wegen der Vergleichbarkeit zu human- und tiermedizinischen Lehrbüchern hintereinander ab-
100
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
gehandelt, da es doch im Wesentlichen um die darin eingeschlossenen Arten und ihre Bedeu- tung für den Menschen oder seine Haustiere geht. Bedeutendere Parasiten des Menschen sind jedoch nur Vertreter der sog. Digenea, die verschiedene Generationen in ihrem Lebenszyklus vereinen.
Die Bezeichnung Digenea (= 2 Generationen) erfolgte daher wegen ihres typischen, einen Generations- und Wirtswechsel einschließenden Entwicklungszyklus. Da bei den jeweiligen Arten eine überaus große Formenvielfalt vorhanden ist, wird zur Systematisierung auf Ebene der Unterordnungen die akademisch anmutende Frage nach der Genese der Exkretionsblase herangezogen. Zur Diagnose von adulten Formen werden in der Praxis allerdings vorwiegend Bau und Anordnung der fast stets vorhandenen beiden Saugnäpfe verwendet, von denen der erste den Mund umgibt; so werden folgende adulte Egelformen unterschieden: 1. Gasterostome Formen: Der Darm ist unverzeigt, sackartig und beginnt nicht apikal. 2. Monostome Formen: Ein Saugnapf ist reduziert, und zwar meist der Bauchsaugnapf. 3. Distome Formen: Der Bauchsaugnapf liegt variabel, aber artspezifisch ventral zwischen vorderem und hinte- rem Pol. 4. Amphistome Formen: Der zweite Saugnapf liegt am hinteren Pol. 5. Echinostome Formen: Der Mundsaugnapf ist durch einen Kragen mit Haken bewehrt. 6. Holostome Formen: Sie besitzen außer den beiden Saugnäpfen noch ein zusätzliches, sog. tribozytisches Halte- organ.
Alle diese Formen sind Zwitter; einzig getrenntgeschlechtlich sind: 7. Schistosomen: als eigener Formen- und Artenkreis.
Das geschlechtsreife, blattförmige Männchen umschließt das drehrunde Weibchen (Abb. 4.1).
Da die Ränder des Männchens verhakt werden können, entsteht der sog. Canalis gynaeco- phorus. Diese meist lebenslang beibehaltene „Paarung" führte zur Bezeichnung „Pärchen- egel".
Viele distome Egel, insbesondere die Schistosomen, sind als Parasiten des Menschen und der Haustiere von großer gesundheitlicher und ökonomischer Bedeutung. Ihrer Morphologie und Entwicklung wird daher zunehmend in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit geschenkt.
System: Unterklasse Digenea 1. Überordnung: Anepitheliocystidia (embyonale Exkretionsblase bleibt erhalten) Ordnung: S trigeata (Zerkarien mit Gabelschwanz, Miracidien mit 2 Paar Proto- nephridien) Familie: Strigeidae Diplostomatidae Schistosomatidae Spirochidae Cyclocoeliidae Bucephalidae u. a.
Ordnung: Echinostomata (Zerkarien mit einfachem Schwanz; Miracidien mit einem Paar Protonephridien) Familie: Fasciolidae Gastrodiscidae Paramphistomatidae u. a.
4.2 Saugwürmer 101
View attachment 5969
2. Überordnung: Epitheliocystidia (Exkretionsblase wird von mesodermalen Zellen neu gebildet; Zerkarienschwanz ist ungegabelt) Ordnung; Plagiochiata (Zerkarienschwanz oft ohne Exkretionstefäße, manchmal mit oralem Stilett) Familie: Dicrocoeliidae Plagiorchiidae Prosthogonimidae Troglotrematidae u. a.
Ordnung: Opisthorchiata (Zerkarien stets mit Exkretionskanälen im Schwanz; kein orales Stilett) Familie: Opisthorchiidae Heterophyidae u. a.
4.2.1 Schistosoma haematobium (Blasenbilharziose)
1. Name: Griech.: schisis = Spaltung; soma = Körper; haima = Blut; bios = Leben. Engl. bladder fluke, dt. Blasenegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Große Gebiete in Afrika mit Wasserläufen: nordwestl.–nordöstl. Afrika, Nildelta bis nach Südafrika, feuchte Gebiete Ost- und Westaf- rikas, Westseite Madagaskars, arabische Halbinsel, Irak sowie kleinere Gebiete in Indien. 3. Biologie/Morphologie: Adulte S. haematobium-Würmer sind wie alle Pärchenegel (Tre- matoda, Plathelminthes) getrenntgeschlechtlich, leben aber in Dauerkopula – wobei das blattförmige, bis 1,5 cm lange Männchen das im Querschnitt drehrunde, bis 2,5 cm lange
Abb. 4.1 REM-Aufnahme eines Pärchenegels (Schistosoma mansoni). Das Männchen trägt das dreh- runde Weibchen in einer Bauchfalte.
102
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
Weibchen in einer Bauchfalte (Canalis gynaecophorus) trägt – im Venensystem des Uro- genitalsystems und der Harnblase ihrer Wirte (Abb. 4.1). Das Weibchen setzt täglich etwa 300 mit einem Endstachel versehene und mit 110–170 µm × 40–70 µm relativ große Eier ab (Abb. 4.2). Bei der durch ausgeschiedene Proteasen unterstützten Wanderung der Eier durch die Wand der Blase entwickelt sich im Ei bereits die Larve (Mirazidium). Erreicht das Ei die Blasenschleimhaut, so wird es endoskopisch in einem weißlichen, etwa 1–2 mm gro- ßen Pseudotuberkel sichtbar. Gelangt das Ei mit dem Urin in Wasser, so schlüpft die Mirazi-

View attachment 5970
4.2 Saugwürmer 103
diumlarve in wenigen Minuten und dringt aktiv in Wasserschnecken der Gattung Bulinus ein, wo es in deren Mitteldarmdrüse zu einer starken Vermehrung über sog. Sporozysten kommt. In der Tochtersporozystengeneration entstehen dann schließlich viele der mit einem gegabelten Schwanz versehenen Larven (Zerkarien). Diese Stadien werden frei, schwimmen umher und müssen binnen 24 Stunden einen Wirt finden. Außer einigen wenigen Tieren (z. B. Nilratten, Hamster, Ziegen) kommt da nur der Mensch infrage (bei der Arbeit im Wasser, beim Baden etc.). Beim Einbohren in die Haut des Wirts werfen die Zerkarien ihren Schwanz ab. Nach Aufenthalten in der Haut (als sog. Schistosomulum-Stadium) und in der Lunge (zur Anpassung an das Immunsystem der Wirte) wird schließlich das Blutgefäß- system des Urogenitalsystems aufgesucht, wobei das Weibchen erst 5–6 Wochen nach der Paarung die Geschlechtsreife erreicht. Dieses Pärchen fixiert sich mit den beiden großen, für alle digenen Trematoden (Saugwürmer) typischen Bauch- und Mundsaugnäpfen sowie dornenbewehrten Hauterhebungen (engl. bosses) in den Gefäßen und verletzt diese auch.
Als Nahrung dient den Pärchenegeln die mit reichlich Blut aufgenommene Glukose. 4. Symptome der Erkrankung (Blasen-Schistosomiasis, -bilharziose): Die Schwere der Er- krankung hängt von der Anzahl der langlebigen Pärchen ab. Generell lassen sich aber folgende Symptome unterscheiden: a) Juckreiz an der Eintrittsstelle der Haut; bei wiederholtem Befall kann es zu einer sog.
Zerkariendermatitis kommen. b) Bei Erstinfektionen treten nach etwa 4–7 Wochen unspezifische Fieber als Allgemeinre- aktion des nun sensibilisierten Wirts auf. c) Beginnend etwa 2–3 Monate nach der Infektion (aber gelegentlich auch erst nach 2 Jahren) können im Urin Eier bei gleichzeitiger Hämaturie (besonders in der letzten Harnportion!) beobachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt bemerkt der Patient Brennen in der Harnröhre und verspürt häufig Harndrang. d) Im weiteren, chronischen Verlauf der Erkrankung können im Harn Blut bzw. Eier für kürzere oder längere Zeiten ausbleiben. Daher empfiehlt es sich bei negativem Befund, die Urinuntersuchung zu wiederholen. e) Bei Blasenspiegelungen mithilfe des Zystoskops fallen an der Blasenwand die sog.
Eigranulome, die auch als Pseudotuberkel bezeichnet werden, als weiße Knötchen von etwa 1–2 mm Durchmesser auf (Abb. 4.3). f) Als Komplikation einer S. haematobium-Infektion können folgende Erkrankungen auf- treten: – Sekundärinfektion der Blase infolge unvollständiger Leerung, sodass sich wegen starker, granulombedingter Fibrosen und schließlich Verkalkungen die Kontraktili- tät der Blasenwand verringert. – Geschwüre, evtl. Karzinome (in Ägypten beschrieben) der Blasenwand wegen stän- diger Gewebsreizung. – Veränderung der Genitalien (sog. Elephantiasis durch ein chronisches Ödem) und in geringerem Maß auch Wachstum der Leber infolge von Granulombildungen. 5. Diagnose: Die typischen Eier (mit Endsporn; s. Abb. 4.15) können im Urin, in Blasenbiop- sien, z. T. auch in Dickdarmbiopsien sowie selten im Stuhl nachgewiesen werden; bei hoher Eiausscheidung kann der Nachweis bereits im Spontanurin gelingen (quantitative Durch- musterung des Sediments der letzten Urinportionen). Da die Ausscheidung sehr variiert, sind ggf. mehrfache Wiederholungen und die Untersuchung von Sammelurin empfehlenswert.
Die Eiausscheidung ist am höchsten um die Mittagszeit und nach körperlicher Anstrengung (Urinsammlung am besten zwischen 10.00 und 14.00 Uhr). Wird der Urin nicht innerhalb 1–2 Stunden untersucht, 1 ml 37%iges Formalin pro 100 ml Urin zugeben (um das Schlüp- fen der Mirazidien zu verhindern). Die Untersuchung größerer Urinmengen (Sammeln der letzten Urinportionen über 24h) erfolgt nach 1-stündiger Sedimentation in einem großen Spitzglas (bei sehr sedimentreichem Urin ggf. mehrfaches Waschen mit kalter, 1%iger NaCl), Dekantieren des Überstands, Zentrifugation des Sammelsediments (max. 2000 g für 2 min) und quantitativer Durchmusterung. Kleinere Urinmengen (z. B. die letzte 10–50 ml-Portion
104
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
eines „Mittagsurins") können mithilfe einer Spritze durch einen Polycarbonatfilter (alternativ Nylon- oder Papierfilter) mit 25 mm Durchmesser und 12–20 µm Porengröße (in einem 25 mm-Filterhalter) gefiltert werden. Der Filter wird nach Auflegen auf einen Objektträger (ggf. nach Anfärbung mit Lugol'scher Jodlösung) bei schwacher Vergrößerung (40–100-fach) nach zurückgehaltenen Eiern durchgemustert. Die Vitalität kann bei unfixierten Eiern an- hand der Wimpernmotilität, mittels Mirazidienschlüpfversuch oder nach Supravitalfärbung mit 0,5% Trypanblau beurteilt werden. Der Nachweis von Eiern in Biopsaten erfolgt am bes- ten mittels Quetschpräparat (siehe intestinale Schistosomiasis). Immundiagnostik: ELISA, PCR bei Verdachtsfällen mit negativem Urinsediment. Eine Bluteosinophilie findet sich am ehesten während der Wanderungs- und Reifungsphase der Schistosomula (Einzahl: Schisto- somulum). Bildgebende Verfahren (Radiologie, Sonographie, CT) werden bei Verdachtsfäl- len von Lungen-, Gehirn-Schistosomiasis wie auch bei ungeklärten Fibrosen eingesetzt. 6. Infektionsweg: Perkutan; Zerkarien dringen bei Aufenthalt im Wasser oder via Spritzwas- ser in die Haut des Menschen ein. 7. Prophylaxe: Meiden von Wasser im Freiland in endemischen Gebieten bzw. Tragen von Schutzkleidung (Stiefel, Handschuhe). Achtung: Auch im Spritzwasser können infektiöse Zerkarien enthalten sein, da diese phototaktisch an die Oberfläche schwimmen. 8. Inkubationszeit: Abhängig von der Wurmlast des Wirts: 4–7 Wochen; eine Hämaturie tritt häufig erst 2 Monate bis 2 Jahre (!) nach der Infektion auf. 9. Präpatenz: 9–10 Wochen, gelegentlich aber auch 2 Jahre! Bei eingeschlechtlichen Infektio- nen treten keine Eier auf. 10. Patenz: 25 Jahre. 11. Therapie: Mittel der Wahl (WHO-Empfehlung) ist Praziquantel (40 mg/kg KGW als Ein- maldosis). Ebenfalls wirksam ist Metrifonat in einer Einmaldosis von 7,5 mg/kg KGW mit 2-maliger Wiederholung in wöchentlichen Abständen.

View attachment 5971
4.2 Saugwürmer 105
4.2.2 Schistosoma mansoni und andere Arten (Darmbilharziose)
1. Name: Griech.: schizein = spalten; soma = Körper. Bezieht sich auf die getrennten Ge- schlechter. Engl. liver fluke , blood fluke; dt. Darmegel. Entdecker: Theodor Bilharz (1825– 1862); Patrick Manson (1844–1922), engl. Forscher. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Mehr als 200 Millionen Menschen sind be- fallen, 600 Millionen bedroht. 3. Biologie/Morphologie: Die Schistosoma-Arten des Darms (Tab. 4.1) unter Einschluss von S. mekongi, das sich von S. japonicum durch kleinere Adulte (bis 16 mm), kleinere Eier (40–45 µm) sowie andere Schneckengattungen (Lithoglyphopis, Tricula-Arten) als Zwi- schenwirte unterscheidet, sind getrenntgeschlechtlich, aber verbleiben gemeinsam (= leben gepaart „fürs Leben", etwa 25 Jahre) in den Venen des Darmsystems. Sie sammeln, paaren sich in der Pfortader und dringen von da aus als Paare in die Darmnähe vor, wo sie in den Mesenterialgefäßen leben. Die von den Weibchen in großer Anzahl täglich abgesetzten, deckellosen und meist relativ großen Eier sind durch Stacheln gekennzeichnet (Abb. 4.4).
Tabelle 4.1: Morphologische Merkmale wichtiger Schistosoma-Arten des Menschen Merkmal S. mansoni S. japonicum* S. intercalatum S. haematobium
Männchen, äußere Ober- fläche
große Tuber- kel
keine Tuberkel Tuberkel mit ha- kenfreiem Hof
kleine Tuberkel mit vielen Haken
Weibchen, Ovar
vordere Körperhälfte
hintere Körper- hälfte
hinter Körper- mitte
in Nähe Körpermitte
Eier im Uterus (Anzahl)
1–10
(meist 1)
50–300 10–20 20–100
Eiform mit großem Seitendorn
mit kleinem Seitendörnchen
mit Enddorn mit Enddorn
Eigröße (µm)
115–180
× 45–70
70–100
× 55–65
140–230
× 50–80
110–170
× 40–70
Auftreten Fäzes Fäzes Fäzes Urin
Wurmgröße (mm)
M: 6–12 × 1
W: 7–16 × 0,3
M: 12–20 × 0,5
W: 12–28 × 0,3
M: 11–15 × 0,4
W: 10–14 × 0,2
M: 10–15 × 1
W: 20–26 × 0,3
Auftreten der adulten Würmer beim Menschen
Darmmesen- terialgefäße
Darmmesenterial- gefäße
Darmmesenterial- gefäße
Venen des Urogeni- talsystems
Zwischenwirte/ Schnecken
Biomphalaria- Arten
Oncomelania-Arten Bulinus-Arten Bulinus-Arten
Reservoirwirte Ratten, Mäuse, Affen
Mäuse, Hund, Kat- ze, Schwein, Rind
Ziege, Schaf, Nager
Affen, Hamster
* Die ovoiden Eier von S. mekongi sind völlig stachellos und mit 50–60 µm × 30–50 µm auch klei- ner als die von S. japonicum. In Malaysia und Thailand wurde mit S. malayensis eine weitere Art beschrieben, die sich wie S. japonicum verhält. Truncula-Arten für S. mekongi und Robertsiella-Arten für S. malayensis sind die Zwischenwirtschnecken.
M = Männchen; W = Weibchen.
106

View attachment 5972
ie gelangen zum Teil mit dem Blutstrom in die Leber, klemmen in den kleinen Kapilla- ren fest und führen zur Bildung von sog. Granulomen, d.h. zu Wirtsabwehrreaktionen, in deren Zentrum die Eier in etwa 9 Monaten zerstört werden. Die Gesamtzahl der Eier ist gewaltig. So setzen z. B. die Weibchen von S. mansoni jeweils 300, die von S. japonicum sogar bis zu 3000 Eier täglich ab, was bei der langen Lebensfähigkeit der adulten Wür- mer (bis 25 Jahre!) und dem gleichzeitigen Befall mit oft bis zu 60 Pärchen zu enormen „Eilasten" im Körper betroffener Menschen führt. Ein großer Teil der Eier „eitert" – durch eigene Proteasen unterstützt – durch die Gefäß- und Darmwand hindurch und gelangt so mit den Fäzes ins Freie. Während dieses Wanderwegs entsteht im Innern des Eies bereits die als Mirazidium bezeichnete Larve, die sofort beim Kontakt mit Süßasser schlüpft und binnen eines Tages in den jeweiligen Zwischenwirt (eine Wasserschneckenart) eindringt (Abb. 4.2). Dort kommt es zu einer Massenvermehrung in der Mitteldarmdrüse über 2 Ge- nerationen von sog. Sporozysten, bis schließlich Zerkarien wieder ins Wasser abgegeben werden. Diese mit einem gegabelten Schwimmschwanz versehenen Larven steigen dem Licht folgend an die Wasseroberfläche von Gewässern und penetrieren bei Hautkontakt
Abb. 4.4 Mikroskopische Aufnahmen von Schistosomen (LM, REM) (links) a) Ei von S. japonicum, LM. b) Pärchen von S. mansoni, REM. c) Ei von S. haematobium, LM. d) Ei von S. mansoni, LM.
Inset: Vergrößerung der bulbusartigen Tuberkel des Teguments eines Männchens von S. mansoni.
CG = Canalis gynaecophorus; MR = Mirazidium im Ei; SN = Saugnäpfe; TU = Tuberkel = Hauterhe- bungen mit Haken. rechts: Granulom mit zentralem degenerierendem Ei in der Leber. Blau = Kollagenfasern.
4.2 Saugwürmer 107
den Endwirt Mensch bzw. Reservoirtiere. Nach Reifungsphasen in der Haut und in der Lunge (als sog. Schistosomulum-Stadien, die zu starken allergischen Reaktionen führen können), paaren sich die präadulten Würmer in der Pfortader und wandern als Paare in die Mesenterialvenen ein, wo etwa nach 6 Wochen mit der Eiablage begonnen wird, sodass der Entwicklungskreislauf geschlossen ist (Abb. 4.2). 4. Symptome der Erkrankung (Darmbilharziose, Urogenitalbilharziose, Schistosomiasis): a) Zerkariendermatitis. An der Penetrationsstelle der Haut tritt ein Juckreiz auf, und es entstehen entzündliche Reaktionen, die jedoch nach wenigen Tagen abklingen (anders als bei Zerkarien von Schistosomen von Wasservögeln, die im Menschen nicht ge- schlechtsreif werden können und daher in der Haut absterben; hier dauern die Derma- titissymptome länger an). b) Anfangsfieber (Katayama-Syndrom). Nach einer Inkubationszeit von etwa 4–7 Wo- chen treten remittierende oder intermittierende Fieber, Schmerzen im Bereich des Bauches, Schwellungen der Leber und Milz sowie Störungen der Darmfunktion auf.
Gleichzeitig zeigt sich im Blutbild eine unterschiedlich hohe Eosinophilie. c) Blut im Stuhl. Mit dem Beginn der Eiabscheidung in den Fäzes (Beginn bei S. mansoni nach 42 Tagen, bei S. japonicum nach 30–44 Tagen, bei S. intercalatum nach etwa 50–56 Tagen) tritt infolge des Durcheiterns der Eier Blut im Stuhl auf, das allerdings oft okkult bleibt und dann nur chemisch nachweisbar ist. d) Chronische Erscheinungen. Nach etwa 3–6 Monaten erscheinen Symptome, die von der Befallsrate abhängig sind, aber stets den chronischen Verlauf der Erkrankung kenn- zeichnen: – Schäden im Darmbereich: Diarrhöen mit Schleim- und Blutausscheidung können mit Obstipationsphasen abwechseln; Entzündungen im Dickdarmbereich aufgrund verstärkten Auftretens von „durcheiternden" Eiern sowie Komplikation durch Se- kundärinfektionen; Polypenbildungen im Enddarmbereich. – Leberschäden: Mit dem Pfortaderblut in die Leber verschleppte Eier führen zu Granulomen, welche bei den meisten Patienten keine Einschränkung der Leber- durchblutung oder der Organfunktion verursachen. Bei massivem Leberbefall und bei besonderer Disposition kommt es allerdings zu einer ausgeprägten periportalen Fibrose (Pipestem-Fibrose nach Symmers, bei der die Leber auf der Schnittfläche aussieht, als wäre sie von Hunderten Tonpfeifenstielen durchsetzt). Das Leberparen- chym selbst wird nicht zirrhotisch umgebaut. Trotzdem führt eine exzessive Fibrose zum klinischen Folgebild wie bei der Leberzirrhose mit allen Folgen der portalen Hypertension, mit Ösophagusvarizen, Aszites, Splenomegalie, Leukopenie). Eine tödliche Bedrohung stellt die Ösophagusvarizenblutung dar. – Lungenschäden: Befall der Lunge durch verdriftete Eier kann sich in Bronchitis, Eiembolie bis hin zu Herzinsuffizienz infolge pulmonaler Hypertension (Cor pul- monale) äußern. – Gehirn: Infolge von Eigranulombildung kommt es zu neuromotorischen Ausfaller- scheinungen, Lähmungen, Krämpfen, häufig von Symptomen einer diffusen Enze- phalitis oder Meningitis begleitet. 5. Diagnose: Diese beruht am sichersten auf dem Nachweis der typischen Eier im Stuhl (Abb. 4.4, 4.15) und Biopsien. Bei der Stuhluntersuchung sind meist Anreicherungsme- thoden erforderlich (Dicker Ausstrich nach Kato-Matz, MIFC, Sedimentation). 6. Infektionsweg: Perkutan, Zerkarien dringen unter Abwurf ihres gegabelten Ruderschwan- zes beim Aufenthalt im Wasser in die Haut ein. Vorsicht: Auch im Spritzwasser (bei Boots- fahrten etc.) können Zerkarien enthalten sein! 7. Prophylaxe: Meiden von verseuchten Gewässern, Tragen von Schutzkleidung beim Arbei- ten in solchen Gewässern. 8. Inkubationszeit (Krankheitssymptome): a) Direkte Phase der Reaktion auf Zerkarien: 6 Stunden bis 2 Tage. b) Erste Reaktionen auf präadulte bzw. adulte Würmer:
108
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
S. mansoni: 2–3 Wochen S. japonicum: 1–3 Wochen S. intercalatum: 4–7 Wochen S. haematobium 2–10 Monate 9. Präpatenz (Auftreten von Eiern im Stuhl bzw. Urin): S. mansoni: 4–7 Wochen S. japonicum: 4–5 Wochen S. intercalatum: 6–8 Wochen S. haematobium 9–12 Wochen 10. Patenz: 5–25 Jahre. 11. Therapie: Mittel der Wahl gegen alle Schistosomen-Arten und in allen Krankheitsstadien ist Praziquantel (3 × 20 mg/kg KGW an einem Tag). Oxamniquin (Einmaldosis von 15 mg/ kg KGW ist nur gegen S. mansoni wirksam, vor allem gegen die Stämme in Westafrika und Südamerika. Bei bedrohlich verlaufendem Katayama-Syndrom und bei zerebraler Schis- tosomiasis (meist S. japonicum) ist zusätzlich die Gabe von Kortikosteroiden erforderlich.
Bei portaler Hypertension mit Ösophagusvarizen ist eine endoskopische Sklerosierung empfehlenswert. Mittel: u.a. Biltricide®, Mansil®
4.2.3 Clonorchis- und Opisthorchis-Arten (Clonorchiasis, Opisthorchiasis)
4.2.3.1 Clonorchis sinensis
1. Name: Griech.: klon = Ab-, Verzeigung; orchis = Hoden; der Name leitet sich davon ab, dass die Hoden des Wurms Verzweigungen aufweisen; opistho = hinten; dieser Name be- zieht sich darauf, dass die 2 Hoden hinten liegen. Engl. Chinese liver fluke; dt. Chinesischer Leberegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Ostasien, besonders in China, Korea, Ja- pan, sind etwa 50 Millionen Menschen befallen.

