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4 c. Maßnahmenplanung der Bevölkerung vermitteln

4 c 1 Testkapazität hoch
Die bei weitem wichtigste Massnahme gegen ein Virus wie SARS-CoV-2 ist das Testen und Isolieren
der infizierten Personen. Getestet werden sollten sowohl Personen mit Eigenverdacht als auch der
gesamte Kreis der Kontaktpersonen von positiv getesteten Personen. Bei ungenügender Testkapazi-
tät kann man das Testen einschränken auf Patienten mit schwerer Lungenentzündung und post mor-
tem bei allen Verdachtsfällen, um wenigstens die Anzahl Tote genau bestimmen zu können. Jegli-
chem Verzicht auf Testen führt jedoch mit Sicherheit zu einer schnelle exponentiellen Verbreitung
des Virus.
Die anzustrebende Testkapazität (hier unter Annahme von gleichzeitigen scharfen Ausgangsbe-
schränkungen über mehrere Wochen) kann mit Faustregeln ermittelt werden (provisorische Erkennt-
nisse, müssen verfeinert werden). In der exponentiellen Phase kann man in europäischen Ländern
von einer vorläufigen (naive) Fallsterblichkeitsrate (Tote geteilt durch bestätigte Fälle) von 1% ausge-
hen, wenn ein Grossteil aller Fälle durch Testen gefunden wird. Wenn die Fallsterblichkeit unter die-
sem Wert liegt, muss davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Toten nicht richtig gezählt
wird. Wenn die Fallsterblichkeit darüber liegt, Tote * 100, so viele Fälle müssten wir finden. Um sie zu
finden, braucht man unter sehr guten Bedingungen 20* mehr Tests als die Anzahl Fälle, die man fin-
den möchte. Rechenbeispiel Deutschland Ende März: wir schätzen, die tatsächliche Anzahl der Toten
liegt bei 500-1000 (stark underreported). Das bedeutet, dass 50.000 bis 100.000 Fälle gefunden wer-
den müssten. Wenn man einen Grossteil davon finden will, braucht man also z.B. 100.000 bis
200.000 Tests pro Tag im Verlauf von 10 Tagen, oder die Hälfte davon während 20 Tagen (wodurch
der Zeitraum mit Ausgangsbeschränkungen aber länger wird und das Risiko eines Scheiterns grösser).
Sobald die geschätzte nötige Testkapazität erreicht ist, wird die Anzahl neu gefundener Fälle pro Tag
zunächst hochschnellen. Wenn die Schätzung richtig war, kommt sie nach der Zeitspanne (z.B. nach
10 Tagen) wieder herunter. Wenn nicht, war die nötige Testkapazität unterschätzt und muss drin-
gend hinaufgeschraubt werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Das Testen erfordert innovative Lösungen, um sowohl die Auswertung im Labor also auch das Sam-
meln der Rachenabstriche weniger aufwendig zu gestalten. Der Schutz der Personen in Kontakt mit
potentiell infizierten Personen ist extrem wichtig. Dies wurde in Südkorea mit drive-in und Telefon-zellen-Teststationen erreicht, wo die Rachenabstriche von den zu testenden Personen selber ausge-
führt werden, ohne direktem Kontakt mit dem Testpersonal. Um an die Bevölkerung ein positives
Signal auszusenden und um das Problem der Zufahrt zu den Teststationen zu lösen, vor allem für Per-
sonen ohne eigenes Auto, könnten auch mobile Teststationen in der Form von Lieferwagen entwi-
ckelt werden. Überdruck im Wageninneren (durch Luftfilter oder provisorisch durch Druckluftfla-
schen) vermeidet das Eindringen von Viren. Die Rachenabstriche werden in einer Laborkapelle einge-
tütet, versiegelt, mit Alkohol desinfiziert und gelagert, wobei alle Handlungen durch Gummihand-
schuhe ausgeführt werden. So kann ausserdem ein Zugehen auf die Bevölkerung signalisiert und Prä-
senz in allen Vierteln markiert werden.
Das massive Testen muss durch eine effiziente Kontaktsuche von positiv getesteten Personen unter-
stützt werden, wobei ein Teil von Hand erfolgen kann nach dem Verfahren, dass das RKI schon vor-
schlägt ("Mit wem waren Sie seit fünf Tage vor Anfang der Symptome in Kontakt?"). Um das Testen
schneller und effizienter zu machen, ist längerfristig der Einsatz von Big Data und Location Tracking
unumgänglich.
Alle positiv getesteten Personen müssen isoliert werden, sei es zu Hause oder in einer Quarantäne-
anlage; dies muss noch genauer abgeklärt werden. Selbst Einzelquarantäne zu Hause (ohne Mitbe-
wohner) kann bei unsachgerechter Handhabung leicht zu weiteren Infektionen im gleichen Wohn-
block führen.
Sobald diese Massnahmen einmal eingespielt sind, können sie relativ kostengünstig über mehrere
Jahre hinaus die wahrscheinlich immer wieder aufflackernden kleinen Ausbrüche sofort eindämmen.