Geschichte des Strafrechts Epochen des Strafrechts 5
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5. A bschnitt: Epoche nach der Rezeption – Das Gemeine Recht
A . Rechtsquellen
I. Geschriebenes Recht
II. Drei Polizeiv erordnungen des Reichs
III. Lex div ina und Gerichtsgebrauch
B. Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft
I. Drei Entwicklungsabschnitte im Zeitalter des Gemeinen
Rechts
– Mos Italicus und Nov a Methodus (Mos Gallicus)
– ponea ordinaria v el ex traordinaria
– Konziliensammlungen
– Benedict Carpzov II
– Die Naturrechtslehre
• Hauptv ertreter bis 1 600
• Bruch mit der Bibel
• Baco v . V erulam
• Descartes
• Grotius
• Pufendorf
– Wissenschaft bis Böhmer (Matthaeus, Ziegler)
II. Strafrechtstheorien des 1 6. bis 1 8. Jahrhunderts
– Theokratische Straftheorie
• Luther und Melanchton
• Carpzov
• Theodoricus
– Naturrechtslehre
• Grotius
• Pufendorf
• Böhmer
III. Hauptproblem der Strafrechtsdogmatik
– Institut der ponea ex traordinaria
– Lehre v on der Imputation (Pufendorf)
– Notwehr und Notstand bei Pufendorf
IV . Strafprozessrecht
C. Entwicklung der Strafrechtspflege
I. Die maßgeblichen Kräfte
– Einfluss der Landesherren
– Einfluss der Gerichte
II. Strafen
– Überkommene peinliche Strafen
– Opera publica
– A ufkommen moderner Freiheitsstrafen
– Gefängnisstrafe (carcer)
III. Strafv erfahren
– Tendenz zum Inquisitionsprozess
– Fortbildung des Inquisitionsprozesses nach der Carolina
– Der A kkusationsprozeß
– A uflockerung der Formen des Inquisitionsprozesses
– Entwicklung zum Ende der gemeinrechtlichen Epoche
• Polizeistaat
• Hex enprozesse
5. Abschnitt: Epoche nach der Rezeption – Das Gemeine Recht
A. Rechtsquellen
Seit dem 1 5. und 1 6. Jahrhundert bildeten sich starke Territorialstaaten und die Macht des Kaisers wurde dadurch geschwächt. Bis ins 1 6. Jahrhundert war der „gemeine Mann“ am Recht beteiligt, als Schöffe und Richter. Nun kam es zu einem Umschwung. Die politische Leitung übernahm eine kleine Schicht der Höfe und der ihr angegliederten adeligen und bürgerlichen Familien. Bestimmte Stände erhielten Priv ilegien, wie die Schonung in der Rechtsanwendung. Dazu gehörten A del, Geistliche, Soldaten, und Rechtskundige.
I. Geschriebenes Recht
Städte und Territorialstaaten haben neben der Carolina eigene Landesgesetze erlassen (-> clausula salv atoria )[1 ]. Teilweise sehr stark an die Carolina angelehnt.
II. Drei Polizeiv erordnungen des Reichs Das Reich erließ 1 530, 1 548 und 1 57 7 drei Reichspolizeiordnungen, um für geordnete Zustände, für Zucht und Ehrbarkeit, für Zuv erlässigkeit und Lauterkeit zu sorgen. Der Begriff „Polizei“ kommt aus dem griechischen v on „politeia“ und stand für die gute Ordnung im Gemeinwesen, gerichtet gegen das unsittliche Leben. Verboten wurden Gotteslästerungen, Fluchen und Schwören, das Laster des Trinkens und unlauteres geschäftliches V erhalten. Das Strafgesetz der CCC wurde ergänzt durch Wucher, Bankrott, Betrug, Preistreiberei, Untreue und Erregung sittlichen Ä rgernisses. A uch Betteln wurde als parasitäre – kriminelle Handlung angesehen.
III. Lex div ina und Gerichtsgebrauch
– Lex div ina ist das göttliche Gesetz. Kein Richter durfte sich in Widerspruch mit göttlichen Weisungen setzen. Die Bibel war absolute A utorität. A uch die wissenschaftlich arbeitenden Rechtsgelehrten gründeten sich v or allem auf die Bibel. – Der Gerichtsgebrauch wurde maßgeblich durch die A ktenv ersendung bestimmt. Durch die Spruchtätigkeit der befragten Rechtsgelehrten entstand eine gewohnheitsrechtliche Strafrechtspflege.
B. Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft
Im 1 6. Jahrhundert wird die Strafrechtspflege wissenschaftlich. Die CCB und CCC trugen durch die Rechtsprax is der Entwicklung der Rateinholung und A ktenv ersendung dazu bei.
I. Drei Entwicklungsabschnitte im Zeitalter des Gemeinen Rechts.
Die drei A bschnitte der Epoche der gemeinrechtlichen Wissenschaft waren: a. v om 1 6. Jhdts. bis zu Carpzov ; b. Wirken des Benedict Carpzov ; c. Zeit bis ins 1 8. Jhdts. (Böhmer, etc.)
– Mos Italicus und Nov a Methodus (Mos Gallicus)
Die deutsche Rechtswissenschaft war noch auf sie italienischen Lehren angewiesen. Sie übernahm die A rbeitsweise und den größten Teil der Lehren. Die A rbeitsmethode war die v on der Scholastik entwickelte analy tische: die Sätze der Glosse zum Recht des corpus iuris sind unumstößliche Wahrheiten, in deren Kern man einzudringen hat, indem man sie analy siert und in einzelne Bestandteile auflöst (mos italicus). Eine neue Methode entwickelte sich mit V igelius[2] und Theodoricus[3] – die sy stematische: sie will die Masse der Einzelheiten zu einer höheren Einheit v erbinden und auf Prinzipien zurückführen. A lso ein Bestreben um Sy stematik – um höhere A llgemeinbegriffe (nov a methodus oder mos gallicus[4] ).
– ponea ordinaria v el ex traordinaria A ndreas Geil[5] erkennt das Problem der „ponea ordinaria v el ex traordinaria“: wann ist die Prax is an die im Gesetz festgesetzte ponea ordinaria gebunden und unter welchen V oraussetzungen sie zu der milderen ponea ex traordinaria greifen darf? Diese Frage ist besonders für die Schuld, den Irrtum, die Notwehr und anderer allgemeiner Lehren entscheidend.
– Konziliensammlungen.
Sie sind v eröffentlichte Rechtsbelehrungen, die die Juristenfakultäten den ratsuchenden Gerichten erteilten.
– Benedict Carpzov II
Carpzov wurde 1 595 zu Wittenberg geboren. Sein V ater (Benedict Carpzov I.) war dort Professor. Nach dem Studium ging er an den sächsischen Schöffenstuhl, der damals sehr bekannt und berühmt war. Über 2000 Gerichte aus Sachsen und darüber hinaus sandten ihre A kten dorthin und fragten um Rat. Im Denken war er im orthodox en Luthertum begründet. Sy mpathie mit dem Humanismus konnte v on ihm nicht erwartet werden. Gott ist der v ornehmste Schöpfer des Rechts und hat seinen Willen in der Bibel kundgetan, speziell im mosaischen
Recht. Sein bedeutenstes Werk war die Practica criminalis v on 1 635. Carpzov bearbeitete das gesamte Strafrecht und Strafprozessrecht auf der Grundlage der CCC unter Berücksichtigung des sächsischen Gerichtsgebrauchs und der Lex div ina. In methodischer Hinsicht gibt es bei ihm keinen Fortschritt – er hält an der
analy tischen Methode fest. Er v ersucht nicht, die v on ihm entwickelte Methode des dolus indirectus v om einzelnen Deliktsty pus zu lösen. Sein Hauptanliegen
ist es, für jeden einzelnen Deliktsty p immer wieder die Frage zu stellen: „ponea ordinaria oder ponea ex traordinaria?“ Hierauf zielt auch der Gerichtsgebrauch ab. Diese Frage war für Carpzov aber nur für jeden einzelnen Deliktsty pus lösbar. Mit dieser Methode hat er für ein Höchstmaß v on Gerechtigkeit bei der Entscheidung des einzelnen Falles gesorgt. Nach Oldenburger[6] soll Carpzov während seiner Schöffentätigkeit an über 20000 Todesurteilen mitgewirkt haben. Neuere Forschungen v on Ernst Böhm belegen dagegen höchstens 300 Todesurteile.
– Die Naturrechtslehre
• Hauptv ertreter bis 1600
Das Naturrecht ist keine Erfindung der frühen Neuzeit, sondern bereits die griechischen Sophisten kannten das Naturrecht. V on Plato und A ristoteles ausgehend beeinflusste es auch A ugustinus und Thomas v on A quin und findet sich auch bei den Reformatoren Luther und Calv in wieder.
Naturrecht ist das Recht, das dem gesetzten oder positiv en Recht v orhergeht und übergeordnet ist, also überpositiv es Recht, das weder durch einen A kt der Rechtssetzung geschaffen, noch außer Kraft gesetzt werden kann. Jeder Mensch ist danach mit unv eräußerlichen Rechten ausgestattet. Dazu zählt Recht auf Leben, körperliche Unv ersehrtheit und auf persönliche Freiheit. A ls Quelle wird Gott bzw. eine bestimmte Gottheit genannt, der die Rechtsprinzipien bei der Schöpfung geschaffen hat oder der als göttliches Gesetz gedeutete Logos[7 ] , der die Welt durchströmt.
• Bruch mit der Bibel
Die Forschungsleistungen v on Kopernikus, Kepler und Galilei bewirken einen Bruch mit der Welterklärung der Bibel. Daneben zerstörten die Religionskriege den Glauben daran, dass Religion und Theologie für Ordnung und Einigung der Menschen sorgen können.
• Baco v . Verulam
Baco v . V erulam[8] behauptet, dass die Naturerkenntnis und Naturbeherrschung die höchste A ufgabe wissenschaftlichen Denkens sei, wobei Erfahrung als alleinige zuv erlässige Erkenntnisquelle, Induktion[9] als alleinige zuv erlässige Denkmethode in A nspruch genommen wird.
• Descartes
Descartes[1 0] v erlangt Zweifel an allem Zweifelbaren und er erblickt in der Tatsache unseres Denkens die einzig ursprüngliche Gewissheit. Der Mensch als denkendes Wesen ist damit den gläubigen Menschen des Mittelalters entgegengestellt.
• Grotius
Grotius[1 1 ] sah den wahren Grund des Rechts nicht mehr in Gott, sondern in der Natur des Menschen. Die Mitte der menschlichen Gemeinschaft ist die Natur, nicht Gott. Ihr Sinn ist nicht der Glaube, sondern die V ernunft. Er befreite das V ernunftrecht v on der Fessel der Moraltheologie. Das Naturrecht ist unv eränderlich, so dass es nicht einmal v on Gott geändert werden könnte („Est autem ius adeo immutabile, ut ne a Deo quidem mutari queat“ ) und es würde selbst dann weiter gelten, wenn es Gott nicht gäbe. Wenn sich eine Rechtsordnung durchsetzen soll, so muss sie säkularisiert sein, v erstanden als Befreiung v on konfessionellen Positionen. Hier sind die Ergebnisse der Religionskriege im 1 6. Jahrhundert und deren Resultate auf die Wissenschaft zuerkennen.
Zur Erkenntnis der Rechtssätze des Naturrechts gelangt Grotius durch allgemeine Betrachtungen über das Wesen des Menschen und der Welt. Seine Grundprinzipien der Gerechtigkeit sind Gleichheit und Treue.
Dieses Denken ist eng v erbunden mit der rationalistischen Philosophie v on Descartes, Spinoza, Leibnitz und Chr. Wolff, die dav on ausgingen, dass der Mensch fähig ist, mit Hilfe seiner V ernunft („ratio“) das Wesen und die Zusammenhänge sowohl der sinnlichen als auch der übersinnlichen Dinge zu ergründen.
• Pufendorf
Für Pufendorf[1 2] ist das oberste Prinzip des Naturrechts die „socialitas“[1 3] . Dies ist die Pflicht, mit anderen im gemeinschaftlichen V erband zu leben und die Gemeinschaftsinteressen zu fördern. Sie ist der objektiv – sittliche Wert des menschlichen Lebens. Sie bestimmt, was der Mensch „soll“, damit er selbst in der Gemeinschaft heil sei und das Gute seiner Lage genießen könne. Die socialitas ist das Prinzip echter Menschlichkeit, die den Menschen um des Menschen willen achtet und nicht um Nutzen zu erlangen oder Schaden zu v ermeiden. Dieses Prinzip benutzt er, um v om Einfachen zum Besonderen aufzusteigen und dadurch die Rechte und Pflichten des Einzelnen für Gemeinschaft und Staat zu bestimmen. Übertragen im Strafrecht führt dieses Prinzip zu der zurechenbaren Handlung. Sein Werk („De iure naturae et gentium“) ist gegliedert nach Rechtsplichten, die jeder Mensch gegen sich selbst, gegen andere und innerhalb der Gemeinschaft hat.