View attachment 5973View attachment 5974
3. Biologie/Morphologie: Diese zwittrigen Würmer messen etwa 10–20 mm × 3–5 mm (Abb. 4.2, 4.5). Ihre Oberfläche weist keine Häkchen auf; besonders kennzeichnend sind die im hinteren Körperabschnitt hintereinander gelegenen, stark verästelten Hoden, der vordere mit 4, der hintere mit 5 Hauptästen. Die Infektion des Menschen erfolgt durch den Genuss von rohem oder ungenügend gekochtem Fischfleisch (karpfenartige Friedfische = 2. Zwischenwirt; Wasserschnecken der Gatt. Semisulcospira, Bulinus, Parafossarulus = 1.
Zwischenwirt), sofern dies mit Larven (sog. Metazerkarien) kontaminiert ist. Die Larven schlüpfen im Darm und wandern gegen den Gallenstrom in die Gänge der Leber ein. Ne- ben dem Menschen können auch Hunde, Katzen und mit Abfällen gefütterte Schweine als Erregerreservoire infiziert werden. 4. Symptome der Erkrankung (Clonorchiasis): Die Symptomatik der Erkrankung und ihr Verlauf ist abhängig von der Anzahl aufgenommener Würmer. Ein Befall mit 20–200 Würmern gilt in endemischen Gebieten als Durchschnittswert. Hierbei treten Völlegefühl, Oberbauchschmerzen, Leberschwellung, leichter Ikterus und Obstruktion der Gallengänge auf. Bei massivem Befall von 1000 bis hin zu 20 000 bei Obduktion gefundenen Exem- plaren kommen häufig massive, evtl. blutige Diarrhöen, Aszites, Anämie, verschiedene Ödembildungen und selten Leberzirrhose hinzu. Dies alles kann zum Tod des Betroffenen führen. Leberabszesse und cholangiogene Karzinome sind weitere bedrohliche Komplika- tionen bei starkem Wurmbefall. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der bräunlichen, gedeckelten, kleinen, im Mittel etwa 35 µm großen Eier im Stuhl bzw. Gallensaft nach Anwendung von Konzentrations- verfahren (Abb. 4.6, 4.15). Die Serodiagnose (ELISA) zeigt Kreuzreaktionen mit anderen Saugwürmern, Ultraschall aber ist hilfreich, ebenso PCR-Verfahren. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von Metazerkarien in rohem Fisch (z. B. in Korea: Befall vieler Süß- und Brackwasserfische, bis 1/5 der Bevölkerung ist befallen!). Wegen fehlender Immunität sind wiederholte Infektionen möglich! 7. Prophylaxe: Ausschließlicher Verzehr von ausreichend gekochtem oder gebratenem Fisch (in manchen Gebieten Chinas sind nahezu alle Fischzuchten befallen). 8. Inkubationszeit: Bei starkem Befall: 2 Wochen, sonst evtl. symptomlos. 9. Präpatenz: 2 Wochen. 10. Patenz: 25 Jahre. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel (3 × 25 mg/kg KGW an 1 Tag).
4.2.3.2 Opisthorchis viverrini
1. Name: Griech.: opisthen = hinten; orchis = Hoden; viverrini = viverrinus = zibetkatzenartig.
Der Artname nimmt somit Bezug auf einen der Hauptwirte des Wurms. Engl. zibetcat fluke; dt. Zibetkatzenegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Thailand, fokal in Laos, Vietnam, Japan, Indien sind etwa 20 Millionen Menschen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Würmer (Abb. 4.7, 4.8 F) messen etwa 5–9 mm × 0,8–2 mm und unterscheiden sich von O. felineus lediglich durch ihre etwas tiefer ge- lappten Hoden (je in 4 Bereiche gegliedert), während sie in der Eigröße nur unwesentlich differieren. Die Infektion des Menschen erfolgt wie bei C. sinensis durch mit Metazerkarien kontaminiertes Fischfleisch. 4. Symptome der Erkrankung: Siehe C. sinensis. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der bräunlichen, gedeckelten Eier, die etwas kleiner (27 × 15 µm) sind als die von C. sinensis (35 × 19 µm) mithilfe von Anreicherungsverfah- ren in den Fäzes und in der Gallenflüssigkeit. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von metazerkarienhaltigem, rohem Fisch. Mensch, Hund und Katze können wegen ausbleibender Immunität immer wieder neu infiziert werden.
4.2 Saugwürmer 111
View attachment 5975
7. Prophylaxe: Kochen oder Braten von Fisch vor dem Verzehr. 8. Inkubationszeit: Siehe C. sinensis: 14 Tage. 9. Präpatenz: 2–4 Wochen. 10. Patenz: Jahre (bis 20 Jahre?). 11. Therapie: Siehe C. sinensis.
4.2.3.3 Opisthorchis felineus
1. Name: Lat.: felis = Gen. der Katze; somit wird hier im Artnamen auf den Hauptwirt Katze Bezug genommen. Engl. cat liver fluke; dt. Katzenleberegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Nordosteuropa, fokal: In Ländern der ehemaligen UdSSR, Indien, Indochina, Japan sind etwa 10 Millionen Menschen befallen.
Der Wurm wurde auch bereits bei Fischen im Berliner Raum nachgewiesen. 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Würmer (8–12 mm × 2–2,5 mm) unterscheiden sich von C. sinensis deutlich durch ihre Hoden, die nur eine relativ geringfügige Lappung (der vordere zeigt 4 Bereiche, der hintere 5) aufweisen (Abb. 4.8 E). Als 1. Zwischenwirte dienen hier Wasserschnecken der Gattung Bithynia (syn. Bulimus) sowie karpfenartige Fische als 2. Zwischenwirte, die die Metazerkarien beherbergen. Die von den adulten Egeln abgesetzten Eier sind gelbbraun, erreichen max. etwa 30 × 12 µm und sind damit deutlich schlanker als die von C. sinensis. 4. Symptome der Erkrankung: Siehe C. sinensis. 5. Diagnose: Eier vgl. C. sinensis.



View attachment 5976
4.2 Saugwürmer 113
6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr roher oder ungenügend gegarter Süßwasserfische. 7. Prophylaxe: Erhitzen des Fisches auf mindestens 55°C vor dem Verzehr. 8. Inkubationszeit: Sofern Symptome auftreten: 1 Monat. 9. Präpatenz: 2–3 Wochen. 10. Patenz: 15–20 Jahre. 11. Therapie: Siehe C. sinensis.
4.2.4 Paragonimus-Arten (Paragonimiasis)
1. Name: Griech.: para = nebeneinander; gone = Geschlechtsorgane; Hoden liegen nebenein- ander. Engl. lung fluke; dt. Lungenegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: P. westermani (Indien, Asien), P. heterotre- mus (Thailand), P. africanus, P. uterobilateralis (Afrika), P. mexicanus (Mittel-, Südamerika), P. miyazakii (Japan), P. kellicotti (Amerika, Kuba). Weltweit sind etwa 100 Millionen Men- schen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Die bohnenförmigen, etwa 7–12 mm langen, 4–7 mm breiten und 3–5 mm dicken, zwittrigen adulten Egel (Trematoda, Plathelminthes) leben vorzugsweise in der Lunge, und zwar häufig zu zweien in bindegewebigen Zysten, die auch im Röntgen- bild identifiziert werden können (Abb. 4.2, 4.9, 4.10). Allerdings finden sich auch oft Egel, die sich zu Beginn der Infektion „verirrt" haben, in anderen Organen wie Leber, Niere, Milz, Gehirn. Geschlechtsreife Adulte setzen für lange Zeit (bis 20 Jahre!) goldbraune, gedeckelte Eier von etwa 90 × 60 µm ab, die zu diesem Zeitpunkt nur wenige Zellen ent- halten und den Körper über Sputum bzw. Fäzes oder selten (bei Nierenbefall) über den Urin verlassen. Sofern diese Eier ins Wasser gelangen, entwickelt sich in ihnen innerhalb von etwa 3 Wochen eine Mirazidiumlarve, die artspezifisch Wasserschnecken (u. a. Gatt.
Semisulcospira, Melania, Hia, Thiara, Brolia, Pomatiopsis) als 1. Zwischenwirt befällt. Nach einer Vermehrungsphase verlassen sog. Zerkarien die Schnecke, suchen Krebse als 2. Zwi- schenwirt auf und reifen in deren Muskulatur zu einem infektionsfähigen Stadium (sog.
Metazerkarie). Die Infektion des Menschen erfolgt durch Genuss von rohem, mit derar- tigen Metazerkarien kontaminiertem Krebsfleisch. Im Darm des Menschen durchdringen die juvenilen Egel die Darmwand und wandern über die Bauchhöhle in die Lunge, aber auch in andere Organe. 4. Symptome der Erkrankung: Nach einer relativ langen Inkubationszeit von meist 3–6 Mo- naten kommt es je nach befallenem Organ zu folgenden Erscheinungen: a) Pulmonale Paragonimiasis: Tuberkuloseartige Hämoptyse, Bronchitis und Brust- schmerzen, Fieber, Atemnot; im Sputum finden sich eosinophile Leukozyten und sog.
Charcot-Leyden'sche Kristalle. Das Röntgenbild ist mit vorwiegendem Befall eines oder beider Oberfelder der Lunge dem Befund einer Tuberkulose recht ähnlich, mit Infilt- raten und Kavernenbildung nach abgehusteten Abszessen. Auch Bronchiektasen und Pleuraergüsse können sich bilden. Wichtige Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Tuberkulose sind die Eosinophilie in der Sputumzytologie und die mit dem bräunlichen oder blutigen Sputum ausgehusteten, typischen Paragonimus-Eier. Beim Verschlucken des Sputums findet man die Eier im Stuhl. b) Abdominale Paragonimiasis: Infolge der ständigen Gewebsreizung durch die „ver- irrten" Adulten und ihre abgesetzten Eier treten in den befallenen Organen unspezifi- sche Schmerzen und Funktionsstörungen auf. Häufig geht dies mit deutlich tastbaren Lymphknotenschwellungen einher. c) Zerebrale Paragonimiasis: Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Fieber, epileptische An- fälle und neurologische Ausfälle, die an Tumoren oder vaskuläre Prozesse denken lassen.
Neuerdings tritt die Differenzialdiagnose zu HIV-abhängigen Erkrankungen, wie u. a. ze- rebraler Toxoplasmose, Lymphomen, Tuberkulomen und progressiver multifokaler Leuk- enzephalopathie, in den Vordergrund. Bei der Liquoruntersuchung fallen eine Protein-

View attachment 5977
vermehrung und besonders eine Eosinophilie auf. Letztere findet man bei den genannten HIV-abhängigen Erkrankungen nicht, dagegen bei der Zystizerkose des Gehirns. Unter den im Allgemeinen schlechten diagnostischen Bedingungen in den Endemiegebieten wird die Diagnose einer zerebralen Paragonimiasis meist erst bei der Obduktion gestellt. 5. Diagnose: Nachweis der Eier (Abb. 4.10) im Sputum oder im Stuhl (Anreicherung durch Sedimentationsverfahren, z. B. MIFC, SAF.) sowie gelegentlich auch in Pleuraergüssen, Urin und Punktaten oder Biopsien von Wurmzysten in der Lunge und in anderen Or- ganen (bei ektoper Lokalisation). Zur Verarbeitung zähflüssiger Sputumproben und zur Anreicherung von schwachem Befall wird das Sputum in einem Zentrifugenröhrchen mit 1–2 ml 5%iger NaOH vermischt, mit Aqua dest. aufgefüllt, 5 min bei 1500 g zentrifugiert und das Sediment bei schwacher Vergrößerung durchgemustert. Komplette oder ange- schnittene Adulte findet man in resezierten oder biopsierten Wurmzysten sowie selten im Sputum. Serologische Untersuchungen (ELISA u. a. Verfahren) zeigen eine gute Sensitivität und Spezifität; bei zerebraler Beteiligung sind Antikörper meist auch im Liquor nachweis- bar. Bildgebende Verfahren lassen insbesondere adulte Würmer in der Lunge in Zysten sichtbar werden. Die Zysten erreichen Durchmesser bis zu 4 cm. 6. Infektionsweg: Verzehr von rohen, metazerkarienhaltigen Kurzschwanzkrebsen (Krabben) der Gatt. Erio- cheir (P. westermani) bzw. Cambarus (P. kellicotti). 7. Prophylaxe: Stets nur abgekochte Krebse verzehren, zumal es beim Menschen nicht zu einer Immunität nach einer einmal überstandenen Infektion kommt.
Abb. 4.9 a) LM-Aufnahme eines gefärbten Adulten von Paragonimus westermani. b) REM-Aufnahme eines Adulten. c) 2 Würmer in einer Zyste in der Lunge (Schnitt).
a
b
c
4.2 Saugwürmer 115
View attachment 5978
8. Inkubationszeit: 9–12 Wochen. 9. Präpatenz: 10–12 Wochen. 10. Patenz: Bis 20 Jahre. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel (3 × 25 mg/kg KGW tgl. über 2 Tage).
4.2.5 Fasciolopsis buski (Fasciolopsiasis)
1. Name: Lat.: fasciola = Bändchen. Griech.: opsis = Erscheinung, Aussehen. Engl. intestinal giant fluke; dt. Riesendarmegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Insbesondere in Indien, Bangladesch, VR China, Ostasien, Borneo, Sumatra, Taiwan sind etwa 40 Millionen Menschen infiziert. Es treten aber immer wieder Fälle in Europa durch importierte Wassernüsse mit anhaftenden Metazerkarien auf. 3. Biologie/Morphologie: F. buski ist der größte beim Menschen parasitierende Trematode und erreicht max. etwa 7,4 cm Länge bei einer Breite von etwa 2 cm und einer Dicke von 2–3 mm (Abb. 4.2, 4.11). Die adulten zwittrigen Egel heften sich mit ihren Saugnäpfen im oberen Duodenum fest; ihre gedeckelten, relativ großen (130–140 µm × 80 µm), von Fasciola hepatica nicht zu unterscheidenden, ebenfalls zunächst unembryonierten Eier werden mit den Fäzes frei. Die weitere Entwicklung gleicht im Prinzip den Vorgängen bei Fasciola hepatica, jedoch findet sich die enzystierte Metazerkarie sehr häufig an der sog.
Wassernuss, der Pflanze Trapa natans („die Schwimmende"). Als Zwischenwirte dienen andere Wasserschnecken als bei Fasciola (so z. B. Planorbis-, Segmentina-, Hippeutis-, Gy- raulus-Arten). Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von enzystierten Metazerkarien, die sich an der Oberfläche von Wasserpflanzen angeheftet haben und so widerstandsfähig sind, dass sie auch einen Frachttransport nach Europa überdauern kön-

View attachment 5979
nen! In den Endemiegebieten sind Schweine die Hauptreservoirwirte, aber auch Katzen, Hunde und Kaninchen werden befallen. 4. Symptome der Erkrankung (Fasciolopsiasis): Auch bei stärkstem Befall können Sym- ptome fehlen. Im Allgemeinen treten jedoch nach einer Inkubationszeit von etwa 1–3 Monaten Verdauungsstörungen auf, die sich in Übelkeit, Erbrechen (u. a. Auswurf von Würmern!), Diarrhö und/oder Blähungen äußern. Bei extrem starkem Befall von mehre- ren Hundert Egeln (in endemischen Gebieten relativ häufig!) können jedoch noch ernstere Allgemeinsymptome wie Anämie, Kräfteverfall, Abmagerung, Ödeme, Aszites hinzukom- men. Besonders bei Kindern kann ein derartiger, nicht erkannter Befall zum Tod führen.
Kuriosum: Eine amerikanische „Pseudowissenschaftlerin" zockt seit Jahren in Deutschland unheilbare Krebs- und AIDS-Patienten ab (durch Vertrieb eines „Zappers" = 6-Volt-Bat- terie) mit dem Versprechen, dass Stromstöße die in der Leber bzw. Thyroidea „sitzenden" Darmegel (!) abtöten und somit der Krebs bzw. AIDS gestoppt würden. Dieser gefährliche Unsinn ist nicht nur in einem Buch im esoterischen „Sonnenwind-Verlag", sondern auch im ansonsten renommierten Droemer/Knaur-Verlag nachzulesen. Auf meinen Hinweis, dass es sich um gefährlichen Unfug handele, erhielt ich per Brief die Antwort, dass man sich als Verlag nicht in wissenschaftliche Diskussionen einlasse (!). 5. Diagnose: Die ca. 130–140 µm × 80–85 µm großen, gedeckelten Eier lassen sich im Stuhl nachweisen (s. Abb. 4.15). Bei schwachem Befall ist eine Anreicherung mittels MIFC oder Sedimentation empfehlenswert. Die Unterscheidung von Fasciola- und Echinostoma-Eiern
Abb. 4.11 Fasciolopsis buski, karminrot gefärbtes Adultstadium.
4.2 Saugwürmer 117
ist schwierig. Bei schwerem Befall sind gelegentlich Adultwürmer im Stuhl oder in Erbro- chenem zu finden. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von Metazerkarien, die an Wasserpflanzen – z. B.
Bambus, Lotus, Wasserkastanie (engl. water chestnut), Wassernuss (engl. water caltrop; Trapa natans) – bzw. deren Früchten kleben. Wegen fehlender Immunität besteht eine wiederholte Infektionsmöglichkeit. 7. Prophylaxe: Meiden entsprechender exotischer Früchte, ggf. Überbrühen der Oberflä- chen. 8. Inkubationszeit: 1–2 Monate. 9. Präpatenz: 2–3 Monate. 10. Patenz: Etwa 1 Jahr. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel (Einmalgabe von 15 mg/kg KGW). Niclosamid und Tetrachlorethylen sind ebenfalls wirksam.
4.2.6 Fasciola hepatica (Fascioliasis)
1. Name: Lat.: fasciola = kleines Band, Blatt; hepar = Leber. Engl. common giant liver fluke; dt.
Großer Leberegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, wegen des besonderen Infektions- wegs sind nur wenige Tausende (meist Kinder) befallen. 3. Biologie/Morphologie: Die zwittrigen Würmer können eine beträchtliche Größe erreichen und messen 2–5 cm × 4–13 mm, F. gigantica kann sogar zu 7 cm Länge heranwachsen (Abb. 4.2, 4.12a, b). Diese Leberegel parasitieren als Adulte vorwiegend bei Rindern und Schafen. Besonders charakteristisch sind das meist dunkel erscheinende, seitlich verästelte Darmsystem sowie die mit relativ großen Dornen versehene Oberfläche. Die mit 130–150 µm × 63–90 µm sehr großen, ovalen und mit einem kleinen Deckel (Operculum) versehenen Eier erscheinen hellgelb bis braun und werden mit den Fäzes unembryoniert abgesetzt. Sie sind kaum von denen der Art Fasciolopsis buski zu unterscheiden. Erst im Freien (und wenn sie ins Wasser gelangen) reift in ihnen binnen 1–2 Wochen eine Wimpernlarve (Mirazidium) heran, die Wasserschnecken u. a. der Gattung Lymnaea befällt und in diesen Zwischenwirten nach etwa 4 Wochen nach einer Phase der Vermehrung über sog. Sporozysten und Redien zur Bildung von Zerkarien führt. Diese Zerkarien setzen sich, nachdem sie die Schnecke verlassen haben, an Wasserpflanzen fest, enzystieren sich zu Metazerkarien, überleben dort selbst bei –10°C und warten auf den Endwirt. Bevorzugt sind hier Wiederkäuer, die die Me- tazerkarien beim Abweiden der Pflanzen oral aufnehmen. Die daher relativ seltene Infektion des Menschen erfolgt bei der oralen Aufnahme derartiger Metazerkarien (z. B. mit Salat, Kresse etc.). Die Larven schlüpfen im Darm, durchdringen die Darmwand und wandern von der Bauchhöhle aus in die Leber ein. Daher finden sich juvenile Egel im Leberparenchym.
Verirren sich diese wandernden Juvenilen, so kommt es auch zum gelegentlichen Auftreten von Adulten in anderen Organen (z. B. Milz. Gehirn, Lunge, Auge u. a.). 4. Symptome der Erkrankung (Fascioliasis): Nach einer Inkubationszeit von etwa 2–3 Wochen treten infolge der Wanderung der Larven Leberentzündungen, Fieber von etwa 38°C, Appetitlosigkeit, Mattigkeit und Lebervergrößerung auf. Bei andauernder Infektion kommt es zu Dyspepsie, Leberschmerzen, starker Erweiterung und Wucherung der Gal- lengangswände, Aszites, gelegentlichen Pleura- und Perikardergüssen sowie zirrhotischen Erscheinungen. Im Blutbild weist eine sekundäre Anämie mit deutlicher Eosinophilie auf den Befall mit F. hepatica hin. 5. Diagnose: Die 130–160 µm × 60–90 µm großen gedeckelten Eier (s. Abb. 4.15) sind im Stuhl meist nur spärlich nachzuweisen; Anreicherungen (MIFC, Sedimentation) und mehrfache Untersuchungen sind empfehlenswert. Bei zufälligem Nachweis im Stuhl ist eine Scheininfektion nach Verzehr von infizierter Leber auszuschließen (siehe Dicrocoe- lium dendriticum) Bei schwächerem Befall gelingt der Nachweis oft nur im Gallensaft; eine
118
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
choleretische Stimulation ist empfehlenswert (z. B. Magnesiumsulfat). Bei intrahepatischen Zysten oder Abszessen ohne Anschluss an die Gallenwege sind Eier gelegentlich nur mit- tels Punktion nachweisbar; in Leberbiopsien können Anschnitte von Adulten zu finden sein (Abb. 4.12a). Serologische Untersuchungen (ELISA u. a. Verfahren) sind v. a. während der Präpatenzzeit im akuten Invasionsstadium, bei fehlendem Gallenwegsanschluss und ektober Lokalisation hilfreich. 6. Infektionsweg: Oral durch den Verzehr von metazerkarienhaltigen Pflanzen (z. B. die in Frankreich häufig gegessene Wasserkresse) in rohem Zustand. Da keine Immuntät ausge- bildet wird, können stets neue Infektionen erfolgen. 7. Prophylaxe: Salat mit selbstgesammelten Wasserpflanzen bzw. mit Pflanzen aus Feuchtge- bieten stets sehr sorgfältig waschen oder nur von tierfreien Standorten verwenden. 8. Inkubationszeit: 3–12 Wochen. 9. Präpatenz: 3–4 Monate. 10. Patenz: 1–20 Jahre. 11. Therapie: Als zuverlässig wirksam und gut verträglich erwies sich in der bisherigen Prü- fung nur Triclabendazol, 10 mg/kg KGW einmalig postprandial). Bithionol, Niclofalan und Emetin sind weniger effektiv und mit häufigen Nebenwirkungen belastet. Albenda- zol und Praziquantel sind in der üblichen Dosis ungenügend wirksam. Bei Praziquantel brachte eine 3- bis 7-tägige Therapie und die Aufteilung der Tagesdosis in 6 Portionen und Einnahme alle 2–3 h den gewünschten Abgang der Würmer.

