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C. Der Mensch als Rechtssubjekt: Die physische Person.

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Fragt man, inwiefern der Mensch Rechtsperson ist, d.h. in welcher Beziehung der „„Mensch‘‘ zur Rechtsordnung steht, so kann nichts anderes festgestellt werden, als daß menschliches Verhalten den Inhalt der Rechtsordnung, den Inhalt von Rechtsnormen bildet. Sowohl in dem den Tatbestand bildenden bedingenden Vordersatz, als auch in dem die bedingte Rechtsfolge setzenden Nachsatz tritt menschliches Verhalten, als Handeln oder Unterlassen, Inhalt bestimmend auf. Schon daraus ergibt sich, daß der Begriff des Rechtssubjektes oder der Person nicht auf den Begriff des Berechtigungs-Subjektes beschränkt werden darf, wie dies in der Regel im Anschluß an den nur auf die Berechtigung abgestellten Begriff des subjektiven Rechtes geschieht; sondern daß der Begriff des Rechtssubjektes oder der Person auch, ja vor allem den Begriff des Pflicht-Subjektes enthalten muß.
Soll der Mensch zum Gegenstand juristischer Erkenntnis werden, muß er in das Recht eingehen. Allein nicht der ganze Mensch, nicht der Mensch als solcher, d.h. die spezifische Einheit der Biologie und Psychologie mit allen ihren Funktionen wird von der Rechtsordnung aufgenommen. Sondern nur einzelne menschliche Handlungen — mit negativen Vorzeichen ‚Unterlassungen‘ genannt — sind es, die als Bedingungen oder Folgen in das Rechtsgesetz Eingang finden. Wie jeder Inhalt, so kann auch menschliches Verhalten nur als Inhalt des Rechtssatzes zum Objekt der Rechtswissenschaft werden. Wie fügt sich aber dieVielheit menschlicher Handlungen, .die den Inhalt von Rechtssätzen bilden, zu der vom biologisch-psychologischen Menschen verschiedenen Einheit der Rechtsperson; und wie differenziert sich insbesondere die sogenannte physische von der juristischen Person innerhalb der Einheit der Rechts-Person?
Behauptet man, daß ein bestimmter Mensch A Rechtssubjekt, d.h. Subjekt von Rechtspflichten und Berechtigungen sei, Rechtspflichten und Berechtigungen habe, so bedeutet dies — wie aus dem früher Dargelegten hervorgeht — dab ein bestimmtes Verhalten des A in spezifischer Weise den Inhalt von Rechtssätzen abgibt; daß entweder das kontradiktorische Gegenteil seines — den Inhalt der Rechtspflicht bildenden — Verhaltens oder seine auf die Rechtsfolge gerichtete Willensäußerung die Bedingung für eine im Nachsatz ausgesprochene Zwangsfolge ist. Im ersteren Falle steht das Pflicht-Subjekt, im letzteren das Berechtigungssubjekt in Frage. In beiden Fällen aber sind es Rechtsnormen, die sich der Rechtserkenntnis im Gegenstande ‚„Rechtssubjekt‘ darstellen, Rechtssätze in Beziehung auf bestimmte Inhalte. Und in diesem Sinne kann man sagen, daß die physische Person ein Komplex ven Rechtsnormen ist, und zwar der Inbegriff aller jener Rechtsnormen, die das Verhalten eines Menschen — sei es als Pflicht, sei es ais Berechtigung — zum Inhalt haben. Das Individuationsprinzip, das hier die Einheit vermittelt, ist nur mittelbar ein rechtliches. Die Rechtssphäre aber ist dadurch eingehalten, daß als das Substrat dieser Einheit Rechtsnormen begriffen sind, daß die physische Person als ein Stück des objektiven Rechtes, als eine irgendwie begrenzte Teilrechtsordnung begriffen ist. Denn gegenüber dem Gesamtsystem der Rechtsnormen, der Totalrechtsordnung, stellt die physische Person ein mehr oder weniger willkürlich abgegrenztes Teilsystem, eine keineswegs absolut, sondern nur relativ selbständige Teil-Rechtsordnung dar. Bezeichnet man das Rechtssubjekt als ‚Träger‘ dieser