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Geschichte des Strafrechts Epochen des Strafrechts 3

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3. A bschnitt – Epoche v or der Rezeption
A . Staat und Kirche
I. Lehenswesen
II. Entstehung der Univ ersitäten
III. Inv estiturstreit
B. Materielles Strafrecht
I. Rechtsquellen
– Gottesfriedesbewegung
– Landfriedensbewegung
– Rechtsbücher
– Stadtbücher
– Sachsenspiegel
II. Bußstrafrecht
III. Entwicklung des peinlichen Strafsy stems
– Besonderheiten in den Landfrieden
– Die peinlichen Strafen im Einzelnen
– Sinn und Zweck der peinlichen Strafen
– Milderung des peinlichen Strafsy stems
IV . Dogmatische Fragen
C. Das Prozessrecht
I. Das alte V erfahren
II. Die Entwicklung des Inquisitionsprozesses
– Erste V orkommen des V erhaftungsrechts
– Weiterentwicklung des V erhaftungsrechts
– Die Folter
– A blauf der Folter
– Widerstände gegen die Folter
– Struktur des Inquisitionsv erfahrens
– Missstände der Kriminaljustiz
III. Reichtag
IV . Reichskammergericht
V . Reichshofrat
3. Abschnitt – Epoche v or der Rezeption
A. Staat und Kirche
Entwicklung im Hoch-[1 ] und Spätmittelalter[2] ging zunächst nur sehr zögerlich voran. Die Strafrechtspflege kommt nach Karl dem Großen und der Teilung seines Reichs in einzelne Gebiete praktisch zum Erliegen. Das gesetzte Recht verschwindet teilweise fast ganz, das Gewohnheitsrecht regiert wieder wie bei den Germanen.
Es konnten noch sehr wenige Menschen lesen und schreiben. Es schwand daher die genaue Kenntnis der Volksrechte. Auch Gerichte konnten sie nur noch in ihren Grundzügen anwenden. Auf der anderen Seite entstanden aber fast keine neuen unmittelbaren und nur wenige mittelbare Rechtsquellen.
I. Lehenswesen
Das Lehenswesen bestimmte die Lebensverhältnisse immer mehr. Unter Friedrich I. (Barbarossa) war es dann voll entwickelt. Das komplette Reich war in Lehen aufgeteilt (sog. Feudalstaat)[3] . Der Kaiser wirkte nur noch als Lehnsherr auf sein Volk ein, also nur noch mittelbar durch seine Vasallen. Es begann im Spätmittelalter einer Schwächung des Lehensv erhältnisse. Im Reich blieb nur noch die Rechte der Lehensnehmer bestehen, die Pflichten dagegen nahmen immer mehr ab. Grund dafür wird die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Ritterheere gewesen sein, denen gut ausgerüstete Söldnerheere den Rang abliefen. Dennoch dauerte das Lehenswesen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, im Jahre 1 806, an.
II. Entstehung der Univ ersitäten
In Italien und Frankreich bildeten sich zu Beginn des 1 2.
Jahrhunderts die ersten Universitäten. Zuerst bestanden nur priv ate Verträge zwischen Schülern und bekannten Gelehrten wie Irnerius. Mit der Zeit kamen immer mehr hinzu und der „Universitätsbetrieb“ wurde größer. Er blieb aber weiter von den finanziellen Beiträgen der Studenten abhängig. Behandelt wurde an den juristischen Fakultäten ausschließlich das Corpus iuris. Die wissenschaftliche Arbeit bestand darin, dass das Corpus iuris mit immer neuen fortlaufenden Kommentierungen (Glossen) versehen wurde, wobei die jüngeren Glossatoren die älteren Glossen übernahmen und ihnen neue hinzufügten, bis Accursius das Werk der Glossatoren um 1 230 abschloss. Diese letzte Fassung wird als Accursische Glosse bezeichnet. Es entwickelten sich rationale Auslegungsmethoden, wie die Fähigkeit zu begrifflichen Abstraktionen und zur deduzierenden Ableitung von Schlussfolgerungen. Die Deduktion[4] oder deduktiv e Methode ist eine Schlussfolgerungsweise vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Vielen auf das Eine. Genauer gesagt werden mithilfe der Deduktion spezielle Einzelerkenntnisse aus allgemeinen Theorien gewonnen. Sie bezeichnet die Gesamtheit der Regeln und Verfahren, mit deren Hilfe es möglich ist, aus gegebenen Prämissen auf rein logischem Wege Schlussfolgerungen abzuleiten. Das Gegenteil ist die Hinwendung zur methodischen Beobachtung des empirisch Einzelnen.
Diese Arbeitsweise entsprach der Methode der Scholastik, die Philosophie und Theologie entwickelt hatten. Die überlieferten Quellentex te des Corpus iuris[5] , der Bibel[6] und den Lehren des Aristoteles[7 ] wurden kritiklos als Verkünder einer ratio[8] scripta[9] , einer unv erbrüchlichen Wahrheit, betrachtet. An ihr durfte nicht gezweifelt werden.