View attachment 5980
4.2 Saugwürmer 119
4.2.7 Dicrocoelium dendriticum bzw. lanceolatum (Dicrocoeliasis)
1. Name: Griech.: dikroos = gegabelt, koila = Bauchhöhle. Engl. small liver fluke bzw. lancet fluke; dt. Kleiner Leberegel bzw. Lanzettegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Gebieten mit kalkreichen Böden weltweit; besonders gehäuft in Nordafrika, Sibiren, Südamerika, beim Menschen selten. 3. Biologie/Morphologie: Diese Art (5–12 mm × 1–2 mm) ist vorwiegend ein Parasit von Wiederkäuern und tritt beim Menschen nur sehr selten auf (Abb. 4.13 a, b), weil die Infek- tion des Menschen und der spezifischen Endwirte durch orale Aufnahme von Larven (sog.
Metazerkarien) mit dem 2. Zwischenwirt (Ameise) erfolgt. Infizierte Ameisen beißen sich abends an Pflanzen (u. a. Gräser, aber auch Salat) fest und werden mit diesen verzehrt. Im Duodenum schlüpfen die kleinen Würmchen und dringen über den Ductus choledochus zur Leber vor. 4. Symptome der Erkrankung (Dicrocoeliasis): Unspezifische Leberbeschwerden, Schmer- zen im Oberbauch und Lebervergrößerung treten meist erst nach massivem Befall auf, während geringer Befall unbemerkt bleibt. Die relativ geringfügigen Symptome erklären sich im Übrigen auch dadurch, dass D. dendriticum die Gallengänge über den Ductus cho- ledochus befällt und nicht wie Fasciola hepatica durch das Leberparenchym wandert. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der typischen, relativ kleinen (38–45 µm × 20 µm), dunkelbraunen Eier in den Fäzes nach Einsatz von Anreicherungsverfahren oder im Gal- lensaftzentrifugat (s. Abb. 4.15). Scheinbare Infektionen sind nach Verzehr von Tierleber möglich, allerdings passieren diese Eier nur den Darm des Menschen. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von Metazerkarien (350 × 250 µm groß) in Ameisen bzw. Teilen davon, z. B. im Salat oder beim Kauen von Grashalmen. 7. Prophylaxe: Salat gut waschen; Grashalme nicht in den Mund führen. 8. Inkubationszeit: 2–4 Wochen bis mehrere Monate.

View attachment 5981
9. Präpatenz: 7–8 Wochen. 10. Patenz: Jahre. 11. Therapie: Siehe Clonorchis sinensis (Abschn. 4.2.3.1).
4.2.8 Heterophyes-Arten (Heterophyiasis)
1. Name: Griech.: heteros = verschieden, phyes = Gestalt 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Ostasien, Ägypten, Südeuropa sind etwa 30 Millionen Menschen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Dieser Trematode ist von birnenförmiger Gestalt, misst etwa 2 × 0,4 mm und findet sich beim Menschen (wie auch bei Hund, Katze und anderen Fisch- fressern) im Dünndarm, aber auch im Zäkum. H. heterophyes ist durch einen muskulösen Wulst ausgezeichnet, der die unterhalb des Bauchsaugnapfs gelegene Geschlechtsöffnung weiträumig umschließt. Die hellbraunen, gedeckelten, embryonierten, etwa 25–30 µm × 15–17 µm messenden Eier werden mit den Fäzes frei und müssen zur Weiterentwicklung ins Wasser gelangen. Im Wesentlichen verläuft der Entwicklungszyklus wie bei Clonorchis sinensis, jedoch dienen als 2. Zwischenwirte vorzugsweise Fische des Brackwassers. Die In- fektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von Metazerkarien in der Muskulatur infizierter Fische. Einen ähnlichen Entwicklungszyklus hat die in Thailand auftretende Art Stellantchasmus falcatus, deren Vertreter nur etwa 0,5–0,2 mm groß werden und als End- wirte Hund, Katze und fischfressende Vögel bevorzugen. Zwischenwirte: Schnecken der Gatt. Thiara und Mugiliden (Fische). 4. Symptome der Erkrankung: Massenbefall führt nach 2- bis 3-wöchiger Inkubationszeit zu starken Diarrhöen. Bei Penetration der Darmwand gelangen relativ häufig Eier und gele- gentlich auch Adulte in Herz, in Lunge und Gehirn, was den Tod der betroffenen Person nach sich ziehen kann. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der kleinen Eier in den Fäzes mithilfe von Anrei- cherungsmethoden. Eine Artdifferenzierung zu nahe verwandten Arten ist aufgrund der Eier ohne Vergleichsmaterial kaum möglich, aber wegen der identischen Chemotherapie auch nicht nötig. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von metazerkarienhaltigem Fisch (besonders Mugili- den). 7. Prophylaxe: Fische vor Verzehr ausreichend garen. 8. Inkubationszeit: Abhängig von der Menge der aufgenommenen Metazerkarien treten keine Symptome auf oder aber bereits nach 1–3 Wochen. 9. Präpatenz: 1–2 Wochen. 10. Patenz: 2–6 Monate. 11. Therapie: s. Clonorchis sinensis (Abschn. 4.2.3.1).
4.2.9 Metagonimus-Arten (Metagonimiasis)
1. Name: Griech.: meta = nach, hinten; gone = Geschlechtsorgan, Zeugung; Yokogawa = be- kannter japanischer Parasitologe und Buchautor. Engl. spiny intestinal fluke; dt. Bedornter Zwergdarmegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Vorwiegend Ostasien, aber auch fokal in Rumänien, Spanien, Russland, Israel sind etwa 5 Millionen Menschen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Dieser mit 1–2,5 mm × 0,4–0,7 mm relativ kleine Egel, dessen Oberfläche mit gezähnten Stacheln besetzt und dessen Bauchsaugnapf seitlich versetzt ist, tritt im Dünndarm des Menschen, aber auch von fischfressenden Säugetieren und Vögeln (z. B. Pelikan) auf (Abb. 4.2). Die sehr kleinen, nur etwa 27 × 16 mm messenden, gede- ckelten Eier werden im embryonierten Zustand mit den Fäzes frei. Wenn sie ins Wasser
4.2 Saugwürmer 121
gelangen, dringen die aus den Eiern schlüpfenden Larven (Mirazidien) in Wasserschne- cken der Gattungen Melania und Sulcospira ein. Der weitere Lebenszyklus gleicht in den Grundzügen jenem von Clonorchis sinensis. So erfolgt die Infektion des Menschen eben- falls durch orale Aufnahme von Metazerkarien mit ungenügend gekochter Muskulatur der 2. Zwischenwirte (vorwiegend Karpfen und Forellen). 4. Symptome der Erkrankung: Nach unbekannter Inkubationszeit treten bei Massenbefall (mit Tausenden von Würmern) starke Diarrhöen auf. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der relativ kleinen, aber embryonierten Eier in den Fäzes nach Einsatz von Anreicherungsverfahren. Da die Eier denen von Heterophyes heterophyes ähneln, können nur klinische Aspekte zur Artendifferenzierung herangezogen werden. Aus therapeutischer Sicht ist diese allerdings unnötig. 6. Infektionsweg: Oral durch Genuss von metazerkarienhaltigen, rohen Speisefischen meh- rerer Arten. 7. Prophylaxe: Fisch in Endemiegebieten vor Verzehr ausreichend garen. 8. Inkubationszeit: 1–3 Wochen, je nach Befallsstärke. 9. Präpatenz: 1–2 Wochen. 10. Patenz: 6–10 Monate. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel (Einmalgabe von 20 mg/kg KGW). Niclosamid und Tetrachlorethylen sind ebenfalls wirksam.
4.2.10 Echinostoma-Arten (Echinostomiasis)
1. Name: Griech.: echinos = Igel, stachelig. Lat.: stoma = rund, Öffnung; canis = Hund. Engl. spinal collar fluke; dt. Stachelkragenegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Südostasien, Philippinen, Japan, Indien sind nur relativ wenige Hunderttausend Menschen (meist unbemerkt) befallen. 3. Biologie/Morphologie: E. ilocanum wird max. etwa 7 × 1,5 mm groß und parasitiert im gesamten Dünndarm; er ist durch einen mit 49–51 Stacheln bewehrten, vorderen sog.
Kopfkragen ausgezeichnet (Abb. 4.14). Infolge der Aufnahme von Blut aus der verletzten Darmschleimhaut können diese Egel rötlich erscheinen. Die unembryoniert abgesetzten, ovalen, gedeckelten, gelb-braunen, etwa 90–115 µm × 60–70 µm großen Eier gelangen mit den Fäzes ins Freie, wo sie sich erst im Wasser weiterentwickeln. Die aus ihnen schlüpfende Mirazidiumlarve befällt als 1. Zwischenwirt eine Wasserschnecke (Gyraulus-, Hippeutis- Arten). Als 2. Zwischenwirt, der die invasionsfähige Metazerkarie enthält, dient ebenfalls eine Wasserschnecke (u. a. Pila-, Lymnaea- oder Viviparus-Arten), gelegentlich auch Mu- scheln (u. a. Corbicula-Arten). Die Infektion des Menschen und der spezifischen Wirte (Hunde, Vögel) erfolgt durch die orale Aufnahme von Metazerkarien mit kontaminierten, rohen Schnecken bzw. Muscheln; nach Schlüpfen der Metazerkarien im Darm setzen sie sich zwischen den Darmzotten mithilfe ihres Hakenkragens fest (im Jejunum). 4. Symptome der Erkrankung: Bei starkem Befall treten infolge der steten mechanischen Gewebereizung durch die zur Verankerung dienenden Haken starke Schleimhautläsionen auf; dies führt dann zu Diarrhöen in Verbindung mit starker Dehydratation und Leib- schmerzen. In vielen Fällen finden sich zudem allgemeine Zeichen einer Intoxikation, starke Kopfschmerzen und anämische Erscheinungen, die in der Anfangsphase des Befalls von einer z. T. extremen Eosinophilie begleitet werden. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der meist zahlreichen Eier, die aber morphologisch kaum von denen der Arten Fasciolopsis buski und Fasciola hepatica zu unterscheiden sind (s.
Abb. 4.15). Wegen der Größe der Eier ist die Sedimentationsmethode besonders geeignet. 6. Infektionsweg: Verzehr von rohen, metazerkarienhaltigen Muscheln oder Schnecken durch den Menschen bzw. durch zahlreiche Reservoirwirte, wie z. B. Hunde, Katzen, Ratten, Schweine, Affen. Wegen der geringen Größe der Metazerkarien von nur 0,2 mm bleiben sie bei äußerer Inspektion der Zwischenwirte unsichtbar.

View attachment 5982
7. Prophylaxe: Abkochen von Muscheln und Schnecken vor dem Verzehr. 8. Inkubationszeit: 1–3 Wochen. 9. Präpatenz: 2–3 Wochen. 10. Patenz: 6–12 Monate. 11. Therapie: Siehe Fasciolopsis buski (Abschn. 4.2.5).
Andere Echinostoma-Arten
Beim Menschen parasitieren mindestens 5 weitere, sog. „snail-borne" Echinostoma (syn.
Euparyphium)-Arten, die von Spezialisten aufgrund der Form und Anordnung der Haken im Bereich des Mundes (= „Kragen") bestimmt werden können. Besondere Verbreitung hat dabei der Wurm E. lindoense erlangt, der sich u. a. auf der Insel Sulawesi (Indonesien) wie auch in Brasilien findet. Die wesentlichen Grundzüge des Entwicklungszyklus gleichen aber denen von E. ilocanum; auch die Chemotherapie ist identisch. Zu dieser Gruppe gehören auch noch die in Tab. 4.2 aufgeführten Arten, von denen einzelne Befunde bei Menschen erhoben wurden (Lit. s. Sen-Hai und Mott 1994).
Andere Arten der Gattung Echinostoma, aber auch solche der Gatt. Echinoparyphium, Episthmium und Echinochasmus wurden ebenfalls beim Menschen angetroffen, allerdings ist hier ein Fisch der 2. Zwischenwirt und somit die Infektionsquelle.

abelle 4.2: Weitere Echinostomen Art Hauptendwirt Infektionsquelle für den Menschen Himasthla muehlensi Möwen Muscheln (Mytilus, Mya) Hypoderaeum conoideum Enten, Gänse Wasserschnecken Aretyfechinostomum mehrai Schweine, Ratten Wasserschnecken (Indoplanorbis)

4.2.11 Gastrodiscoides-Arten (Gastrodiscoidiasis)
1. Name: Griech: gaster = Magen; discoides = scheibenförmig. Lat.: hominis = des Men- schen. Engl. amphistomal fluke; dt. Diskusdarmegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Indien, Indochina, Java, Philippinen, Japan sind etwa 5 Millionen Menschen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Dieser Egel wird etwa 5–10 mm × 5 mm groß und parasitiert beim Menschen vorwiegend im Bereich des Dickdarms; er ist durch seinen kugelförmig erweiterten hinteren Körperabschnitt charakterisiert. Der Bauchsaugnapf sitzt (wie bei allen amphistomen Trematoden) am unmittelbaren Hinterende. Die Eier werden mit den Fäzes frei, und es folgt eine Entwicklung, die der von Fasciolopsis buski gleicht.
Ratten und Schweine sind Reservoirendwirte, und die Wasserschnecke Helicorbis ist ein geeigneter Zwischenwirt. Die Infektion des Menschen erfolgt demnach ebenfalls durch orale Aufnahme von Metazerkarien, die an Wasserpflanzen angeheftet sind. 4. Symptome der Erkrankung: Nur bei Massenbefall treten Diarrhöen auf. 5.–11. Diagnose sowie weitere Details des Entwicklungszyklus wie auch die Therapie stim- men mit F. buski (Abschn. 4.2.5) überein.
4.2.12 Watsonius watsoni (Watsoniasis)
1. Name: Die Art wurde nach ihrem Entdecker bezeichnet. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Fokal in Europa, Afrika und Asien sind nur relativ wenige Menschen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Diese Egel erscheinen birnenförmig, sind etwa 8–10 mm lang, etwa 4–5 mm breit und etwa 4 mm dick; ihr Bauchsaugnapf liegt am Hinterende ihres Körpers. Die Adulten parasitieren entlang der gesamten Darmoberfläche; ihre Eier gelangen mit den Fäzes ins Freie und ähneln sehr denen von Fasciola hepatica. Ihre wei- tere Entwicklung ist noch weitgehend unklar, man nimmt jedoch an, dass der Lebens- zyklus ähnlich dem von Fasciolopsis buski verläuft und die Infektion des Menschen demnach durch orale Aufnahme von Metazerkarien an Wasserpflanzen erfolgt. 4. Symptome der Erkrankung: Starke Diarrhöen nach unbekannter Inkubationszeit. 5.–11. Diagnose bis Therapie: Vgl. Fasciolopsis buski (Abschn. 4.2.5).
4.2.13 Nanophyetus-Arten (Nanophyetiasis)
1. Name: Griech.: nano = klein, phyes = Wesen. Lat.: salmo = Lachs. Engl. American dog fluke; dt. Amerikanischer Hundeegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In nördlichen, wasserreichen Gebieten von Amerika, Russland treten beim Menschen relativ selten Fälle auf. 3. Biologie/Morphologie: N. salmincola ist vorwiegend ein Parasit von Hunden, Füchsen und zahlreichen fischfressenden Raubtieren. Der adulte Wurm wird bis zu 2,5 mm lang
Tabelle 4.2: Weitere Echinostomen Art Hauptendwirt Infektionsquelle für den Menschen Himasthla muehlensi Möwen Muscheln (Mytilus, Mya) Hypoderaeum conoideum Enten, Gänse Wasserschnecken Aretyfechinostomum mehrai Schweine, Ratten Wasserschnecken (Indoplanorbis)
124
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
und etwa 0,5 mm breit; er lebt fest verankert in den Krypten des Dünndarms und setzt nichtembryonierte Eier von 82–97 µm × 38–55 µm ab, in denen erst im Wasser eine Mi- razidiumlarve entsteht (binnen 87–200 Tagen, temperaturabhängig). Diese Mirazidien dringen in Wasserschnecken ein und sollen sich ohne vorhergehende Sporozystengenera- tion gleich in Redien umwandeln. In den Redien entstehen jeweils etwa 74–76 Zerkarien, die durch einen extrem kurzen Schwanz ausgezeichnet sind. Nachdem diese mit dem Schleim der Schnecken freigeworden sind, dringen sie in Individuen von mindestens 34 Fischarten ein. Dort wandeln sie sich in Metazerkarien um. Die Infektion des Menschen und der typischen Endwirte erfolgt durch orale Aufnahme der Metazerkarien mit rohen Fischgeweben (hohe Mortalität bei den Fischen!). Nach 6–7 Tagen werden die Egel im Darm der Endwirte geschlechtsreif und beginnen mit dem Absetzen der Eier. 4. Symptome der Erkrankung: Die adulten Würmer selbst rufen beim Menschen und den an- deren Wirten nur geringe oder keine Krankheitssymptome hervor. Die in den Würmern wie auch in ihren Eiern enthaltenen Rickettsien (Neorickettsia helminthoeca) führen ihrerseits bei Hunden zu so schweren Krankheitssymptomen (Salmon poisoning disease), dass häufig der Tod eintritt. Ähnliches wurde jedoch beim Menschen bisher nicht beobachtet, wie auch die beschriebenen Fälle bisher insgesamt extrem selten sind. Beim Menschen findet sich häufig – sofern er befallen ist – eine hohe Eosinophilie als unspezifisches Anzeichen. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der großen, unembryonierten Eier in den Fäzes nach Anreicherungsverfahren. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von rohen, metazerkarienhaltigen Fischen (beson- ders häufig bei Salmoniden wie Lachs und Forellen). 7. Prophylaxe: Fische nur gebraten oder sehr stark geräuchert bzw. gesalzen verzehren. 8. Inkubationszeit: Beim Menschen unbekannt, Hund 1–2 Wochen. 9. Präpatenz: 1–15 Wochen 10. Patenz: Bis zu 1 Jahr. 11. Therapie: Siehe Fasciolopsis buski (Abschn. 4.2.5).
4.2.14 Metorchis conjunctus (Metorchiasis)
1. Name: Griech.: met = hinten; orchis = Hoden. Lat.: conjunctus = verbunden. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Nordamerika, Kanada, nur wenige Men- schen sind nachweislich befallen. 3. Biologie/Morphologie: Diese Egel, die etwa 1–7 mm × 0,5–2 mm messen können, tre- ten als Adulte vorwiegend bei Hunden und nur selten beim Menschen auf. Die Infek- tion des Menschen wie auch der spezifischen Endwirte erfolgt durch orale Aufnahme von Larven (Metazerkarien), die in der Muskulatur von Süßwasserfischen (2. Zwischen- wirt) enzystiert sind. 4. Symptome der Erkrankung: Symptomatik wie bei Clonorchis sinensis (Abschn. 4.2.3.1).
5. Diagnose: Nachweis der Eier im Stuhl bzw. Gallensaft. 6.–11. Infektionsweg bis Therapie: s. Clonorchis (Abschn. 4.2.3).
4.2.15 Philophthalmus-Arten
1. Name: Griech.: philein = lieben. Lat.: ophthalmicus = zum Auge gehörend. Engl. eye fluke; dt. Augenegel. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweite Verbreitung, aber es liegen nur wenige Berichte von Infektionen des Menschen vor. 3. Biologie/Morphologie: Diese Würmer sind Zwitter und leben als Adulte (2,4 × 1,3 mm) im Bereich der Augen verschiedener Vögel, als Larven in Schnecken.

