I. Identität und Repräsentation
Die Politik in vielen westlichen Industriestaaten treibt schon länger die Frage um, was die jeweilige Gesellschaft zusammenhält und wie ein als brüchig empfundener Zusammenhalt wieder gefestigt werden kann.[1] In dieser Be- obachtung laufen lang- und kurzfristige Trends zusammen, die die Sozialwissenschaften etwa mit dem Stichwort der Singularisierung beschreiben.[2] Das Mehrheitsprinzip ist dafür ein geeigneter Bezugspunkt, weil es die Legitimität des Mehrheitsentscheids an einen inneren, auf starken Gemeinsamkeiten beruhenden Konsens der Beteiligten bindet. Dieser innere Konsens der Mitglieder einer politischen Gemeinschaft lässt sich nicht more geometrico bestimmen. Er muss sich in der Wirklichkeit zeigen. Schwindet der vorrechtliche Konsens, verlieren parlamentarische Mehrheitsentscheidungen an Akzeptanz.
Eine solche Entwicklung wird durch das Phänomen der Identitätspolitik verstärkt. Identitätspolitik steht für eine gesellschaftspolitische Bewegung, deren Mitglieder sich nach identitätsstiftenden, essenzialistischen Merkmalen wie Geschlecht, sexueller Orientierung oder Hautfarbe definieren und zu bekenntnisgetragenen Gruppen zusammenfinden. Deren Aktivitäten sind auf die Anerkennung ihres Status als identitäre Minderheit und auf den Kampf gegen Diskriminierungen ausgerichtet.[3] Adressat dieser Anerkennungsansprüche ist die Mehrheitsgesellschaft, die als Träger der herrschenden Verhältnisse als privilegiert und aus der Ungleichheitserfahrung heraus als Ursache der empfundenen Diskriminierung gesehen wird.[4] Aus politischer
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[1] Nicole Deitelhoff/Olaf Groh-Samberg/Matthias Middell (Hrsg.), Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Ein interdisziplinärer Dialog, Frankfurt: Campus Verlag 2020; Werner J. Patzelt, Ressourcen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, in: Cathleen Bochmann/Helge Döring (Hrsg.), Gesellschaftlichen Zusammenhalt gestalten, Wiesbaden: Springer Fachmedien 2020, 1126; Christoph Lütge, Was hält eine Gesellschaft zusammen?, Tübingen: Mohr Siebeck, 2007; siehe auch das vom BMBF geförderte, zum 1.6.2020 gegründete Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) mit zehn Standorten in der Bundesrepublik, <https://www.fgz-risc.de/>.
[2] Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2017; Armin Steinbach, Das Amt in einer Gesellschaft der Singularitäten, April 2021, Archives for Philosophy of Law and Social Philosophy, zugänglich unter <https://ssrn.com/abstract =3816087>.
[3] Frank Schorkopf, Staat und Diversität, Paderborn: Brill/Schöningh 2017; Eric Hilgendorf, Identitätspolitik als Herausforderung für die liberale Gesellschaft, JZ 76 (2021), 853-863.
[4] Dieser Kontext wird auch zum Anlass für eine Neubestimmung der Statutsgleichheit als politische Chancengleichheit genommen, Wojciech Sardurski, Majority Rule, Democracy and Populism: Theoretical Consideration, in: Giuliano Amato/Benedetta Barbisan/Cesare Pinelli (Hrsg.), Rule of Law vs Majoritarian Democracy, London: Bloomsbury 2021, 189-198 (192 ff.).