III. Inv estiturstreit
In der Zeit von 1 07 5 bis 1 1 22 beherrschte der Streit um die Investitur von kirchlichen Ämtern das gesamte politische Leben. Der Begriff der Inv estitur bedeutet, dass „eingesetzt werden“ in eine Herrschaftsposition. Begleitet wurde sie immer von einem Publizitätsakt. Bei der Übertragung der Grundherrschaft war es die Übergabe eines Halmes oder einer Erdscholle, bei der Einsetzung eines Bischofs die Übergabe von Ring und Stab. Im Gegensatz zu weltlichen Grafen und Fürsten hatten Bischöfe keine leiblichen Erben als Rechtsnachfolger und so musste immer wieder ein neuer Amtsinhaber gewählt werden, war der alte verstorben. Diese Bischofsinv estitur beanspruchte der Kaiser für sich. Aus klaren machtpolitischen Zielen, denn wer die Besetzung der Bischofsstühle von Mainz, Trier und Köln beherrschte, konnte auch maßgeblich auf die Wahl seines eigenen Nachfolgers Einfluss nehmen.
Auch in der Führungsschicht der Kirche ging es weniger um geistliche Dinge als v ielmehr um herrschaftliche Ansprüche. Nach dem Zerfall des Frankenreiches und der politischen Ordnung in Italien stritten sich riv alisierende stadtrömische Adelsparteien um das Amt des Papstes. Bei der Vergabe der Bischofsämter war die Simonie üblich. Simonie war der Tatbestand, bei dem zur Vergabe geistlicher Ämter weltliche Gegenleistungen versprochen wurden. Also ein Ämterkauf durch Priester und Bischöfe. Angeleitet wurde der Name von dem Magier Simon, der versucht hatte, dem Apostel Paulus die Gabe der Wunderheilung abkaufen zu wollen. Im Laufe des Hochmittelalters kam es aufgrund dieser Missstände zu Reformbestrebungen innerhalb der Kirche. Den Anfang machte die cluniazensische Kirchenreform. Cluny ist ein Benediktinerkloster südlich von Châlons-sur-Saône, welches 91 0 durch den Herzog Wilhelm von Aquitanien gegründet wurde. Dieses Kloster war Ausgangspunkt einer Klosterreform, welche diesen kirchlichen Verfall aufhalten sollte. Die Mönche von Cluny wollten eine Abkehr der geistlichen Gewalt von weltlichen Gütern und die Rückkehr zur strikten Trennung von „geistlicher“ und „weltlicher“ Herrschaft. Ziel war die libertas ecclesiae[1 0], die Befreiung der Kirche von weltlichen Einflüssen

Um dieses Ziel zu fördern, erließ Papst Gregor V II. (1 07 3-84) im Jahre 1 07 5 sein Dictatus[1 1 ] papae. Er forderte darin die Abschaffung der Simonie, das Zölibat der Priester und Beseitigung der Laieninv estitur, also das alleinige Recht des Papstes, Bischöfe einzusetzen. Zur Unterstreichung seiner Forderungen sendet er seine Legaten[1 2] nach Deutschland, v erbannt etliche Bischöfe und Berater
Heinrichs IV . und entzieht diesem unter Androhung des Kirchenbanns jedes Recht zur Verleihung von Bistümern.
Die Reaktion Heinrichs IV . lässt nicht lange auf sich warten. Auf der Sy node zu Worms im Januar 1 07 6 lässt er den Papst durch vierundzwanzig deutsche und zwei italienische Bischöfe absetzen.

Daraufhin erklärt Gregor V II. die Ex kommunizierung des Kaisers und spricht ihm jeden Herrschaftsanspruch in Deutschland und Italien ab und gebietet allen Christen, ihm den Gehorsam zu verweigern. Durch den Bann wurden viele Fürsten verunsichert und fielen von Heinrich IV . ab. Zu groß war die Gefahr eigener Verbannung. Auch die verbannten Bischöfe strebten nach einer schnellen Lösung aus dem Kirchenbann. Im mittelalterlichen Weltbild war die Ex kommunizierung auch gleichzeitig mit dem Verlust des eigenen Seelenheils verbunden. Einer Angst, die damals sehr real war und vor dem alle weltliche Machtansprüche in den Hintergrund traten. Auf dem Fürstentag zu Tribur bildete sich eine starke Fürstenopposition gegen Heinrich IV . und man forderte ihn auf, sich binnen Jahr und Tag vom Bann zu lösen, anderenfalls würde man einen neuen König wählen.
Mit diesem Ziel zog Heinrich IV . (1 050-1 1 06) im Winter 1 07 6/7 7 über die Alpen zu der Burg Canossa, wo der Papst sich gegenwärtig befand. Er kniete barfuss im Büßergewand, unter Ablegung der königlichen Gewänder und der Insignien königlicher Würde, im Schnee vor dem Tor der Burg. Nach drei Tagen konnte der Papst nicht anders, als ihn wieder vom Bann zu lösen, gedrängt durch seinen Berater Hugo von Cluny . Jedoch nicht ohne harte Auflage: Heinrich IV . musste in einem Eid bekennen, sich fortan dem Urteilsspruch des Papstes zu fügen.
Dessen ungeachtet wählte im März des Jahres 1 07 7 die fürstliche Opposition einen Gegenkönig: Rudolf von Rheinfelden. Dieser hatte sich vorher selber zum Schwager von Heinrich gemacht, indem er dessen elfjährige Schwester Mathilde aus dem Kloster entführte und so eine Vermählung erzwang, verbunden mit der Übertragung der Herzogtümer Schwaben und Burgund. Mathilde selber starb im Jahr darauf. Papst Gregor V II. bestätigte diesen sofort und ließ ihn durch den Erzbischof Sigfrid in Mainz zum König salben.