View attachment 5983
4. Symptome der Erkrankung: Beim Festsaugen der Würmer auf der Cornea tritt eine heftige Konjunktivits auf, bei subkonjunktivaler Lebensweise fanden sich lediglich lokale Reizungen. 5. Diagnose: Augeninspektion. 6. Infektionsweg: Die Infektion des Menschen wie der Vögel als Hauptwirte erfolgt direkt oder über nasopharyngale Aufnahme von sog. Zerkarien, die beim Baden in Seen offenbar über den Tränenkanal ins Auge gelangen und sich dann durch die Bindehaut bohren. 7. Prophylaxe: Meiden von Badeseen mit vielen Wasservögeln. 8. Inkubationszeit: Tage nach Eindringen der Zerkarien. 9. Präpatenz: 1–2 Wochen. 10. Patenz: Bis zu 1 Jahr. 11. Therapie: Chirurgische Entfernung des Wurms.
4.3 Bandwürmer (Cestoda)
Die Systematik der stets darmlosen, extrem abgeflachten Cestoden ist im Einzelnen sehr um- stritten. Die meisten Systeme akzeptieren jedoch 2 Gruppen, die sich durch die Anzahl der larvalen Haken unterscheiden. Die wirtschaftlich und medizinisch unbedeutenden Cestodaria besitzen 10 Haken und werden daher als decacanth bezeichnet, während die Larven der Eu- cestoda nur 6 Haken aufweisen (hexacanth). Im Weiteren handelt es sich bei den Cestodaria um ungegliederte, zwittrige Individuen ohne Skolex, zu denen wegen morphologischer Über- einstimmungen einige Gruppen der Monogenea eingeordnet wurden.
Traditionelles System (Auszug): Stamm: PLATHELMINTHES Klasse: Cestoda (Auszug) 1. Unterklasse Cestodaria: (decacanthe Larven, zehn Haken) Ordnung: Amphilinidea Ordnung: Gyrocotylidea 2. Unterklasse Eucestoda: (hexacanthe Larven, sechs Haken) u. a. Ordnung Caryophyllidea Ordnung: Pseudophyllidea Familie: Diphyllobothridae Ordnung: Proteocephalea Ordnung: Cyclophyllidea Familie: Dioecocestidae Familie: Hymenolepididae Familie: Taeniidae Familie: Mesocestoididae Familie: Dilepididae Familie: Davaineidae Familie: Anoplocephalidae Familie: Dipylididae Phylogenetisches System (Auszug): Stamm: PLATHELMINTHES Cercomeromorphae Monogenea Cestoda (= Bandwürmer im weiteren Sinn) Gyrocotylidae Nephroposticophora
4.3 Bandwürmer 127
Amphilinidea Cestoidea (Bandwürmer im engeren Sinn) Caryophyllidea Eucestoda (Familien etwa wie oben)
Wichtige Parasiten des Menschen sind in den Ordnungen Pseudophyllidea und Cyclophyllidea eingeordnet.
4.3.1 Taenia solium, T. asiatica (Taeniasis)
1. Name: Griech.: tainia = Band. Lat.: solus = allein. Engl. pork tapeworm; dt. Schweineband- wurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit. Neben T. solium existiert in Asien eine 2. Art (T. asiatica), die sich morphologisch und biologisch kaum von T. solium unter- scheidet, molekularbiologisch aber eher T. saginata ähnelt. 3. Biologie/Morphologie: Die Adulten von T. solium erreichen beim Menschen (Endwirt) eine Länge von 4–6 m und bleiben solitär meist für mehr als 20 Jahre lebensfähig. Ihr 1–2 mm großer Kopf (Skolex) ist mit 4 Saugnäpfen und einem Hakenkranz bewehrt, der insgesamt 26–32 große (160–180 µm) und kleine (120–150 µm) Haken um- fasst (Abb. 4.16, 4.17). Der Uterus der letzten Proglottiden enthält bis zu 80 000 der 30–45 µm großen Eier, die morphologisch nicht von T. saginata-Eiern zu unterscheiden sind (Abb. 4.18a, b). Da die Proglottiden mit ihrem Vorderende jeweils abreißen, dürften infolge der Kontraktion der Proglottiden auch schon im Darm Eier aus dem aufreißen- den Uterus austreten und bei entsprechendem Suchen auch im Stuhl anzutreffen sein.
Die abgesetzten Proglottiden können durch starke Kontraktionen Kriechbewegungen in frischem Stuhl, in Anusnähe und/oder in der Unterwäsche durchführen und so den Anschein selbständiger Individuen erwecken. Die Eier enthalten bereits beim Absetzen die infektionsfähige 6-Haken-Larve (Oncosphaera) (s. Abb. 4,15, 4.24). Diese wandert, sofern sie vom Zwischenwirt Schwein (Kotfresser!) oral aufgenommen wird, in verschie- dene Organe ein und differenziert sich zur sog. Finnenlarve (Zystizerkus, Cysticercus cellulosae) (Abb. 4.19a, b) um. Dieses auch als Metacestode bezeichnete Stadium, das mit 0,6–2 cm × 0,5–1 cm Durchmesser eine beträchtliche Größe erreicht, enthält bereits das in eine Blase eingestülpte Köpfchen des späteren Adulten und erreicht nach 2–4 Mo- naten die Infektionsreife, die es für 1–2 Jahre behält. Der Entwicklungszyklus schließt sich mit der Infektion des Menschen, die durch die orale Aufnahme derartiger Finnen mit un- genügend gekochtem Schweinefleisch erfolgt. In etwa 8–12 Wochen werden die Würmer geschlechtsreif und setzen reife Proglottiden ab. Infiziert sich der Mensch mit T. solium- Eiern durch kontaminiertes Gemüse, Unsauberkeit bei der Defäkation, durch von Fliegen verschleppte Eier, durch Eigenverdauung von Proglottiden nach Brechvorgängen etc. kön- nen auch bei ihm Finnen in verschiedenen Organen (z. B. in Muskeln, im Auge, Gehirn u. ä.) entstehen, die je nach Größe und Lage das Krankheitsbild der Zystizerkose bewir- ken (Abb. 4.20, 4.21). Die asiatische Art (T. asiatica) besitzt als adulter Wurm am Rostel- lum nur noch Hakenrudimente. 4. Symptome der Erkrankung (Taeniasis, Taeniose und Zystizerkose): Bei Befall mit adulten T. solium-Bandwürmern treten Symptome nur relativ selten auf. Häufigste Anzeichen sind Gewichtsverluste, Verdauungsstörungen, Leibschmerzen, Juckreiz am Anus (als Folge des Kriechens der Proglottiden) und heftige Hungergefühle, die mit Perioden von Appetitlo- sigkeit abwechseln. Weitere unspezifische Schäden infolge der abgegebenen Mengen von Stoffwechselprodukten bedürfen noch der näheren Untersuchung. Im peripheren Blut kann eine leichte Eosinophilie auftreten. Bei Befall des Gehirns mit Zystizerken (Neurozys- tizerkose) treten lagespezifische Störungen auf.
128
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
5. Diagnose: Die weißlichen, rechteckigen, eigenbeweglichen Proglottiden (Abb. 4.18 a) werden meist vom Infizierten selbst im Stuhl entdeckt. Es werden pro Tag 6–10 Proglot- tiden abgesetzt. Eine Differenzierung zwischen T. solium und T. saginata sollte in jedem Fall durchgeführt werden, aber gefahrlos erst, nachdem diese fixiert worden sind, weil bei T. solium Infektionsgefahr besteht. Die Diagnose ist anhand der Zahl der Uterusverzwei- gungen der Proglottiden einfach und mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich. T. solium- Proglottiden haben meist 7–10 Uterusseitenäste pro Seite, die von T. saginata mindestens 12, meist 20–35. Die Zählung erfolgt an Proglottiden, die zwischen 2 Objektträgern ge- quetscht werden und denen Tusche in die seitliche Genitalpapille injiziert wird. Weitere Differenzierungsmerkmale erfordern die Färbung geschlechtsreifer Proglottiden (3-fach gelappte Ovarien bei T. solium, Vaginalsphinkter bei T. saginata). Die Ausscheidung von Eiern im Stuhl ist meist nur gering und dazu intermittierend, da der Uterus blind ge- schlossen ist und somit Eier nur beim Platzen bzw. bei der Verdauung von Proglottiden im Darminnern freiwerden können. Es sollten daher mehrfache Untersuchungen mittels Anreicherungen (Sedimentations- oder Flotationsverfahren) erfolgen, falls nicht schon Proglottiden ausgeschieden wurden. Die ca. 30–40 µm großen, dickwandigen Eier der Ta- enia-Arten sind morphologisch identisch und erlauben keine Speziesdifferenzierung. Bei säurefester Färbung (Ziehl-Neelsen) färben sich nur die Eier von T. saginata. Eine sichere Differenzierung ist auch anhand des Skolex möglich, wenn dieser spontan oder nach The- rapie ausgeschieden wird. Nach Einsatz der modernen Anthelminthika kommt es jedoch meist zur Lyse der proximalen Bandwurmanteile einschließlich des Kopfes. Der Nachweis von Koproantigenen (mittels ELISA) ist bei der Mehrzahl der Infizierten möglich und hat sich bei Bekämpfungskampagnen bewährt. Ein Antikörpernachweis im Blut ist nur bei der Zystizerkose von Bedeutung. Eine Bluteosinophilie liegt bei rein intestinaler Infektion meist nicht vor. Die Zystizerken (bis 18 mm) im Gehirn werden mithilfe von bildgebenden Verfahren nachgewiesen (CT, MRT). 6. Infektionsweg: Die orale Aufnahme von Zystizerken in rohem oder ungenügend gegartem Fleisch führt zum Auftreten adulter Bandwürmer im Darm des Menschen. Die orale Auf- nahme von Bandwurmeiern mit kontaminierter Nahrung zieht im Fall von T. solium die Bildung von Zystizerken in Organen des Menschen nach sich, während dies bei T. asiati- cum offenbar nicht erfolgt. 7. Prophylaxe: Verzicht auf den Verzehr von rohem oder halbrohem Schweinefleisch (asia- tische Art auch: Ziege, Bär, Affe, Hund und sogar Rind!). Längeres Tieffrieren bei –18°C
Abb. 4.16 Schematische Darstellung der Entwicklungszyklen von Taenia solium (1–5) und Taenia saginata (1.1–5.1) 1, 1.1 Skolex der adulten Würmer im Darm des Menschen (Endwirt). 2, 2.1 Reife Proglottiden (ca. 1 cm Länge, weiß, motil) werden in den Fäzes abgesetzt. Das Uterus- muster ist artspezifisch. 3, 3.1 Nach Lyse der Proglottidenwände treten die Eier, die die Oncosphaeralarve enthalten, aus dem Uterus aus. Die Zwischenwirte Schwein bzw. Rind nehmen diese Eier oral mit fäkal kontami- niertem Futter auf. 4, 4.1 Im Darm schlüpft die Oncosphaeralarve aus, durchdringt die Darmwand, wandert auf dem Blutweg in zahlreiche Organe (insbesondere Muskulatur) und wandelt sich dort zur Zystizerkuslarve (Blasenwurm, Finne) um. Der Skolex des neuen Wurms ist bereits eingestülpt vorhanden. 5, 5.1 Nach oraler Aufnahme von rohem, Zystizerkus-haltigem Fleisch (auch in Mettwurst, Tatar etc. – lediglich der unmittelbare Skolex darf nicht zerstört sein) entwickelt sich der adulte, mehrere Meter lange Wurm. Wenn ein Mensch Eier von T. solium (3) oral aufnimmt, werden bei ihm ebenfalls Zystizerken (4) ausgebildet. Liegen diese im Gehirn, kommt es zum klinischen Bild der Neurozysti- zerkose, die tödlich verlaufen kann.
BL = Blase; EB = Embryophore; EX = Exkretionskanäle; GP = Genitalpapille (�,�); HO = Haken der Oncosphaera; ON = Oncosphaera; RH = rostraler Hakenkranz; SC = Skolex; SU = Saugnapf; UE = Uterus mit Eiern gefüllt.
4.3 Bandwürmer 129
tötet die Zystizerken. Vermeidung des Kontakts mit Humanfäkalien (z. B. auf wilden Cam- pingplätzen oder Rast- und Parkplätzen). 8. Inkubationszeit: Bei Befall mit adulten Würmern 8 Wochen, bei Befall mit Zystizerken 4–10 Wochen (Symptome abhängig vom befallenen Organ). 9. Präpatenz: 8–18 Wochen (erstes Auftreten von Proglottiden im Stuhl); asiatische Art: 4 Wochen.

View attachment 5984
View attachment 5985View attachment 5986 View attachment 5987

10. Patenz: Adulte Würmer im Menschen; 20–30 Jahre (evtl. lebenslang). Der Zystizerkus im Schwein bleibt 1–2 Jahre infektiös. Immunität tritt nicht ein. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel (10 mg/kg KGW als Einmaldosis) mit fast 100%iger Heilungsrate. Niclosamid (2 g einmalig) und Mebendazol (2 × 200 mg täglich über 3 Tage) sind ebenfalls wirksam. Die Gabe von Laxanthien (Rizinusöl) beschleunigt den Abgang und verhindert Eigeninfektion mit Eiern. Therapiekontrollen sollten nach etwa 3 Monaten erfolgen. Achtung: Wegen der Infektionsgefahr durch T. solium-Eier sind Vorsichts- maßnahmen (Handschuhe, Desinfektion) beim Umgang mit adulten Würmern, Proglottiden und Stuhl von Infizierten zu beachten. Liegt eine Neurozystizerkose vor, so müssen einschlei- chend Antihistamine verabreicht werden, um eine Schockreaktion nach der Paziquantel- Gabe zu vermeiden. Okulärer Befall muss auf jeden Fall chirurgisch behandelt werden.
4.3.2 Taenia saginata (Taeniasis)
1. Name: Griech.: tainia = Band. Lat.: saginatus = kräftig, fett. Engl. beef tapeworm; dt. Rin- derbandwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit Hunderttausende, besonders in Rinderzuchtländern. 3. Biologie/Morphologie: Der Bandwurm T. saginata wird mit 6–10 m Länge deutlich grö- ßer als T. solium (Abb. 4.16). Sein 1–2 mm großer Skolex weist ebenfalls 4 Saugnäpfe, aber keine Haken auf; die endständigen Proglottiden sind mit 20 mm Länge und etwa 7 mm Breite größer als die von T. solium. Dementsprechend weist auch der Uterus terminaler Proglottiden mit meist mehr als 20 seitlichen Verzweigungen signifikant mehr Raum zur Eispeicherung auf (bis 100 000 Eier). Der Entwicklungszyklus verläuft ähnlich wie der von T. solium, jedoch dient das Rind als Zwischenwirt. Der Zyklus schließt sich durch die Infektion des Menschen; sie erfolgt durch orale Aufnahme von Zystizerken (= Cysticercus inermis, C. bovis = Metacestoden, Finnen), die lediglich etwa 7–9 × 5 mm Größe erreichen, mit rohem oder ungenügend gekochtem Rindfleisch. 4. Symptome der Erkrankung (Taeniasis): Vgl. Verhältnisse bei T. solium (Abschn. 4.3.1). 5. Diagnose: Wie bei T. solium (s. Abb. 4.15, 4.24). Eier von T. saginata können auch mit der bei der Enterobiasis verwendeten Analabklatschmethode nachgewiesen werden, da sie auf-
Abb. 4.21 Zystizerken im Gehirn.
4.3 Bandwürmer 133
grund ihrer klebrigen Oberfläche an der Perianalhaut haften (sofern im Darm Proglottiden geplatzt sind). Die per Fäzes abgegangenen Proglottiden sind auf der Haut oder Unterwä- sche noch beweglich. 6. Infektionsweg: Verzehr von rohem, halbgarem, Zystizerkus-haltigem Rindfleisch; Immu- nität tritt nicht ein. 7. Prophylaxe: Vermeiden des Verzehrs von rohem Rindfleisch; Tieffrieren (–18°C) von Fleisch. 8. Inkubationszeit: 8–12 Wochen (Symptome fehlen evtl. völlig). 9. Präpatenz: 8–12 Wochen; asiat. Art T. asiatica: 4 Wochen. 10. Patenz: 25 Jahre (evtl. lebenslang). 11. Therapie: Wie bei T. solium (Praziquantel: einmal 10 mg/kg KGW).
4.3.3 Diphyllobothrium-Arten (Diphyllobothriasis)
1. Name: Griech.: di = zwei, doppelt; phyllon = Blatt; bothros = Vertiefung, Schlitz. Lat.: latus = breit. Wurm mit 2 länglichen Sauggruben am Skolex. Engl. broad tapeworm; dt. Fisch- bandwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Mindestens 2 Arten treten in Küstennähe bzw. an Binnenseen auf: D. latum: Ostseeraum, Wolgabecken, Bodenseegebiet, Schweiz, Italien, Donaudelta, Naher Osten, Sibirien, Mandschurei, Japan, Nordamerika, Ostasien, Australien, Afrika. D. pacificum ist in Südamerika relativ häufig, besonders in Chile und Peru. Weitere Arten sind D. klebanovski und D. nihonkaiense im ostasiatischen Gebiet und D. dendriticum in Süßwässern. 3. Biologie/Morphologie: Die beiden Arten (D. latum, D. pacificum) sind äußerlich sehr ähnlich, leben als adulte Würmer angeblich länger als 10 Jahre im Darm des Menschen oder anderer Endwirte wie Katze und Hund (bzw. Seehunde bei D. pacificum) und heften sich mit beiden Sauggruben (Bothrien) des Skolex an der Darmwand fest (Abb. 4.22, 4.23). Der Bandwurm kann bis 20 m lang werden, insbesondere wenn er solitär auftritt. Er kann dann bis zu 4000 Proglottiden aufweisen. Wurden 10 oder 14 Exemplare im Darm eines Menschen angetroffen, waren diese kürzer als 2 m. Die reifen Proglottiden erreichen eine Breite von 2 cm und sind deutlich breiter als lang. Da ihr Uterus eine eigene Öffnung aufweist, verlassen die etwa 60–70 × 45–55 µm großen Eier (s. Abb. 4.15) die Proglottiden bereits im Darm und können in gro- ßer Anzahl – besonders bei Einsatz von Anreicherungsverfahren – in den Fäzes angetroffen werden. Die jeweils letzten 3–5 Proglottiden sind daher im Darm nahezu völlig geleert und werden zusammenhängend abgestoßen. Die mit den Fäzes abgesetzten Eier enthalten noch keine Larve; diese entwickelt sich erst, wenn das Ei in Süß- oder Brackwasser gelangt. Nach 9-12 Tagen schlüpft aus den gedeckelten Eiern eine schwimmfähige Larve (Korazidium), deren Zilienepithel die typische 6-Haken-Larve der Bandwürmer (Oncosphaera) umschließt.
Als 1. Zwischenwirt dient der Kleinkrebs (Copepode), der die Korazidien oral aufnimmt; in seiner Leibeshöhle wandelt sich das Korazidium zur sog. Prozerkoidlarve um. Diese wächst, nachdem der Copepode von einem Fisch (2. Zwischenwirt) gefressen wurde, in einem der Fischorgane zur Plerozerkoidlarve (Sparganum) heran. Derartige Larven können sich in räuberisch lebenden Fischen zu großen Anzahlen anreichern. So dienen z.B. Hechte als solche Zwischen- oder Stapelwirte. D. dendriticum kommt bei Süßwasserfischen und Möwen vor. 4. Symptome der Erkrankung (Diphyllobothriasis): Ein Befall mit D. latum kann lange Zeit symptomlos verlaufen; nach Wochen (der adulte Wurm wächst täglich 9–15 cm!) evtl. auch erst nach Jahren – kann als Komplikation eine Anämie vom Perniziosa-Typ infolge des Entzugs von Vitamin B12 auftreten. Diese Anämie soll insbesondere dann manifest werden, wenn sich der Bandwurm in Nähe des Magenausgangs im Duodenum festgeheftet hat. Bei langer Dauer der Infektion können auch neurologische Symptome des Vitamin- B12-Mangels entstehen, z. B. Müdigkeit, Parästhesien, Störung des Vibrationsempfindens und motorische Fehlleistungen, u. a. Gehstörungen.

View attachment 5988
1. Endwirte, bei ihnen lebt der adulte Wurm im Darm. 2. Proglottis. 3. Eier mit sich entwickelnder Korazidiumlarve. 4. Freie Korazidiumlarve. 5. Krebslarve (Typ Nauplius) als 1. Zwischenwirt. 6. Prozerkoidlarve, sie entwickelt sich aus der Oncosphaera, die in der Korazidiumlarve steckt. 7. Fische als 2. Zwischenwirte. 8. Plerozerkoidlarve, sie entsteht im Fisch aus dem Prozerkoid. 8.1 Raubfische als Stapelwirt, sie infizieren sich an befallenen Friedfischen. 9. Endwirte infizieren sich durch orale Aufnahme von Plerozerkoidlarven in rohem Fisch.
CI = Zilien; GP = Genitalporus; HK = Häkchen; ON = Oncosphaera; OP = Operculum; OU = Öffnung des Uterus nach außen; UT = Uterus; VI = Vitellarium = Dotterstock.

View attachment 5989
LP = leere Proglottiden; P = Proglottiden unterschiedlicher Reife; S = Skolex; U = Uterus.
5. Diagnose: Diese beruht in erster Linie auf dem Nachweis der 60–70 µm × 45–55 µm (D. pacificum: 50 µm × 40 µm) großen, gedeckelten Eier im Stuhl (s. Abb. 4.15, 4.24).
Da die Ausscheidung variiert, ist eine Anreicherung mittels MIFC oder Sedimentation empfehlenswert; ggf. mehrfache Untersuchung. Flotationsverfahren sind ungeeignet, da die Eier kollabieren. Einzelne oder zusammenhängende weißliche, leere oder intakte Pro- glottiden sind nur gelegentlich im Stuhl (selten im Erbrochenen) zu finden. Serologische Verfahren sind ohne Bedeutung. Eine Bluteosinophilie liegt meist nicht vor.

6. Infektionsweg: Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von Plerozer- koiden (Spargana) mit ungenügend gekochtem oder ungenügend geräuchertem Fleisch von kontaminierten Süß- oder Brackwasserfischen. In etwa 21–24 Tagen wachsen die Lar- ven zu geschlechtsreifen Adulten heran und beginnen mit dem Absetzen von Eiern (Präpa- tenz). Plerozerkoide von Bandwürmern, die im Darm des Menschen nicht geschlechtsreif werden können, wandern in seinem Körper umher und bewirken das Krankheitsbild der sog. Sparganose.

View attachment 5990
4.3 Bandwürmer 137
7. Prophylaxe: Verzicht auf den Verzehr von rohem oder halbgarem Fisch; Tieffrieren (18°C) von Fischen. 8. Inkubationszeit: 3 Wochen, wenn überhaupt Symptome auftreten. 9. Präpatenz: 21–24 Tage (erstes Auftreten von Eiern bzw. Proglottiden im Stuhl). 10. Patenz: Bis 10 Jahre. 11. Therapie: Mittel der Wahl sind einmalige Dosen von Praziquantel (2,5–5 mg/kg KGW) oder Niclosamid (2 g) jeweils als Einmaldosis; ggf. Substitution eines Vitamin-B12- Mangels. Während nach der Therapie häufig distale Anteile des Bandwurms ausge- schieden werden, zerfällt der proximale Anteil meist völlig, sodass der Skolex nicht im Stuhl zu finden ist. Zur Therapiekontrolle sind mehrfache (mindestens 3) wöchentli- che Stuhluntersuchungen empfehlenswert, beginnend frühestens 6 Wochen nach Be- handlung.
4.3.4 Hymenolepis-Arten (Hymenolepiasis)
1. Name: Griech.: hymen = Häutchen; lepis = Schuppe, Blättchen. Lat.: nanus = Zwerg. Engl. dwarf tapeworm; dt. Zwergbandwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, besonders in den Tropen und Subtropen. Mit etwa 80 Millionen Befallenen weltweit ist dies der häufigste Bandwurm des Menschen, v. a. bei Kindern. 3. Biologie/Morphologie: H. nana parasitisiert bei Mensch, Maus und Ratte, wird meist nur etwa 5 cm lang und etwa 1–2 mm breit (Abb. 4.25, 4.26). Sein Skolex hat einen Durchmes- ser von etwa 0,3 mm, besitzt 4 Saugnäpfe und trägt ein vorstülpbares, kugelförmiges Ros- trum mit einem einfachen Hakenkranz von 20–24 Haken, die 140–180 µm lang werden.
Reife Proglottiden zerfallen eventuell bereits im Darm, sodass dann die charakteristischen, etwa 40–60 µm × 30–50 µm großen Eier in den Fäzes angetroffen werden (s. Abb. 4.15).
Nehmen Insekten, wie z. B. Mehlkäferlarven oder Flohlarven, derartige Eier auf, die be- reits je eine Oncosphaeralarve enthalten, so entwickelt sich in der Leibeshöhle eine sog.
Zystizerkoidlarve. Diese entsteht jedoch auch an der Darmwand des Menschen, wenn er H. nana-Eier aus eigenen oder fremden Fäzes aufnimmt. Der Zwischenwirt (Insekt) ist somit lediglich fakultativ Teil des Lebenszyklus von H. nana. Die Infektion des Menschen kann daher auf 3 Wegen erfolgen: a) Orale Aufnahme von Zystizerkoidlarven in Insekten bzw. in Insektenteilen (Kinder beim Spiel; Insekten als Nahrungsmittel in tropischen Ländern). b) Orale Aufnahme von H. nana-Eiern aus Fäzes (vermutlich Hauptweg!). c) Die in den Eiern enthaltene Oncosphaeralarve kann auch bereits im Darm schlüpfen und sich in der Darmwand zu einem Zystizerkoid entwickeln, das nach 5–6 Tagen wie- der in das Darmlumen wandert. Dort wächst es innerhalb von 2–3 Wochen zu einem Adultwurm heran (endogene Autoinfektion).
Die gesamte Entwicklung des Zystizerkoids zum adulten Wurm dauert meist weniger als 3 Wochen; H. nana-Würmer leben allerdings auch nur wenige Wochen, sodass die beob- achteten hohen Befallsraten wie auch scheinbar andauernde Infektionen auf ständige neue Selbstinfektionen zurückzuführen sein dürften. 4. Symptome der Erkrankung (Vampirolepiasis, Hymenolepiasis): Immunologisch Gesunde entwickeln eine zellvermittelte Immunreaktion, welche die endogene Autoinfektion (weit- gehend) unterdrücken dürfte und die Entzündungsreaktion in der Mukosa erheblich abschwächt. Bei Erwachsenen kommt es meist nur zu leichten Symptomen wie Bauch- schmerzen, gelegentlichen Durchfällen, die leicht blutig tingiert sein können, und Mat- tigkeit. Schwere Infektionen mit einer großen Zahl von Adultwürmern betreffen meist mangelernährte Kinder. Bei ihnen addieren sich eine noch nicht entwickelte Immunitäts- reaktion als Voraussetzung einer erhöhten endogenen Autoinfektion und die bei Kindern ohnehin übliche hohe Selbstinfektionsrate. Folgen sind Bauchkrämpfe, blutige Durch-

View attachment 5991
A. Endwirte (final hosts); B. Zwischenwirte (intermediate hosts). 1, 2. Eier von H. nana (1) und H. diminuta (2). 3, 4. Aus der in den Eiern enthaltenen Oncosphaeralarve entstehen in Larven und Adulten der Zwi- schenwirte die Zystizerkoidlarven. 5. Zystizerkoidlarve.
Bildmitte: Unreife Proglottis mit den Geschlechtsorganen.
EM = Embryophore; ES = Eihülle; EX = Exkretionssystem; GP = Genitalpore; HK = Häkchen; ON = Oncosphaeralarve; OV = Ovar = Germarium; SU = Saugnapf; TE = Hoden; VD = Vas deferens; VI = Vitellarium = Dotterstock; VG = Vagina.

fälle, Gewichtsverlust und eine mäßige Bluteosinophilie. Gelegentlich treten bei Kindern Schwindel und sogar Krampfanfälle auf. 5. Diagnose: Im Stuhl lassen sich die charakteristischen Eier nachweisen (s. Abb. 4.15, 4.24).
Da die Eiausscheidung gering und wechselnd sein kann, sind mehrfache Untersuchungen mit Anreicherungsverfahren empfehlenswert (Flotation am geeignetsten). Proglottiden zerfallen bereits im Darm und sind nur selten im Stuhl auffindbar. Häufig liegt eine mä- ßige Bluteosinophilie vor. 6. Infektionsweg: Oral, durch Aufnahme von Zystizerkoidlarven in Insekten(teilen) oder Eiern in Human- oder Nagerfäzes. 7. Prophylaxe: Meiden von Humanfäzes und (bei Kindern) des oralen Kontakts mit Insekten. 8. Inkubationszeit: 1–4 Wochen (Symptome sind selten und häufig unspezifisch). 9. Präpatenz: 2–4 Wochen. 10. Patenz: 2 Monate; Immunität tritt nicht auf, Reinfektion ist daher möglich. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Praziquantel (25 mg/kg KGW als Einmaldosis), da es nicht nur gegen Adulte, sondern auch gegen Zystizerkoide wirksam ist. Niclosamid (2 g tgl.), das nur gegen Adulte wirkt, muss über 7 Tage gegeben werden (Wiederholung nach 3 Wochen empfehlenswert). Stuhlkontrollen sind erst ab 4 Wochen nach Therapie sinnvoll.