Perspektive streben identitäre Gruppen nach einem „exklusionsfreien Konsens".[1] Die Konsequenzen für das Mehrheitsprinzip werden umgehend deutlich, weil Gesetze ohne entsprechende identitätsaffine Regelungen als Ausdruck der privilegierten Mehrheit gesehen werden. Das Problem vertieft sich dadurch, dass identitäre Gruppen als strukturelle Minderheiten eingeordnet werden können, so dass sich die Forderung nach Sonderrechten im demokratischen Verfahren anschließt. Die politischen Rechte der Bürger müssten nach der Logik der Identitätspolitik um Gruppenrechte erweitert werden.[2] Dabei geht es konkret um gruppenbezogene Repräsentationskonzepte,[3] die die sozio-politische Existenz der Gruppe sichern, um Vetorechte in der parlamentarischen Willensbildung, um Quoten bei der Gremien- und Ämterbesetzung, um Sprachenregelungen und Kulturförderung und um Rechtspluralismus, d. h. die parallele Geltung von Rechtsordnungen auf einem Territorium und ihre partikulare Anwendung auf identitäre Regelungskollektive,[4] aber auch um Verfahrensregeln, wie die Abschaffung etwa von Sperrklauseln im Wahlrecht und der minderheitensensible Zuschnitt von Wahlkreisen,[5] die Beteiligung von Min- derheiten-Plattformen,[6] neue, auf den „Identitätsimpact" bezogene Prüfpflichten bei der Gesetzesfolgenabschätzung sowie die verhältnismäßige Einzelfallprüfung mit Härteklausel als Regelfall des Verwaltungshandelns.[7] Aus der Perspektive einer Mehrheit verschafft sich die im demokratischen Verfahren unterlegene politische Minderheit dadurch ein Instrument, ihren Standpunkt doch noch im Gesetz abzubilden, weil eine solch qualitative, betroffene Minderheit nicht übergangen werden dürfe.[8]
Es ist aus dieser Binnenlogik nur konsequent, dass auch eine Mehrheit unter diesen Rahmenbedingungen Anreize erhält, sich als identitäre Gruppe zu definieren, um - aus
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[1] Chantal Mouffe, Das demokratische Paradox, Wien: Turia + Kant 2015 (engl. Orig. 2000), 59, 78.
[2] Iris Marion Young, Justice and the Politics of Difference, Kap. 6, New Jersey: Princeton University Press 2011 (Orig. 1990), 184 ff.; Claus Offe, „Homogenität" im demokratischen Verfassungsstaat - Sind politische Gruppenrechte eine adäquate Antwort auf Identitätskonflikte?, Peripherie Nr. 64 (1996), 26-45. Diesen Absatz habe ich übernommen aus Schorkopf, Staat und Diversität (Fn. 52), 31 f.
[3] Ausdrücklich für special representation Daniel Thürer, Minorities and Majorities: Managing Diversity, SZIER 5 (2005), 659-665 (661); in diese Richtung auch Arend Lijphart, The Wave of Power-Sharing Democracy, in: Andrew Reynolds (Hrsg.), The Architecture of Democracy, Oxford: Oxford University Press 2002, 39-54, dazu Steven Wheatley, Democracy, Minorities and International Law, Cambridge: Cambridge University Press 2005, 161 ff.
[4] Ralf Seinecke, Das Recht des Rechtspluralismus, Tübingen: Mohr Siebeck 2016; Klaus Günther, Rechtspluralismus und universeller Code, in: Lutz Wingert/Klaus Günther, Festschrift für Habermas, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001, 539-567.
[5] Lena Foljanty, Demokratie und Partizipation, in: Lena Foljanty/Ulrike Lembke, Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl., Baden-Baden: Nomos 2012, 287-309 (298 ff.); zum amerikanischen Vorbild Adam B. Cox/Richard T. Holden, Reconsidering Racial and Partisan Gerrymandering, The University of Chicago Law Review 78 (2011), 553-604.
[6] Siehe die Europäische Bürgerinitiative „Minority Safepack", ECI (2017) 4, vgl. dazu EuG, Rs. T-646/13, Urteil v. 3.2.2017, ECLI:EU:T:2017:59.
[7] Gabriele Britz, Einzelfallgerechtigkeit versus Generalisierung, Tübingen: Mohr Siebeck 2008, 2f.
[8] Dieses Argument findet sich bereits in der klassischen Kritik des Mehrheitsprinzips, vgl. Peter Graf Kielmansegg, Das Recht der Mehrheit und die rechte Mehrheit, in: Michael Salewski/Josef Schröder (Hrsg.), Dienst für die Geschichte. Gedenkschrift für Walther Hubatsch, Göttingen: Muster-Schmidt 1985, 301-322 (317).