– Wissenschaft bis Böhm er (Matthaeus, Ziegler)
Matthaeus[1 4] v ersucht als erster V erbrechen und Strafe als Grundbegriffe losgelöst v om einzelnen Deliktsty pus zu erklären.
Ziegler[1 5] gelangt methodisch zu einer sy stematischen Darstellung der allgemeinen V erbrechenslehren
Ihren Höhepunkt erreicht die Bedeutung der Sy stematik dann mit Böhmer[1 6] Er v erfasste das erste Lehrbuch des Strafrechts v on wissenschaftlicher Bedeutung (Elementa iurisprudentiae criminalis, 1 7 32)
II. Strafrechtstheorien des 16. bis 18. Jahrhunderts
– Theokratische Straftheorie Die theokratische A uffassung begründet das staatliche Recht auf die göttliche A utorität.
• Luther und Melanchton
Der Theologe Martin Luther rechtfertigt die Strenge des staatlichen Strafrechts. Er unterscheidet dabei zwischen dem Reich Gottes und dem Reich dieser Welt. Im letzteren sieht er die Guten (die wahren Christen) ständig v on den Bösen bedroht. Den Bösen gegenüber ist der Fürst „Gottes Zorn und Gottes Rute“. Die Frommen zu schützen ist Gottes Befehl an die Obrigkeit. Der Zweck der Strafe ist ebenfalls aus Gottes Willen abzuleiten: A bschreckung der Bösen, ihre Unschädlichmachung und die Sicherung der Rechtschaffenden. Melanchthon[1 7 ] stimmt mit Luther überein, ist jedoch etwas sy stematischer. Beide lehnen sich an Thomas v . A quin und A ristoteles an.
• Carpzov
A uch für Carpzov beruhen Staat und Obrigkeit auf A nordnung und Willen Gottes, des Legislator Summus[1 8]. Das V erbrechen ist nicht nur eine V erletzung staatlicher Normen, sondern auch stets Sünde gegen Gott. Staatliche Strafe ist notwendig, weil Gott sie will, dies bekräftigen zahlreiche A ussprüche der Lex div ina. Hauptfunktion der Strafe ist Unschädlichmachung und generalpräv entiv e A bschreckung. Für eine Ä nderung der Härte der Strafen besteht deshalb für ihn kein A nlass. Nach Carpzov steht das Naturrecht (lex naturae) für das nichtgeoffenbarte göttliche Recht, das die Lex div ina ergänzt. Es hat nichts mit der V ernunfteinsicht zu tun.
• T heodoricus
In Jena zählte Carpzov zu den Hörern v on Theodoricus. Nach Theodoricus sollten Strafen zur Besserung, Erhaltung der Allgemeinen Sicherheit, A bschreckung anderer und zur Genugtuung des V erletzten v erhängt werden.
– Naturrechtslehre
Die Naturrechtslehre bringt eine radikale Loslösung vom religiösen Fundament und eine Säkularisierung der
Strafrechtstheorie.
• Grotius
Für Grotius kann sich die Rechtfertigung der Strafe nur aus der menschlichen Natur und der auf sie gegründeten Gemeinschaft ergeben. A ls V erstoß gegen die Gemeinschaft kann eine schwere Tat nicht straflos bleiben, dass muss jeder v ernünftige Mensch einsehen. Der Zweck der Strafe ergibt sich aus der V ernunft: „Um des Nutzen aller willen darf der Täter unschädlich gemacht, um seines eigenen Nutzens willen darf er durch die Strafe gebessert werden ; damit findet auch der V erletzte selbst seinen Nutzen, nämlich Schutz gegen den V erbrecher. Die Furcht v or der Strafe soll Gegenmomente gegen den A nreiz zu V erbrechen schaffen (Generalpräv ention). Der Talionsgedanke ist seit Grotius überwunden, an seine Stelle tritt die Gesellschaftsschädlichkeit und die Nützlichkeit (Utilitas).
• Pufendorf
Bei Pufendorf ergibt sich das Recht der Obrigkeit, Strafen aufzuerlegen, aus dem Gesellschaftsv ertrag. Dem Gesellschaftsv ertrag liegt die philosophische V orstellung zugrunde, dass Gewaltinhaber und Gewaltunterworfene einen V ertrag geschlossen hätten. Freie und gleiche Indiv iduen haben sich zu einem Staat zusammengetan. In einem anschleißenden Unterwerfungsv ertrag ist dem Herrscher die oberste Gewalt übertragen worden. Ein Widerstandsrecht bei V ertragsbruch durch unrechtsmäßige Amtsausübung des Herrschers, lehnt Pufendorf ab, hält jedoch eine v erfassungsmäßige Beschränkung der Souv eränität für möglich. Seine Lehren erscheinen geradezu als eine naturrechtliche Rechtfertigung des damaligen positiv en Rechts und der absolutistischen Monarchie. V oraussetzung für eine Bestrafung ist, dass die Strafe v orher kundgemacht worden ist. Gerechtfertigt wird die Strafe durch ihre Nützlichkeit für den Staat. Utilitas[1 9] , bezogen auf die staatlichen Interessen ist also oberster Wert. Die Staatsräson hat V orrang v or dem Primat[20] der Gerechtigkeit (gefordert v on Cicero und Schwarzenberg). Sinn der Strafe ist nicht V ergeltung, sondern V erhütung künftiger V erbrechen. Darauf zielt die A ndrohung der Strafe im Gesetz ab. Pufendorf stimmt mit Grotius überein, indem er Besserung und Unschädlichmachung des Täters, sowie generalpräv entiv e A bschreckung als Mittel zur Erreichung dieses Ziels herv orhebt. Jedoch entsprechen absolut bestimmte Strafen nicht dem Naturrecht – eine Strafe ist zu hart, wenn es eine mildere gibt, die ebenfalls dem Staatswohl dient. Es
ist A ufgabe des Landesherrn, absolute Strafen nachträglich zu schärfen oder zu mildern.
In der Rechtsprax is wirkten die Werke v on Grotius und Pufendorf v ornehmlich bei solchen Rechtsfragen, die nicht positiv -rechtlich geregelt waren.
• Böhmer
Böhmer stimmt Grotius und Pufendorf zu: Zweck der Strafe ist die Unschädlichmachung und Besserung des Täters und generalpräv entiv e A bschreckung der A llgemeinheit.
III. Hauptproblem der Strafrechtsdogm atik
– Institut der ponea ex traordinaria
Die Carolina enthielt zum größten Teil absolut bestimmte Strafen (ponea ordinaria), also solche, die keinen Spielraum für den Richter ließen.
Das Institut der ponea ex traordinaria entwickelte sich aufgrund des Bedürfnisses in der Prax is der Rechtspflege. Sie tritt an die Stelle der im Gesetz v orgesehenen ponea ordinaria, wenn der konkrete Fall dem im Gesetz v orgesehenen nicht genau entspricht. Welche A bweichungen v on dem im Gesetz v orausgesetzten Fall den Richter berechtigen, zur ponea ex traordinaria zu greifen, ist eine der wesentlichsten A ufgaben der damaligen Strafrechtswissenschaft:
Böhmer stellt hierzu auf den einzelnen Deliktsty pus ab. Dolus, V ollendung und ordentliche Teilnahme an der Tat sind V oraussetzung der ponea ordinaria. Culpa (Fahrlässigkeit), V ersuch und außerordentliche Teilnahme sind V oraussetzungen der ponea ex traordinaria.
Carpzov stellt für die A bgrenzung auf das corpus delicti, den Beweisgegenstand, ab. Das corpus delicti für eine Handlung wegen occisum (Totschlag) oder homicidium (Mord / Tötung) ist eine „lethale“ Wunde. Ist diese Lethalität der Wunde nicht nachweisbar, so bleibt nur eine Haftung wegen V erwundung, also der ponea ex traordinaria. Festgestellt werden sollte die A rt der Wunde durch einen medizinischen Sachv erständigen.
– Lehre v on der Im putation[21] (Pufendorf)
Puffendorf gründet seine Imputationslehre auf die „freie Handlung“ des Menschen. Der Mensch hat eine moralische V erantwortung für sein „freies Handeln“. Er ist v erantwortlich für die Handlungen, bezüglich derer es ihm freistand, ob er sie v ornimmt oder nicht. Damit hat Pufendorf den grundlegenden Gesichtspunkt für die gesamte Schuldlehre gefunden. Die Imputationslehre stammt ursprünglich v on A ristoteles: Eine Handlung ist dann zurechenbar, wenn „Tatherrschaft“ besteht, also sofern die Handlung in der Gewalt des Menschen steht, sie etwas Freiwilliges ist und der Mensch sich auch anders hätte entscheiden können. A ffekthandlungen sind eingeschränkt zurechenbar. Bei Handlungen, die auf Irrtümern beruhen, ist die A rt des Irrtums wichtig: Unwissenheit bezüglich des positiv en Rechts entschuldigt nicht – es zu kennen ist die Pflicht des Menschen. Bezieht sich die Unwissenheit auf das Handeln, so hängt die Imputierbarkeit dav on ab, ob die Unwissenheit selbstv erschuldet und v ermeidbar oder unv erschuldet und unvermeidbar war.
– Notwehr und Notstand bei Pufendorf
A bgeleitet aus der Imputationslehre: Eine Zurechnung der Notwehrhandlung ist deshalb nicht zulässig, weil der in Notwehr[22]. Handelnde zur Selbsterhaltung greift. Im Notstand[23] aber hört die v erpflichtende Bedeutung der
Gesetze auf, die auf Handlung zur Rettung aus dem Notstand keinen Bezug haben.
IV. Strafprozessrecht
Die Carolina kannte zwei Formen der Prozesseinleitung: A nklage oder „A nnehmen der Übeltäter v on Amts wegen“. Das A nklage- oder A kkusationsv erfahren[24] wurde auch als processus ordinarius, der Inquisitionsprozess als processus ex traordinarius bezeichnet.
Im entstehenden Polizeistaat war nur der Inquisitionsprozess erwünscht. Bereits Carpzov hatte ihn bev orzugt. Der Inquisitionsprozess war in zwei Stadien zerlegt: Die Generalinquisition als erster Teil fragt nur, ob ein bestimmtes V erbrechen überhaupt v orliegt. In der daran anschließenden Spezialinquisition wird der V erdächtige festgenommen und v or den Untersuchungsrichter gestellt. Sie setzt mit der V erhaftung ein. Für die Durchführung der V ernehmung des Beschuldigten und der Zeugen hat der Richter den gesamten Prozessstoff in einzelne Fragen aufzulösen. Grund: er sollte genaue Kenntnis v on der Sache erlangen und gleichzeitig eine A rbeitserleichterung für die spätere A ktenv ersendung zur Einholung des Urteilsv orschlags schaffen.
Unter Carpzov ´s Einfluss kam es zu der Einsicht, dass bei nicht v ollständig erbrachten Beweis nur die Strafe der ponea ex traordinaria zu v erhängen sei. Ursprünglich eine Idee der italienischen Rechtsgelehrten. Die V erfasser der Carolina waren noch gegen eine solche Milderung gewesen.
Das Rechtsmittel der A ppellation[25] war nur im A kkusationsv erfahren zugelassen. A uf Carpzov ist es zurückzuführen, dass es dem V erurteilten im Inquisitionsprozess aber wenigstens gestattet wurde, den Prozess durch Beibringung weiterer Beweismittel fortzusetzen, über deren Ergebnis dann in einem neuen Urteil zu entscheiden war.
C. Entwicklung der Strafrechtspflege
I. Die m aßgeblichen Kräfte
– Einfluss der Landesherren
Der Landesherr war Träger der Staatsgewalt. Seine A ufgaben waren die Sicherung des Landes und der Untertanen, die Wahrung der fürstlichen A utorität und das Interesse an V ermögenseinziehung und Geldbussen.
Er hatte die oberstrichterliche Stellung und beauftragte Staatsdiener mit der A usführung der Gerichtsbarkeit. Er behielt sich ein Bestätigungsrecht v or. Damit konnte er V erfahren an sich ziehen, in die Justiz eingreifen und Urteile abändern. Durch die Zahlung v on Geld an die fürstliche Schatulle konnte ein Beschuldigter Einfluss auf den Landesherrn nehmen und ihn dazu bewegen, den Prozess niederzuschlagen. Mit dem Fiskalat wurde eine spezielle Behörde begründet, die die Wahrung der landesherrlichen Interessen zur A ufgabe hatte: Kontrolle der Einhaltung v on V erordnungen und der fiskalischen Interessen des Kurfürsten. Im 1 7 . und 1 8. Jahrhundert waren gesetzgeberische Tätigkeiten der Landesherren nicht selten. Sie regelten über V erordnungen, Erlasse und Reskriptiv en, als Rechtsfortbildung zur Carolina.