View attachment 5992
4.3.5 Echinococcus-Arten (Echinococciasis)
1. Name: Griech.: echinos = Igel, stachelig; kokkos = kugelig; der Name bezieht sich auf das Aussehen der Brutkapsel und des Vorderendes des adulten Wurms. Engl. tiny dog dwarf worm; dt. Hundebandwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: E. granulosus (Hundebandwurm) weltweit; E. multilocularis (Fuchsbandwurm) in Süddeutschland, aber auch nordwärts ziehend und bereits weit verbreitet in Nordrhein-Westfalen (NRW) und in den östlichen Bundeslän- dern mit hohen Prävalenzraten bei den Füchsen; Österreich, Schweiz, Ost- bis Südfrank- reich, Russland, Nordamerika und auf der Insel Hokkaido in Japan. In Uruguay (E. vogeli).
Während beim Fuchsbandwurm nur wenige Tausende Menschen infiziert sind, sind es bei E. granulosus in Ländern mit großer Schafszucht Hunderttausende. 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Würmer leben im Darm von Carnivoren (= End- wirte). E. granulosus bevorzugt eindeutig den Hund, kommt aber auch beim Fuchs vor (Abb. 4.27–4.29). Der im Darm mit seinem Hakenkranz und seinen 4 Saugnäpfen zwi- schen den Darmzotten verankerte, geschlechtsreife, zwittrige Bandwurm wird allerdings nur 2,5–6 mm lang, wobei die letzte, gravide (die Eier enthaltende) Proglottis in ihrer Lunge die vorderen 2–3 Proglottiden deutlich überragt. E. multilocularis tritt als adulter Wurm besonders gehäuft in Füchsen (in NRW z. B. sind bis zu 30% der Füchse befallen) auf, aber auch in Hund und Katze, wenn diese infizierte Zwischenwirte fressen. E. multi- locularis ist mit 1–3 mm noch kleiner als E. granulosus, wobei die letzte der Proglottiden zudem meist kleiner ist als die übrigen 4–5. Bei beiden Würmern, die meist zu Hunderten oder gar Tausenden in ihren Endwirten vorkommen können, ohne dass diese sichtbar krank erscheinen, wird alle 7–14 Tage die letzte Proglottis abgeschnürt und mit den Fäzes
Abb. 4.26 REM-Aufnahme des Skolex von Hymenolepis nana.
140
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
abgesetzt. Dort bzw. im Fell trocknen sie und entlassen dann die dickwandigen, bei beiden Arten gleich aussehenden, etwa 50 µm großen Eier (vgl. Taenia), in denen bereits die für Zwischenwirte infektiöse Oncosphaeralarve (= 6-Haken-Larve) enthalten ist. Bevorzugte Zwischenwirte sind bei E. granulosus das Schaf, eine Entwicklung erfolgt aber auch in anderen Wiederkäuern, in Pferden, Schweinen und im Menschen. Bei E. multilocularis die- nen Nager (Mäuse) als hauptsächliche Zwischenwirte, aber auch der Mensch kann infiziert werden. Nehmen diese Zwischenwirte die Echinococcus-Eier auf, so schlüpft im Darm die Oncosphaeralarve, durchdringt die Darmwand und gelangt über das Blutgefäßsystem via Pfortader in die Leber. Ein Großteil der Larven setzt sich hier offenbar fest, andere kön- nen aber mit dem Blutstrom in andere Organe verschleppt werden (u. a. Lunge, Gehirn, Pankreas, Knochen, aber auch ins Auge). Aus diesen Oncosphaeralarven wachsen große, artspezifisch geformte, röntgenologisch darstellbare Zysten heran, in denen es zu einer ungeschlechtlichen Massenvermehrung kommt: a) E. granulosus: Die sog. Hydatide wird bis kindskopfgroß, enthält eine wasserhelle Flüssigkeit und besitzt zum Wirtsgewebe hin meist eine glatte Oberfläche ohne nen- nenswerte Vorwölbungen. In zahlreichen inneren Brutkapseln entstehen die Proto- skolizes (= Köpfchen der späteren Bandwürmer). Diese sammeln sich in der wässrigen Flüssigkeit an und können, sofern die Blase (Hydatide) verletzt wird, noch im gleichen Wirt zu neuen Blasen heranwachsen. Daher Achtung: Bei Operationen nur Entnahme der kompletten, unverletzten Hydatide! Keine Probeexzisionen durchführen! Eine (immer falsch indizierte) Probepunktion führt zu einer massiven anaphylaktischen Reaktion und zur Ausbreitung der Parasiten in der gesamten Bauchhöhle. b) E. multilocularis: Hier wird keine eigentliche Zyste ausgebildet, sondern ein weitver- zweigtes Schlauchsystem. Diese Schläuche gehen aus zunächst soliden Zellsträngen hervor, die im Innern hohl werden, ohne dass jedoch dabei größere Flüssigkeitsmengen entstehen. Entlang der Wand dieser Schläuche bilden sich (selten) in Brutkapseln Pro- toskolizes. Achtung: Bei operativer Verletzung der meist nur lichtmikroskopisch sichtbaren kleinen Schläuche (an der Peripherie des Systems!) kommt es zu Metastasenbildung in anderen Organen (via Lymphe). Daher ist das Schlauchsystem, das in Querschnitten wie eine multilokuläre Zyste erscheint, nur operabel, wenn ganze Bereiche oder Leber- lappen entfernt werden.
Abb. 4.27 Entwickungszyklus von Echinococcus granulosus (1–8) und E. multilocularis (1.1–7.1). 1. Endwirte: Hund und Fuchs sowie zusätzlich die Katze bei E. multilocularis. 2, 2.1 Die Adulten unterscheiden sich in der Länge der Endproglottiden, in der Form des Uterus und in ihren Endwirtpräferenzen. 3, 3.1 Proglottiden in den Fäzes. 4, 4.1 Freigesetzte, larvenhaltige Eier werden oral von den Zwischenwirten aufgenommen. 5, 5.1 Zwischenwirte (viele Arten, unspezifisch, mit Präferenzen); Mensch = Fehlwirt; in ihm entste- hen die gleichen Zystentypen wie in den anderen Zwischenwirten (6). Diese Echinokokkose verläuft meist tödlich (sofern ein inoperabler Organbereich befallen ist). 6, 6.1 Die Oncosphaeralarve gelangt auf dem Blutweg in verschiedene Organe (meist Leber), wo es zu Zystenbildungen kommt; bei E. granulosus entsteht eine Hydatide, bei E. multilocularis ein weitver- zweigtes Schlauchsystem mit zystenartigen Erweiterungen. 7, 7.1 In den Brutkapseln der jeweiligen Zystentypen entstehen Protoskolizes. 8. Solche Protoskolizes können bereits in der Zyste auswachsen. Werden Protoskolizes-haltige Zysten von den Endwirten gefressen, so wachsen aus den Protoskolizes adulte Würmer heran, die bereits 4–6 Wochen später eihaltige Proglottiden absetzen.
BC = Brutkapsel; EB = Embryophore; EX = Exkretionskanal; GP = Genitalpapille; H = Hydatide; HO = Haken der Oncosphaera; IR = Haken des Protoskolex in der Entwicklung; P = Proglottis (terminale, reife); RH = rostraler Hakenkranz; SU = Saugnapf; TU = tubulärer bzw. solider Strang; UE = Uterus, mit Eiern gefüllt.
4.3 Bandwürmer 141
4. Symptome der Erkrankung (Echinokokkose, Echinococciasis): Unspezifische Symptome erscheinen oft erst nach Jahren (sehr lange Inkubationszeit!) und sind zudem noch abhän- gig vom jeweils befallenen Organ, wenn auch in jedem Fall eine Druckatrophie aufzutreten scheint. Bei Befall der Leber kommt es zu Verdauungsstörungen und Aszitesbildung, bei Befall der Lunge zu Pleuraergüssen und oft zu Lungenkollaps, bei Befall des Gehirns zu

View attachment 5993
View attachment 5994
4.3 Bandwürmer 143
neuromotorischen Ausfallserscheinungen (u. a. Lähmungen), bei Befall der Knochen tre- ten häufig Spontanbrüche auf; der relativ seltene Befall des Auges zieht einen ausgeprägten Exophtalmus nach sich. 5. Diagnose: Beim Menschen zielt die Diagnose auf das Erkennen der zystischen Gebilde in verschiedenen Organen (Leber, Lunge, Hirn, aber auch Uterus u. a.). Dies geschieht mak- roskopisch mit Verfahren der Computertomographie oder Sonographie etc., erlaubt aber keine Artdiagnose. Letztere ist von Wichtigkeit, um die Möglichkeiten einer chirurgischen Entfernung abzuschätzen. Lediglich die Zysten von E. granulosus bieten wegen ihrer glatten Oberfläche größere Erfolgschancen. Bei E. multilocularis ist wegen der Metastasierungsge- fahr und bei dem weitverzweigten Schlauchsystem der Zyste eine Operation meist nicht geraten. Bei keiner Zystenart darf jedoch eine Probeexzision vorgenommen werden, weil dabei die omnipotenten undifferenzierten Zellen ausgesät werden könnten und zu neuen Zysten führen würden. Die serologischen Verfahren (Gottstein et al. 1984) – abgewandelte ELISA bzw. PCR – erlauben eine Artbestimmung. Die übrigen serologischen Verfahren erfassen einen Echinococcus-Befall häufig nur unzureichend, so etwa nur 58–60% bei ei- ner Lungenechinokokkose, aber immerhin 80% einer Leberechinokokkose. So muss stets neben dem IIFT ein zweiter Test herangezogen werden. Die Endtiter liegen beim IIFT bei 1:320, beim IHAT bei 1:16 000, während der ELISA bereits bei 1:80 positiv ist. Sollten Protoskolizesteile ausgehustet, im Urin angetroffen werden oder bei andere Operationen zufällig gewonnen worden sein, so können die Skolexhaken auch zur Artdiagnose herange- zogen werden. Nach Vogel (1957) dient dabei das Verhältnis der Wölbungshöhe (zwischen den Wurzelfortsätzen) zur Basislänge; diese beträgt bei E. multilocularis-Haken 1:3,4, bei E. granulosus dagegen 1:6. Die alveoläre Echinokokkose der Leber stellt sich sonographisch und computertomographisch als unscharf begrenzte, heterogene, teils solide (echoreiche bzw. hyperdense) teils kleinzystische (echoarme bzw. hypodense) Raumforderung dar, mit häufigen schollen- oder stippchenförmigen Verkalkungen. Kreuzreaktionen zwischen den Echinococcus-Arten und anderen Helminthiasen (Zystizerkose, Filariosen u. a) lassen sich meist mittels spezifischer Testverfahren (Western Blot etc.) vermeiden. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme infektiöser Eier aus Hunde-, Katzen- bzw. Fuchskot bzw. aus deren Fell (s. Abb. 4.15, 4.24). Achtung: Die im Freien sehr widerstandfähigen, überwinterungsfähigen Eier können von Regen auch auf niedrigwüchsige Waldfrüchte (Beeren) und Pilze gespritzt werden. 7. Prophylaxe: Vermeiden des Kontakts mit Füchsen, Hunden bzw. Katzen, die Zwischen- wirte gefressen haben können. Regelmäßige Wurmkuren bei Hunden und Katzen mit Frei- lauf im Wald durchführen. Waldfrüchte und Pilze gut waschen bzw. kochen. Jäger sollten beim Abbalgen von Füchsen Handschuhe anziehen und danach einen Kleiderwechsel mit chemischer Reinigung oder Waschen der Oberbekleidung durchführen. 8. Inkubationszeit: Unbekannt, aber sicher Jahre. 9. Präpatenz: Die Zysten bzw. Hydatiden sind erst nach Jahren nachweisbar. 10. Patenz: Jahre. 11. Therapie: Bei zystischer Echinokokkose ist in vielen Fällen eine radikale operative Ent- fernung möglich. Bei einzelnen Leberzysten ohne Gallenweganschluss wurde neuerdings auch eine erfolgreiche Behandlung mittels Ultraschall-gezielter Feinnadelpunktion mit Aspiration der Zystenflüssigkeit und Abtötung durch Ethanolinjektion durchgeführt (unter gleichzeitiger Gabe von Albendazol oder Mebendazol). Bei der alveolären Echinokokkose ist eine radikale operative Heilung meist nicht möglich. In weit fortgeschrittenen Fällen kann eine Lebertransplantation erforderlich sein. Bei Inoperabilität bzw. nach nicht oder nur fraglich radikaler Operation sowie nach Zystenruptur sollte eine hochdosierte The- rapie mit Eskazole® = Albendazol (12–15 mg/kg KGW tgl.) oder Vermox® = Mebendazol (50–60 mg/kg KGW tgl. bzw. Dosierung entsprechend Blutspiegeln) durchgeführt werden.
Bei zystischer Echinokokkose ist wegen einer häufig nur parasitostatischen Wirkung eine langfristige Therapie erforderlich, ggf. lebenslang. Bei günstigem Verlauf scheint ein Ab- setzversuch nach frühestens 2 Jahren gerechtfertigt.
144
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
4.3.6 Dipylidium caninum (Dipylidiasis)
1. Name: Griech.: di = zwei, doppelt; pyle = Öffnung. Lat.: canis = Hund; Wurm hat an beiden Seiten der Proglottis je eine Geschlechtsöffnung. Engl. cucumber tapeworm, rice seed tape- worm; dt. Gurkenkernbandwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit; bei Hunden und Katzen ist die- ser Wurm häufig, daher besteht v. a. bei Hunde- und Katzenhaltern hohe Infektionsge- fahr. 3. Biologie/Morphologie: D. caninum lebt als adulter Wurm (s. Abb. 4.23) im Darm von Hund und Katze und tritt beim Menschen nur relativ selten auf (s. u.). Er erreicht eine Länge von 20–70 cm bei einer Breite der letzten Proglottis von etwa 3–4 mm. Der etwa 0,5 mm breite Skolex besitzt 4 Saugnäpfe und ein Rostrum mit 3–4 Hakenkränzen. In jeder der Proglottiden finden sich je 2 Sätze von Geschlechtsorganen (Name), was allerdings in den terminalen, 8–20 mm langen Proglottiden dadurch überdeckt wird, dass diese völlig mit Eipaketen (8–12 Eier von 34–40 µm Durchmesser) ausgefüllt sind (s. Abb. 4.24). Die abgesetzten Proglottiden haben ein gurkenkernartiges Aussehen und können durch heftige Kontraktionen in den Fäzes, im Fell von Tieren bzw. im Anusbereich umherkriechen. Bei diesen Kriechvorgängen werden Eipakete ausgedrückt und von Fäzes fressenden Insekten, wie z. B. Flohlarven, Haarlingen etc., oral aufgenommen. In deren Leibeshöhle entwickelt sich dann eine Zystizerkoidlarve.
Der Zyklus schließt sich durch die orale Aufnahme infizierter Insekten (oder zerbissener Teile davon!), etwa aus dem Fell von Haushunden oder Katzen. Ein Befall ist demnach bei Erwachsenen viel seltener als bei Kindern. Aus den oral aufgenommenen Zystizerkoidlar- ven wachsen in etwa 3 Wochen adulte Würmer heran. 4. Symptome der Erkrankung (Dipylidiasis): Sehr unspezifische Darm- und Verdauungs- beschwerden finden sich bei schwachem Befall. Bei einem Befall mit 100–200 Würmern treten allerdings blutig-schleimige Diarrhöen und Krämpfe auf. Dabei wurden gelegent- lich ein allgemeiner Juckreiz, Urtikaria, Gewichtsabnahme und eine Bluteosinophilie beschrieben.