Binnensicht - wenigstens „Waffengleichheit" herzustellen. Identitätspolitik ist deshalb auch nicht zwingend Ausweis eines bestimmten politischen Lagers. Längst hat sich gegen eine linke Identitätspolitik, die sich für migrantische, religiöse, sexuelle und andere Minderheiten einsetzt, eine rechte Identitätspolitik positioniert, die für sich reklamiert die schwindende Mehrheit einer autochthonen Bevölkerung zu vertreten und ihre nationale Identität zu verteidigen.[1] Die Debatte geht aber noch in eine andere Richtung weiter, nämlich hin zu dem Vorschlag, mittels einer Theorie der Mehrheit vor allem prekären Mehrheiten ebenfalls Sonderrechte einzuräumen. Dieser Vorschlag beruht auf den Überlegungen des israelischen Juristen Liav Orgad zur kulturellen Verteidigung der Nation und wurde jüngst unter Beteiligung des niederländischen Sozialwissenschaftlers Ruud Koopmans zu einem gruppendifferenzierten Ansatz erweitert.[2] Der Hintergrund einer Mehrheitstheorie ist der Multikulturalismus der Migrationsgesellschaft. Der Ansatz will die Unterschiede zwischen den klassischen angelsächsischen Einwanderungsländern mit migratorischen Mehrheiten einerseits und europäischen Staaten andererseits herausarbeiten, in denen neue Minderheiten auf einheimische Mehrheiten treffen. Aus der Perspektive einer bedrohten demokratischen Ordnung, die sich in Frage gestellt sieht und deshalb um ihre Stabilität fürchtet, macht die These die Theorie der Minderheitenrechte fruchtbar und wendet sie auf die (noch bestehende) Mehrheit, wonach jede Kultur über die Rezeption der globalen Errungenschaften selbstbestimmt entscheiden sollte.[3]
Abgesehen von den spezifischen Bedingungen des tatsächlichen Rahmens, in dem die These entstanden ist, greift der Ansatz auf Gruppenbildung innerhalb der Gesellschaft und damit auf ein identitätspolitisches Konzept zurück. Der Ansatz ist deshalb kritisch zu beurteilen. Im Grunde stellt die These die Voraussetzungen der liberalen, repräsentativen Demokratie in Frage. Denn alle Regeln und Arrangements politischer Herrschaft in einer liberalen Demokratie, auch die Mechanismen des Grundrechtsschutzes, können aus der Gruppenperspektive als Ausdrucksformen der Mehrheitskultur codiert werden. Kultur sei umfassend, schreibt Gabriele Britz: „Was auch immer staatliche Institutionen tun, es ist kulturell relevant. Die Ausdrucksformen staatli- eher Institutionen sind - weit über die Sprache im engeren Sinn hinaus - selbst (Mehrheits)Kultur."[4] Der Gruppismus könnte deshalb den Grundrechtsschutz prinzipiell ablehnen, sei dieser doch wegen seiner kulturellen Rahmung für abweichende Ansprüche strukturell blind.[5] In welch unkar- tiertes Fahrwasser wir dadurch gelangen, unterstreicht der Seitenblick auf die erwähnte margin of appreciation-
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[1] Francis Fukuyama, Identity, London: Profile Books 2017; gegen eine Symmetrierung von linker und rechter Identitätspolitik Jan-Werner Müller, Freiheit, Gleichheit, Zusammenhalt - Oder: Gefährdet „Identitätspolitik die liberale Demokratie?, Aus Politik und Zeitgeschichte 2021, 12-17.
[2] Ruud Koopmans/Liav Orgad, Majority-Minority Constellations: Towards A Group- Differentiated Approach, WZB Discussion Paper, SP VI 2020-104, December 2020.
[3] Liav Orgad, The Cultural Defence of Nations, Oxford: Oxford University Press 2015; die in Bezug genommene Theorie der Minderheit stammt von Will Kymlicka, Multicultural Cizitenship, Oxford: Oxford University Press 1995, 84 ff., insb. 104.
[4] Gabriele Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 193.
[5] Vgl. Schorkopf (Fn. 52), 30.
Doktrin. Die Doktrin erkennt über die Rechtsfertigungsformel „notwendig in einer demokratischen Gesellschaft" ein Schutzbedürfnis demokratischer, in pluralen Gesellschaften mühevoll gebildeter Mehrheiten an. Aber auch hinter diesen Mehrheiten stehen kulturell codierte Vorverständnisse und Muster.[1] Anders formuliert, identitäres Gruppendenken strenger Observanz führt in einen segmentierten Grund- und Menschenrechtsschutz.
Was möglicherweise in Zusammenhang mit dem Vorschlag größerer Aufmerksamkeit bedarf, ist der Effekt, den Menschenrechte auf die Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft haben. Auch wenn es keine allgemein verfassungsrechtlichen Ansprüche auf Einwanderung und auf Einbürgerung gibt,[2] können Nicht-Staatsbürger durch menschenrechtlich vermittelte Schutz- und Leistungsansprüche zu de facto Mitgliedern der politischen Gemeinschaft werden. Diese Tendenz entwickelt sich im Windschatten der seit Begründung des modernen Verfassungsstaats erfolgenden Rechteexpan- sion,[3] die die Zahl der wahlberechtigten Bürger zu Recht konsequent erweitert hat.