– Einfluss der Gerichte
Durch die Gerichte dringen die A nschauungen der Wissenschaft in die Prax is ein, besonders aufgrund der Sprüche der Juristenfakultäten und Schöffenstühle (Stichwort: A ktenv ersendung).
II. Strafen
– Überkom m ene peinliche Strafen
Der Scharfrichter wurde v om V olk als unehrlich angesehen. Er wohnte außerhalb der Stadtmauern und hatte neben dem Henker- und Folterdienst auch die A bdeckerei und Fäkalienabfuhr zu erledigen. A ls neue Strafform kam die Prangerstrafe auf. Der Täter wurde in einen Eisenkäfig gesetzt und öffentlich ausgestellt. A lle peinlichen Strafen wurden zur A bschreckung öffentlich v ollzogen. Der V erurteilte wurde in einer A rt Prozession v om Gefängnis zum Richtplatz gebracht. Unter Begleitung des Richters, Henkers und des Schulmeisters mit seinen Kindern, die geistliche Lieder sangen.
– Opera publica
Mit Opera publica wird die A rbeitsstrafe bezeichnet. Formen waren Galeerendienst (angekettet rudern), Springerstrafe (Straßenreinigung), Karrenstrafe (ziehen v on schweren Karren) oder Festungsdienst (Bauarbeiten). Im ostpreußischen Landrecht v on 1 7 21 kam die Opera publica ungefähr 40 mal v or.
– Aufkom m en m oderner Freiheitsstrafen
Die Idee der modernen Freiheitsstrafe entstammt der religiösen Besinnung und der A rmenfürsorge. Das Bettelunwesen und das V agantentum nahm immer mehr zu.
Mit entscheidend war auch die Calv inistische A rbeitsethik. Die A rmut in der Bev ölkerung sollte durch A rbeitsbeschaffung bekämpft werden. Gott selber ruft immer wieder zur A rbeit auf. Wer diesen Ruf nicht hören will, der soll notfalls mit Zwang an die A rbeit gebracht werden.
In England entstand 1 531 die Bettelakte: Bettler, die ohne einen Bettelbrief aufgegriffen wurden, sollten drei Tage in den Blick, bei Wasser und Brot. Im Jahre 1 555 wurde das Schloss Bridewell zu einer A nstalt umgebaut, um „sturdy v agabonds“ zur A rbeit zu zwingen. Diese A nstalt trug den Namen „house of correction“.
In Holland kam es bald zur Übernahme dieser Idee. 1 595 entstand in Amsterdam ein Männerzuchthaus und zwei Jahre später eines für Frauen. Ziel war die Zucht als Erziehung zur A rbeit. V orgesehen waren sie für Bettler, A rbeitsunwillige und für jugendliche Diebe, als Ersatz für den Galgen. Neben dem Zwang zur A rbeit (Holz zerkleinern, Spinnarbeiten) herrschte strenge Disziplin. Peitsche, Essensentzug und A rrest waren Disziplinarstrafen für die Jugendlichen. A ber es gab auch Unterricht und ärztliche Betreuung. Weiter wurde auf Sauberkeit und V erpflegung geachtet. V or der Entlassung musste der Jugendliche ein Besserungsgelöbnis ablegen.
Nach 1 600 fand die Idee auch in Deutschland Nachahmung. Zuerst in Hamburg, Bremen, Lübeck, dann Kassel (1 61 7 ) und Danzig (1 61 9). Zu Beginn wurden die Zuchtstrafen als ponea ex traordinaria im Gnadenweg v on den Gerichten ausgesprochen, auch ponea abitraria genannt. Nur langsam erfolgte die A ufnahme in den Gesetzen selber.
Die A bgrenzung zur opus publica wird in zwei Urteilen aus Magdeburg deutlich. V on zwei Dieben wird der eine zu zwei Jahren Zuchthaus v erurteilt, “ zur Erlernung eines Handwerks und um durch Erziehung im Christentum gebessert zu werden (= Resozialisierung durch Arbeit). Der andere wird zu drei Jahren „Vestungsarbeit“ und Landesverweisung verurteilt (= generalpräventive Abschreckung). Überhaupt war die opus publica nichts anderes als eine peinliche Strafe, nämlich die Erniedrigung durch Schwerstarbeit.
Mit der Zeit wurden aus den Zuchtanstalten staatliche Betriebe, die an priv ate Betreiber v ermietet wurden. Deren Ziel war ein größtmöglicher Gewinn und sie v erfolgten keine kriminalpolitischen Zwecke. Die A nstalten v erkamen so zu „Hochschulen des V erbrechertums“, in denen schlimme Zustände herrschten: schlechte Hy giene und mangelnde Disziplin, dafür harter A rbeitszwang. Somit gab es zum Ende des 1 8. Jahrhunderts in Deutschland eine rückläufige Bewegung.
– Gefängnisstrafe (carcer)
Zur Zeit der Carolina dienten die Gefängnisse in Stadtmauern und Rathauskellern überwiegend der Untersuchungshaft. Seit dem 1 7 . Jahrhundert mehrten sich V erurteilungen zur Gefängnisstrafe (carcer), meist bei wenig Essen (Wasser und Brot), angekettet oder in den Block gespannt. Ihr Charakter war die Freiheitsentziehung v erbunden mit Leibesstrafe.
III. Strafv erfahren
– T endenz zum Inquisitionsprozess
Die Obrigkeit im A bsolutismus[26] forderte das Inquisitionsv erfahren, bei der die Strafv erfolgung in der Hand des Staates lag. Man bev ormundete und reglementierte die A ngelegenheiten der Untertanen und hielt sie für ein unmündiges Objekt. Daneben hielt sich aber auch noch der A kkusationsprozeß. Jedoch herrschte die Tendenz, ihn ganz durch den Inquisitionsprozess zu ersetzen. Mit dieser V erdrängung des A nklageprozesses ging Hand in Hand ein A bbau der ständischen Macht zur Begründung und Festigung des fürstlichen A bsolutismus.
– Fortbildung des Inquisitionsprozesses nach der Carolina
Durch die Lehren der Italiener kam es zur Zerlegung des Inquisitionsprozesses in zwei scharf getrennte Teile:
Generalinquisition und Spezialinquisition.
Die Carolina kannte diese Unterscheidung nicht. Nach ihr setzte der Inquisitionsprozeß mit der V erhaftung ein. Die v orhergehenden Untersuchungsmaßnahmen regelte sie nicht.
Die Unterscheidung diente dem Schutz des Beschuldigten, denn das V erfahren durfte erst dann v on der Generalinquisition zur Spezialinquisition übergehen, wenn es zu einem bestimmten Ergebnis gekommen war: der Feststellung des Corpus delicti. Wie das Corpus delicti aussehen musste, war v on dem Delikt abhängig: bei Tötungsdelikten = Leichnam mit letaler Wunde gefunden, bei Brandstiftung = Brandställe sichtbar, bei Gotteslästerung und Beleidigung = Zeugen (Lehre v om Corpus delicti).
Die Spezialinquisition setzte mit der V erhaftung ein. Nun waren dem Beschuldigten alle Einflußmöglichkeiten genommen. Er war auf die Fähigkeiten des Untersuchungsrichters angewiesen. Auch die Spezialinquisition war an strenge Formen gebunden. Sie bestand aus „artikulierten V erhören“. Der Richter hatte das ganze Material in einzelne, schriftlich festzuhaltende Fragen aufzulösen und sich bei der Befragung daran zu halten. A uch die Zeugen wurden „artikelweise“ v ernommen.
Erst nach A bschluß der V erhöre konnte ein Defensor für den Beschuldigten tätig werden. Er hatte A kteneinsicht und konnte eine V erteidigungsschrift einreichen. Diese wurde zusammen mit den A kten dem Spruchdikasterium übersandt.
Das Spruchdikasterium machte den Urteilsv orschlag. Entweder entschied es auf Notwendigkeit weiterer Ermittlungen bzw. Folter oder auf Endurteil durch V erurteilung oder Freispruch oder A bleistung eines Reinigungseids.
– Der Akkusationsprozeß
Er hat seinen Namen daher, weil der (priv ate) A nkläger ein Klagelibell einreicht und damit den Prozeß in Gang bringt. Er ist dem Ziv ilprozeß sehr ähnlich. Der A nkläger war beweispflichtig, der Beschuldigte konnte den Gegenbeweis antreten. Ein Schriftwechsel diente der Erörterung des Prozeßstoffes. Beide Parteien konnten sich durch einen A dv okaten v ertreten lassen. Für den Beschuldigten bedeutete dieses V erfahren eine bessere aktiv e V erteidigungsmöglichkeit. Dieses schätzten ganz besonders die Stände, die damit gegen den v om Landesherrn bev orzugten Inquisitionsprozeß auftraten.
Bereits die CCB und CCC erschwerten den A kkusationsprozeß. Der A nkläger wurde im Fall seines Unterliegens wegen fehlender Beweise mit schweren Sanktionen bedroht – bis hin zur eigenen V erhaftung.
A uch der absolutistische Staat als Polizeistaat lehnte den A kkusationsprozeß ab. Zu groß war die Gefahr für das öffentliche Interesse an der Bestrafung des Schuldigen und der Gefahr durch Prozeßv erschleppung, außergerichtliche Einigung (Sühnegeldleistung) und das Scheitern des Prozesses wegen mangelhaften Beweismaterials.
Der A nklageprozeß wurde in der Folge modifiziert: der Richter hatte das Recht, inquisitorisch einzugreifen, sollte ein priv ater Kläger die A nklage fallen lassen (so in Brandenburg, 1 61 5). Oder er wurde komplett untersagt: so in der A ltmark (1 621 ) und in Preußen (1 7 24). Der Sühnev ertrag hatte im Strafv erfahren damit nur noch die
Bedeutung eines für die Behörden unbeachtlichen außergerichtlichen V erzeihens.
1 7 40 wurde in Preußen das A nklagev erfahren wieder freigegeben, aber nur für Injuriensachen. In anderen Landesteilen wurde der priv ate Kläger durch einen amtlichen Fiskalen als A nkläger ersetzt (so in Lippe um 1 600 und Baden um 1 588). Dieser hatte das für den Klagelibellus erforderliche Beweismaterial zu sammeln, dann damit das V erfahren einzuleiten und die Zeugenbeweisartikel zu schreiben, sollte der Beschuldigte leugnen. Der Beschuldigte konnte seinerseits Gegenbeweisartikel einreichen, worauf in einem Wechsel v on Beweis- und Gegenbeweisschriften der Prozeß bis zum A ktenschluß durchgeführt wurde.
– Auflockerung der Form en des Inquisitionsprozesses
Die Obrigkeit drängte weiter auf A bkürzung der Prozesse. Der A nklageprozeß war schwerfällig und wegen des Beweis- und Gegenbeweisv erfahren zu förmlich. Der Inquisitionsprozeß hatte dagegen aufgrund der amtlichen Tätigkeit eine schnelle Erledigung der Sache zur Folge. A uch der Zulassung eines Rechtsmittels stand der absolutistische Staat wegen der damit v erbundenen V erlängerung des V erfahrens ablehnend gegenüber. Bereits Carpzov war für die Unzulässigkeit der A ppellation. Jedoch gestattete er die defensio – die Geltendmachung neuer Tatsachen und Beweise auch nach V erurteilung.
Besonders Preußen ging scharf durch eine Kanzlerorder v on 1 7 27 gegen die aufkommende A ppellation seiner Fiskale v or.
Die Tendenz zur V erkürzung griff auch in das Inquisitionsv erfahren selber ein. Die strengen Formen galten als
überholt. Der Unterschied zwischen Generalinquisition und Spezialinquisition v erblaßte.
Brunnemann[27 ] forderte bei geringen V erbrechen auf Grund der summarischen V ernehmung des Beschuldigten und der Zeugen in der Generalinquisition die Sache abzuschließen und zum Spruch zu bringen, also auf die Spezialinquisition zu v erzichten. Der Schwerpunkt lag dann auf der „summarischen“ (d.h. nicht artikulierten) V ernehmung, der Generalinquisition.
In der preußischen Kriminalordnung v on 1 7 1 7 ist der scharfe Gegensatz bereits überwunden.
Der V erdächtige kann nun in jedem Stadium des Prozesses nach richterlichem Ermessen v ernommen werden, auch ohne dass v orher der Tatbestand (das dolus delicti) festgesetzt wurde.