View attachment 5995
4.3 Bandwürmer 145
5. Diagnose: Auffinden rötlicher, gurkenkernartiger, etwa 1,5 cm langer Endproglottiden in frischen Fäzes oder reiskornartig erscheinende (getrocknete) entsprechende Stadien in der Unterwäsche (Abb. 4.30); mikroskopischer Nachweis der typischen Eipakete (s.
Abb. 4.24). Eine mäßige Bluteosinophilie ist möglich. Befallene Hunde im Haushalt reagie- ren mit „Schlittenfahren" auf den analen Juckreiz infolge des Bandwurmbefalls. 6. Infektionsweg: Oral, durch Aufnahme von infizierten Flöhen bzw. Teilen davon (etwa beim Schmusen mit Hunden und Katzen). 7. Prophylaxe: Reinlichkeit beim Umgang mit Haustieren, regelmäßiges Entwurmen und Entflohen von Hund und Katze, Behandlung der Lagerstätten der Haustiere mit larviziden Insektiziden (z. B. Bolfo® Plus, Vetkem® Umgebungsspray, Starycide® etc.). 8. Inkubationszeit: 10–25 Tage. 9. Präpatenz: 19–25 Tage. 10. Patenz: Bis zu 1 Jahr. 11. Therapie: Wie bei T. solium (Abschn. 4.3.1).
4.3.7 Seltene Bandwürmer im Darm des Menschen
Mesocestoides-Arten
Etwa 40 Berichte liegen weltweit von Infektionen des Menschen mit Würmern dieser Gattung vor (u. a. Chandler 1942; Kagei et al. 1974). Die Dunkelziffer dürfte aber weit höher liegen.
Die Würmer, die normalerweise Füchse und Hunde als Endwirte und Amphibien, Vögel und/ oder Säuger als 1. und/oder 2. Zwischenwirte aufweisen, werden im Menschen etwa 40 cm lang und 2 mm breit. Die Infektion dürfte durch orale Aufnahme der infektiösen sog. Tetrathyri- diumlarve in rohem Fleisch von Zwischenwirten erfolgt sein. Als Krankheitssymptome treten Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und leichte Anämie auf.
Hymenolepis diminuta
Der Rattenbandwurm tritt weltweit auf und wird etwa 0,5 m lang. Obligate Zwischenwirte sind Arthropoden (Flöhe, Mehlkäfer). Die Krankheitssymptomatik bleibt geringgradig. Lebenszyk- lus und Therapie siehe H. nana (Abschn. 4.3.4).
Railletina celebensis
Dieser als Adultus in Ratten als Endwirt parasitierende Wurm hat Insekten als Zwischenwirt.
Daher erklärt sich, dass vorwiegend Kinder infiziert werden, was auf die orale Aufnahme von larvenhaltigen Flöhen beim Schmusen mit Hunden oder Katzen zurückzuführen sein dürfte.
Die ausgeschiedenen Proglottiden sind mit 3 mm Länge sehr klein und wirken reiskornartig.
Endemiegebiet: Südostasien, aber auch Südamerika.
Inermicapsifer madagascariensis
In Afrika ist dieser Wurm vorwiegend bei Nagern und nur selten beim Menschen anzu- treffen (Goldsmith und Muis 1972). In Kuba – offenbar ein Mitbringsel aus kriegerischen Aktivitäten in Afrika – findet sich dieser Wurm relativ häufig bei Kleinkindern, deren Fäzes dann mit etwa 3 mm kleinen, reiskornartigen Proglottiden bedeckt erscheinen. Die klini- sche Symptomatik besteht in unspezifischen Bauchschmerzen, der exakte Infektionsweg ist unbekannt.
146
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
Bertiella-Arten (z. B. B. studierii)
Dieser Wurm findet sich primär bei Affen und Menschen in Asien, es wurden aber bereits weltweite Fälle beschrieben, wobei der Wurm stets durch ausgeschiedene Proglottiden ent- deckt wurde.
Chemotherapie seltener Bandwürmer
Im Falle dieser seltenen Bandwürmer erwies sich ebenfalls Praziquantel als wirksam und sorgte für schnelle Abhilfe; Dosis s. Taenia solium (Abschn. 4.3.1).
4.3.8 Cysticercus-Arten (Cysticerciasis)
1. Name: Griech.: kystos = Zyste; kerkos = Schwanz. Lat.: cellula = kleine Zelle = häutiges Gebilde. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, besonders in Lateinamerika, Af- rika, China, Indien; in manchen Ländern werden diese Wurmstadien bei 2–3% der Autop- sien angetroffen. 3. Biologie/Morphologie: Der Cysticercus cellulosae ist die Larve des Schweinebandwurms (Taenia solium), der als adulter Wurm (s. Abb. 4.19–4.21) bis zu 25 Jahre im Darm des Menschen (= Endwirt) lebt und im Regelfall als Zystizerkus in Schweinen (= Zwischenwirt) anzutreffen ist. Histologisch erscheint der Cysticercus cellulosae als eine flüssigkeitsgefüllte Blase von 1–2 cm Durchmesser. Im Innern entsteht aus einer Keimschicht die Kopfanlage des späteren Bandwurms, die bereits den Hakenkranz ausgebildet hat.
Zystizerken beim Menschen entstehen durch orale Aufnahme von Bandwurmeiern aus eigenen oder fremden Fäzes. Die im Darm aus dem Ei schlüpfende 6-Haken-Larve (On- cosphaera) durchdringt die Darmwand und gelangt über den Blutweg in alle gut durchblu- teten Organe, wo sich binnen 8–10 Wochen im Interstitium der vollständige Zystizerkus (Finne) mit eingesenktem Köpfchen bildet. Der Mensch ist somit zum Zwischenwirt geworden. Gelegentlich kommt es durch seitliches Wachstum mit Ausläuferbildung zum Erscheinungsbild des von Virchow beschriebenen Cysticercus racemosae. 4. Symptome der Erkrankung (Zystizerkose): Abhängig vom befallenen Organ und von der Anzahl der entstandenen Zystizerken treten nach einer Inkubationszeit von etwa 8–10 Wochen unterschiedliche Symptome, unter Umständen mit Todesfolge, auf. Bei Befall der Muskulatur werden Muskelschmerzen und Lähmungen beobachtet, insbesondere wenn die Zystizerken verkalken und Druck auf Nervenstränge ausgeübt wird. Die Zystizerkose des Gehirns kann trotz multipler Zysten lange Zeit klinisch stumm bleiben. Abhängig von der Lokalisation entstehen motorische oder sensible Ausfälle, sensorische Störungen, schleichende Wesensveränderungen oder auch sehr wechselnde psychotische Bilder. Bei Behinderung der Liquorzirkulation kann es intermittierend oder rasch zunehmend zu Hirndruckzeichen kommen. Häufig ist ein fokaler oder generalisierter Krampfanfall das erste Symptom. Zystizerken im Rückenmark haben sensible und motorische Ausfälle und letztlich eine Querschnittssymptomatik zur Folge. Bei Befall der Augen treten Exophtal- mus wie auch schwere Sehstörungen in den Vordergrund. 5. Diagnose: Die Verdachtsdiagnose und Lokalisation der Neurozystizerkose erfolgt mittels kranialer Computertomographie und/oder Kernspintomographie. Okuläre Zystizerken können in der vorderen oder hinteren Augenkammer sichtbar sein. Die Diagnose kann durch den Nachweis spezifischer Antikörper im Serum oder Liquor untermauert werden (ELISA u. a. Verfahren); Kreuzreaktionen mit Echinokokkose und anderen Helmin- thiasen lassen sich mittels Western Blot meist differenzieren. Falsch negative Befunde kommen jedoch in 10–30% der Fälle vor: Bei entsprechendem Verdacht kann daher auch
4.3 Bandwürmer 147
bei negativer Immundiagnostik ein Therapieversuch indiziert sein. An Biopsaten und Operationspräparaten können der eingestülpte Skolex und das typische Keimepithel iden- tifiziert werden. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von Eiern des Bandwurms in Humanfäzes. Auch eine Autoinfektion ist möglich, wenn der adulte Bandwurm nach Chemotherapie zu lange im Darm des Patienten bleibt und dort nach dessen Verdauung die Eier freigesetzt werden.
Die Larven können dann direkt in die Darmwand eindringen. Auch Erbrechen führt zu längerem Verbleib von Eiern im Darm und somit zur potenziellen Autoinfektion. 7. Prophylaxe: Meiden von Ansammlungen von Humanfäzes auf freien Latrinen, Parkplät- zen, wilden Campingplätzen etc. Vorsicht: Eier können bei Temperaturen über 0°C für 60 Tage überleben; selbst Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt werden kurze Zeit ausgehalten. Wegen nicht entstehender Immunität sind wiederholte Infektionen möglich. 8. Inkubationszeit: 8–10 Wochen. 9. Präpatenz: Etwa 8 Wochen nach der Infektion hat der Zystizerkus selbst eine diagnosti- zierbare Größe erreicht. 10. Patenz: Mindestens 2 Jahre. 11. Therapie: Albendazol (15 mg/kg KGW tgl. über 8 Tage) ist das Medikament der Wahl.
Praziquantel (50 mg/kg KGW tgl. über 15 Tage) ist ebenfalls wirksam. Da unter Therapie eine Verstärkung der Symptomatik einer Neurozystizerkose auftreten kann, müssen ggf. gleichzeitig Korikosteroide und Antikonvulsiva gegeben werden. Bei Therapieversagen sowie bei Hydrozephalus internus und großen ventrikulären Zysten ist eine neurochirurgi- sche Therapie meist nicht zu umgehen.
4.3.9 Coenurus-Arten (Coenuriasis)
1. Name: Griech.: koinos = gemeinsam; ura = Schwanz. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit in Ländern mit intensiver Hunde- haltung, beim Menschen eher selten. 3. Biologie/Morphologie: Beim sog. Coenurus handelt es sich um die bis zu apfelgroßen Larven von Bandwürmern der Gatt. Multiceps. Diese leben als Adulte im Darm von Hun- den (Endwirt) und im Regelfall als Larven im Gehirn von Pflanzenfressern (z. B. Schafe), während der Befall beim Menschen relativ selten ist. Charakteristika des Coenurus sind, dass die Protoskolizes direkt auf der Innenseite der durchsichtigen Blasenwand entstehen und nicht in eigene Kapseln eingeschlossen sind. 4. Symptome der Erkrankung: Bei Befall des Gehirns kommt es zu Ausfallserscheinungen (Drehkrankheit bei Schafen), Lähmungen und z. T. relativ unspezifischen anderen Sym- ptomen, die im Weiteren denen einer Infektion mit Echinococcus gleichen. Bei Befall des Auges tritt ebenfalls wie bei Echinococcus ein extremer Exophthalmus mit den spezifischen Schäden auf. 5. Diagnose: Zysten werden bei der aus anderen Gründen durchgeführten Computertomo- graphie eher zufällig gefunden. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von Eiern des Hundebandwurms Multiceps multi- ceps aus den Fäzes des Hundes. Es scheint bei den betroffenen Menschen eine Prädisposi- tion notwendig zu sein, da die Anzahl der befallenen Menschen im Verhältnis zur starken Verbreitung des Bandwurms bei Hunden außerordentlich niedrig ist. 7. Prophylaxe: Sauberkeit und Vorsicht beim Umgang mit Hunden bzw. deren Fäzes. 8. Inkubationszeit: Unbekannt. 9. Präpatenz: Es werden beim Menschen keine Eier oder andere übertragungsfähige Stadien ausgebildet. 10. Patenz: Jahre. 11. Therapie: Als Mittel der Wahl kann Praziquantel gelten, und zwar in Dosen wie bei der Neurozystizerkose, begleitet von der Gabe von Antihistaminika.
148
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
4.4 Fadenwürmer (Nematoda)
Nematoden sind zylindrisch bis fadenartig gebaute getrenntgeschlechtliche Würmer, die frei- lebend in großer Anzahl im Boden, teils im Süß- teils im Salzwasser, aber auch sehr artenreich als Parasiten bei Pflanzen und Tieren auftreten. Ihre systematische Gliederung ist im Einzelnen wie auch in der Gesamtheit umstritten.
Die zurzeit meistverwendete Einteilung in Klassen beruht auf der An- bzw. Abwesenheit von kaudalen, selbst im Mikroskop nur schwer sichtbaren Sinnesorganen, den sog. Phasmi- den, und der Fähigkeit, sich durch Sekretion kaudaler Drüsen festzuheften. Der zum Teil nur schwer nachzuvollziehenden Taxonomie (es werden z. B. Form und Ausbildung des Ösophagus herangezogen) soll hier bei der Darstellung ihrer Morphologie und Entwicklungszyklen nicht gefolgt werden, vielmehr wird einer vergleichenden Darstellung der Vorzug gegeben.
System: Stamm: NEMATHELMINTHES (Auszug) Unterstamm: Nematoda Klasse: Adenophorea (Aphasmidea) Ordnung: Enoplida Familie: Trichuridae (Trichurinae, Capillariinae) Familie: Trichinellidae Familie: Dioctophymatidae Ordnung: Mermithida Familie: Mermithidae Klasse: Secernentea (Phasmidea) Ordnung: Rhabditia Familie: Rhabditidae Familie: Strongyloididae Ordnung: Strongylida Überfamilie: Ancylostomatodea Familie: Ancylostomatidae Familie: Uncinariidae Überfamilie: Trichostrongylodea Familie: Trichostrongylidae Familie: Dictyocaulidae Familie: Heligmosomatidae Überfamilie: Metastrongyloidea Familie: Metastrongylidae Familie: Angiostrongylidae Familie: Protostrongylidae Überfamilie: Strongyloidea Familie: Strongyloidae Ordnung: Ascaridida Überfamilie: Ascaridoidea Familie: Ascarididae Familie: Toxocaridae Familie: Anisakidae Familie: Cosmocercidae Überfamilie: Oxyuroidea Familie: Oxyuridae Überfamilie: Heterakoidea Familie: Heterakidae Familie: Ascaridiidae Ordnung: Spirurida
4.4 Fadenwürmer 149
Überfamilie: Spiruroidea Familie: Spiruridae Familie: Spirocercidae Überfamilie: Physalopteroidea Familie: Gnathostomatidae Familie: Physalopteridae Überfamilie: Filarioidea Familie: Filariidae Familie: Onchocercidae Ordnung: Camallanida Überfamilie: Camallanoidea Familie: Camallanidae Überfamilie: Dracunculoidea Familie: Dracunculidae Familie: Philometridae Familie: Micropleuridae Familie: Anguillicolidae Ordnung: Diplogasterida Ordnung: Aphelenchida Ordnung: Tylenchida Überfamilie: Sphaerularioidea Familie: Sphaerulariidae
4.4.1 Enterobius vermicularis (Enterobiasis)
1. Name: Griech.: enteron = Darm; bios = Leben. Lat.: vermicularis = wurmartig. Griech.: oxys = schnell; ura = Schwanz. Engl. pin worm; dt. Madenwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit sind mindestens 1,5 Milliarden Menschen infiziert (neben Ascaris offenbar der häufigste humanpathogene Wurm). 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Weibchen (etwa 1 cm lang) parasitieren im Lumen des Enddarms vorwiegend von Kindern (aber meist bei der ganzen Familie) und sind durch ihren spitz auslaufenden Schwanzbereich gekennzeichnet, der ihnen auch den Trivi- alnamen „Pfriemwurm" einbrachte (Abb. 4.31). Die nur etwa 2–6 mm langen Männchen sterben bald nach der Kopulation ab und finden sich in den Fäzes. Die Weibchen kriechen nachts zur Eiablage aus dem Anus heraus; daher müssen bei Verdacht auf Madenwurmbe- fall die Hautbereiche um den Anus mit Klebestreifen untersucht werden (Eier finden sich nur selten in Stuhlproben; Abb. 4.32). Bereits 5 Stunden nach der Eiablage enthalten die Eier in der Analspalte des Menschen eine infektionsfähige Larve. Die Erstinfektion eines Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von larvenhaltigen Eiern; bei bestehender Infek- tion kann eine wiederholte Selbstinfektion stattfinden. 4. Symptome der Erkrankung (Enterobiasis): In den meisten Fällen tritt nächtlicher starker Juckreiz im Analbereich auf; dies führt bei Kindern zu Unruhe und Schlaflosigkeit. Nur sel- ten kommt es zu direkten Schäden, Darmbeschwerden, Diarrhöen etc. Bei weiblichen Perso- nen wurde allerdings auch ein Befall des Urogenitaltrakts und der Leibeshöhle beobachtet. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der larvenhaltigen Eier durch Einsatz des sog. „Ab- klatschverfahrens", d. h. Gewinnung von Eiern mit einem Klebestreifen von der Haut der Analspalte (Abb. 4.32). Achtung: Patienten sollten aufgefordert werden, die vorherige Rei- nigung zu unterlassen. Die dünnwandigen Eier messen etwa 50–60 µm × 20–30 µm und sind an einer Seite leicht eingedellt. Abgegangene Weibchen bewegen sich schlängelnd auf den Fäzes und erscheinen als weißliche Fäden. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von larvenhaltigen Eiern. Dies kann als Selbstin- fektion durch Analkontakt, aber auch beim Bettenausschütteln bzw. beim Anfassen ge-
View attachment 5996
meinschaftlich benutzter Toilettendeckel geschehen. Daher sollte stets die gesamte Familie untersucht und ggf. behandelt werden. 7. Prophylaxe: Beim Auftreten eines Enterobius-Befalls intensive Körperhygiene betreiben und die Toiletten heiß reinigen. Während der ersten Tage nach einer erfolgten medikamen- tösen Enterobius-Therapie Unterwäsche und Bettzeug häufiger wechseln, da die Medika- mente nicht auf die Eier wirken und sonst eine Neuinfektion erfolgt. Kontrollen und ggf.
Behandlung bei allen Familienmitgliedern durchführen. 8. Inkubationszeit: 1–4 Wochen.
Abb. 4.32 LM-Aufnahme von Eiern von E. vermicularis, die bereits Larven enthalten, auf einem durchsichtigen „Abklatschklebestreifen".
Abb. 4.31 LM-Aufnahmen eines Weibchens von Enterobius vermicularis. a) Totale Länge mit typischem langem Schwanz. b) Vorderende mit Eiern.
a
b
4.4 Fadenwürmer 151
9. Präpatenz: 5–10 Wochen. 10. Patenz: Evtl. Jahre durch wiederholte Selbstinfektionen. Ein Weibchen lebt etwa 3–4 Mo- nate. 11. Therapie: Wirksam sind Einmaldosen von Mebendazol (100 mg), Albendazol (200–400 mg) (Kinder unter 2 Jahren: 15 mg/kg KGW) und anderen Anthelminthika wie Pyrvinium oder Pyrantel. Wegen häufiger Auto- und Reinfektion ist eine mehrfache Wiederholung nach jeweils 2–3 Wochen empfehlenswert. Bei trotzdem persistierender bzw. rezidivierender Enterobiasis liegt meist eine Familien- oder Gruppeninfektion vor, die strikte Hygiene (v. a. bei Kleinkindern), Umgebungsuntersuchungen und Familien- bzw. Gruppenbehandlung erfordert. In besonders hartnäckigen Fällen kann eine mehrfach (5–6-mal) wiederholte Gemeinschaftsbehandlung mit Mebendazol oder Albendazol notwendig sein.
4.4.2 Ascaris lumbricoides (Askariasis)
1. Name: Griech.: askaris = Wurm im Eingeweide. Lat.: lumbricoides = wie Lumbricus = Gat- tung eines Regenwurms. Engl. human roundworm; dt. Spulwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit sind mindestens 1,5 Milliarden Menschen infiziert. 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Spulwürmer, die eine beträchtliche Größe (Männchen 10–30 cm, Weibchen 22–52 cm) erreichen können, halten sich vorwiegend im Dünndarm auf und erscheinen dann auch auf Röntgenaufnahmen (Abb. 4.33, 4.34). Sie sind durch ihre typische „dreischeidige" Kopfkapsel gekennzeichnet, deren Bezahnung bei den Ascaris- Arten differiert. Die Weibchen setzen über Jahre täglich sehr große Anzahlen (bis 240 000!) derbschaliger Eier ab, die mit den Fäzes ins Freie gelangen und einige Zeit unter Sauerstoff- einfluss zur Reifung der Larven benötigen. Spontanabgänge von adulten Würmern in den Fäzes wie auch in Erbrochenem sind nicht selten. Auch können Adulte den Darm verlassen und in die Leber eindringen. Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von larvenhaltigen Eiern, die sich nur im Freien unter Sauerstoffzufuhr temperaturabhängig in 8–50 Tagen entwickeln und in denen es schon zu einer Häutung – zur L2 – kommt, mit kontaminierter Nahrung (z. B. Salat). Im Darm werden die Larven frei, wandern auf dem Blutweg in die Leber, wo die 2. Häutung erfolgt. Über das Herz gelangen die Larven 3 in die Lunge, werden aber auch in andere Organe verdriftet. Nach einem Aufenthalt von ca. 14 Tagen in der Lunge wandert die Larve 3 über die Trachea und den Ösophagus in den Darm ein, wo nach 2 weiteren Häutungen in etwa 45–60 Tagen die Geschlechtsreife erreicht wird.
Die Eiausscheidung beschränkt sich bei jedem Weibchen auf maximal 1 Jahr, ist aber durch extreme Fertilität geprägt, da immerhin bis zu 60 Millionen Eier in dieser Zeit produziert werden. A. suum des Schweins wird beim Menschen nicht geschlechtsreif. 4. Symptome der Erkrankung (Askariasis): Dieser Wurm ist nach Angaben der WHO neben Enterobius vermicularis der verbreitetste Parasit des Menschen. Immerhin sollen 1,5 Milli- arden Menschen Wurmträger sein (etwa 12 000 Todesfälle pro Jahr): In manchen Ländern (Philippinen, Indonesien) sind bis 90% der Bevölkerung zumindest zeitweilig befallen!
Folgende Symptome treten während des Befalls auf: a) Lungenpassage: Eosinophiles Lungeninfiltrat (evtl. auch röntgenologisch darstellbar); Fieber; evtl. Pneumonie. b) Darmphase: Leibschmerzen, Erbrechen, Enteritis; selbst bei einem Befall mit relativ wenigen Würmern besteht die Gefahr eines Darmverschlusses (Ileus verminosus). Im Blutbild zeigt sich eine Eosinophilie. Bei Durchbruch der Darmwand kommt es zu einer Peritonitis.
Askariden dringen gelegentlich in die Gallenwege oder in den Pankreasgang ein und können dann Verschlusssymptome auslösen. In Endemiegebieten besteht die Regel, vor operativen Eingriffen am Darm eine Askariasis zu behandeln, da sonst die Gefahr besteht, dass sich Askariden durch Darmnähte in die Bauchhöhle drängen.

View attachment 5997
1a. Adulte Würmer. 1b. Befruchtetes Ei. 2. Eier gelangen durch Kopfdüngung z. B. auf Salat. 3. Ei mit infektiöser Larve. 4. Infektion durch mit Eiern kontaminierte Nahrung.

5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der charakteristischen, dickwandigen, braunen, mit einer runzeligen Oberfläche versehenen Eier in den Fäzes nach Einsatz von Anreiche- rungsmethoden (z. B. Flotation). Befruchtete Eier sind dabei mehr oder minder kugelig (bei einem Durchmesser von 60–70 µm) und enthalten meist nur 2 Zellen. Die unbe- fruchteten Eier sind dagegen länglich ovoid und messen 90 × 50 µm (Abb. 4.34c). Beide Eitypen finden sich im Regelfall nebeneinander in den Fäzes von befallenen Personen.
Sind lediglich unbefruchtete Eier vorhanden, deutet dies auf die ausschließliche Existenz von Weibchen im Darm. Gelegentlich gehen juvenile und alte Würmer in den Fäzes ab, andere können u. a. nachts ausgehustet werden und liegen dann beim Erwachen auf dem Kopfkissen. Manchmal werden auch Würmer bei Röntgenkontrastuntersuchungen des Dünndarms entdeckt. Adulte in Gallenwegen oder im Ductus pancreaticus lassen sich zum

View attachment 5998
Teil sonographisch darstellen. Während der Lungenpassage sind gelegentlich Larven im Sputum zu finden. Als Anzeichen der Larvenwanderung ist dann eine starke Eosinophilie im Blut festzustellen. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme larvenhaltiger Eier auf Salat etc. Da keine Immuni- tät ausgebildet wird, ist eine Neuinfektion zu jeder Zeit möglich (auch über die vom Wirt selbst ausgeschiedenen Eier!). 7. Prophylaxe: Gründliche Säuberung von Gemüse, das roh genossen wird, wenn Verdacht auf Düngung oder Kontakt mit Humanfäzes besteht. Bei Eigenanbau Gemüse nie mit Hu- manfäzes düngen! 8. Inkubationszeit: Die ersten Symptome einer Askariasis (Husten, allergische Reaktionen) treten schon bei der Larvenwanderung während der etwa 7 Tage nach der Infektion erfol- genden Lungenpassage auf. Allerdings bleiben 85% aller Spulwurmträger symptomlos. 9. Präpatenz: 2 Monate 10. Patenz: 9–15 Monate. 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Mebendazol (2 × 100 mg tgl. über 3 Tage) und Albendazol (Einmaldosis von 400 mg; Kinder unter 2 Jahren 15 mg/kg KGW). Andere Anthelminthika wie Piperazin, Levamisol, Pyrantel, Flubendazol oder Fenbendazol sind ebenfalls wirksam.
Bei intestinaler Obstruktion durch massiven Wurmbefall ist meist eine chirurgische Thera- pie erforderlich. Bei Einwanderung in die Gallenwege kann vor einer operativen Behand- lung die endoskopische Extraktion versucht werden.

4.4.3 Trichuris trichiura (Trichuriasis)
1. Name: Griech.: thris, trichos = Haar; ura = Schwanz. Engl. human whipworm; dt. Peit- schenwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit sind etwa 600–800 Millionen Men- schen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Würmer (Abb. 4.35a), die in beiden Geschlechtern etwa 5 cm lang werden, sind durch ein fadenartiges Vorderende gekennzeichnet, mit dessen Hilfe sie sich in der Schleimhaut des Blind- und des Dickdarms verankern. Wie bei Trichinen ist ihr Ösophagus mit Stichosomzellen besetzt. Die typischen Eier, die etwa 50–25 µm Größe erreichen, dunkelbraun erscheinen und durch 2 glasige Polpfropfen cha- rakterisiert sind, gelangen mit den Fäzes ins Freie, wo sich in etwa 3–4 Wochen (bei 25°C) noch in der Eihülle eine Larve ausbildet, die auch jahrelang im Freien überleben kann.
Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von larvenhaltigen Eiern. Im Darm schlüpfen die Larven und werden ohne Wanderung nach mehreren Häutungen in etwa 1–3 Monaten zum geschlechtsreifen Adultstadium 4. Symptome der Erkrankung (Trichuriasis): Schwacher Befall bleibt meist symptomlos, während bei starkem Befall blutig-schleimige Diarrhöen, Anämie, Kolitis und eventuell Rektumprolaps in den Vordergrund treten. Das Blutbild zeigt – v. a. bei stärkerem Befall – eine mäßige Eosinophilie. 5. Diagnose: Die typischen, bipolar mit je einem Polpfropfen versehenen, ca. 50–55 µm × 20–25 µm großen Eier sind meist zahlreich im Stuhl nachzuweisen (Abb. 4.15, 4.35b). Die
View attachment 5999

4.4 Fadenwürmer 155
Adultwürmer können auf prolabierter Rektumschleimhaut oder endoskopisch zu sehen sein; sie finden sich selten auch im Stuhl. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von Gemüse bzw. Salat, die mit Trichuris-Eiern (z. B. nach Kopfdüngung) kontaminiert wurden. Wegen nicht entstehender Immunität kann stets eine neue Infektion erfolgen. 7. Prophylaxe: Gemüse gründlich heiß reinigen oder vor Verzehr kochen. 8. Inkubationszeit: 2–3 Monate. 9. Präpatenz: 3 Monate. 10. Patenz: 15–18 Monate. 11. Therapie: Mittel der Wahl sind Mebendazol (2 × 100 mg tgl.) und Albendazol (1 × 400 mg tgl; Kinder unter 2 Jahren 15 mg/kg KGW) über jeweils 3 Tage.
4.4.4 Ancylostoma- und Necator-Arten (Hookworm disease)
1. Name: Griech.: ankylos = gebogen; stoma = Mund. Lat.: duodenalis = zum Zwölffinger- darm gehörig; necator = Töter; americanus = amerikanisch. Engl. Old and New world hook- worms; Hakenwürmer. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In feuchtwarmen Gebieten zwischen dem 30. südlichen und dem 45. nördlichen Breitengrad. A. duodenale (Nordafrika, nördl. und südl. Asien), N. americanus (Amerika, Zentralafrika, südl. und östl. Asien) sind über 900 Millionen Menschen befallen. 3. Biologie/Morphologie: Die Adulten beider Arten, die etwa 1 cm lang werden, unter- scheiden sich im Wesentlichen eindeutig durch die in Tabelle 4.3 aufgelisteten Merkmale (Abb. 4.36, 4.37), während die Eier diagnostisch keine signifikanten Merkmale bieten (s. Abb. 4.15). Die Männchen sind hier nur unwesentlich kleiner und durch einen gro- ßen Halteapparat, die sog. Bursa copulatrix, charakterisiert. Die adulten Würmer saugen vorwiegend im Bereich des Jejunum Blut, wobei dieses auch zur Sauerstoffaufnahme Verwendung findet, daher unverdaut wieder ausgeschieden wird und so zu makroskopisch sichtbarem Blutstuhl führen kann. Die Weibchen setzen sehr dünnschalige Eier von etwa 60 µm × 40 µm Größe ab (A. duodenale etwa 9000 tgl.; N. americanus etwa 10 000 bis 15 000 tgl.), die sich in frischem Stuhl noch auf Stufe des 2- bis 8-Zell-Stadiums befin- den. Im Freien wachsen aber in den Eiern unter günstigen Bedingungen sehr schnell (binnen 2 Tagen) rhabditiforme Larven heran. Daher sollte bei Verdacht auf Befall mit Hakenwürmern nur frischer Stuhl untersucht werden, da sonst eine Verwechslung mit anderen Nematoden wie Trichostrongylus-Arten oder Ternidens-Arten möglich ist. Nach dem Schlüpfen der Larven entwickeln sich im Freien über 2 Häutungen in 5–7 Tagen die infektionsfähigen Larven 3. Diese sog. filariformen Larven sind etwa 500–650 µm lang und stecken noch in der Larvenhaut der 2. Larve: Sie werden daher auch als gescheidete (engl. sheathed) Larven bezeichnet.
Die Infektion des Menschen erfolgt durch perkutanes Eindringen der freilebenden Larve 3, wobei während der Penetration die 2. Larvenhaut abgestreift wird. Nach einer Herz- Lungen-Schlund-Passage und eventueller Verdriftung in andere Organe erreichen die ein- gedrungenen Hakenwürmer schließlich das Darmlumen (binnen 3–7 Tagen); hier werden sie in etwa 4–6 Wochen geschlechtsreif. Neben diesen beiden Arten tritt beim Menschen, aber auch bei Katzen und Hunden in Taiwan, Südostasien und Surinam noch A. ceylani- cum auf. Diese Wurmart zeigt einen ähnlichen Entwicklungszyklus wie die beiden anderen und besitzt (wie Necator) 2 Schneideplatten als Mundbezahnung. 4. Symptome der Erkrankung (Ancylostomiasis): Etwa 20–25% der Erdbevölkerung sind zumindest zeitweilig Hakenwurmträger. Aber auch in gemäßigten Gebieten war der Wurm lange endemisch, und zwar in Tunneln und Bergwerken, da unter Tage die Temperatur wieder steigt. Die Begriffe „Tunnelkrankheit", „Tunnelwurm", „Miner's disease" zeugen von diesem Befall. Ein Befall mit weniger als etwa 30 Würmern der Art N. americanus, die
156
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
jeweils etwa pro Tag 0,03 ml Blut saugen, bleibt meist unbemerkt. Ein Befall mit 100–500 Würmern führt zu beachtlichen, ein Befall mit mehr als 1000 zu schwersten Schäden.
A. duodenale saugt etwa 10-mal mehr Blut am Tag als N. americanus, daher kann ein Be- fall mit 100 Würmern bereits schwerste Anämien zur Folge haben. Hinzu kommt, dass die Würmer alle 6 h den Ansaugplatz wechseln, sodass es zu ergiebigen Nachblutungen kommt. Die folgenden Symptome können auftreten:

View attachment 6000
1a. Paarungsstellung von A. duodenale. 1b. Paarungsstellung von N. americanus. 2a. Frisch abgelegtes Ei. 2b. Ei im 6-Zell-Stadium. 3. Ei mit Larve 1. 4. Sog. rhabditiforme Larve 1 schlüpft im Freien. 5. Erste Häutung. 6. Filariforme Larve 2. Nach der Häutung verbleibt sie als Larve 3 in der Larvenhaut. Dieses Stadium dringt in die Haut ein.

– Eindringphase: Juckreiz, Papelbildung an der Eintrittsstelle der Haut. – Lungenpassage: Bronchitis, Lymphknotenschwellungen, Halsbeschwerden. – Akute Erkrankung (selten): Bei Massenbefall kommt es zu Hämoglobinsturz, schwar- zen und roten Blutstühlen, Fieber, hoher Eosinophilie. – Chronische Erkrankung (gefährlich, da adulte Würmer bis zu 20 Jahre leben): Magen- Darm-Beschwerden; leichtes Fieber; Obstipation, meist lediglich okkulter Blutstuhl, steigende Anämie mit Folgeerscheinungen, wie z. B. Kachexie, Herz-Kreislauf-Insuffizi- enz, was oft die unmittelbare Todesursache darstellt.
Nahezu 100 000 Personen sterben jährlich infolge eines Hakenwurmbefalls. Allerdings kommt es zu den schweren Anämien nur bei Kindern in Armutsgebieten. Generell wird die Schwere der Symptome noch durch den in Tropen häufigen Mehrfachbefall mit Proto- zoen- und/oder Wurmarten bzw. Bakterien verstärkt.