Der EGMR sollte bei der Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung zur Prozeduralisierung des nationalen Ermessensspielraums nicht den Fehler machen, die parlamentarische Deliberation identitätspolitisch aufzuladen.[4] Aus der Perspektive identitärer Gruppen, die mit dem Individualbeschwerdeverfahren eine Verletzung ihrer Menschenrechte rügen, liegt es nahe, die nicht vollständige oder nur teilweise Berücksichtigung ihres Standpunkts im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren strukturellen Defiziten anzulasten. Sei es, dass Gruppenmitglieder nicht in die Beratungen eingebunden werden, oder sei es, dass die situative Mehrheit bei der Interessen- abwägung nicht umfassend begründet und sich mit allen Aspekten auch der Minderheit auseinandergesetzt hat. Noch tiefgreifender, dafür aus meiner Sicht zugleich wahrscheinlicher, ist eine Kritik, die Gesellschaft werde in ihrer Zusammensetzung durch das Parlament nicht hinreichend abgebildet. Nicht wenige Stimmen in der Gegenwartsdebatte sorgen sich um die vermeintliche Schwäche der repräsentativen Demokratie und suchen jedenfalls teilweise Abhilfe in deskriptiven Repräsentationsmodellen. Deskriptive Repräsentation sieht Parlamente als getreues
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[1] Für den Integrationskontext Samuel Scheffler, Immigration and the Significance of Culture, Philosophy & Public Policy 35 (2007), 93-125 (112 f.).
[2] Einen dichten Überblick zu den Reformen seit 1990 gibt Ferdinand Weber, Staatsangehörigkeitsreform als Gesellschaftsreform? Gemeinschaftsbildung als Frage des Rechts und Diskurs der Bürger, ZAR 39 (2019), 401-412 (402).
[3] Gerrit Hornung, Grundrechtsinnovationen, Tübingen: Mohr Siebeck 2015; Andreas von Arnauld/Kerstin von der Decken/Mart Susi (Hrsg.), The Cambridge Handbook on New Human Rights, Cambridge: Cambridge University Press 2020. Eine andere Argumentationsstrategie ist die Hinwendung zum globalen Konstitutionalismus, der diesen Schritt u. a. mit dem Ausschluss von Nicht-Bürgern und Immigranten von demokratischen Entscheidungen begründet, Erika de Wet, The International Constitutional Order, ICLQ 55 (2006), 51-76 (71 ff.).
[4] Zur Abweichung vom Erfordernis des Europäischen Konsenses in Sachverhalten mit Minderheiten siehe Dimitrios Kagiaros, When to Use European Consensus, in: Panos Kapotas/ Vassilis Tzevelekos (Hrsg.), Building Consensus in European Consensus, Cambridge: Cambridge University Press 2019, 283-310 (292 ff.).
sozio-ökonomisches, ethnisch-kulturelles Abbild der Gesellschaft.[1] Wer so denkt, der fragt nach einer Bundestagswahl danach, wie hoch in den Fraktionen der jeweilige Anteil von Abgeordneten mit einer Einwanderungsgeschichte ist, obgleich alle mit hoher Beteiligung Gewählten als deutsche Staatsbürger die gleiche Freiheit haben.
Es ist eine Errungenschaft des modernen Verfassungsstaates, dass die gleiche Freiheit der Staatsbürger eine Repräsentation des Volkes allein von diesem Bürgerstatus und der Wahlentscheidung abhängig macht[2] - dass jeder Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes ist, bedeutet auch, dass eine Frau Männer, eine Muslimin Atheisten und ein Neubürger angestammte Altbürger vertritt. Dieses Prinzip der Gesamtrepräsentation hat auch deutlich mehr Überzeugungskraft als die These, dass Verfassungsgerichte die Rechte des ganzen Volkes besser verträten als parlamentarische Mehrheiten, die stets nur für Teile des Elektorats stünden.[3] Die Repräsentationsdebatte hat einen Eigenstand und kann hier nur angedeutet werden.[4] Mir kommt es an dieser Stelle darauf an, dass die weitere Aufladung der parlamentarischen Rechtsetzung mit prozeduralen Elementen im Sinne einer Verschiebung hin zu einer „Kultur der Rechtfertigung" (culture of justification),[5] die Tendenz fördert, das Mehrheitsprinzip in der repräsentativen Demokratie zu neutralisieren.[6] Vergleichbar mit dem internationalen Konstitutiona- lismus, entzieht identitätspolitisches Denken dem politischen Prozess das Substrat und verengt den Möglichkeitsraum. Hinzu kommt, dass eine demokratische Mehrheit zwar das Gleiche will, nicht aber stets aus den gleichen Gründen. Eine Kultur der Rechtfertigung setzt den parlamentarischen Mehrheitsentscheid deshalb indirekt unter Erklärungs- und Kohärenzdruck, der sich nicht komplementär zu den Motiven handlungsfähiger politischer Mehrheiten und deren Eigenrationalität entfaltet. Rationale Rechte vor Gericht stehen dann erratischer Politik im Parlament gegenüber.
