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Summary: Human Rights and Majorities

Der Beitrag ist die schriftliche Fassung der 2. Doehring-Vorlesung, die im Oktober 2021 am Max-Planck-Institut gehalten wurde. Der Autor argumentiert, dass Ansprüche säkularer Wahrheit über eine gerichtlich unterstützte Ausweitung der Menschenrechte in die liberale Demokratie zurückkehren. Diese Wahrheitsansprüche waren in der Vergangenheit effektiv ausgeschlossen oder neutralisiert worden. Heutzutage stellen Identitätspolitik und transformativer Konstitutionalismus die Abstinenz in Frage. Die beiden Herausforderungen werden im Zusammenhang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrem Durchsetzungsmechanismus diskutiert. Sie werden mit dem Argument konfrontiert, dass Menschenrechte und politische Mehrheiten nicht unbedingt ein Nullsummenspiel sind. Sie stehen in einem komplexeren Zusammenhang als die gemeinhin angenommene, klassische Eingrenzung einer Mehrheit durch individuelle Rechte von Minderheitsvertretern. Weder politische Gemeinschaften noch der Staat oder eine Mehrheit sind per se abstrakte Gebilde, die eine Bedrohung individueller Rechte darstellen. Dass es historische und aktuelle empirische Belege nicht nur für Bedrohungen, sondern auch für Rechtsverletzungen bis hin zur Vernichtung von Rechten gibt, ist keine Rechtfertigung für ein pessimistisches Modell liberaler Demokratie. Der Autor beschäftigt sich mit der anhaltenden Verschiebung der parlamentarischen Gesetzgebung hin zu einer „Rechtfertigungskultur", die die Tendenz zur Neutralisierung des Mehrheitsprinzips in der repräsentativen Demokratie fördert. Eine weitere belebte

Begründungskultur setzt die parlamentarische Mehrheitsentscheidung indirekt unter Erklärungs- und Kohärenzdruck, der nicht komplementär zu den Motiven und der Rationalität politischer Mehrheiten ist. Denn Mitglieder der demokratischen Mehrheit verfolgen möglicherweise das gleiche Ziel, aber nicht immer aus den gleichen Gründen. Rationale Rechte vor Gericht stehen dann einer unberechenbaren Politik im Parlament gegenüber. Das Papier ist daher eine energische Verteidigung der repräsentativen Demokratie gegen ihre modernen intellektuellen Bedrohungen.

0044-2348-2022-1-19.odt

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