Der Landesherr war nicht nur oberster Richter und konnte in die Prozesse eingreifen, sondern er konnte auch A nweisungen für das V erfahren geben. In Preußen gab es die A nweisung, die A ngelegenheit aufgrund eines „summarischen“ Zeugnisses in einem gerichtlichen Termin, in dem V erletzter und Beschuldigter gegeneinander zu hören seinen, kurz und rasch abzumachen (sog. fiskalische Strafprozesse). Fiskale waren „Gesetzeswächter“ des Landesherrn.
– Entwicklung zum Ende der gem einrechtlichen Epoche
• Polizeistaat
Der Polizeistaat, wie er sich während des A bsolutismus entwickelt hatte, beeinflusste auch den Inquisitionsprozess und führte zu seiner V erwässerung, d.h. zur Beseitigung aller als Schutzmittel gedachten Prozessformalien. Dieses aller justizförmigen Garantien entbehrende V erfahren trieb in ein polizeiliches Zweckmäßigkeitsdenken hinein. Damit endete die Epoche des gemeinen Rechts so, wie sie begonnen hatte in Formlosigkeit des Inquisitionsprozesses.
• Hexenprozesse
Am grausamsten zeigt sich diese Entwicklung in den Hex enprozessen des 1 6. bis 1 8. Jahrhunderts. Hex erei wurde als schweres V erbrechen gesehen. Man glaubte, der Teufel würde eine reale Erscheinung sein und könnte Bündnisse mit Menschen eingehen, die dann in der Lage wären, andere Menschen und V ieh zu v erhex en und ihnen Schaden zuzufügen. Bereits der Sachsenspiegel bestrafte Hex erei mit dem Feuertod. Der „malleus maleficarum“ (Hex enhammer, 1 487 ) v on Institoris und Sprenger[28] schaffte die Grundlage für einen „rechtlichen“ Hex enprozess. Er enthielt genaue A nweisungen für einen solchen Prozess: A rt der Fragen, A blauf der Folter, etc.
Das Schwergewicht des Hex env erbrechens lag auf dem Pakt mit dem Teufel, (magia daemonica) nicht auf der Schadenszufügung. A uch Carpzov stimmte dieser A uffassung später zu.
A nders sah es Schwarzenberg. Die CCB und CCC unterscheiden nach dem Schaden. Hex erei in V erbindung mit einem Schaden sollte mit dem Teuertod bestraft werden. Hex erei ohne Schaden für andere sollte nach Rat der juristischen Fakultäten beurteilt werden – also nach A ktenv ersendung (A rt. 1 09 CCC). Schwarzenberg wird gewußt haben, dass gelehrte Personen weniger anfällig für A berglauben sind.
V iele Richter, Seelsorger und Pastore glaubten ein gottgefälliges Werk zu tun, wenn sie mittels der Folter nicht nur aberwitzige Geständnisse eigener V erfehlungen, sondern auch A ngaben über die Mitschuld anderer Personen aus dem Beschuldigten herausholten, was dann zu einer A usbreitung des V erfahrens auf zahlreiche andere führen konnte.
Wie v iele so v erurteilt wurden, ist nicht genau bekannt. Bei Carpzov spricht man v on 1 00 Hex en auf dem Scheiterhaufen. Ein Richter aus Fulda soll innerhalb v on 1 9 Jahren über 7 00 Hex en v erbrannt haben. A uch die Chroniken der Städte lassen auf sehr v iele Hex enprozesse schließen.
Bereits 1 631 gab es Widerstand dagegen. Der Jesuit Spee[29] v eröffentlichte anony m seine Cautio criminalis und rechnete mit Richtern und Beichtv ätern ab. Er nannte das Hex env erbrechen ein Hirngespinst, deren Ex istenz sich ausschließlich auf den Einsatz der Folter gründet. Seine Wirkung war jedoch gering. Seine Schlussfolgerung dafür umso größer. Die Folter war für den Hex enprozess enorm wichtig gewesen. Bis über die Mitte des 1 6. Jahrhunderts hinaus endeten die meisten A nschuldigungen wegen Hex erei unter A nwendung des A kkusationsprozesses, bei dem der Kläger den Beschuldigten zu überführen hatte, mit einer V erurteilung des Klägers wegen V erleumdung, da dieser regelmäßig seine A nklage nicht beweisen konnte. Erst die konsequente A nwendung des Inquisitionsv erfahrens mit der Folter zur Erlangung eines Geständnisses, brachte den gewünschten Erfolg. Eine V erurteilung war zwangsläufig: Gesteht die A ngeschuldigte auf der Folter, überführt sie ihr Geständnis, dessen Widerruf ohne Wirkung bleibt. Gesteht sie nicht, wird sie gefoltert, bis die durch den Dämon bewirkte V erstocktheit gebrochen ist.
Erst die Naturrechtsbewegung und die A ufklärung beendeten das grausame Treiben. Die Schriften v on Thomasius leiteten die V erdrängung der Hex enprozesse ein. Das ostpreussische Landrecht v on 1 7 21 erklärte den Hex englauben als „Wahn“. Die letzten Hex en in Deutschland wurden in Würzburg (1 7 49), Erdingen (1 7 51 ) und Kempten (1 7 7 5) v erbrannt. In der Schweiz starb die letzte Hex e noch 1 7 82.
[1] cl a u su l a sa l v a tori a = Hi n wei se der Ca rol i n a a u f Ergä n zu n gen du rch frem des
R ech t
[2] N i col a u s V i gel i u s (1529-1600), Ju ri st, Professor i n Ma rbu rg, bi s 1594, a l s er
v on sei n em Stu h l wegen A n gri ffe a u f Geri ch t u n d R el i gi on en tl a ssen wu rde. Er
v erfa sste a l s erster i n Deu tsch l a n d ei n es kom pl etten Sy stem des R ech ts.
[3] Petru s Th eodori cu s (1580-1640 ), Ju ri st u n d a b 1608 Professor a n der
Un i v ersi tä t Jen a . Sei n ri ch ti ger N am e wa r Peter Di etri ch .
[4] So wu rde di ese Meth ode i n Fra n krei ch gen a n n t.
[5] A n drea s Ga i l (1526-87 ) wa r Gel eh rter a n der Un i v ersi tä t Köl n u n d Mi tgl i ed
v on R ei ch sh ofra t u n d R ei ch skam m ergeri ch t. Er begrü n dete ei n e n eu e
rech tswi ssen sch a ftl i ch e R i ch tu n g, di e Th eori e u n d Pra x i s v erbi n den wol l te
(Kam era l ju ri spru den z).
[6] Ph i l i pp A n drea s Ol den bu rger (u m 1620 – 167 8), Professor der R ech te i n Gen f.
[7 ] Logos (gri ech . ????? – „Wort“, „Spra ch e“) m ei n t a l l e du rch Spra ch e
da rgestel l ten Ä u ßeru n gen der „V ern u n ft“.
[8] Fra n ci s Ba con v . V eru l am (1561-1626), en gl i sch er Ph i l osoph u n d Sta a tsm a n n ,
Em pi ri st.
[9] In du cti o [l a t.] „di e Herei n fü h ru n g“ – da s Fol gern v om Spezi el l en a u f da s
A l l gem ei n e. Den Gegen sa tz bi l det di e Dedu kti on m i t dem Fol gern v om
A l l gem ei n en a u f da s Beson dere (si eh e oben ).
[10] R en e Desca rtes (1596-1650), Ph i l osoph , Ma th em a ti ker u n d
N a tu rwi ssen sch a ftl er. Begrü n der des R a ti on a l i sm u s. Sei n berü h m testes Di ctu m
i st „cogi to, ergo su m “ („i ch den ke, a l so bi n i ch “).
[11] Hu go Groti u s (1583-1645), n i ederl ä n di sch er pol i ti sch er Ph i l osoph , Th eol oge
u n d R ech tsgel eh rter. Er gi l t a l s ei n er der i n tel l ektu el l en Grü n du n gsv ä ter des
Sou v erä n i tä tsgeda n ken s, der N a tu rrech tsl eh re u n d des V öl kerrech ts.
[12] Sam u el v on Pu fen dorf, (1632-1694), deu tsch er N a tu rrech tsph i l osoph ,
Hi stori ker sowi e N a tu r- u n d V öl kerrech tsl eh rer. Du rch sei n sä ku l a res
N a tu rrech t u n d der Befü rwortu n g ei n es ei n h ei tl i ch en V öl kerrech ts n a h m er
m a ßgebl i ch en Ei n fl u ss a u f di e deu tsch e R ech ts- u n d Sta a tsph i l osoph i e im 18.
u n d 19. Ja h rh u n dert u n d wu rde zu ei n em der Wegberei ter der A u fkl ä ru n g.
[13] [l a t.] Gesel l i gkei t, Kam era dsch a ft, Bü n dn i s, Tei l n a h m e
[14] A n ton i u s. Ma tth a eu s (1601-1654) a u s Herborn , Ju ri st u n d Professor i n
Gron i n gen , Ha derwi jk u n d Utrech t.
[15] Ka sper Zi egl er (1621-1690), Ju ri st u n d Di ch ter,
N a ch fol ger am dorti gen Leh rstu h l wa r Sam u el Stry ck).
[16] Joh a n n Sam u el Fri edri ch v on Böh m er (17 04-17 7 2), Ju ri st, Professor der
R ech te i n Ha l l e u n d Fra n kfu rt (Oder), der h erv orra gen dste Dogm a ti ker des 18.
Ja h rh u n derts.
[17 ] Ph i l i pp Mel a n ch th on (1497 -1560, R eform a tor u n d Professor der Th eol ogi e i n
Wi tten berg. N a ch dem Tode Lu th ers i st Fü h rer der R eform a ti on sbewegu n g.
[18] Oberste (h öch ste) Gesetzgeber.
[19] [l a t.] Bra u ch ba rkei t, Ta u gl i ch kei t, N u tzen , V ortei l .
[20] [l a t.] V orra n g, V orzu g = V orra n gstel l u n g.
[21] Im pu ti o – [l a t.] a n rech n en (Sch u l d), zu sch rei ben .
[22] Bei ei n em A n gri ff du rch ei n en a n deren .
[23] Beim V orl i egen ei n er u n v ersch u l deten erh ebl i ch en Gefa h r fü r Lei b u n d
Leben .
[24] A ccu sa ti o – [l a t.] A n kl a ge, Den u n zi a ti on , A n sch u l di gen , Besch werde.
[25] A ppel l a ti o – [l a t.] A n rede, A u sspra ch e, u m Sch u tz u n d Hi l fe a n ru fen .
[26] A bsol u ti sm u s i st di ejen i ge Herrsch a ftsform , i n der der Herrsch er (Kön i g oder
Ka i ser) u n ei n gesch rä n kte Ma ch t besi tzt u n d oh n e Bea ch tu n g der Gesetze
(„l egi bu s a bsol u tu s“ – „l osgel öst v on den Gesetzen “) regi eren ka n n . Im
A bsol u ti sm u s gi bt es kei n e Gewa l ten tei l u n g. Der Mon a rch kon trol l i ert di e
V erwa l tu n g (Ex eku ti v e), di e Gesetzgebu n g (Legi sl a ti v e) u n d di e Ju sti z
(Ju di ka ti v e), a l so a l l e drei Sta a tsgewa l ten . In A bgren zu n g zu r Di kta tu r kom m t
der a bsol u ti sti sch er Herrsch er l egi tim , du rch Erbfol ge, a n di e Ma ch t. Den
Gegen sa tz zu r Ty ra n n ei bi l det da s A n erken n en der a l l gem ei n en Gebote der R el i gi on u n d der Mora l .
[27 ] Joh a n n Bru n n em a n n , (1608-167 8), Ju ri st, 1636 Prof. der Logi k, 1640 der
Ju ri spru den z i n Fra n kfu rt a .O., 1664 ku rfü rstl . bra n den bu rgi sch er R a t,
Sch wi egersoh n v on Ben edi ct Ca rpzow u n d Sch wi egerv a ter v on Sam u el Stry ck.
[28] Ja kob Spren ger (1435 -1495) u n d Hei n ri ch In sti tori s (Hei n ri ch Kräm er, 1430-
1505), wa ren Dom i n i ka n erm ön ch e, Th eol ogen u n d Hex en ri ch ter, l etzterer a u ch
Th eol ogi eprofessor zu Köl n .
[29] Fri edri ch Spee v on La n gen fel d (1591-1635), Jesu i t u n d Leh rbea u ftra gter fü r
Mora l th eol ogi e i n Pa derborn .