Heinrich IV . stellte sich dem Gegenkönig 1 080 in der Schlacht bei Hohenmölsen. In der Schlacht unterlag er, jedoch verlor Rudolf von Rheinfelden während der Kämpfe seine Schwurhand, mit der er einst Heinrich die Treue geschworen hatte und starb kurze Zeit später an der V erwundung. Heinrich IV . sammelte nun die Reste seines Heeres und belagerte, eroberte und zerstörte die Burgen, in denen sich das Heer Rudolfs verschanzt hatte. Auch nutzte er den Tod Rudolfs, vor allem das Abschlagen der rechten Hand, der Schwurhand, propagandistisch als Gottesurteil, womit er die Fürstenopposition schwächen konnte. Der neue Gegenkönig Hermann von Salm fand nur noch wenig Unterstützung.
Gregor V II. verbannte Heinrich erneut. Diese Verbannung hatte keine Wirkung mehr, zu stark war Heinrichs militärische Dominanz geworden. Die fürstliche Opposition brauchte er nicht mehr zu fürchten. Auf der Synode zu Brixen ließ er den Erzbischof von Ravenna zum Gegenpapst (Clemens III.) einsetzen und machte sich selber mit seinem Heer nach Rom auf. Gregor rief die Normannen Süditaliens zur Hilfe, die ihn beschützen sollten, indem sie Rom in Blut und Asche legten. Es half ihm nicht mehr. Das Heer eroberte 1084 Rom und es kam zu Verhandlungen. Diese scheiterten an der Unnachgiebigkeit von Gregor V II. A ls daraufhin dreizehn Kardinäle von ihm abwichen, wurde er auf einer Synode als Majestätsv erbrecher abgesetzt und ex kommuniziert. Gregor V II. starb 1085 im Exil in Salerno. Inthronisiert wurde Clemens III.
Dieser musste 1 089 vor Urban II. aus Rom fliehen. Urbans Nachfolger Paschalis II. ex kommunizierte Heinrich IV . ein weiteres Mal. Mit einer Wallfahrt nach Jerusalem wollte sich Heinrich IV . vom Bann lösen. Sein Sohn Heinrich V ., der vom Papst unterstützt wurde, nahm daraufhin seinen Vater im Jahr 1 1 05 gefangen. Heinrich IV . starb 1 1 06 in Gefangenschaft.
Heinrich V . (1 1 05-1 1 25) setzte zunächst die Investitur mit Ring und Stab fort. Um eine Verbannung zu umgehen, nahm er Paschalis II. gefangen und zwang ihn zu einer Übertragung des Inv estiturrechts und zur Krönung als Kaiser.
Im Jahr 1 1 1 9 trafen sich Papst Kalix t II. und Heinrich V . um eine Einigung herbeizuführen. Berater auf beiden Seiten hatten vorher jahrelang um eine Einigung und um Frieden gekämpft. Diese wurde schließlich 1 1 22 mit dem Wormser Konkordat erzielt. Für Deutschland verzichtet Heinrich IV . auf die Investitur mit Ring und Stab, aber er behält sein Mitspracherecht bei der Wahl und gewährt die Investitur in weltliche Güter, die Regalien, durch das Zepter, zwischen Wahl und Weihe. In Italien und Burgund sind die Bischofswahlen ganz frei. Der Neugewählte muss nur innerhalb von sechs Monaten nach der Weihe v om Kaiser die Regalien empfangen und ihm des Eid leisten.
B. Materielles Strafrecht

I. Rechtsquellen

Wichtigste Tendenz: Obrigkeit will Fehde verhindern und beseitigen. Dies ist der Ansatz für die Weiterentwicklung des Strafrechts.
Nach dem Niedergang der staatlichen Institutionen unter den letzten Karolingern traten an deren Stelle als Träger der Macht lokale Burgherren mit ihrem bewaffneten Gefolge. Dadurch nahm die Fehde wieder mehr an Bedeutung zu. Neben der gewöhnlichen Fehde der Bauern und Bürger, trat die ritterliche Fehde (Ritterfehde) unter „Standessitte“ auf. „Standessitte“ war die Ansage der Fehde mit Drei-Tages-Frist („diffidatio“). Die Ritterfehde entstand aus dem Berufskriegertum der Ritter. Es kam zu Privatkriegen des Adels, der auch Übergriffe auf das Kirchengut zur Folge hatte und eine große Gefahr für die Sicherheit auf den Landstraßen und der landwirtschaftlichen Produktion darstellte. His nennt die Ritterfehde ein “ gewohnheitsrechtliches Erzeugnis des frühen Mittelalters.“
Daneben bildeten sich auch durch sozial Deklassierte unterer Schichten ein neuer Typ von Gewohnheitsv erbrechern.
– Gottesfriedesbewegung
Dieser Willkür und den v erursachten Unrechtstaten versuchte zuerst die Gottesfriedesbewegung zu begegnen, besonders die Verhinderung dieser ritterlichen Fehde. Dem Unfrieden dieser Welt wollte die Kirche ihren geheiligten Frieden gegenüber stellen.
Die Mönche von Cluny haben entscheidenden Anteil an der Entstehung von Friedenskonzilen. An solchen zumeist unter freiem Himmel abgehaltenen Versammlungen nahmen große Menschenmengen teil. Unter dem Vorsitz von Bischöfen und weltlichen Herrschaftsträgern fanden verschiedene Friedenskonzile statt (erstmals 989 in Charroux ). Sie erließen, anknüpfend an die Konziltradition der Karolingerzeit, Bestimmungen zur Friedenssicherung. Diese Bestimmungen bestanden aus Beschlüssen, die beschworen wurden und verhindern sollten, dass Übergriffe auf bestimmte Personengruppen bzw. Gebäude stattfanden (Pax Die)[1 3] . Auch an bestimmten Feiertagen sollte es zu keinen gewalttätigen Fehdehandlungen kommen (Treuga Die)[1 4] . Die Sanktion für eine Verletzung dieses Gottesfrieden war zunächst die Kirchenstrafe (Ex kommunikation), später tauchten auch peinliche Strafen auf. Trotz der harten Bestrafung waren die Beschlüsse keine Gesetze, sondern Friedensangebote.