Damit wäre nicht allein eine Gesetzgebungsmehrheit betroffen, sondern vielmehr und in erster Linie die Regierungsmehrheit in der parlamentarischen Demokratie. Das weitere Zurückdrängen der Exekutive kann man verfassungspolitisch anstreben. Als Konsequenz muss man aber damit rechnen, dass sich eine neo-tribale
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[1] Oliver W. Lembcke, Repräsentation und Demokratie, in: Marvin Neubauer/Max Stange/ Charlott Resske/Frederik Doktor (Hrsg.), Im Namen des Volkes, Tübingen: Mohr Siebeck 2021, 9-54; Jens Kersten, Demokratische Repräsentation und Diversitätsprinzip, in: Jens Kers- ten/Stephan Rixen/Berthold Vogel (Hrsg.), Ambivalenzen der Gleichheit, Bielefeld: transcript Verlag 2021, 199-216.
[2] Der Ausgleich ist mit anderen Worten „intern", innerhalb eines formalisierten Status zu leisten, gegen den Menschen sich auch entscheiden können, insofern Ferdinand Weber, in: Kay Hailbronner/Marcel Kau/Thomas Gnatzy/Ferdinand Weber, Staatsangehörigkeitsrecht, 7. Aufl., München: C. H. Beck 2022, Grundlagen B. Rn. 174 ff., insb. Rn. 178.
[3] Pierre Rosanvallon, Demokratische Legitimität, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, 11, 17, passim; dazu Dirk Jörke, Die Größe der Demokratie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2019, 156 ff.
[4] David Budde, Formen der Repräsentation und ihre Legitimation: Die voraussetzungsvolle Anerkennung von Repräsentanten in der Politik, Working Paper Nr. 3, Mai 2013, Arbeitsbereich Politische Theorie und Ideengeschichte, Berlin: Freie Universität Berlin 2013, und die Nachweise in Fn. 1.
[5] Kleinlein (Fn. 43), 459.
[6] Zum Grundgesetz Florian Meinel, Das Bundesverfassungsgericht in der Ära der Großen Koalition, Der Staat 60 (2021), 43-98.
Herrschaftsordnung mit der Latenz zur „Tyrannei der Minderheiten"[1] abzeichnet. Der Menschenrechtsschutz veränderte unter diesen Bedingungen seine Funktion, müsste er zukünftig doch die Partizipationsansprüche der Gruppen moderieren,[2] das Individuum zur Anerkennung der Richtigkeitsansprüche im segmentierten sozialen Raum veranlassen[3] und dessen Austritt aus der identitären Gruppe gewährleisten.
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[1] Hans O. Staub, Tyrannei der Minderheiten, Schweizer Monatshefte 60 (1980), 997-1010; Torben Lütjen, Populismus oder die entgleiste Aufklärung, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 7.1.2019, 6.
[2] Zu den gescheiterten Ordnungsmodellen Bosnien-Herzegowina Drazen Pehar, Peace as War, Budapest: Central European University Press 2019 und Libanon Nizar Saghieh, Lebanon's Constitutional Council, in: Anja Schoeller-Schletter (Hrsg.), Constitutional Review in the Middle East and North Africa, Baden-Baden: Nomos 2021, 119-135.
[3] Vgl. exemplarisch Masterpiece Cakeshop v. Colorado Civil Rights Commission, 584 U. S. ___ (2018); Peter Becker, Keine Hochzeitstorte zur Homo-Ehe?, Verwaltungsrundschau 2019, 37-47; der Fall hat nun eine europäische Entsprechung in EGMR, Lee v. UK, App. No. 18860/ 19, Beschl. v. 7.12.2021, der EGMR erklärte die Beschwerde wegen fehlender Rechtswegerschöpfung für unzulässig, nahm aber auf die Entscheidung des Supreme Court ausdrücklich Bezug, ebenda, Rn. 38, 75.
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