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Sti ch wörter: Gesch i ch te, R ech t, R ech tsgesch i ch te, Stra frech tsgesch i ch te
5. A bschnitt: Epoche nach der Rezeption – Das Gemeine Recht
A . Rechtsquellen
I. Geschriebenes Recht
II. Drei Polizeiv erordnungen des Reichs
III. Lex div ina und Gerichtsgebrauch
B. Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft
I. Drei Entwicklungsabschnitte im Zeitalter des Gemeinen
Rechts
– Mos Italicus und Nov a Methodus (Mos Gallicus)
– ponea ordinaria v el ex traordinaria
– Konziliensammlungen
– Benedict Carpzov II
– Die Naturrechtslehre
• Hauptv ertreter bis 1 600
• Bruch mit der Bibel
• Baco v . V erulam
• Descartes
• Grotius
• Pufendorf
– Wissenschaft bis Böhmer (Matthaeus, Ziegler)
II. Strafrechtstheorien des 1 6. bis 1 8. Jahrhunderts
– Theokratische Straftheorie
• Luther und Melanchton
• Carpzov
• Theodoricus
– Naturrechtslehre
• Grotius
• Pufendorf
• Böhmer
III. Hauptproblem der Strafrechtsdogmatik
– Institut der ponea ex traordinaria
– Lehre v on der Imputation (Pufendorf)
– Notwehr und Notstand bei Pufendorf
IV . Strafprozessrecht
C. Entwicklung der Strafrechtspflege
I. Die maßgeblichen Kräfte
– Einfluss der Landesherren
– Einfluss der Gerichte
II. Strafen
– Überkommene peinliche Strafen
– Opera publica
– A ufkommen moderner Freiheitsstrafen
– Gefängnisstrafe (carcer)
III. Strafv erfahren
– Tendenz zum Inquisitionsprozess
– Fortbildung des Inquisitionsprozesses nach der Carolina
– Der A kkusationsprozeß
– A uflockerung der Formen des Inquisitionsprozesses
– Entwicklung zum Ende der gemeinrechtlichen Epoche
• Polizeistaat
• Hex enprozesse
5. Abschnitt: Epoche nach der Rezeption – Das Gemeine Recht
A. Rechtsquellen
Seit dem 1 5. und 1 6. Jahrhundert bildeten sich starke Territorialstaaten und die Macht des Kaisers wurde dadurch geschwächt. Bis ins 1 6. Jahrhundert war der „gemeine Mann“ am Recht beteiligt, als Schöffe und Richter. Nun kam es zu einem Umschwung. Die politische Leitung übernahm eine kleine Schicht der Höfe und der ihr angegliederten adeligen und bürgerlichen Familien. Bestimmte Stände erhielten Priv ilegien, wie die Schonung in der Rechtsanwendung. Dazu gehörten A del, Geistliche, Soldaten, und Rechtskundige.
I. Geschriebenes Recht
Städte und Territorialstaaten haben neben der Carolina eigene Landesgesetze erlassen (-> clausula salv atoria )[1 ]. Teilweise sehr stark an die Carolina angelehnt.
II. Drei Polizeiv erordnungen des Reichs Das Reich erließ 1 530, 1 548 und 1 57 7 drei Reichspolizeiordnungen, um für geordnete Zustände, für Zucht und Ehrbarkeit, für Zuv erlässigkeit und Lauterkeit zu sorgen. Der Begriff „Polizei“ kommt aus dem griechischen v on „politeia“ und stand für die gute Ordnung im Gemeinwesen, gerichtet gegen das unsittliche Leben. Verboten wurden Gotteslästerungen, Fluchen und Schwören, das Laster des Trinkens und unlauteres geschäftliches V erhalten. Das Strafgesetz der CCC wurde ergänzt durch Wucher, Bankrott, Betrug, Preistreiberei, Untreue und Erregung sittlichen Ä rgernisses. A uch Betteln wurde als parasitäre – kriminelle Handlung angesehen.
III. Lex div ina und Gerichtsgebrauch
– Lex div ina ist das göttliche Gesetz. Kein Richter durfte sich in Widerspruch mit göttlichen Weisungen setzen. Die Bibel war absolute A utorität. A uch die wissenschaftlich arbeitenden Rechtsgelehrten gründeten sich v or allem auf die Bibel. – Der Gerichtsgebrauch wurde maßgeblich durch die A ktenv ersendung bestimmt. Durch die Spruchtätigkeit der befragten Rechtsgelehrten entstand eine gewohnheitsrechtliche Strafrechtspflege.
B. Entwicklung der deutschen Strafrechtswissenschaft
Im 1 6. Jahrhundert wird die Strafrechtspflege wissenschaftlich. Die CCB und CCC trugen durch die Rechtsprax is der Entwicklung der Rateinholung und A ktenv ersendung dazu bei.
I. Drei Entwicklungsabschnitte im Zeitalter des Gemeinen Rechts.
Die drei A bschnitte der Epoche der gemeinrechtlichen Wissenschaft waren: a. v om 1 6. Jhdts. bis zu Carpzov ; b. Wirken des Benedict Carpzov ; c. Zeit bis ins 1 8. Jhdts. (Böhmer, etc.)
– Mos Italicus und Nov a Methodus (Mos Gallicus)
Die deutsche Rechtswissenschaft war noch auf sie italienischen Lehren angewiesen. Sie übernahm die A rbeitsweise und den größten Teil der Lehren. Die A rbeitsmethode war die v on der Scholastik entwickelte analy tische: die Sätze der Glosse zum Recht des corpus iuris sind unumstößliche Wahrheiten, in deren Kern man einzudringen hat, indem man sie analy siert und in einzelne Bestandteile auflöst (mos italicus). Eine neue Methode entwickelte sich mit V igelius[2] und Theodoricus[3] – die sy stematische: sie will die Masse der Einzelheiten zu einer höheren Einheit v erbinden und auf Prinzipien zurückführen. A lso ein Bestreben um Sy stematik – um höhere A llgemeinbegriffe (nov a methodus oder mos gallicus[4] ).
– ponea ordinaria v el ex traordinaria A ndreas Geil[5] erkennt das Problem der „ponea ordinaria v el ex traordinaria“: wann ist die Prax is an die im Gesetz festgesetzte ponea ordinaria gebunden und unter welchen V oraussetzungen sie zu der milderen ponea ex traordinaria greifen darf? Diese Frage ist besonders für die Schuld, den Irrtum, die Notwehr und anderer allgemeiner Lehren entscheidend.
– Konziliensammlungen.
Sie sind v eröffentlichte Rechtsbelehrungen, die die Juristenfakultäten den ratsuchenden Gerichten erteilten.
– Benedict Carpzov II
Carpzov wurde 1 595 zu Wittenberg geboren. Sein V ater (Benedict Carpzov I.) war dort Professor. Nach dem Studium ging er an den sächsischen Schöffenstuhl, der damals sehr bekannt und berühmt war. Über 2000 Gerichte aus Sachsen und darüber hinaus sandten ihre A kten dorthin und fragten um Rat. Im Denken war er im orthodox en Luthertum begründet. Sy mpathie mit dem Humanismus konnte v on ihm nicht erwartet werden. Gott ist der v ornehmste Schöpfer des Rechts und hat seinen Willen in der Bibel kundgetan, speziell im mosaischen
Recht. Sein bedeutenstes Werk war die Practica criminalis v on 1 635. Carpzov bearbeitete das gesamte Strafrecht und Strafprozessrecht auf der Grundlage der CCC unter Berücksichtigung des sächsischen Gerichtsgebrauchs und der Lex div ina. In methodischer Hinsicht gibt es bei ihm keinen Fortschritt – er hält an der
analy tischen Methode fest. Er v ersucht nicht, die v on ihm entwickelte Methode des dolus indirectus v om einzelnen Deliktsty pus zu lösen. Sein Hauptanliegen
ist es, für jeden einzelnen Deliktsty p immer wieder die Frage zu stellen: „ponea ordinaria oder ponea ex traordinaria?“ Hierauf zielt auch der Gerichtsgebrauch ab. Diese Frage war für Carpzov aber nur für jeden einzelnen Deliktsty pus lösbar. Mit dieser Methode hat er für ein Höchstmaß v on Gerechtigkeit bei der Entscheidung des einzelnen Falles gesorgt. Nach Oldenburger[6] soll Carpzov während seiner Schöffentätigkeit an über 20000 Todesurteilen mitgewirkt haben. Neuere Forschungen v on Ernst Böhm belegen dagegen höchstens 300 Todesurteile.
– Die Naturrechtslehre
• Hauptv ertreter bis 1600
Das Naturrecht ist keine Erfindung der frühen Neuzeit, sondern bereits die griechischen Sophisten kannten das Naturrecht. V on Plato und A ristoteles ausgehend beeinflusste es auch A ugustinus und Thomas v on A quin und findet sich auch bei den Reformatoren Luther und Calv in wieder.
Naturrecht ist das Recht, das dem gesetzten oder positiv en Recht v orhergeht und übergeordnet ist, also überpositiv es Recht, das weder durch einen A kt der Rechtssetzung geschaffen, noch außer Kraft gesetzt werden kann. Jeder Mensch ist danach mit unv eräußerlichen Rechten ausgestattet. Dazu zählt Recht auf Leben, körperliche Unv ersehrtheit und auf persönliche Freiheit. A ls Quelle wird Gott bzw. eine bestimmte Gottheit genannt, der die Rechtsprinzipien bei der Schöpfung geschaffen hat oder der als göttliches Gesetz gedeutete Logos[7 ] , der die Welt durchströmt.
• Bruch mit der Bibel
Die Forschungsleistungen v on Kopernikus, Kepler und Galilei bewirken einen Bruch mit der Welterklärung der Bibel. Daneben zerstörten die Religionskriege den Glauben daran, dass Religion und Theologie für Ordnung und Einigung der Menschen sorgen können.
• Baco v . Verulam
Baco v . V erulam[8] behauptet, dass die Naturerkenntnis und Naturbeherrschung die höchste A ufgabe wissenschaftlichen Denkens sei, wobei Erfahrung als alleinige zuv erlässige Erkenntnisquelle, Induktion[9] als alleinige zuv erlässige Denkmethode in A nspruch genommen wird.
• Descartes
Descartes[1 0] v erlangt Zweifel an allem Zweifelbaren und er erblickt in der Tatsache unseres Denkens die einzig ursprüngliche Gewissheit. Der Mensch als denkendes Wesen ist damit den gläubigen Menschen des Mittelalters entgegengestellt.
• Grotius
Grotius[1 1 ] sah den wahren Grund des Rechts nicht mehr in Gott, sondern in der Natur des Menschen. Die Mitte der menschlichen Gemeinschaft ist die Natur, nicht Gott. Ihr Sinn ist nicht der Glaube, sondern die V ernunft. Er befreite das V ernunftrecht v on der Fessel der Moraltheologie. Das Naturrecht ist unv eränderlich, so dass es nicht einmal v on Gott geändert werden könnte („Est autem ius adeo immutabile, ut ne a Deo quidem mutari queat“ ) und es würde selbst dann weiter gelten, wenn es Gott nicht gäbe. Wenn sich eine Rechtsordnung durchsetzen soll, so muss sie säkularisiert sein, v erstanden als Befreiung v on konfessionellen Positionen. Hier sind die Ergebnisse der Religionskriege im 1 6. Jahrhundert und deren Resultate auf die Wissenschaft zuerkennen.
Zur Erkenntnis der Rechtssätze des Naturrechts gelangt Grotius durch allgemeine Betrachtungen über das Wesen des Menschen und der Welt. Seine Grundprinzipien der Gerechtigkeit sind Gleichheit und Treue.
Dieses Denken ist eng v erbunden mit der rationalistischen Philosophie v on Descartes, Spinoza, Leibnitz und Chr. Wolff, die dav on ausgingen, dass der Mensch fähig ist, mit Hilfe seiner V ernunft („ratio“) das Wesen und die Zusammenhänge sowohl der sinnlichen als auch der übersinnlichen Dinge zu ergründen.
• Pufendorf
Für Pufendorf[1 2] ist das oberste Prinzip des Naturrechts die „socialitas“[1 3] . Dies ist die Pflicht, mit anderen im gemeinschaftlichen V erband zu leben und die Gemeinschaftsinteressen zu fördern. Sie ist der objektiv – sittliche Wert des menschlichen Lebens. Sie bestimmt, was der Mensch „soll“, damit er selbst in der Gemeinschaft heil sei und das Gute seiner Lage genießen könne. Die socialitas ist das Prinzip echter Menschlichkeit, die den Menschen um des Menschen willen achtet und nicht um Nutzen zu erlangen oder Schaden zu v ermeiden. Dieses Prinzip benutzt er, um v om Einfachen zum Besonderen aufzusteigen und dadurch die Rechte und Pflichten des Einzelnen für Gemeinschaft und Staat zu bestimmen. Übertragen im Strafrecht führt dieses Prinzip zu der zurechenbaren Handlung. Sein Werk („De iure naturae et gentium“) ist gegliedert nach Rechtsplichten, die jeder Mensch gegen sich selbst, gegen andere und innerhalb der Gemeinschaft hat.