Landfriedensbewegung
Abgelöst wurde der Gottesfrieden vom Landfrieden.Er sollte das Recht durch Vergeltung des Unrechts wiederherstellen und daneben auch Abschreckung und Ausschluss der Wiederholung erreichen.
Immer mehr übernahmen wieder weltliche Herrscher Schutzfunktionen für Kirche und Bevölkerung.
Der Landfriede von König Friedrichs I. (Barbarossa) vom Juli/A ugust 1152 sollte einen Zustand des Friedens im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens der Bev ölkerung, ergänzt durch eine geordnete und wirksame Verfolgung der Störer, sicherstellen, mit Hilfe von Rechtsnormen, die diesen Zustand festigen sollten. Es wird Schutz für Gotteshäuser und Geistliche versprochen. Der Friede erhält seine Verbindlichkeit dadurch, dass die beteiligten Fürsten sich gegenseitig durch einen Eid verbinden. Erstmalig kam es auch zu einem gänzlichen Fehdeverbot. Der Erfolg war jedoch bescheiden, denn es war unmöglich, im ausgehenden Mittelalter die Fehde zu verhindern. Es fehlte der „staatlichen Macht“ an Mitteln zur Bekämpfung des gewaltbereiten Rittertums.
Der Mainzer Reichslandfrieden von 1235 versuchte es erst gar nicht und beschränkte die Fehde auf Fälle der
Rechtsverweigerung. Mit ihm erreichte die Landfriedensbewegung einen gewissen Abschluss. Die Landfrieden sind der Idee nach und zunächst auch in der Rechtswirklichkeit keine echten Gesetze. Sie sind von ihrer Rechtsnatur (vertragliche) Satzungen, in denen sich die Beteiligten eidlich binden, Frieden zu halten. Erst der sog. Ewige Landfrieden von 1 495 kann als echtes Gesetz angesehen werden.
Mit dem Aufkommen der Landfriedensbewegung kam es zu einer Revolutionierung des Strafrechts. Der Hauptwert der Landfrieden liegt auf strafrechtlichem Gebiet. Sie sind die ersten Strafgesetze des Mittelalters. An die Stelle des bisher vorherrschenden Bußenstrafrechts trat jetzt das öffentliche Strafrecht mit der peinlichen Strafe. Das Strafrecht lag aber nicht mehr in der Hand des Königs. An dessen Stelle traten die jeweiligen Landesherren.
Die einzelnen Missetaten sind darin genau erfasst und mit peinlichen Strafen verschiedener Art bedroht. Peinliche Strafen waren solche, die an Leib und Leben vollzogen wurden. Sie unterlagen der Blutgerichtsbarkeit. Zwar konnte ein Verletzter oder seine Angehörigen immer noch die Verurteilung des Täters zu gesetzlicher Sühnegeldleistung verlangen. Aber diese hatten nur noch nebensächliche, private Schadensersatzfunktion. Damit kam es langsam zu einer Trennung zwischen Straf- und Zivilrecht.
Bei der Geltung des Rechts wandelte sich das Personalprinzip des fränkischen Reichs zum Territorialprinzip. Es galt für den Einzelnen nicht mehr das Recht der Abstammung, das lex originis, sondern das Recht des Landes, in dem er die Straftat begangen hat.
Neben den Landrechten entstanden zwei weitere Gruppen von Rechtsquellen, die Rechtsbücher und Stadtrechte.
– Rechtsbücher
Die Rechtsbücher sind Arbeiten einzelner Verfasser ohne amtlichen Auftrag. Sie enthalten das Gewohnheitsrecht eines bestimmten Gebietes. Verfasst wurden sie in der Volkssprache, denn sie wendeten sich an breitere Kreise.
– Stadtbücher
Die Stadtbücher enthalten neben städtischen Satzungen auch das Gewohnheitsrecht der jeweiligen Stadt. Den Anstoß zur Aufzeichnung gab oft eine Anfrage anderer Städte. So entstand die älteste Fassung des Lübecker Stadtrechts im Jahre 1 243 zum Zweck der Mitteilung an die Stadt Tondern.
– Sachsenspiegel

Das wichtigste deutsche Rechtsbuch ist der Sachsenspiegel, der auch als erstes deutsches Prosawerk bezeichnet wird. Aufgeschrieben ist er von Eike von Repgow, einem Edelfreien, der etwa von 1 1 80 bis 1 233 lebte. Die erste Fassung entstand noch in lateinischer Sprache um 1 221 , jedoch auf Drängen seines Lehnsherrn v erfasste er um 1 224 eine mitteldeutsche Fassung. Während der lateinische Urtext heute als verschollen gilt, liegt die Übersetzung in vielen Handschriften vor. Nach dessen Vorbild entstanden wenig später der Deutschenspiegel (1 265)[1 5] und der Schwabenspiegel (1 27 5). Die Fehde gilt in den Rechtsbüchern noch als legal, als Recht des Verletzten und seiner Sippe, obwohl Staat und Kirche sie entschiedener denn je bekämpften.