Teilrechtsordnung, als das Subjekt, das die in dieser Teilordnung normierten Berechtigungen und Pflichten ‚hat‘, so ist das nur eine Personifikation dieser Teilrechtsordnung selbst und der Ausdruck dafür, daß diese Pflichten und Berechtigungen in diesem Teilsystem ihren Platz haben. In dem Urteil, das einer physischen Person Rechtspflichten und Berechtigungen zuerkennt, vollzieht sich nun die Beziehung der — hinsichtlich ihrer Stellung im Rechtssatz — als Rechtspflichten oder Berechtigungen qualifizierten Inhalte auf die — relative oder vorläufige — Einheit dieses Systems. Das Rechtssubjekt ist nur der gemeinsame Beziehungspunkt für diese Inhalte, die ihre volle rechtliche Bestimmung erst durch die Beziehung auf die Einheit des Gesamtsystems, erst durch die Einsicht in ihre Stellung innerhalb der Gesamtrechtsordnung erfahren. Wenn aber das Rechtssubjekt nur als Einheitsausdruck, nur als Beziehungspunkt stehen gelassen wird, so geschieht dies um zu verhindern, daß das Urteil: ein’Rechts-Subjekt oder eine Person ‚hat‘ subjektive Rechte, zu der leeren Tautologie werde: es gibt subjektive Rechte. Einen ganz anderen Sinn hat das Urteil: Ein Mensch ‚hat‘ Rechtspflichten und Berechtigungen. Das „haben“ bedeutet hier eine ganz andere Relation. Es heißt: das Verhalten dieses Menschen ist Inhalt der Rechtsnormen. Das Verhalten einer Person ist nie Inhalt der Rechtssätze. Nur das Verhalten von Menschen. Und nur dadurch, daß eines Menschen Verhalten Inhalt von Rechtsnormen wird, können diese Inhalte auf die Einheit eines Systems von Rechtsnormen bezogen werden, kann die Person — als Personifikation dieser Einheit — Rechtspflichten und Berechtigungen ‚haben‘, so wie eben ein System, eine Ordnung, Inhalte hat. Eben darum kann wohl der Mensch, kann aber nicht die Person berechtigt und verpflichtet werden. Denn die Person berechtigen oder verpflichten hieße: Rechte berechtigen, Pflichten verpflichten, kurz: Normen normieren. Die Begriffe Person und Mensch verhalten sich zueinander wie Form und Inhalt.
Von dem Begriff der Person als dem Subjekt von Rechten und Pflichten muß jener Begriff der Persönlichkeit unterschieden werden, mit dem man eine bestimmte Qualifikation des Menschen bezeichnet, jene Tatbestände zu setzen, die sich als Pflichten oder Berechtigungen darstellen. Durch die positive Rechtsordnung wird nicht das-Verhalten aller Menschen unterschiedslos zum Inhalt der Rechtsnormen gemacht. Sowohl verpflichtet als auch berechtigt werden nur Menschen, die ganz bestimmte, nach den verschiedenen Rechtsordnungen verschiedene Bedingungen erfüllen; so ein bestimmtes Alter, der Vollgebrauch der Vernunft, für gewisse Berechtigungen und gewisse Pflichten ein bestimmtes Geschlecht oder Abstammung von bestimmten Menschen usw. Es handelt sich hier um die nähere Bestimmung des als menschliches Verhalten bezeichneten Tatbestandes oder Norminhaltes. Sagt man, daß nur die Menschen Rechtspersönlichkeit besitzen, die diese von der Rechtsordnung vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, weil eben nur ihr Verhalten von der Rechtsordnung zum Inhalt von Rechtspflichten und Berechtigungen gemacht ist, das Verhalten der andern Menschen aber nicht, so wie man etwa sagt, Sklaven haben keine Rechtspersönlichkeit, so ist: damit ein ganz anderer Personenbegriff gemeint als jener, der das ‚‚Haben‘‘ von Rechtspflichten und Berechtigungen ausdrückt. Nur dieser, nicht aber jener — der bloß eine generelle Tatbestandsqualifikation ist — kann mit dem Begriff der ‚juristischen‘ Person unter einen gemeinsamen Oberbegriff subsumiert werden. Auf diesen aber kommt es vor allem an.