– Wissenschaft bis Böhm er (Matthaeus, Ziegler)
Matthaeus[1 4] v ersucht als erster V erbrechen und Strafe als Grundbegriffe losgelöst v om einzelnen Deliktsty pus zu erklären.
Ziegler[1 5] gelangt methodisch zu einer sy stematischen Darstellung der allgemeinen V erbrechenslehren
Ihren Höhepunkt erreicht die Bedeutung der Sy stematik dann mit Böhmer[1 6] Er v erfasste das erste Lehrbuch des Strafrechts v on wissenschaftlicher Bedeutung (Elementa iurisprudentiae criminalis, 1 7 32)
II. Strafrechtstheorien des 16. bis 18. Jahrhunderts
– Theokratische Straftheorie Die theokratische A uffassung begründet das staatliche Recht auf die göttliche A utorität.
• Luther und Melanchton
Der Theologe Martin Luther rechtfertigt die Strenge des staatlichen Strafrechts. Er unterscheidet dabei zwischen dem Reich Gottes und dem Reich dieser Welt. Im letzteren sieht er die Guten (die wahren Christen) ständig v on den Bösen bedroht. Den Bösen gegenüber ist der Fürst „Gottes Zorn und Gottes Rute“. Die Frommen zu schützen ist Gottes Befehl an die Obrigkeit. Der Zweck der Strafe ist ebenfalls aus Gottes Willen abzuleiten: A bschreckung der Bösen, ihre Unschädlichmachung und die Sicherung der Rechtschaffenden. Melanchthon[1 7 ] stimmt mit Luther überein, ist jedoch etwas sy stematischer. Beide lehnen sich an Thomas v . A quin und A ristoteles an.
• Carpzov
A uch für Carpzov beruhen Staat und Obrigkeit auf A nordnung und Willen Gottes, des Legislator Summus[1 8]. Das V erbrechen ist nicht nur eine V erletzung staatlicher Normen, sondern auch stets Sünde gegen Gott. Staatliche Strafe ist notwendig, weil Gott sie will, dies bekräftigen zahlreiche A ussprüche der Lex div ina. Hauptfunktion der Strafe ist Unschädlichmachung und generalpräv entiv e A bschreckung. Für eine Ä nderung der Härte der Strafen besteht deshalb für ihn kein A nlass. Nach Carpzov steht das Naturrecht (lex naturae) für das nichtgeoffenbarte göttliche Recht, das die Lex div ina ergänzt. Es hat nichts mit der V ernunfteinsicht zu tun.
• T heodoricus
In Jena zählte Carpzov zu den Hörern v on Theodoricus. Nach Theodoricus sollten Strafen zur Besserung, Erhaltung der Allgemeinen Sicherheit, A bschreckung anderer und zur Genugtuung des V erletzten v erhängt werden.
– Naturrechtslehre
Die Naturrechtslehre bringt eine radikale Loslösung vom religiösen Fundament und eine Säkularisierung der
Strafrechtstheorie.
• Grotius
Für Grotius kann sich die Rechtfertigung der Strafe nur aus der menschlichen Natur und der auf sie gegründeten Gemeinschaft ergeben. A ls V erstoß gegen die Gemeinschaft kann eine schwere Tat nicht straflos bleiben, dass muss jeder v ernünftige Mensch einsehen. Der Zweck der Strafe ergibt sich aus der V ernunft: „Um des Nutzen aller willen darf der Täter unschädlich gemacht, um seines eigenen Nutzens willen darf er durch die Strafe gebessert werden ; damit findet auch der V erletzte selbst seinen Nutzen, nämlich Schutz gegen den V erbrecher. Die Furcht v or der Strafe soll Gegenmomente gegen den A nreiz zu V erbrechen schaffen (Generalpräv ention). Der Talionsgedanke ist seit Grotius überwunden, an seine Stelle tritt die Gesellschaftsschädlichkeit und die Nützlichkeit (Utilitas).
• Pufendorf
Bei Pufendorf ergibt sich das Recht der Obrigkeit, Strafen aufzuerlegen, aus dem Gesellschaftsv ertrag. Dem Gesellschaftsv ertrag liegt die philosophische V orstellung zugrunde, dass Gewaltinhaber und Gewaltunterworfene einen V ertrag geschlossen hätten. Freie und gleiche Indiv iduen haben sich zu einem Staat zusammengetan. In einem anschleißenden Unterwerfungsv ertrag ist dem Herrscher die oberste Gewalt übertragen worden. Ein Widerstandsrecht bei V ertragsbruch durch unrechtsmäßige Amtsausübung des Herrschers, lehnt Pufendorf ab, hält jedoch eine v erfassungsmäßige Beschränkung der Souv eränität für möglich. Seine Lehren erscheinen geradezu als eine naturrechtliche Rechtfertigung des damaligen positiv en Rechts und der absolutistischen Monarchie. V oraussetzung für eine Bestrafung ist, dass die Strafe v orher kundgemacht worden ist. Gerechtfertigt wird die Strafe durch ihre Nützlichkeit für den Staat. Utilitas[1 9] , bezogen auf die staatlichen Interessen ist also oberster Wert. Die Staatsräson hat V orrang v or dem Primat[20] der Gerechtigkeit (gefordert v on Cicero und Schwarzenberg). Sinn der Strafe ist nicht V ergeltung, sondern V erhütung künftiger V erbrechen. Darauf zielt die A ndrohung der Strafe im Gesetz ab. Pufendorf stimmt mit Grotius überein, indem er Besserung und Unschädlichmachung des Täters, sowie generalpräv entiv e A bschreckung als Mittel zur Erreichung dieses Ziels herv orhebt. Jedoch entsprechen absolut bestimmte Strafen nicht dem Naturrecht – eine Strafe ist zu hart, wenn es eine mildere gibt, die ebenfalls dem Staatswohl dient. Es
ist A ufgabe des Landesherrn, absolute Strafen nachträglich zu schärfen oder zu mildern.
In der Rechtsprax is wirkten die Werke v on Grotius und Pufendorf v ornehmlich bei solchen Rechtsfragen, die nicht positiv -rechtlich geregelt waren.
• Böhmer
Böhmer stimmt Grotius und Pufendorf zu: Zweck der Strafe ist die Unschädlichmachung und Besserung des Täters und generalpräv entiv e A bschreckung der A llgemeinheit.
III. Hauptproblem der Strafrechtsdogm atik
– Institut der ponea ex traordinaria
Die Carolina enthielt zum größten Teil absolut bestimmte Strafen (ponea ordinaria), also solche, die keinen Spielraum für den Richter ließen.
Das Institut der ponea ex traordinaria entwickelte sich aufgrund des Bedürfnisses in der Prax is der Rechtspflege. Sie tritt an die Stelle der im Gesetz v orgesehenen ponea ordinaria, wenn der konkrete Fall dem im Gesetz v orgesehenen nicht genau entspricht. Welche A bweichungen v on dem im Gesetz v orausgesetzten Fall den Richter berechtigen, zur ponea ex traordinaria zu greifen, ist eine der wesentlichsten A ufgaben der damaligen Strafrechtswissenschaft:
Böhmer stellt hierzu auf den einzelnen Deliktsty pus ab. Dolus, V ollendung und ordentliche Teilnahme an der Tat sind V oraussetzung der ponea ordinaria. Culpa (Fahrlässigkeit), V ersuch und außerordentliche Teilnahme sind V oraussetzungen der ponea ex traordinaria.
Carpzov stellt für die A bgrenzung auf das corpus delicti, den Beweisgegenstand, ab. Das corpus delicti für eine Handlung wegen occisum (Totschlag) oder homicidium (Mord / Tötung) ist eine „lethale“ Wunde. Ist diese Lethalität der Wunde nicht nachweisbar, so bleibt nur eine Haftung wegen V erwundung, also der ponea ex traordinaria. Festgestellt werden sollte die A rt der Wunde durch einen medizinischen Sachv erständigen.
– Lehre v on der Im putation[21] (Pufendorf)
Puffendorf gründet seine Imputationslehre auf die „freie Handlung“ des Menschen. Der Mensch hat eine moralische V erantwortung für sein „freies Handeln“. Er ist v erantwortlich für die Handlungen, bezüglich derer es ihm freistand, ob er sie v ornimmt oder nicht. Damit hat Pufendorf den grundlegenden Gesichtspunkt für die gesamte Schuldlehre gefunden. Die Imputationslehre stammt ursprünglich v on A ristoteles: Eine Handlung ist dann zurechenbar, wenn „Tatherrschaft“ besteht, also sofern die Handlung in der Gewalt des Menschen steht, sie etwas Freiwilliges ist und der Mensch sich auch anders hätte entscheiden können. A ffekthandlungen sind eingeschränkt zurechenbar. Bei Handlungen, die auf Irrtümern beruhen, ist die A rt des Irrtums wichtig: Unwissenheit bezüglich des positiv en Rechts entschuldigt nicht – es zu kennen ist die Pflicht des Menschen. Bezieht sich die Unwissenheit auf das Handeln, so hängt die Imputierbarkeit dav on ab, ob die Unwissenheit selbstv erschuldet und v ermeidbar oder unv erschuldet und unvermeidbar war.
– Notwehr und Notstand bei Pufendorf
A bgeleitet aus der Imputationslehre: Eine Zurechnung der Notwehrhandlung ist deshalb nicht zulässig, weil der in Notwehr[22]. Handelnde zur Selbsterhaltung greift. Im Notstand[23] aber hört die v erpflichtende Bedeutung der
Gesetze auf, die auf Handlung zur Rettung aus dem Notstand keinen Bezug haben.
IV. Strafprozessrecht
Die Carolina kannte zwei Formen der Prozesseinleitung: A nklage oder „A nnehmen der Übeltäter v on Amts wegen“. Das A nklage- oder A kkusationsv erfahren[24] wurde auch als processus ordinarius, der Inquisitionsprozess als processus ex traordinarius bezeichnet.
Im entstehenden Polizeistaat war nur der Inquisitionsprozess erwünscht. Bereits Carpzov hatte ihn bev orzugt. Der Inquisitionsprozess war in zwei Stadien zerlegt: Die Generalinquisition als erster Teil fragt nur, ob ein bestimmtes V erbrechen überhaupt v orliegt. In der daran anschließenden Spezialinquisition wird der V erdächtige festgenommen und v or den Untersuchungsrichter gestellt. Sie setzt mit der V erhaftung ein. Für die Durchführung der V ernehmung des Beschuldigten und der Zeugen hat der Richter den gesamten Prozessstoff in einzelne Fragen aufzulösen. Grund: er sollte genaue Kenntnis v on der Sache erlangen und gleichzeitig eine A rbeitserleichterung für die spätere A ktenv ersendung zur Einholung des Urteilsv orschlags schaffen.
Unter Carpzov ´s Einfluss kam es zu der Einsicht, dass bei nicht v ollständig erbrachten Beweis nur die Strafe der ponea ex traordinaria zu v erhängen sei. Ursprünglich eine Idee der italienischen Rechtsgelehrten. Die V erfasser der Carolina waren noch gegen eine solche Milderung gewesen.
Das Rechtsmittel der A ppellation[25] war nur im A kkusationsv erfahren zugelassen. A uf Carpzov ist es zurückzuführen, dass es dem V erurteilten im Inquisitionsprozess aber wenigstens gestattet wurde, den Prozess durch Beibringung weiterer Beweismittel fortzusetzen, über deren Ergebnis dann in einem neuen Urteil zu entscheiden war.
C. Entwicklung der Strafrechtspflege
I. Die m aßgeblichen Kräfte
– Einfluss der Landesherren
Der Landesherr war Träger der Staatsgewalt. Seine A ufgaben waren die Sicherung des Landes und der Untertanen, die Wahrung der fürstlichen A utorität und das Interesse an V ermögenseinziehung und Geldbussen.
Er hatte die oberstrichterliche Stellung und beauftragte Staatsdiener mit der A usführung der Gerichtsbarkeit. Er behielt sich ein Bestätigungsrecht v or. Damit konnte er V erfahren an sich ziehen, in die Justiz eingreifen und Urteile abändern. Durch die Zahlung v on Geld an die fürstliche Schatulle konnte ein Beschuldigter Einfluss auf den Landesherrn nehmen und ihn dazu bewegen, den Prozess niederzuschlagen. Mit dem Fiskalat wurde eine spezielle Behörde begründet, die die Wahrung der landesherrlichen Interessen zur A ufgabe hatte: Kontrolle der Einhaltung v on V erordnungen und der fiskalischen Interessen des Kurfürsten. Im 1 7 . und 1 8. Jahrhundert waren gesetzgeberische Tätigkeiten der Landesherren nicht selten. Sie regelten über V erordnungen, Erlasse und Reskriptiv en, als Rechtsfortbildung zur Carolina.