Die Zahl der peinlichen Strafen an Leib und Leben nehmen immer mehr zu. Sie treten an die Stelle der Bußen und Wergelder. Jedoch ist die Ablösbarkeit im Sachenspiegel anerkannt. Die Gründe für die Härte des Strafrechts sind nicht abschließend geklärt. Jedoch kam es wegen dem Wegfall der staatlichen Institutionen der Karolinger und der Schwäche der Landesherren immer mehr zur Verwilderung der Sitten und die Zahl der „landschädlichen Leute“ hatte stark zugenommen. Es war sich niemand mehr seines Lebens sicher. Auch machten wegen der eingetretenen Geldentwertung die Sühnegeldkataloge keinen Sinn mehr. Sie konnten für den Geschädigten keinen angemessenen Ausgleich mehr darstellen. Hinzu kam, dass Eike von Repgow tief religiös war. Dies wird der Grund dafür sein, dass er die peinlichen Strafen der Kirche übernahm und nicht an das alte germanische und fränkische Recht anknüpfte. Als Rechtsgutachter wird er das ältere Recht gekannt haben.
II. Bußstrafrecht
Was ist aus dem Bußstrafrecht (Kompositionensy stem) geworden? Wergeld, die Buße für Tötung, und die festen Bußsätze sind mit den Volksrechten verschwunden. Vielfach legten Richter die Bußen nach eigenem Ermessen fest. Die Obrigkeit hatte ebenfalls ein großes Interesse an Bußen, da Teile an sie abzuführen waren. Folge: Trotz v ereinzeltem A uftreten, wurde das peinliche Strafrecht insgesamt noch verzögert.
III. Entwicklung des peinlichen Strafsy stem s
Bereits Gottes- und Landfrieden enthalten peinliche Strafen. Der Mainzer Landfriede (1 235) und der Sachsenspiegel (um 1 220) sprechen von „Ungerichten“, also schwere Frev eltaten, die an Haut und Haar zu strafen sind.
– Besonderheiten in den Landfrieden
1 . Beseitigung des Unterschiedes zwischen handhafter und nicht handhafter Tat. Unter der Herrschaft des Kompositionensy stems war bei Diebstahl die Tötung des Täters nur bei handhafter Tat erlaubt, die Landfrieden lassen diesen Unterschied fallen
– Diebstahl wird nun zu einer Missetat, die immer an Leib und Leben bestraft wird.
2. Kein Unterschied zwischen Freien und Unfreien. Bei den Germanen galt der Freie als unberührbar
– er zahlt die Buße – der Unfreie büßte an Leib und Leben. Die Landes- und Gottesfrieden hatten die Interessen der Allgemeinheit im Blick
– der Unwert der Tat wurde unabhängig von der sozialen Stellung des Täters. Der adelige Ritter musste sich nun die gleiche Strafe gefallen lassen, wie der „gemeine Kerl“, deren Hilfe er sich bei der Tat bediente.
– Die peinlichen Strafen im Einzelnen Es herrschte eine Art Übergangszeit: “ Es fehlte die V ollzugsgewalt, die Neues einführte und Altes außer Kraft setzte.“ Altes blieb neben dem Neuen bestehen und nur, wenn Neuerungen immer dringender wurden, hat sich die Abkehr vom frühmittelalterlichen Bußstrafensystem vollzogen:
• Todesstrafe
Setzt man die Todesstrafe bereits bei leichteren Verbrechen aus, so muß bei schweren eine Qualifikation in Form von Leiden hinzukommen, denn die Strafe soll die Missetat wiederspiegeln. Arten: Hängen (Qualifikation: mit Füßen nach oben), Enthaupten, Vierteilung (Milderung: vorhergehende Enthauptung)), Rädern, Lebendig-begraben, Ertränken, Verbrennen, Sieden in Wasser od. Oel. Als Qualifikationen kamen noch hinzu: zum Richtplatz schleifen, Körper mit glühenden Zangen bearbeiten.
• Verstümmelungsstrafen
Abschlagen v on Hand, Finger, Fuß; A bschneiden v on Zunge, Ohren, Nase; A usstechen der A ugen (Blenden)
• Strafe an Haut und Haar
Stäupen mit Rute, Haarv erlust, Brandmarken
• Acht und Verbannung Acht war die „alte Friedlosigkeit“, und bedeutete Ausstoß aus der schützenden Gemeinschaft. Jeder durfte den Friedlosen straflos töten. Verbannung war die Ausweisung aus der Stadt oder dem Land.
• Ehrenstrafen
Öffentliche Beschimpfung und Demütigung, Büßergewand tragen, Ausstellen im Pranger.
• Freiheitsstrafe
Gefängnisse als „Strafanstalten“ gab es noch nicht, sie dienten der Verwahrung der Gefangenen während des Prozesses. Ausnahme waren zahlungsunwillige Schuldner und Bußschuldner.
– Sinn und Zweck der peinlichen Strafen
Das Bußstrafensy stem hatte die Genugtuung für den Verletzten und seiner Sippe im Blickpunkt. Nun kamen neue Gedanken auf:
• Vergeltungsgedanke und Talionsprinzip: „A uge um A uge, Zahn um Zahn“ – dem Täter soll das gleiche Übel zugefügt werden.
• Versöhnung mit Gott Gottes Zorn über die Missetat vom Land abwenden und den Verbrecher selbst durch harte Strafe mit Gott aussöhnen (diesen Gedanken enthält die „Blume von Magdeburg“, ein um 1390 von Nikolaus Wurm verfasstes Rechtsbuch).