View attachment 6001
Tabelle 4.3: Merkmale von Ancylostoma duodenale und Necator americanus im Vergleich Merkmale Ancylostoma duodenale Necator americanus Mundöffnung 4 sichtbare Zähne (= 2 Platten mit je 2 Spitzen) 2 Schneideplatten
Hinterende des Weibchens mit ausgezogener Spitze ohne vorragendes Endstiftchen
Lage der weiblichen Geschlechtsöffnung
hinter der Körpermitte vor der Körpermitte
2 Spicula beim Männchen verschmelzen niemals an der Spitze oft vereinigt, mit Widerhaken

5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der Eier in den Fäzes mithilfe der Flotationstech- nik oder auch im Frischpräparat, da die Eier sehr zahlreich sind. Die frisch abgesetzten Eier der Hakenwürmer unterscheiden sich von denen der ebenfalls darmständigen Arten Trichostrongylus sp. bzw. Ternidens deminutus durch die nur sehr geringe Anzahl von 2–8 Embryonalzellen im Innern gegenüber von 32, 64 oder sogar noch mehr bei Vertretern anderer Gattungen. 6. Infektionsweg: Perkutan durch Eindringen der Larven 3, die für Wochen im Freien le- bensfähig bleiben, in die Haut des Menschen. Wegen der fehlenden Immunität ist eine wiederholte Infektion möglich. 7. Prophylaxe: Tragen von festem Schuhwerk in Endemiegebieten, Meiden von Kontakt mit Humanfäzes. Achtung: Im Labor können Larven ebenfalls aus Eiern schlüpfen und zu Laborinfektionen führen. Es muss daher auf die sofortige Reinigung bzw. Entsorgung von Kotgefäßen geachtet werden. 8. Inkubationszeit: Wenige Stunden nach dem Eindringen zeigt sich eine Dermatitis, etwa 2 Wochen nach der Infektion beginnt die Darmsymptomatik. 9. Präpatenz: 5–6 Wochen. 10. Patenz: Bis 20 Jahre. 11. Therapie: Mebendazol (2 × 100 mg über 3 Tage) oder Albendazol (Einmaldosis von 400 mg, bei Kindern unter 2 Jahren 15 mg/kg KGW) sind Mittel der Wahl. Auch andere Anthelminthika wie Ivermectin, Levamisol, Pyrantel oder Bephenium sind wirksam. Bei Anämie sind zudem Eisensubstitution und in extrem ausgeprägten Fällen Bluttransfusio- nen erforderlich.
4.4.5 Strongyloides stercoralis (Strongylidiasis)
1. Name: Griech.: strongylus = gerundet, oides = ähnlich. Lat.: sterx = Hinterende; stercus = Kot; stercoralis = im Kot befindlich. Engl. dwarf roundworm; dt. Zwergfadenwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In feuchtwarmen Gebieten der Subtropen, Tropen, aber auch fokal in Südeuropa finden sich Tausende von Fällen beim Menschen.
Der Wurm ist einschleppbar in gemäßigte Zonen, u. a. in Bergwerke, häufig auch in Zoos in Deutschland anzutreffen, da Affen stark infiziert sind! 3. Biologie/Morphologie: S. stercoralis bildet 2 verschiedene Generationen in seinem Le- benszyklus aus (Abb. 4.38): Eine freilebende, getrenntgeschlechtliche Generation und eine parasitisch lebende Generation von sich parthenogenetisch (ohne Befruchtung!) reproduzierenden Weibchen. Letztere sind in der Mukosa des oberen Dünndarms anzu- treffen und messen etwa 2,0–2,5 mm × 50 µm; ihr Vorderende ist stumpf, ihr Hinterende läuft spitz zu. Diese Weibchen setzen ohne Befruchtung Eier ab, aus denen noch im Darm sog. rhabditiforme Larven von etwa 350 µm Länge und 20 µm Dicke schlüpfen. Diese

View attachment 6002
Abb. 4.38 Lebenszyklus von Strongyloides stercoralis.
A. Infektion; B. Entwicklung im Freien; C. Entwicklung im Darm. 1a. Parthenogenetisches Weibchen im Darm. 1b. Larve 1 (rhabiditiform) in frischen Fäzes. 1c. Filariforme, infektiöse Larve. 2a. Larve 1 (rhabditiform) in frischem Stuhl. 2b. Männchen und Weibchen. 3., 4. Eier der zweigeschlechtlichen Generation. 5., 6. Rhabditiforme (5) und infektiöse filariforme Larve.

häuten sich dann relativ schnell zu ebenfalls rhabditiformen Larven 2, die in den Fäzes nachzuweisen sind und die je nach Chromosomensatz eine unterschiedliche Entwick- lungsrichtung einschlagen. Sie können zu Männchen oder Weibchen der freilebenden Generation werden oder sich direkt (über eine Häutung) zur invasionsfähigen (sog. filari- formen) Larve differenzieren, die etwa 500–700 µm Länge erreichen. Da dies in wenigen Stunden (oft in weniger als 24 h) geschehen kann, besteht die Möglichkeit, dass dies bereits im Darm oder außerhalb in Nähe des Anus geschieht und es so zu einer Autoinva- sion (Selbstinfektion) kommt.
Abb. 4.38 Lebenszyklus von Strongyloides stercoralis.
A. Infektion; B. Entwicklung im Freien; C. Entwicklung im Darm. 1a. Parthenogenetisches Weibchen im Darm. 1b. Larve 1 (rhabiditiform) in frischen Fäzes. 1c. Filariforme, infektiöse Larve. 2a. Larve 1 (rhabditiform) in frischem Stuhl. 2b. Männchen und Weibchen. 3., 4. Eier der zweigeschlechtlichen Generation. 5., 6. Rhabditiforme (5) und infektiöse filariforme Larve.
160
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
Die Erstinfektion eines Menschen erfolgt durch aktives Eindringen in die Haut (etwa beim Barfußlaufen!) von filariformen Larven, die etwa 600 µm lang sind und aus der frei- lebenden Generation hervorgegangen sind, oder durch Larven, die aus dem Kot infizierter Personen stammen. Daher Achtung beim Umgang mit Kotproben! Nach der Penetration wandern diese filariformen Larven über das Herz in die Lunge und gelangen schließlich als präadulte Weibchen in den Darm. Während der Wanderphase sind die Larven in verschie- denen Organen nachweisbar. Etwa 14–21 Tage nach der Erstinfektion sind die ersten, von parthenogenetischen Weibchen abgesetzten Larven im Stuhl nachweisbar. Durch ständige Selbstinfektion, was offenbar besonders verstärkt bei Personen mit gestörtem Immunsys- tem oder nach immunsuppressiver Therapie auftritt, kann es zu starkem Massenbefall kommen. Hier handelt es sich offenbar um einen extrem opportunistischen Erreger. 4. Symptome der Erkrankung (Strongyloidiasis): Während der Larvenwanderung durch die Lunge kann es zu Bronchitis und Bronchopneumonie kommen. Wandernde Larven, die in die Hautbereiche gelangen, induzieren das Erscheinungsbild einer sog. „creeping eruption".
Bei Eintritt von S. stercoralis in den Darmbereich (nach vollzogener Herz-Lungen-Schlund- Passage) erscheinen abdominale Symptome, die je nach Befallsstärke sehr verschieden sein können; vielfach finden sich anhaltenden Diarrhöen (z. T. blutig-schleimig), die mit Phasen der Obstipation wechseln, abdominale Schmerzen, allgemeine Mattigkeit sowie Gewichtsverluste. Das Blutbild zeigt gleichzeitig eine starke Eosinophilie, eine Leukozytose und Anämie. Bei Massenbefall (oft infolge von gleichzeitiger Behandlung mit Immunsup- pressiva und bei AIDS-Patienten) sind Todesfälle nicht selten. 5. Diagnose: Diese wird gesichert durch den Nachweis der beweglichen Larven im Stuhl oder im Duodenalsaft. Die Anzahl der Larven im Stuhl ist oft gering, sodass Anreicherungsver- fahren empfehlenswert sind, insbesondere die Baermann-Methode, die Röhrchenkultur nach Harada-Mori oder eine Agarplattenkultivierung. Gelegentliche sind Adulte und Larven in Biopsien aus dem Duodenum nachweisbar. Bei einem Hyperinfektionssyndrom sind Larven öfter auch im Sputum zu finden, selten auch im Liquor. Es ist zu beachten, dass die Larven infektiös sind. Immundiagnostische Methoden (ELISA, Western Blot) ha- ben eine gute Sensitivität, aber eine eingeschränkte Spezifität (Kreuzreaktionen vor allem mit Filariosen und Hakenwurminfektionen). Eine weitere Art (S. fülleborni) findet sich bei Affen und Menschen. 6. Infektionsweg: Perkutan durch Eindringen von Larven 3 (filariforme Stadien) in Ende- miegebieten. Zu Hause können wiederholte Eigeninfektionen durch Larven erfolgen, die gleich im Darm zu parthenogenetischen Weibchen heranreifen und sich in der Mukosa verankern. 7. Prophylaxe: Anziehen von festem Schuhwerk in Endemiegebieten, Meiden von Kontakt mit Humanfäzes. Achtung: Im Labor strikte Verwendung von Handschuhen. Im Kranken- haus ist besondere Sorgfalt im Umgang mit Stuhl bei AIDS-Patienten geboten. 8. Inkubationszeit: 12–18 Stunden bei Hautreaktionen, 1 Woche bei Lungenreaktionen, 2 Wo- chen bei Darmsymptomatik. 9. Präpatenz: 14–21 Tage nach perkutanem Eindringen. 10. Patenz: Bis 40 Jahre nach wiederholten Autoinfektionen (bei Kriegsteilnehmern nachge- wiesen). 11. Therapie: Mittel der Wahl ist Albendazol (400 mg tgl. über 3 Tage). Tiabendazol (2 × 25 mg/ kg KGW tgl. über 3 Tage) ist ebenso wirksam, führt jedoch oft zu unangenehmen Nebenwir- kungen. Alternativ kann auch Mebendazol (2 × 200 mg tgl. über 7 Tage) gegeben werden.
Wegen der Häufigkeit der Autoinfektionen sollte die Therapie nach ca. 3 Wochen wiederholt werden. Mehrfache Kontrolluntersuchungen (Stuhl, Blutbild) über einen längeren Zeitraum sind empfehlenswert. Bei Hyperinfektionssyndrom wird Albendazol (2 × 400 mg tgl.; unter 60 kg KGW: 15 mg/kg KGW tgl. in 2 Tagesdosen) über 5–7 Tage gegeben. Alternativen sind Tiabendazol und Mebendazol. Ivermectin scheint ebenfalls wirksam zu sein. Bei The- rapieresistenz kann Albendazol (Dosierung s. o.) oder Mebendazol (60–60 mg/kg KGW tgl. in 3 Tagesdosen) über einen Zeitraum von 4 Wochen versucht werden.
4.4 Fadenwürmer 161
4.4.6 Capillaria-Arten (Capillariasis)
4.4.6.1 Capillaria hepatica
1. Name: Lat.: capillaris = zum Haar gehörig, haarförmig; hepaticus = zur Leber gehörig; der Name nimmt Bezug auf die haarförmige Gestalt des Wurms. Engl. capillary worm; dt.
Haarwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit. Vermutlich sind Hunderttausende von Menschen befallen, aber meist unentdeckt. 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Würmer (Fadenwürmer, Nematoden) leben im Leber- parenchym (Kapselnähe) von Nagern (aber auch beim Menschen) und werden als Weib- chen etwa 10 cm × 0,2 mm, als Männchen etwa 2–3 cm × 400 µm groß. Das Weibchen setzt dort die etwa 45–60 µm × 30-35 µm großen Eier ab, die erst ins Freie gelangen, wenn ein Fleischfresser die Leber des Endwirts verzehrt hat. Allerdings passieren hierbei die Eier lediglich den Darm des Fleischfressers, und erst im Freien entwickelt sich in ihnen eine infektionsfähige Larve. Daher besteht für den Menschen keine Gefahr beim Verzehr einer ungenügend gekochten, eihaltigen Tierleber (u. a. Schwein!).
Die Infektion des Menschen und der spezifischen Endwirte erfolgt somit durch orale Aufnahme von larvenhaltigen Eiern mit kontaminiertem Gemüse. Im Darm schlüpfen die Larven und dringen in die Leber vor, wo die Geschlechtsreife erlangt wird und es zum Ablegen und zur Anhäufung der Eier kommt. Da diese Eier nicht mehr ins Freie gelan- gen (weil der Mensch nicht von Fleischfressern verzehrt wird), ist der Mensch für diesen Wurm ein Fehlwirt. 4. Symptome der Erkrankung: Unspezifische Symptome, die sich vorwiegend auf mechani- sche Zerstörungen seitens der Adulten zurückführen lassen. Ein Capillaria hepatica-Befall des Menschen wurde daher meist zufällig erst bei Obduktionen nachgewiesen. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis von Adulten und Eiern, die denen von Trichuris ähneln in histologischen Gewebeschnitten. In vivo bleiben lediglich klinische Symptome und die relativ unspezifischen serologischen Hinweise auf einen Nematodenbefall. 6. Infektionsweg: Oral durch Aufnahme von larvenhaltigen Eiern auf Salat bzw. Gemüse. 7. Prophylaxe: Salat gut waschen, Gemüse kochen. 8. Inkubationszeit: Unbekannt. 9. Präpatenz: Eier werden nicht frei. 10. Patenz: 1–2 Jahre. 11. Therapie: Unbekannt; versuchsweise Gabe von Nematodenmitteln wie Albendazol über mehrere Wochen oder Ivermectin oral.
4.4.6.2 Capillaria philippinensis
1. Name: Griech.: capillaris = haarförmig; der Artname wurde nach dem Land der Erstbe- schreibung gegeben. Engl. hair worm; dt. Philippinischer Haarwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Auf den Philippinen, pazifischen Inseln sind einige Hunderttausend Menschen infiziert. 3. Biologie/Morphologie: Dieser Wurm, dessen Weibchen etwa 2–5 mm und dessen Männ- chen etwa 2 mm lang werden (Durchmesser etwa 50 µm), lebt angeheftet an der Wand des Dünndarms. Seine Eier gleichen denen von Trichuris trichiura, sind jedoch mit 45 × 20 µm geringfügig kleiner. Ihre Schale ist allerdings relativ dick, wirkt gestreift und besitzt nur geringfügig hervortretende Polpfropfen. Sie werden unembryoniert vom Weibchen abge- setzt; in etwa 10–14 Tagen entwickelt sich in ihnen eine Larve. Die weitere Entwicklung ist noch nicht ganz geklärt. Gelangt aber ein derartiges Ei ins Wasser und wird es von Fischen oral aufgenommen, so erreicht die im Darm schlüpfende und in die Muskulatur vordrin- gende Larve nach etwa 3 Wochen die Infektionsfähigkeit für den Menschen. Inwieweit die
162
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
direkte Aufnahme von älteren, larvenhaltigen Eiern auch zu patenten Infektionen führt, bedarf noch der Klärung. 4. Symptome der Erkrankung (Capillariasis): Die Schwere der Symptome ist abhängig von der gesamten Wurmlast. Verminderte Darmfunktion ist häufig ein anfängliches Symptom.
Große Wurmmengen ziehen extrem starke, wässrige Diarrhöen (bis 8-mal pro Tag) nach sich, die ihrerseits wieder ein ganzes Spektrum von Symptomen auslösen. Schwere Infekti- onen können daher ohne Behandlung tödlich enden. 5. Diagnose: Mikroskopischer Nachweis der typischen Eier in den Fäzes mithilfe der Anrei- cherungsmethoden. Bei wässrigem Stuhl können auch adulte Würmer angetroffen werden. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von rohem, larvenhaltigen (L3) Fischgewebe. 7. Prophylaxe: Braten bzw. Kochen von Fischen vor dem Verzehr. 8. Inkubationszeit: Unbekannt. 9. Präpatenz: Unbekannt. 10. Patenz: Unbekannt. 11. Therapie: Albendazol (1–2 × 400 mg tgl.) oder Mebendazol (2 × 200 g tgl.) werden 3 Wochen lang gegeben; gelegentlich ist eine mehrmonatige Behandlung zur Ausheilung erforderlich (Rezidive).
4.4.7 Trichinella spiralis (Trichinellosis)
1. Name: Griech.: trichos = Härchen; speira = Spirale. Lat.: spiralis = eingerollt. Engl. trichinal worm; dt. Trichine. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit sind mindestens 40 Millionen Menschen befallen. Beim Menschen treten neben T. spiralis 7 weitere Arten auf, die jeweils auf bestimmte Erdzonen beschränkt sind (außer T. britovi). 3. Biologie/Morphologie: Die adulten Trichinen sind relativ klein (Weibchen 3–4 mm × 60 µm; Männchen 1–1,6 mm × 50 µm) und leben für maximal 4–6 Wochen im Darm von Fleischfressern bzw. Allesfressern (u. a. Mensch, Schwein, Bär, neuerdings aber auch in Pferden) (Abb. 4.39–4.41). Die Weibchen dieser Fadenwürmer produzieren etwa 2000 Lar- ven von 90–120 µm Länge. Diese dringen nach etwa 1–2 Tagen in den Blutstrom ein und gelangen so in die Muskulatur (aber auch in andere Organe!). Die Larven bohren sich aktiv in die Muskelfasern ein und liegen im Zellinneren aus Platzgründen aufgeringelt, sodass auf Schnittpräparaten ein Mehrfachbefall der einzelnen Muskelzelle vorgetäuscht wird. Durch den Befall wird die Wirtszelle entdifferenziert, ihre Kerne hypertrophieren. In den Wirtszel- len bleiben die Wurmlarven, sog. Muskeltrichinen, für Jahre (bis zu 20!) lebensfähig, sofern keine Verkalkung einsetzt (frühestens nach ½ Jahr). Die Infektion des Menschen erfolgt durch orale Aufnahme von Muskeltrichinen mit unzureichend gekochtem Fleisch, wobei häufig Schweinefleisch, Robbenfleisch sowie Bärenschinken als Infektionsquelle festgestellt wurden. Im Darm werden die Larven frei und wachsen in 5–7 Tagen zu geschlechtsreifen Adulten heran. Die Weibchen verankern sich an der Darmschleimhaut (ihr Vorderende liegt intrazellulär!) und setzen nach erfolgter Kopulation für 4–6 Wochen lebende Larven ab. 4. Symptome der Erkrankung (Trichinose, Trichiniasis): Nach einer Inkubationszeit von meist 5–7 Tagen kommt es je nach Anzahl der aufgenommenen Muskeltrichinen zu un- terschiedlichen Krankheitssymptomen. Während ein geringer Befall eventuell symptomlos verläuft, kann starker Befall auch Todesfolge haben. Starker Befall äußert sich zunächst in Leibschmerzen, Übelkeit und Durchfällen. Bei beginnender Penetration der Larven in die Muskelfasern treten etwa vom 6.–11. Tag an folgende Symptome auf: – Gesichtsödeme (oft in Verbindung mit Konjunktivitis); – Fieber für wenige Tage bis hin zu Wochen; – Muskelschmerzen, bei Befall der Atemmuskulatur können Atembeschwerden wie auch Pneumonie auftreten; – Bluteosinophilie (bis zu 90%).

View attachment 6003
1. Weibchen. 2. Männchen. 3. Larve 1 im Darm. 4. Larve = sog. Muskeltrichine im Darm des gleichen Wirts.
AC = Kapselanlage; AN = Anus; CL = Kloake; CO = Kopulationsanhänge; DE = Eier in der Entwick- lung; DI = verändertes Zellplasma; EM = muskulärer Teil des Ösophagus; ES = stichosomaler Teil des Ösophagus; HN = Wirtszelle; HY = hypertrophierte Muskelzelle; IN = Darm; LA = Larvalstadium; M = Mund; MF = Muskelfaser; MT = Muskeltrichine (= Larve 3); NR = Neuralring; OV = Ovar mit Eiern; TE = Testis, Hoden; UT = Uterus; VU = Vulva.

View attachment 6004
4.4 Fadenwürmer 165
Schwer erkrankte Personen genesen relativ langsam (nach Monaten). Sofern der Tod ein- tritt, erfolgt dies durch eine akute Pneumonie oder Kreislaufversagen, nur selten durch Enzephalitis oder durch Embolien. 5. Diagnose: Die Verdachtsdiagnose ergibt sich in der Regel aufgrund der klinischen Sym- ptome, einer meist ausgeprägten Eosinophilie und einem z. T. erheblichen Anstieg der Kreatinkinase im Serum. Die Larven lassen sich am ehesten in Muskelbiopsien finden (am besten mit der Trypsinverdauung oder auch im Quetschpräparat). Während der Invasions- phase gelingt manchmal auch der Nachweis im Blut, z. B. mit der Membranfiltration oder der Anreicherung nach Knott (siehe Wuchereria bancrofti, Abschn. 4.4.16) und bei ZNS- Beteiligung selten auch im Liquor. Ganz zu Beginn der Erkrankung werden gelegentlich auch Adulte und Larven im Stuhl gefunden. Antikörper können mit verschiedenen Ver- fahren (ELISA, IFT u. a.) meist frühzeitig nachgewiesen werden; in einigen Fällen jedoch erst ab der 2. oder 3. Krankheitswoche. Kreuzreaktionen mit Schistosomen, Filarien oder anderen Helminthen sind möglich. Serologisch lässt sich aber nicht jede Trichinella-Infek- tion erfassen. Als empfindlichste Methoden haben sich die indirekte Immunfluoreszenz (IIFT), der indirekte Hämagglutinationstest (IHA) sowie der ELISA (mithilfe zirkulieren- der Antigene) erwiesen, auch sind PCR-Systeme etabliert. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von larvenhaltigem Fleisch. Wegen lediglich geringer Immunität sind wiederholte Infektionen möglich! Im Allgemeinen handelt es sich hierbei um infiziertes Schweinefleisch (meist von Wildschweinen) oder um Fleisch von Bären.
In den letzten Jahren gingen aber in Frankreich mehrfach zahlreiche Humaninfektionen eindeutig von Pferdefleisch aus. Offenbar hatten die Pferde Käfer gefressen, die zuvor als Aasfresser Trichinenlarven aufgenommen hatten. 7. Prophylaxe: Insbesondere in Ländern, in denen es keine offizielle Schweinefleischbeschau gibt, sollte jegliches Fleisch nur durchgebraten, gekocht oder nach Tiefkühllagerung (20 Tage bei –18°C) verzehrt werden. Wildschweine oder andere fleischfressenden Wildtiere (Bär) müssen vor Verzehr unbedingt der Fleischbeschau unterzogen werden. 8. Inkubationszeit: 1–28 Tage, abhängig von der Menge der aufgenommenen Larven und dem jeweiligen Virulenzgrad des Trichinenstamms (bzw. der Trichinenart). 9. Präpatenz: Ab dem 5. Tag p. i. setzen die dann bereits geschlechtsreifen Weibchen Larven ab, die im Blut nachgewiesen werden können und bereits ab dem 6. Tag auch in Muskelfa- sern eingeschlossen vorgefunden werden. 10. Patenz: 20 Jahre, Antikörper halten bis 30 Jahre vor. 11. Therapie: Die Behandlung im akuten Stadium sollte möglichst frühzeitig beginnen und erfolgt mit Albendazol (2 × 400 mg tgl., Kinder 15 mg/kg KGW tgl.) über 14 Tage. Meben- dazol (3 × 20 mg/kg KGW tgl.) und Tiabendazol (2 × 25 mg/kg KGW tgl.) sind ebenfalls wirksam. Bei schweren Erkrankungen sind zudem Kortikosteroide in hoher Anfangsdosie- rung empfehlenswert.
4.4.8 Angiostrongylus cantonensis (Angiostrongyliasis)
1. Name: Griech.: angeion = Gefäß; strongylus = rund, gerundet. Lat.: cantonensis = von Kanton (heute: Guangzhou) stammend (eine Stadt und Provinz in der VR China). Engl.
Pulmonary artery worm; dt. Asiatischer Lungenfadenwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Ostasien, pazifischer Raum zwischen 23° N und 23° S (inklusive Hawaii), fokal in China; in Japan: besonders in Okinawa. Auftreten vor allem bei Kindern, die mit den Überträgerschnecken spielen. Man geht von Hundert- tausenden Infizierten aus. 3. Biologie/Morphologie: Dieser Fadenwurm (Männchen 16–19 mm, Weibchen 21–25 mm lang) wurde als Parasit im Herz bzw. in den Pulmonararterien von Ratten entdeckt, allerdings in den letzten Jahren auch immer häufiger beim Menschen angetroffen. Bei Ratten schlüpfen in der Lunge die Larven aus den vom Weibchen unembryoniert abge-