– Einfluss der Gerichte
Durch die Gerichte dringen die A nschauungen der Wissenschaft in die Prax is ein, besonders aufgrund der Sprüche der Juristenfakultäten und Schöffenstühle (Stichwort: A ktenv ersendung).
II. Strafen
– Überkom m ene peinliche Strafen
Der Scharfrichter wurde v om V olk als unehrlich angesehen. Er wohnte außerhalb der Stadtmauern und hatte neben dem Henker- und Folterdienst auch die A bdeckerei und Fäkalienabfuhr zu erledigen. A ls neue Strafform kam die Prangerstrafe auf. Der Täter wurde in einen Eisenkäfig gesetzt und öffentlich ausgestellt. A lle peinlichen Strafen wurden zur A bschreckung öffentlich v ollzogen. Der V erurteilte wurde in einer A rt Prozession v om Gefängnis zum Richtplatz gebracht. Unter Begleitung des Richters, Henkers und des Schulmeisters mit seinen Kindern, die geistliche Lieder sangen.
– Opera publica
Mit Opera publica wird die A rbeitsstrafe bezeichnet. Formen waren Galeerendienst (angekettet rudern), Springerstrafe (Straßenreinigung), Karrenstrafe (ziehen v on schweren Karren) oder Festungsdienst (Bauarbeiten). Im ostpreußischen Landrecht v on 1 7 21 kam die Opera publica ungefähr 40 mal v or.
– Aufkom m en m oderner Freiheitsstrafen
Die Idee der modernen Freiheitsstrafe entstammt der religiösen Besinnung und der A rmenfürsorge. Das Bettelunwesen und das V agantentum nahm immer mehr zu.
Mit entscheidend war auch die Calv inistische A rbeitsethik. Die A rmut in der Bev ölkerung sollte durch A rbeitsbeschaffung bekämpft werden. Gott selber ruft immer wieder zur A rbeit auf. Wer diesen Ruf nicht hören will, der soll notfalls mit Zwang an die A rbeit gebracht werden.
In England entstand 1 531 die Bettelakte: Bettler, die ohne einen Bettelbrief aufgegriffen wurden, sollten drei Tage in den Blick, bei Wasser und Brot. Im Jahre 1 555 wurde das Schloss Bridewell zu einer A nstalt umgebaut, um „sturdy v agabonds“ zur A rbeit zu zwingen. Diese A nstalt trug den Namen „house of correction“.
In Holland kam es bald zur Übernahme dieser Idee. 1 595 entstand in Amsterdam ein Männerzuchthaus und zwei Jahre später eines für Frauen. Ziel war die Zucht als Erziehung zur A rbeit. V orgesehen waren sie für Bettler, A rbeitsunwillige und für jugendliche Diebe, als Ersatz für den Galgen. Neben dem Zwang zur A rbeit (Holz zerkleinern, Spinnarbeiten) herrschte strenge Disziplin. Peitsche, Essensentzug und A rrest waren Disziplinarstrafen für die Jugendlichen. A ber es gab auch Unterricht und ärztliche Betreuung. Weiter wurde auf Sauberkeit und V erpflegung geachtet. V or der Entlassung musste der Jugendliche ein Besserungsgelöbnis ablegen.
Nach 1 600 fand die Idee auch in Deutschland Nachahmung. Zuerst in Hamburg, Bremen, Lübeck, dann Kassel (1 61 7 ) und Danzig (1 61 9). Zu Beginn wurden die Zuchtstrafen als ponea ex traordinaria im Gnadenweg v on den Gerichten ausgesprochen, auch ponea abitraria genannt. Nur langsam erfolgte die A ufnahme in den Gesetzen selber.
Die A bgrenzung zur opus publica wird in zwei Urteilen aus Magdeburg deutlich. V on zwei Dieben wird der eine zu zwei Jahren Zuchthaus v erurteilt, “ zur Erlernung eines Handwerks und um durch Erziehung im Christentum gebessert zu werden (= Resozialisierung durch Arbeit). Der andere wird zu drei Jahren „Vestungsarbeit“ und Landesverweisung verurteilt (= generalpräventive Abschreckung). Überhaupt war die opus publica nichts anderes als eine peinliche Strafe, nämlich die Erniedrigung durch Schwerstarbeit.
Mit der Zeit wurden aus den Zuchtanstalten staatliche Betriebe, die an priv ate Betreiber v ermietet wurden. Deren Ziel war ein größtmöglicher Gewinn und sie v erfolgten keine kriminalpolitischen Zwecke. Die A nstalten v erkamen so zu „Hochschulen des V erbrechertums“, in denen schlimme Zustände herrschten: schlechte Hy giene und mangelnde Disziplin, dafür harter A rbeitszwang. Somit gab es zum Ende des 1 8. Jahrhunderts in Deutschland eine rückläufige Bewegung.
– Gefängnisstrafe (carcer)
Zur Zeit der Carolina dienten die Gefängnisse in Stadtmauern und Rathauskellern überwiegend der Untersuchungshaft. Seit dem 1 7 . Jahrhundert mehrten sich V erurteilungen zur Gefängnisstrafe (carcer), meist bei wenig Essen (Wasser und Brot), angekettet oder in den Block gespannt. Ihr Charakter war die Freiheitsentziehung v erbunden mit Leibesstrafe.
III. Strafv erfahren
– T endenz zum Inquisitionsprozess
Die Obrigkeit im A bsolutismus[26] forderte das Inquisitionsv erfahren, bei der die Strafv erfolgung in der Hand des Staates lag. Man bev ormundete und reglementierte die A ngelegenheiten der Untertanen und hielt sie für ein unmündiges Objekt. Daneben hielt sich aber auch noch der A kkusationsprozeß. Jedoch herrschte die Tendenz, ihn ganz durch den Inquisitionsprozess zu ersetzen. Mit dieser V erdrängung des A nklageprozesses ging Hand in Hand ein A bbau der ständischen Macht zur Begründung und Festigung des fürstlichen A bsolutismus.
– Fortbildung des Inquisitionsprozesses nach der Carolina
Durch die Lehren der Italiener kam es zur Zerlegung des Inquisitionsprozesses in zwei scharf getrennte Teile:
Generalinquisition und Spezialinquisition.
Die Carolina kannte diese Unterscheidung nicht. Nach ihr setzte der Inquisitionsprozeß mit der V erhaftung ein. Die v orhergehenden Untersuchungsmaßnahmen regelte sie nicht.
Die Unterscheidung diente dem Schutz des Beschuldigten, denn das V erfahren durfte erst dann v on der Generalinquisition zur Spezialinquisition übergehen, wenn es zu einem bestimmten Ergebnis gekommen war: der Feststellung des Corpus delicti. Wie das Corpus delicti aussehen musste, war v on dem Delikt abhängig: bei Tötungsdelikten = Leichnam mit letaler Wunde gefunden, bei Brandstiftung = Brandställe sichtbar, bei Gotteslästerung und Beleidigung = Zeugen (Lehre v om Corpus delicti).
Die Spezialinquisition setzte mit der V erhaftung ein. Nun waren dem Beschuldigten alle Einflußmöglichkeiten genommen. Er war auf die Fähigkeiten des Untersuchungsrichters angewiesen. Auch die Spezialinquisition war an strenge Formen gebunden. Sie bestand aus „artikulierten V erhören“. Der Richter hatte das ganze Material in einzelne, schriftlich festzuhaltende Fragen aufzulösen und sich bei der Befragung daran zu halten. A uch die Zeugen wurden „artikelweise“ v ernommen.
Erst nach A bschluß der V erhöre konnte ein Defensor für den Beschuldigten tätig werden. Er hatte A kteneinsicht und konnte eine V erteidigungsschrift einreichen. Diese wurde zusammen mit den A kten dem Spruchdikasterium übersandt.
Das Spruchdikasterium machte den Urteilsv orschlag. Entweder entschied es auf Notwendigkeit weiterer Ermittlungen bzw. Folter oder auf Endurteil durch V erurteilung oder Freispruch oder A bleistung eines Reinigungseids.
– Der Akkusationsprozeß
Er hat seinen Namen daher, weil der (priv ate) A nkläger ein Klagelibell einreicht und damit den Prozeß in Gang bringt. Er ist dem Ziv ilprozeß sehr ähnlich. Der A nkläger war beweispflichtig, der Beschuldigte konnte den Gegenbeweis antreten. Ein Schriftwechsel diente der Erörterung des Prozeßstoffes. Beide Parteien konnten sich durch einen A dv okaten v ertreten lassen. Für den Beschuldigten bedeutete dieses V erfahren eine bessere aktiv e V erteidigungsmöglichkeit. Dieses schätzten ganz besonders die Stände, die damit gegen den v om Landesherrn bev orzugten Inquisitionsprozeß auftraten.
Bereits die CCB und CCC erschwerten den A kkusationsprozeß. Der A nkläger wurde im Fall seines Unterliegens wegen fehlender Beweise mit schweren Sanktionen bedroht – bis hin zur eigenen V erhaftung.
A uch der absolutistische Staat als Polizeistaat lehnte den A kkusationsprozeß ab. Zu groß war die Gefahr für das öffentliche Interesse an der Bestrafung des Schuldigen und der Gefahr durch Prozeßv erschleppung, außergerichtliche Einigung (Sühnegeldleistung) und das Scheitern des Prozesses wegen mangelhaften Beweismaterials.
Der A nklageprozeß wurde in der Folge modifiziert: der Richter hatte das Recht, inquisitorisch einzugreifen, sollte ein priv ater Kläger die A nklage fallen lassen (so in Brandenburg, 1 61 5). Oder er wurde komplett untersagt: so in der A ltmark (1 621 ) und in Preußen (1 7 24). Der Sühnev ertrag hatte im Strafv erfahren damit nur noch die
Bedeutung eines für die Behörden unbeachtlichen außergerichtlichen V erzeihens.
1 7 40 wurde in Preußen das A nklagev erfahren wieder freigegeben, aber nur für Injuriensachen. In anderen Landesteilen wurde der priv ate Kläger durch einen amtlichen Fiskalen als A nkläger ersetzt (so in Lippe um 1 600 und Baden um 1 588). Dieser hatte das für den Klagelibellus erforderliche Beweismaterial zu sammeln, dann damit das V erfahren einzuleiten und die Zeugenbeweisartikel zu schreiben, sollte der Beschuldigte leugnen. Der Beschuldigte konnte seinerseits Gegenbeweisartikel einreichen, worauf in einem Wechsel v on Beweis- und Gegenbeweisschriften der Prozeß bis zum A ktenschluß durchgeführt wurde.
– Auflockerung der Form en des Inquisitionsprozesses
Die Obrigkeit drängte weiter auf A bkürzung der Prozesse. Der A nklageprozeß war schwerfällig und wegen des Beweis- und Gegenbeweisv erfahren zu förmlich. Der Inquisitionsprozeß hatte dagegen aufgrund der amtlichen Tätigkeit eine schnelle Erledigung der Sache zur Folge. A uch der Zulassung eines Rechtsmittels stand der absolutistische Staat wegen der damit v erbundenen V erlängerung des V erfahrens ablehnend gegenüber. Bereits Carpzov war für die Unzulässigkeit der A ppellation. Jedoch gestattete er die defensio – die Geltendmachung neuer Tatsachen und Beweise auch nach V erurteilung.
Besonders Preußen ging scharf durch eine Kanzlerorder v on 1 7 27 gegen die aufkommende A ppellation seiner Fiskale v or.
Die Tendenz zur V erkürzung griff auch in das Inquisitionsv erfahren selber ein. Die strengen Formen galten als
überholt. Der Unterschied zwischen Generalinquisition und Spezialinquisition v erblaßte.
Brunnemann[27 ] forderte bei geringen V erbrechen auf Grund der summarischen V ernehmung des Beschuldigten und der Zeugen in der Generalinquisition die Sache abzuschließen und zum Spruch zu bringen, also auf die Spezialinquisition zu v erzichten. Der Schwerpunkt lag dann auf der „summarischen“ (d.h. nicht artikulierten) V ernehmung, der Generalinquisition.
In der preußischen Kriminalordnung v on 1 7 1 7 ist der scharfe Gegensatz bereits überwunden.
Der V erdächtige kann nun in jedem Stadium des Prozesses nach richterlichem Ermessen v ernommen werden, auch ohne dass v orher der Tatbestand (das dolus delicti) festgesetzt wurde.