• Abschreckung und Unschädlichmachung des Verbrechers Die Macht der Obrigkeit war nicht sehr groß und die Maßnahmen gegen die zahlreichen Landfriedensstörer und gefährlichen Berufsv erbrecher hatten nur eine geringe Wirkung. Folge: durch möglichst abschreckende Strafen sollten andere v on Missetaten abgehalten werden und Unschädlichmachung der („glücklich“) gefassten Verbrecher (Tod oder Verkrüppelung) => „Härte und Grausamkeit der Strafrechtspflege ist ein Zeichen politischer Schwäche“.
– Milderung des peinlichen Strafsy stem s
• Asylrecht für bestimmte Orte: Kirchen, Klöster, Städte. Sie boten Schutz vor Ergreifen auf handhafter Tat und eine Möglichkeit zu Sühnev erhandlungen. Meist waren der A ufenthalt v on der Obrigkeit zeitlich eingeschränkt worden.
• Richten nach Gnade – der Richter richtete nicht nach „Recht“, sondern nach „Gnade“, entweder auf Gnadenbitte hin oder aufgrund v on eigenem Entschluss. Dieses Recht wird später durch die Carolina ausgeschlossen.
IV. Dogm atische Fragen
– Das Fehlen einer wissenschaftlichen Bearbeitung des Rechts in Deutschland macht sich besonders stark dort bemerkbar, wo allein begriffliche Klärung an die Grundsätze strafrechtlicher Haftung heranführen kann, also im Bereich der Dogmatik des Verbrechensbegriffs. Hier ist aber gegenüber dem germanischen Recht keine Weiterentwicklung sichtbar.
– Schuldproblem: Entscheidend bleibt der äußere Schein und Ungefährwerke gibt es immer noch. A uch das Problem der Zurechnungsfähigkeit bleibt unerkannt. Jedoch teilweise wird bei Kindern keine Todesstrafe zugelassen und Geisteskranke haften nicht.
– Das Versuchsproblem beruht weiter auf starre Versuchsdeliktsty pen und stellt noch nicht den verbrecherischen Willen in Bezug zu einem erstrebten Erfolg bei gegebener Ausführungshandlung.
I. Das alte Verfahren
– Der alte germanische Rechtsgang bleibt vorherrschend. Das Verfahren wurde vom Verletzten oder seinen Freunden in Gang gebracht, durch einen feierlichen Formakt. Das Gericht bleibt zurückhaltend gegenüber den Ermittlungen der maßgeblichen Tatsachen. Vielmehr wurde der Beweis weiter mit formalen Beweismitteln erbracht: Reinigungseid des Beklagten, Zweikämpfe, Gottesurteil.
– Strenger war das Verfahren dort, wo es gelang, den Täter auf handhafter Tat zu ergreifen – er durfte vor Gericht geschleppt werden und der Reinigungseid blieb ihm versagt, dafür war dem Kläger der Überführungseid mit den Schreimannen gestattet. Schreimannen waren Beweishelfer des Klägers, die etwas von der Tat wussten, z.B. Augenzeugen. Die Strafe war immer der Tod – wie der Kläger den handhaften Täter sofort töten durfte und dann die „Klage gegen den toten Mann“ erhob, indem er den Leichnam des Missetäters vor den Richter brachte.
– Nur der handhafte Täter durfte festgenommen werden (wegen der „Mannheiligkeit“). Dieses Rechts weitete sich auf die landschädlichen Leute aus. Ein landschädlicher Mann war ein Ortsfremder, dem eine todeswürdige Tat vorgeworfen wurde. Diese Verfolgung durfte nun auch von amtlichen Organen durchgeführt werden (Bsp.: Landfrieden in der Wetterau (1 37 1 ): „Hauptmann und seine Leute“). Vor Gericht erfolgte die Überführung durch den Eid des Klägers „selbsiebent“ – deshalb „Übersiebungsverfahren“[1 6]. Die Mitschwörenden waren ursprünglich die Schreimannen. Da es aber oft schwer war, solche Leute zu finden, ging man zu bloßen Eidhelfern über. Die mussten nur noch den bösen Leumund des Festgenommenen beschwören, von der Tat selber nichts mehr wissen. Deshalb: „Verfahren auf Leumund“. Gelang so der Beweis der Landschädlichkeit, war der Beklagte schuldig.
– Da sich in den Städten oft priv ate Kläger nicht hervor wagten und deshalb viele Taten ungesühnt blieben, entstanden dort sog. öffentliche Stadtkläger. Sie wurden zur Erhebung der Anklage bestellt.
Eine Besonderheit in Westfalen waren die Vemegerichte. In Westfalen gab es neben dem Adel einen starken
Freibauernstand. Dieser sicherte sich seine Schöffentätigkeit bei den Grafengerichten, weshalb diese Freigerichte hießen. Seit dem 1 3. Jahrhundert hatten die Freigerichte auch die peinliche Gerichtsbarkeit auszuüben – sie verhängten peinliche Strafen. A us der Bezeichnung „Freigericht“ wurde „Vemegericht“ („Veme“ bedeutet Strafe). Dort wurde der A ngeklagte schriftlich geladen. Der Rechtsgang blieb germanisch. Erschien der Beklagte nach dreimaliger Ladung nicht, so wurde er durch selbsieben geleisteten Eid des Klägers überwunden. Er wurde v erv emt, d.h. in die Oberacht getan. Das Urteil lautete Tod durch Strang. Jeder Schöffe hatte die Pflicht, das Urteil zu v ollstrecken, sollte er den Täter erwischen. Der Vervemte war also zu keiner Zeit und an keinem Ort mehr sicher. Jeder dieser Freischöffen hatte auch die Pflicht, todeswürdige Sachen bei einem Freigericht zu rügen. In starken Verruf kam das Vemegericht durch sein allmählich aufkommendes heimliches Verfahren und der Beteiligung von ungebildeten Schöffen. Durch den Reichstag v on 1 442 wurde ihm deshalb v iel von seiner praktischen Bedeutung genommen.