View attachment 6005
setzten Eiern. Die sog. Larven 1 wandern über die Trachea in den Mund und gelangen via Speichel oder Fäzes ins Freie (Abb. 4.42). Dort benötigen sie zur Weiterentwicklung einen Zwischenwirt, der sie oral aufnimmt. Bei Untersuchungen konnten eine Reihe von Land- bzw. Süßwasserschnecken (u. a. Gatt. Biomphalaria, Archachatina) sowie Land- bzw.
Süßwasserkrabben als geeignete Zwischenwirte nachgewiesen werden. In ihnen vollzieht sich über 2 Häutungen die Entwicklung zur infektionsfähigen Larve 3. Die Infektion des Menschen erfolgt (ebenso wie die der spezifischen Wirte = Ratten) durch den Genuss ungekochter Zwischenwirte, die in ostasiatischen Ländern als Spezialitäten roh gereicht werden (Abb. 4.43). Die L3 wird im Darm frei und wandert ins Gehirn. Nach etwa 4 Wochen wird dies wieder verlassen, und es werden die Pulmonararterien aufgesucht, wo der Wurm im Fall der Ratte die Geschlechtsreife erlangt. Dies unterbleibt allerdings beim Menschen, sodass ein Befall mit A. cantonensis nicht direkt durch Larven im Kot bzw. Spu- tum nachgewiesen werden kann. Die wandernden Larven (L3 z. B. im Auge, Gehirn) oder die in verschiedene Gewebe verirrten Präadulten führen jedoch zu schweren Schäden an den befallenen Organen. 4. Symptome der Erkrankung: In nahezu allen klinisch geklärten Fällen führte der Be- fall mit A. cantonensis zu einer eosinophilen Meningoenzephalitis, die mit zerebralen Ausfallserscheinungen (z. B. Fazialislähmung; Parästhesien an den Extremitäten und am Rumpf mit brennenden Schmerzen) nach einer Inkubationszeit von etwa 2–3 Wochen be-

View attachment 6006
A. Endwirt (final host).
B. Zwischenwirt (intermediate host).
C. Paratenische Wirte (= Larventräger).
D. Fehlwirt Mensch.
Der Endwirt (Ratte) und die paratenischen Wirte sowie der Mensch werden durch Aufnahme von infizierten Schnecken bzw. deren Schleim (mit enthaltener Larve 3) infiziert.

gann. Bei Durchwanderung des Auges kann es auch zu völligem Verlust des Sehvermögens kommen. In vielen Fällen (bis 40%) bleiben die Krankheitssymptome relativ geringgradig.
Ein großer Anteil von Patienten überwindet die Erkrankung auch ohne medikamentöse Wurmabtötung. In jedem Fall jedoch verschwinden die Symptome nacheinander. So treten zuerst die Hirnprobleme zurück, dann die Visusstörungen und schließlich die Lähmungen.
Die Schwere der Symptome ist aber stets abhängig von der Quantität der wandernden Angiostrongylus-Larven. 5. Diagnose: Der direkte Nachweis durch Stuhl- bzw. Sputumuntersuchung gelingt nicht, da keine Eier oder Larven (wegen nicht eintretender Geschlechtsreife der Würmer im Men- schen) abgesetzt werden. Das Auffinden im Liquor der etwa 500 µm langen L3, die mit rohem Schnecken- bzw. Krabbenfleisch aufgenommen werden, ist ein seltenes Ereignis, da diese dort nur etwa 4 Wochen verweilen. So bleibt als indirekter Nachweis das Auftreten von zahlreichen eosinophilen Granulozyten (10–90% Eosinophile) in gefärbten Spinalflüs- sigkeitsausstrichen. Als serologischer Nachweis hat sich der von Ko et al. (1984) etablierte ELISA bewährt. Die Computertomographie erfasst Hirnläsionen. 6. Infektionsweg: Orale Aufnahme von L3-Larven in rohen oder ungenügend gegarten Mus- keln echter Zwischenwirte (z. B. Schnecken, Krabben – in vielen Gebieten sind 10% dieser Tiere infiziert), aber auch im Fleisch von Transportwirten, wie z. B. Rindern und Schwei- nen, die sich ihrerseits durch Fressen von Zwischenwirten infiziert haben. 7. Prophylaxe: Ausschließlicher Verzehr von ausreichend gegarter Nahrung. 8. Inkubationszeit: 2–3 Wochen.
Abb. 4.43 Schematische Darstellung des Lebenszyklus von A. cantonensis A. Endwirt (final host).
B. Zwischenwirt (intermediate host).
C. Paratenische Wirte (= Larventräger).
D. Fehlwirt Mensch.
Der Endwirt (Ratte) und die paratenischen Wirte sowie der Mensch werden durch Aufnahme von infizierten Schnecken bzw. deren Schleim (mit enthaltener Larve 3) infiziert.
168
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
9. Präpatenz: Larven 3 finden sich bereits kurz (2–3 Tage) nach der Infektion im Gehirn. 10. Patenz: Monate, bis die wandernden Larven absterben. 11. Therapie: Im Auge auftretende Wurmlarven sollten chirurgisch entfernt werden. Me- bendazol und Tiabendazol waren in Dosen von 25 mg/kg KGW, 1–2 × tgl. an 2–3 Tagen erfolgreich. Auch Albendazol (15–20 mg/kg KGW tgl.), Levamisol und Ivermectin haben eine nachgewiesene Wirkung auf die Wanderlarven. Das gleichzeitige Abtöten vieler Wurmlarven kann allerdings große allergische Reaktionen bewirken. Daher sollten stets gleichzeitig mit den Wurmmitteln Antihistaminika (sowie ggf. Kortikosteroide) verab- reicht werden.
4.4.9 Angiostrongylus costaricensis (Angiostrongyliasis)
1. Name: Griech.: angeion = Gefäß; strongylus = gerundet. Es wird Bezug genommen auf den Ort des Aufenthalts im Menschen und auf das Land der Erstbeschreibung (Costa Rica).
Engl. American mesenterial worm; dt. Amerik. Eingeweidewurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In den südl. USA, Mittelamerika, Venezuela, Kolumbien, Brasilien sind in Gebieten mit geringer Hygiene Hunderttausende befallen. 3. Biologie/Morphologie: Hauptwirte von A. costaricensis sind Ratten, wo – wie beim ge- legentlichen Wirt Mensch (vorwiegend Kinder!) – die adulten Würmer (Weibchen 33 mm lang, Männchen 20 mm) in Mesenterialgefäßen (Arterien) des Darms leben; dabei ist eine besondere Anhäufung im Bereich des Ileums und des Zäkums zu beobachten.
Die nach der Kopulation vom Weibchen abgesetzten, etwa 90 µm langen, dünnwandi- gen, unembryonierten Eier gelangen mit dem Blutstrom in die Gefäße der Mukosa und Submukosa, wo die Embryonierung und bei Ratten auch das Schlüpfen der etwa 260 µm großen Larven erfolgt. Diese wandern ins Darmlumen und werden mit den Fäzes der Ratte frei, während beim Menschen meist weder Eier noch Larven ausgeschieden werden, sodass hier eine direkte Diagnose unmöglich ist und die Stadien lediglich bei Biopsien an- getroffen werden. Die von der Ratte abgesetzten Larven werden von Nacktschnecken der Gatt. Vaginulus mit den Rattenfäzes verzehrt und häuten sich in diesen Zwischenwirten in etwa 18 Tagen zur infektionsfähigen Larve 3. Fressen Ratten derartige Schnecken mit den enthaltenen Larven 3, so dringen diese in die Blutgefäße der Darmwand ein und wachsen in etwa 24 Tagen zur Geschlechtsreife heran, bis sie sich schließlich in den Mesenterialar- terien definitiv ansiedeln. 4. Symptome der Erkrankung: Beim Menschen kommt es in den Arterien des Mesenteri- ums und der Darmwand (Ileocoecalbereich) zu Entzündungen, Gefäßthrombosen und Nekrosen, wobei Schmerzen wie bei einem akuten Abdomen auftreten. Die Darmwand wird dabei u. U. so verändert, dass ein partieller oder sogar totaler Darmverschluss (Ileus) entsteht. Bei Biopsien können Eier, Larven wie auch adulte Würmer angetroffen werden.
Im Blutbild liegt meist eine hohe Eosinophilie bei erheblicher Leukozytose vor. 5. Diagnose: Da beim Menschen nur extrem selten Larven (260–290 µm × 14–15 µm) in den Fäzes angetroffen werden (offenbar ist er kein besonders geeigneter Wirt), bleibt der eher zufällige Befund im histologisch untersuchten Operationsmaterial bzw. die Verdachtsdiag- nose aufgrund des klinischen Bildes bzw. nach Untersuchung von Blutbildveränderungen.
Eine befriedigende Serodiagnostik besteht noch nicht. 6. Infektionsweg: Oral beim Kontakt (spielende Kinder) mit den Nacktschnecken. 7. Prophylaxe: Meiden derartiger Schnecken in Endemiegebieten. 8. Inkubationszeit: Etwa 3 Wochen. 9. Präpatenz: Bei Ratten 24 Tage; beim Menschen möglicherweise etwas länger, wenn es überhaupt zur Geschlechtsreife der Würmer kommt. 10. Patenz: 1–2 Jahre. 11. Therapie: Als Mittel der Wahl gilt Tiabendazol (75 mg/kg KGW) für 3 Tage. Meist sind aber zusätzliche chirurgische Eingriffe notwendig.
4.4 Fadenwürmer 169
4.4.10 Anisakis-Arten und Verwandte (Anisakiasis)
1. Name: Griech.: anisos = ungleich; akon = Häkchen. Lat.: simplex = einfach. Engl. z. B. he- ring worm, cod worm; dt. Heringswurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: Weltweit, besonders an europäischen, japa- nischen und kanadischen Küsten sind Hunderttausende (oft unbemerkt) befallen. 3. Biologie/Morphologie: Bei den 3 Arten handelt es sich um Spulwürmer von marinen Säugetieren (Delphine, Wale, Seehunde etc.), die im Menschen nicht die Geschlechtsreife erlangen und umherwandern (wie im Zwischenwirt) (Abb. 4.44, 4.45). Die von den End- wirten abgesetzten Eier entwickeln im Freien die L1 (oft auch die L2). Werden derartige Eier von Kleinkrebsen (1. Zwischenwirt) aufgenommen, entsteht die L2. In Fischen, die solche Krebse verzehren, entwickelt sich die L3 (nach manchen Autoren auch die L4). So- bald die typischen Endwirte diese Fische fressen, reifen in ihnen nach Häutungen die Ge- schlechtstiere heran. Im Menschen allerdings bohren sich die Larven in die Magen- bzw.
Darmwand ein, ohne dass je die Geschlechtsreife erlangt wird. Folgende Arten treten auf: a) Pseudoterranova decipiens (syn. Phocanema sp., Porrocaecum sp., Terranova. sp.): Die adulten Würmer dieser Art haben als Endwirte Robben, in deren Darm sie leben und etwa 20 cm lang werden. Die gelblich bis braun oder sogar rötlich erscheinenden Larven sind in Fischen mindestens 7 mm lang, bewegen sich aber meist in Größen von 20–40 mm. Sie sind durch einen nach vorn ziehenden Darmblindsack eindeutig charakterisiert und treten in zahlreichen Fischarten auf. So fanden Möller und Schröder (1978) derartige Larven beim Kabeljau, Seeskorpion, Aal und Stint, wobei insbesondere beim Kabeljau Befallsraten von bis zu 24% festgestellt wurden (daher auch der Name Kabeljauwurm). Neben dem Auftreten von Larven in der Leibeshöhle fanden sich in 60–100% der Fälle die infektionsfähigen Larven auch in der Muskulatur, weil die Fische nach dem Fang offenbar nicht rechtzeitig tiefgefroren worden waren. b) Anisakis simplex (syn. Anacanthocheilus, Eustoma): Die aufgerollt liegenden, weißlich erscheinenden, etwa bis 30 mm langen Laven werden bei einer starken Bevorzugung des Herings (daher auch der Name Heringswurm) in 26 Arten von Speisefischen und selbst in Cephalopoden (Tintenfischen) angetroffen. Sie sind durch einen langgestreck- ten Vorderdarm ohne jegliche Divertikel charakterisiert, besitzen am Vorderende einen Bohrzahn (Dorn) und am Hinterende eine zarte Spitze. Die Befallsraten lagen bei He- ringen bei 58% (Matjes) bzw. 72% bei Bücklingen, wobei immerhin bis zu 7 Würmer pro kg Fisch erreicht wurden und auch mehr als jeder 2. Wurm aus der Leibeshöhle in die Muskulatur vorgedrungen war, sodass bei Verzehr von rohem Frischfisch eine hohe Infektionsgefahr besteht. Endwirte von A. simplex sind verschiedene Walarten, allerdings scheinen auch Robben adulte Anisakis-Würmer im Darm beherbergen zu können, wo jedoch nur relativ selten die volle Geschlechtsreife erreicht wird. Die Männ- chen werden 16 cm, die Weibchen bis 30 cm lang. c) Contracaecum sp.: Die bräunlich bis rötlichen, 37–65 mm × 1–2 mm großen Larven dieser Art(en?) treten in relativ großer Anzahl in Süß- und Brackwasserfischen auf, wobei in Ägypten ein starker Befall bei Tilapia-Arten festzustellen ist. Der Vorderdarm dieser an beiden Enden zugespitzten Larven weist sowohl ein nach vorn als auch ein nach hinten ziehendes Divertikel auf. Die Larven liegen nur in geringer Anzahl in der Muskulatur und befinden sich vorwiegend in der Leibeshöhle. Als Endwirte stehen eine Reihe von Wasservögeln in Verdacht; für die Art C. spiculigerum, die als weiblicher Wurm bis 6 cm Länge erreicht, wurden u. a. Reiher als Endwirte nachgewiesen, für C. osculatum Seehunde und Robben.
Der Lebenszyklus verläuft bei den Arten aller 3 Gattungen relativ ähnlich. Die Endwirte scheiden mit den Fäzes die von den Weibchen abgesetzten, befruchteten, je nach Art max. 80 × 30 µm großen Eier im Wenigzellstadium ab. Im Freien entwickelt sich in tempera- turabhängiger Zeit eine Larve (L1) im Ei, die sich dort noch einmal häutet. Wird dieses (eine L2 enthaltende) Ei von einem Kleinkrebs (unterschiedlicher Arten) aufgenommen,

View attachment 6007
1. Echte Endwirte. 2.–5. Larvenentwicklung im Ei im freien Wasser. 6. Kleinkrebse als 1. Zwischenwirt: Sie fressen infektiöse Eier. 7., 8. Fische als 2. Zwischenwirte: Ihre Larven wachsen im Darm der Endwirt zu Adulten heran. 9. Mensch als Fehlwirt. Wurm wird nicht geschlechtsreif.

so entsteht nach Häutungen in ihm die Larve 3. Frisst ein Fisch derartige Kleinkrebse, wächst in ihm die Larve 3 in der Leibeshöhle bzw. in der Muskulatur zu stattlicher Größe heran. In Raubfischen können sich die mit Friedfischen aufgenommenen Larven stapeln.
Fressen Endwirte derartige Larven 3 mit ihren Wirten, so entwickeln sich in ihnen die adulten, geschlechtsreifen Würmer. Der Mensch infiziert sich an rohem Fisch; in ihm wird aber – wie in den Stapelwirten – nicht die Geschlechtsreife erreicht. Die Larven dringen nämlich binnen 4–6 Stunden in die Mukosa und Submukosa des Darms (90%) bzw. des Magens (8%) oder des Ösophagus (2%) ein. Sie werden dort seitens des Wirts in sog.
Granulomen eingeschlossen und sterben im Regelfall innerhalb von 2–3 Wochen ab. In seltenen Fällen kann auch der Darm völlig perforiert werden, und die Larven sind dann in den Mesenterien des Darms oder in den darmnahen Organen anzutreffen. 4. Symptome der Erkrankung: Bei Befall des Magens (= gastrische Anisakiasis), was z. B. in Japan überwiegt, setzen im Gegensatz zur intestinalen Anisakiasis die Symptome meist sehr schnell ein. So kommt es oft bereits binnen 1 Stunde nach dem Mahl zu heftigen Bauchschmerzen, Schwindelgefühl, Erbrechen und in 10% der Fälle auch zu heftigen Di- arrhöen. Diese Symptomatik tritt bei intestinaler Ansiedlung der Larven nach 1–5 Tagen auf. Bei Befall des Ösophagus werden die entsprechenden Larven nicht selten ausgehustet und finden sich dann im Sputum. Nach dieser anfänglichen Symptomatik bleiben unspezi- fische abdominale Beschwerden, die abhängig sind von der Menge und Größe (bis 6 cm × 1 mm!) der aufgenommenen Larven, von einer Vorinfektion (= ob allergische Reaktionen auftreten) sowie vom Ort der Ansiedlung. In seltenen Fällen kann es als Folge großer und
Abb. 4.44 Schematische Darstellung des Lebenszyklus von Anisakis-Arten und Verwandten. 1. Echte Endwirte. 2.–5. Larvenentwicklung im Ei im freien Wasser. 6. Kleinkrebse als 1. Zwischenwirt: Sie fressen infektiöse Eier. 7., 8. Fische als 2. Zwischenwirte: Ihre Larven wachsen im Darm der Endwirt zu Adulten heran. 9. Mensch als Fehlwirt. Wurm wird nicht geschlechtsreif.
4.4 Fadenwürmer

View attachment 6008
zahlreicher Granulombildungen zu Darmverschluss, in anderen Fällen zur Darmperfo- ration kommen. Allgemeinsymptome wie Schwächegefühl, Gewichtsverluste und leichte, intermittierende Diarrhöen sind am häufigsten anzutreffen. Diese bleiben zumindest für die Überlebenszeit der Würmer (etwa 14 Tage) bestehen, können aber in eine chronische Phase übergehen und über die mehrere Monate dauernde Abbauphase der Larven in den Granulomen anhalten. Zwar sind die Berichte von Erkrankungsfällen relativ selten, aber wegen der unspezifischen Symptome ist mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen.
Anisakis-Infektionen überwiegen deutlich beim Menschen, während P. decipiens und Con- tracaecum spp. nur relativ selten auftreten. 5. Diagnose: Da keine Eier gebildet werden, bleiben als einzige Nachweisverfahren die Gast- roskopie sowie die Erfassung klinischer Symptome. Die serologischen Verfahren sind noch nicht ausgereift. Granulome können unter Verwendung von Barium-Kontrastbrei röntge- nologisch erfasst werden. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von rohem, larvenhaltigen Salzwasserfisch (z. B. Mat- jes etc.). 7. Prophylaxe: Fische stets nur ausreichend gegart verzehren oder lange bei –20°C tieffrieren. 8. Inkubationszeit: 1 Stunde bis 1 Woche, je nach Art und Menge aufgenommener Würmer. 9. Präpatenz: Larven sind vom Moment der oralen Aufnahme vorhanden, eine Vermehrung erfolgt im Menschen nicht.
Abb. 4.45 Schematische Darstellung des Hinterendes (ganz links) bzw. der Vorderenden (a–c) der dritten Larven von wichtigen Gattungen humanpathogener Anisakiden.
A = Anus; DA = Darm; DB = Darmblindsack; DO = Dorn; NR = Nervenring; OE = Ösophagus; VB = Ventrikulus-Blindsack; VE = Ventrikulus.
172
Kapitel 4 Würmer beim Menschen
10. Patenz: Wochen, bis der Körper die Würmer in Granulomen abgetötet hat. 11. Therapie: In akuten Fällen werden Larven mit großem Erfolg endoskopisch/mechanisch entfernt. Bei bedrohlicher Darmsymptomatik (z. B. Ileus, Perforation) setzen Chirurgen auf die operative Entfernung. In Deutschland ist kein spezifisches Chemotherapeutikum für enzystierte Larven zugelassen. Die in Deutschland zugelassenen Bendazole müssten – bei entsprechender Gabe – Wirkung zeigen. Die Avermectine (z. B. Ivermectin) sind in einigen Ländern für den Einsatz beim Menschen in der Erprobung bzw. werden für die ebenfalls gewebeständigen Filarien eingesetzt.
4.4.11 Gnathostoma-Arten (Gnathostomiasis)
1. Name: Griech.: gnathos = Kiefer; stoma = Mund. Lat.: spina = Stachel. Engl. spiny bulbus worm; dt. Bestachelter Magenwurm. 2. Geographische Verbreitung/Epidemiologie: In Ostasien, besonders in Thailand (G. binu- cleatum, G. americanum, G. turgidum), aber auch in Mittel- und Nordamerika (G. procyo- nis) sind Hunderttausende befallen. 3. Biologie/Morphologie: Der Nematode G. spinigerum findet sich im Regelfall in Knoten in der Magenwand von Carnivoren wie Hund und Katze. Die Eier gelangen mit den Fäzes ins Freie (Abb. 4.46). Eine Weiterentwicklung kann nur im Wasser erfolgen, da als 1. Zwischen- wirte Kleinkrebse und als 2. Zwischenwirte Süßwasserfische, aber auch Reptilien, Frösche, Krebse, Vögel und Säugetiere dienen. Die Infektion des Menschen wie auch der spezifi- schen Endwirte erfolgt durch die orale Aufnahme von invasionsfähigen Larven (3–4 mm) in ungenügend gekochter Muskulatur dieser beiden Zwischenwirte. Die aufgenommenen Larven, deren Vorderende durch Stacheln bewehrt ist, können sich im Magen des Menschen nicht zur Geschlechtsreife entwickeln. Sie bohren sich vielmehr durch die Magenwand und wandern unter stetiger Größenzunahme (bis zu 1 cm × 1 mm) umher. Vorwiegend werden sie im Bereich der Haut angetroffen, wo sie bis zu 3 cm große, wandernde Schwellungen (creeping eruption) bewirken. Ein Befall des Gehirns führt zu großen Bohrgängen, die schwerwiegende Schäden mit sich bringen. Bei den spezifischen Endwirten dringen die Präadulten nach Häutungen von außen wieder in den Darm ein, wo es in Knotenbildungen zur Paarung und Eiablage kommt. Beim Menschen wurden derartige Fälle allerdings nur selten berichtet, sodass man sicherlich keine Eier im Stuhl erwarten darf. 4. Symptome der Erkrankung: Als Anzeichen eines Hirnbefalls, der häufig erst bei der Ob- duktion als ein Befall mit G. spinigerum diagnostiziert werden kann, tritt eine eosinophile Enzephalomyelitis mit relativ hoher Letalität auf. 5. Diagnose: Meist ist nur eine klinische Verdachtsdiagnose möglich. In der Regel besteht eine ausgeprägte Bluteosinophilie, häufig mit Leukozytose; bei zerebralem Befall meist eine eosi- nophile Pleozytose. Larven können gelegentlich ophthalmoskopisch oder in Biopsaten aus subkutanen Schwellungen und aus anderen Organen nachgewiesen werden (selten in Spu- tum, Urin, Hautgeschwüren oder Liquor). Die Serodiagnostik (ELISA, Western Blot) zeigt eine hohe Sensitivität; Kreuzreaktionen mit anderen Helminthen sind jedoch möglich. 6. Infektionsweg: Oral durch Verzehr von rohem Fisch bzw. Krebsen oder halbrohem Fleisch von Enten, Hühnern etc., die als 2. Zwischenwirte Larve enthalten können. 7. Prophylaxe: Stets nur ausreichend gegartes Fleisch oder längere Zeit bei –18°C tiefgefrore- nes Fleisch verzehren. 8. Inkubationszeit: 3–7 Tage. 9. Präpatenz: Eine Vermehrung bzw. Ausbildung von Eiern erfolgt im Menschen nicht. 10. Patenz: Monate bei Wanderung im Körper. 11. Therapie: Albendazol (2 × 200 mg tgl. über 3 Wochen) zeigt eine gute klinische Wirk- samkeit. Okuläre oder subkutan sichtbare Larven sollten operativ entfernt werden. Bei bedrohlichem Verlauf (zerebrale Invasion) ist die zusätzliche Gabe von Kortikosteroiden empfehlenswert.

View attachment 6009