Der Landesherr war nicht nur oberster Richter und konnte in die Prozesse eingreifen, sondern er konnte auch A nweisungen für das V erfahren geben. In Preußen gab es die A nweisung, die A ngelegenheit aufgrund eines „summarischen“ Zeugnisses in einem gerichtlichen Termin, in dem V erletzter und Beschuldigter gegeneinander zu hören seinen, kurz und rasch abzumachen (sog. fiskalische Strafprozesse). Fiskale waren „Gesetzeswächter“ des Landesherrn.
– Entwicklung zum Ende der gem einrechtlichen Epoche
• Polizeistaat
Der Polizeistaat, wie er sich während des A bsolutismus entwickelt hatte, beeinflusste auch den Inquisitionsprozess und führte zu seiner V erwässerung, d.h. zur Beseitigung aller als Schutzmittel gedachten Prozessformalien. Dieses aller justizförmigen Garantien entbehrende V erfahren trieb in ein polizeiliches Zweckmäßigkeitsdenken hinein. Damit endete die Epoche des gemeinen Rechts so, wie sie begonnen hatte in Formlosigkeit des Inquisitionsprozesses.
• Hexenprozesse
Am grausamsten zeigt sich diese Entwicklung in den Hex enprozessen des 1 6. bis 1 8. Jahrhunderts. Hex erei wurde als schweres V erbrechen gesehen. Man glaubte, der Teufel würde eine reale Erscheinung sein und könnte Bündnisse mit Menschen eingehen, die dann in der Lage wären, andere Menschen und V ieh zu v erhex en und ihnen Schaden zuzufügen. Bereits der Sachsenspiegel bestrafte Hex erei mit dem Feuertod. Der „malleus maleficarum“ (Hex enhammer, 1 487 ) v on Institoris und Sprenger[28] schaffte die Grundlage für einen „rechtlichen“ Hex enprozess. Er enthielt genaue A nweisungen für einen solchen Prozess: A rt der Fragen, A blauf der Folter, etc.
Das Schwergewicht des Hex env erbrechens lag auf dem Pakt mit dem Teufel, (magia daemonica) nicht auf der Schadenszufügung. A uch Carpzov stimmte dieser A uffassung später zu.
A nders sah es Schwarzenberg. Die CCB und CCC unterscheiden nach dem Schaden. Hex erei in V erbindung mit einem Schaden sollte mit dem Teuertod bestraft werden. Hex erei ohne Schaden für andere sollte nach Rat der juristischen Fakultäten beurteilt werden – also nach A ktenv ersendung (A rt. 1 09 CCC). Schwarzenberg wird gewußt haben, dass gelehrte Personen weniger anfällig für A berglauben sind.
V iele Richter, Seelsorger und Pastore glaubten ein gottgefälliges Werk zu tun, wenn sie mittels der Folter nicht nur aberwitzige Geständnisse eigener V erfehlungen, sondern auch A ngaben über die Mitschuld anderer Personen aus dem Beschuldigten herausholten, was dann zu einer A usbreitung des V erfahrens auf zahlreiche andere führen konnte.
Wie v iele so v erurteilt wurden, ist nicht genau bekannt. Bei Carpzov spricht man v on 1 00 Hex en auf dem Scheiterhaufen. Ein Richter aus Fulda soll innerhalb v on 1 9 Jahren über 7 00 Hex en v erbrannt haben. A uch die Chroniken der Städte lassen auf sehr v iele Hex enprozesse schließen.
Bereits 1 631 gab es Widerstand dagegen. Der Jesuit Spee[29] v eröffentlichte anony m seine Cautio criminalis und rechnete mit Richtern und Beichtv ätern ab. Er nannte das Hex env erbrechen ein Hirngespinst, deren Ex istenz sich ausschließlich auf den Einsatz der Folter gründet. Seine Wirkung war jedoch gering. Seine Schlussfolgerung dafür umso größer. Die Folter war für den Hex enprozess enorm wichtig gewesen. Bis über die Mitte des 1 6. Jahrhunderts hinaus endeten die meisten A nschuldigungen wegen Hex erei unter A nwendung des A kkusationsprozesses, bei dem der Kläger den Beschuldigten zu überführen hatte, mit einer V erurteilung des Klägers wegen V erleumdung, da dieser regelmäßig seine A nklage nicht beweisen konnte. Erst die konsequente A nwendung des Inquisitionsv erfahrens mit der Folter zur Erlangung eines Geständnisses, brachte den gewünschten Erfolg. Eine V erurteilung war zwangsläufig: Gesteht die A ngeschuldigte auf der Folter, überführt sie ihr Geständnis, dessen Widerruf ohne Wirkung bleibt. Gesteht sie nicht, wird sie gefoltert, bis die durch den Dämon bewirkte V erstocktheit gebrochen ist.
Erst die Naturrechtsbewegung und die A ufklärung beendeten das grausame Treiben. Die Schriften v on Thomasius leiteten die V erdrängung der Hex enprozesse ein. Das ostpreussische Landrecht v on 1 7 21 erklärte den Hex englauben als „Wahn“. Die letzten Hex en in Deutschland wurden in Würzburg (1 7 49), Erdingen (1 7 51 ) und Kempten (1 7 7 5) v erbrannt. In der Schweiz starb die letzte Hex e noch 1 7 82.
[1] cl a u su l a sa l v a tori a = Hi n wei se der Ca rol i n a a u f Ergä n zu n gen du rch frem des
R ech t
[2] N i col a u s V i gel i u s (1529-1600), Ju ri st, Professor i n Ma rbu rg, bi s 1594, a l s er
v on sei n em Stu h l wegen A n gri ffe a u f Geri ch t u n d R el i gi on en tl a ssen wu rde. Er
v erfa sste a l s erster i n Deu tsch l a n d ei n es kom pl etten Sy stem des R ech ts.
[3] Petru s Th eodori cu s (1580-1640 ), Ju ri st u n d a b 1608 Professor a n der
Un i v ersi tä t Jen a . Sei n ri ch ti ger N am e wa r Peter Di etri ch .
[4] So wu rde di ese Meth ode i n Fra n krei ch gen a n n t.
[5] A n drea s Ga i l (1526-87 ) wa r Gel eh rter a n der Un i v ersi tä t Köl n u n d Mi tgl i ed
v on R ei ch sh ofra t u n d R ei ch skam m ergeri ch t. Er begrü n dete ei n e n eu e
rech tswi ssen sch a ftl i ch e R i ch tu n g, di e Th eori e u n d Pra x i s v erbi n den wol l te
(Kam era l ju ri spru den z).
[6] Ph i l i pp A n drea s Ol den bu rger (u m 1620 – 167 8), Professor der R ech te i n Gen f.
[7 ] Logos (gri ech . ????? – „Wort“, „Spra ch e“) m ei n t a l l e du rch Spra ch e
da rgestel l ten Ä u ßeru n gen der „V ern u n ft“.
[8] Fra n ci s Ba con v . V eru l am (1561-1626), en gl i sch er Ph i l osoph u n d Sta a tsm a n n ,
Em pi ri st.
[9] In du cti o [l a t.] „di e Herei n fü h ru n g“ – da s Fol gern v om Spezi el l en a u f da s
A l l gem ei n e. Den Gegen sa tz bi l det di e Dedu kti on m i t dem Fol gern v om
A l l gem ei n en a u f da s Beson dere (si eh e oben ).
[10] R en e Desca rtes (1596-1650), Ph i l osoph , Ma th em a ti ker u n d
N a tu rwi ssen sch a ftl er. Begrü n der des R a ti on a l i sm u s. Sei n berü h m testes Di ctu m
i st „cogi to, ergo su m “ („i ch den ke, a l so bi n i ch “).
[11] Hu go Groti u s (1583-1645), n i ederl ä n di sch er pol i ti sch er Ph i l osoph , Th eol oge
u n d R ech tsgel eh rter. Er gi l t a l s ei n er der i n tel l ektu el l en Grü n du n gsv ä ter des
Sou v erä n i tä tsgeda n ken s, der N a tu rrech tsl eh re u n d des V öl kerrech ts.
[12] Sam u el v on Pu fen dorf, (1632-1694), deu tsch er N a tu rrech tsph i l osoph ,
Hi stori ker sowi e N a tu r- u n d V öl kerrech tsl eh rer. Du rch sei n sä ku l a res
N a tu rrech t u n d der Befü rwortu n g ei n es ei n h ei tl i ch en V öl kerrech ts n a h m er
m a ßgebl i ch en Ei n fl u ss a u f di e deu tsch e R ech ts- u n d Sta a tsph i l osoph i e im 18.
u n d 19. Ja h rh u n dert u n d wu rde zu ei n em der Wegberei ter der A u fkl ä ru n g.
[13] [l a t.] Gesel l i gkei t, Kam era dsch a ft, Bü n dn i s, Tei l n a h m e
[14] A n ton i u s. Ma tth a eu s (1601-1654) a u s Herborn , Ju ri st u n d Professor i n
Gron i n gen , Ha derwi jk u n d Utrech t.
[15] Ka sper Zi egl er (1621-1690), Ju ri st u n d Di ch ter,
N a ch fol ger am dorti gen Leh rstu h l wa r Sam u el Stry ck).
[16] Joh a n n Sam u el Fri edri ch v on Böh m er (17 04-17 7 2), Ju ri st, Professor der
R ech te i n Ha l l e u n d Fra n kfu rt (Oder), der h erv orra gen dste Dogm a ti ker des 18.
Ja h rh u n derts.
[17 ] Ph i l i pp Mel a n ch th on (1497 -1560, R eform a tor u n d Professor der Th eol ogi e i n
Wi tten berg. N a ch dem Tode Lu th ers i st Fü h rer der R eform a ti on sbewegu n g.
[18] Oberste (h öch ste) Gesetzgeber.
[19] [l a t.] Bra u ch ba rkei t, Ta u gl i ch kei t, N u tzen , V ortei l .
[20] [l a t.] V orra n g, V orzu g = V orra n gstel l u n g.
[21] Im pu ti o – [l a t.] a n rech n en (Sch u l d), zu sch rei ben .
[22] Bei ei n em A n gri ff du rch ei n en a n deren .
[23] Beim V orl i egen ei n er u n v ersch u l deten erh ebl i ch en Gefa h r fü r Lei b u n d
Leben .
[24] A ccu sa ti o – [l a t.] A n kl a ge, Den u n zi a ti on , A n sch u l di gen , Besch werde.
[25] A ppel l a ti o – [l a t.] A n rede, A u sspra ch e, u m Sch u tz u n d Hi l fe a n ru fen .
[26] A bsol u ti sm u s i st di ejen i ge Herrsch a ftsform , i n der der Herrsch er (Kön i g oder
Ka i ser) u n ei n gesch rä n kte Ma ch t besi tzt u n d oh n e Bea ch tu n g der Gesetze
(„l egi bu s a bsol u tu s“ – „l osgel öst v on den Gesetzen “) regi eren ka n n . Im
A bsol u ti sm u s gi bt es kei n e Gewa l ten tei l u n g. Der Mon a rch kon trol l i ert di e
V erwa l tu n g (Ex eku ti v e), di e Gesetzgebu n g (Legi sl a ti v e) u n d di e Ju sti z
(Ju di ka ti v e), a l so a l l e drei Sta a tsgewa l ten . In A bgren zu n g zu r Di kta tu r kom m t
der a bsol u ti sti sch er Herrsch er l egi tim , du rch Erbfol ge, a n di e Ma ch t. Den
Gegen sa tz zu r Ty ra n n ei bi l det da s A n erken n en der a l l gem ei n en Gebote der R el i gi on u n d der Mora l .
[27 ] Joh a n n Bru n n em a n n , (1608-167 8), Ju ri st, 1636 Prof. der Logi k, 1640 der
Ju ri spru den z i n Fra n kfu rt a .O., 1664 ku rfü rstl . bra n den bu rgi sch er R a t,
Sch wi egersoh n v on Ben edi ct Ca rpzow u n d Sch wi egerv a ter v on Sam u el Stry ck.
[28] Ja kob Spren ger (1435 -1495) u n d Hei n ri ch In sti tori s (Hei n ri ch Kräm er, 1430-
1505), wa ren Dom i n i ka n erm ön ch e, Th eol ogen u n d Hex en ri ch ter, l etzterer a u ch
Th eol ogi eprofessor zu Köl n .
[29] Fri edri ch Spee v on La n gen fel d (1591-1635), Jesu i t u n d Leh rbea u ftra gter fü r
Mora l th eol ogi e i n Pa derborn .
© 2006-201 8 by Martin A rends – http://www.geschichte-des-strafrechts.de
Sti ch wörter: Gesch i ch te, R ech t, R ech tsgesch i ch te, Stra frech tsgesch i ch te
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