II. Die Entwicklung des Inquisitionsprozesses
– Die gesamte Verfolgung beruht auf amtlicher Initiative – amtliches Tätigwerden v om ersten Auftauchen eines Verdachts bis zum Urteil. Der Beweis erfolgt nicht mit formalen Beweismitteln, sondern mit rationalen Erkenntnismitteln bezüglich des in der V ergangenheit liegenden Sachv erhalts. Es wird nach der objektiv en Wahrheit der Tatsachen geforscht[1 7 ] .
Zwei Elemente machen den Inquisitionsprozess aus:Offizialmax ime – die Pflicht der amtlichen Organe, den ganzen Prozess ex officio, v on Amts wegen, durchzuführen. Instruktionsmax ime – die Pflicht der amtlichen Organe, sich selbst über die materiellen Tatsachen und objektiv en Wahrheit zu informieren und zu instruieren.
– Erste Vorkom m en des Verhaftungsrechts
• Mainzer Landfrieden (1 235): Befehl an Herzog und Graf, die Burg des Friedensbrechers zu v erstören, falls den Betroffenen die Friedensherstellung nicht selbst gelingt.
• In den Städten werden die Obrigkeiten zum Schutz der Landstraßen v erpflichtet (V erfügung des Königs Sigismund an die Stadt Rottweil, 1 434)
• Dort wurde den Monatsrichtern aufgegeben, bei Mord und Totschlag sofort amtlich einzuschreiten (Spey er, 1 31 4)
• Städte wurden durch ritterliche Nachbarn oder andere Städte in Fehden v erwickelt. War die Fehde einmal „angesagt“, so kam es darauf an, den Fehdegegner und seine Helfer in die Hand zu bekommen. Man v erfolgte sie und nahm sie bei passender Gelegenheit fest.
– Weiterentwicklung des Verhaftungsrechts Bei amtlicher Durchführung des Prozesses galt es nicht mehr, den
V erletzten die Möglichkeit zu geben, den V erdächtigen v or Gericht zu überwinden, sondern darum, den V erdächtigen der staatlichen peinlichen Strafe zu unterwerfen. Dem Gefangenen die Gelegenheit zum Reinigungseid zu geben, konnte nicht im Sinn der amtlichen Bemühungen und des ganzen Kraftaufwands sein. Selbst die erleichterte Überführung im Leumundsv erfahren war oft nicht möglich. Da lag es sehr nahe, die amtlichen Organe selbst ermitteln zu lassen. Bei diesem Erforschen nach der Wahrheit, hat sich die Befragung
des Beschuldigten in den V ordergrund geschoben. Sie stand als bequemstes Beweismittel zur V erfügung. Legte er ein Geständnis ab, war man allen anderen Ermittlungen enthoben. Daran hatte man ein hohes Interesse, denn bei den damaligen V erkehrsv erhältnissen waren Ermittlungen oft zeitraubend und schwierig.
Legte der Beschuldigte trotz erdrückender Beweise ein Geständnis nicht v on sich aus ab, dann behandelte man ihn nicht anders als den Fehdegegner, v on dem man Wissenswertes zu hören begehrte: man zwang ihn zum Geständnis durch die Folter!
– Die Folter

Die älteste Quelle für eine A nwendung der Folter ist das Recht
der Wiener Neustadt (ca. 1 230). Im Sachsenspiegel (ca. 1 27 5) war dafür V oraussetzung, dass Zeugen die Tat gesehen haben mussten oder etwas wussten. Einen Monat lang durfte der Beschuldigte dann so v erhört werden. Im 1 4. Jahrhundert v ermehren sich die Zeugnisse für die Folter Im kirchlichen Recht hatte sie 1 21 5 der Papst Innozenz III. für den kanonischen Prozess noch v erboten. Der kirchliche Prozess unterscheidet zwischen inquisitio generalis (das v orbereitende Ermittlungsv erfahren) und inquisitio specialis (die Untersuchung gegen einen bestimmten V erdächtigen wegen einer bestimmten Tat).
Wie sich aus den Fehden das V erfolgungs- und Festnahmerecht der amtlichen V ollstreckungsorgane entwickelte, so gingen aus den Fehden in das inquisitorische Strafv erfahren auch die Methoden über, wie man Fehdegegner behandelte, wenn man v on ihnen etwas wissen wollte. Das Mittelalter ist v oll v on Zeugnissen über Gewaltanwendung zur Erreichung bestimmter Ziele. In einer Zeit, wo man skrupellos gegen politische und sonstige Gegner der eigenen gesellschaftlichen Schicht v orging, konnte der „landschädliche Mann“ oder sonst ein V erbrecher keine Rücksicht erwarten. Die Mittel der Folter waren: quälende Haft, Frost, Hunger, Dunkelheit und Ungeziefer und unmittelbare Einwirkung durch Schmerzzufügung.
– Ablauf der Folter Die erste Stufe bestand in einer A bschreckung. Der Scharfrichter stellte dem Beschuldigten alle Instrumente v or. Durch den A nblick der Geräte und die damit v erbundenen v orgestellten Schmerzen sollte er zu einer v orzeitigen A ussage gebracht werden. Bereits diese Methode erzielte sehr oft den gewünschten Erfolg: das Geständnis.n der zweiten Stufe wurde der Beschuldigte entkleidet und mit einem „Marterkittel“ belegt. Bei Hex en v ersuchte man, durch rasieren, entsprechende Sy mbole zu entdecken. Nun begann die peinliche Befragung. Gefoltert wurde in einem hell erleuchteten Raum. Dieser sollte möglichst weit abgelegen sein, da „die Leute nicht hinkommen, oder zulaufen können, aus Neugier zu hören, was die Gefangenen bekennen, um hernach alles auszutreischen und noch mehr dazu zu liegen“. A nwesend sein mussten ein Richter, zwei Schöffen und ein Schriftführer, gegebenenfalls stand auch ein A rzt bereit, um die Belastbarkeit des Delinquenten zu überprüfen. Die Folterung selbst führte der Scharfrichter aus, der für jede A ktion eine eigene V ergütung erhielt. Die Folter geschah also in einem geheimen V erfahren. Das Geständnis musste dann im „endlichen Gerichtstag“ wiederholt werden bzw. wurde v orgelesen.- Widerstände gegen die Folter Im 1 4. Jahrhundert finden sich nur zwei Quellen, die der Folter kritisch gegenüber standen: die Magdeburger Fragen (ca. 1 385) und die Blume des Sachsenspiegels. Eine Peinigung wird hier nur als Strafe nach der V erurteilung gestattet, aber nicht als prozessuale Maßnahme. Für spätere Jahrhunderte fehlen solche Nachweise.
– Auch die Kirche hat seit dem 1 3 Jahrhundert im Inquisitionsprozess gegen Ketzer die Folter angewandt.
– Struktur des Inquisitionsv erfahrens Im germanischen Rechtsgang v ollzog sich alles Wesentliche im V erfahren v or dem gehegten, zur Urteilsfindung berufenem Gericht: Klageerhebung – Gegenrede des Beschuldigten – Beweisurteil – Reinigungseid – klägerischer Überführungsbeweis (oder Gottesurteil und Zweikampf) – V erurteilung. Im Inquisitionsprozess finden die entscheidenden Ermittlungen (Befragung und Folter) nicht v or gehegtem Gericht, sondern in einem V orv erfahren statt.
Ziel war das Geständnis – Confessio est regina probationum[1 8] . War es nicht zu erlangen und fehlten auch sonst Überführungsmöglichkeiten, ließ man den Beschuldigten laufen. Bekam man ein Geständnis, so war die Grundlage für eine Gerichtsv erhandlung, den sog. „Endlichen Rechtstag“, gefunden. Der Endliche Rechtstag wird in der herkömmlichen Form abgehalten. Der amtliche oder priv ate Kläger erhob seine Klage; v erhandelt wurde unter Wahrung strenger Formen. Jede Gebärde, jeder Platzwechsel, jedes A uf- und A btreten, jede Rede
und Gegenrede waren bestimmt.
Probleme entstanden dann, wenn der Beklagte sein Geständnis im endlichen Rechtstag widerruft. Der V ersuch, den widerrufenden Beklagten durch das Zeugnis der Amtspersonen zu überführen, die das Geständnis mit angehört hatten, war zuerst noch untersagt. So im Recht der Wiener Neustadt (ca. 1 230). Diese Zurückhaltung gab man später auf, weil sie am Zweckmäßigsten die Überwindung des leugnenden Beschuldigten gewährleistete. Seit dem 1 4. Jahrhundert gibt es Zeugnisse darüber, dass diese Überwindung des Widerrufenden mit dem Zeugnis der die Folterung leitenden Schöffen auf dem Endlichen Rechtstag gestattet wird. Damit ist das ganze Schwergewicht des V erfahrens in das geheime amtliche V orv erfahren gelegt, in dem es allein darum ging, das „Urgicht“ (Geständnis) des Beschuldigten zu erlangen. Nur wenn dies gelungen war, dürfte es überhaupt zu einem endlichen Rechtstag gekommen sein. Er war damit nur noch ein der Öffentlichkeit gebotenes formales Schauspiel.
Es gibt auch Quellen darüber, das auf dem Endlichen Rechtstag überhaupt v erzichtet wurde und die V erurteilung des Beschuldigten auf sein freiwilliges oder erfoltertes Geständnis hin, in einer nicht öffentlichen Ratssitzung erfolgte (so in Freiburg um 1 361 ). Teilnehmer am V orv erfahren waren der Stadtkläger, der drei aus dem Rat oder den Geschworenen zu sich nimmt. Hierüber wurde ein sorgfältiges Protokoll aufgenommen.
Nicht richterlicher, sondern polizeilicher Geist bestimmte damit das Verfahren.
– Missstände der Krim inaljustiz Der Kampf gegen die landschädlichen Leute führte v om Übersiebungs- und Leumundsv erfahren zum Inquisitionsprozess, als Fortbildung des germanischen Rechtsgangs. Wie Unschuldige sich v or der Strafe bewahren lassen oder welche Beschränkungen den V erfolgungsbehörden aufzuerlegen sind, darüber wurde nicht nachgedacht.
III. Reichtag
Wie schlimm die Zustände gewesen sein müssen, zeigen die v ielen Klagen v or dem Reichskammergericht. Das Reichskammergericht nahm die Klagen ernst und leitete sie an die Reichsv ersammlung weiter. Der Freiburger Reichstag (1 497 /98) gab dann den A nstoß zur Einleitung einer allgemeinen Reform der Strafrechtspflege.
Reichstage waren auf der Grundlage der alten Gewohnheit entstanden, dass alle bedeutenden geistlichen und weltlichen Reichsv asallen ein Recht auf Mitwirkung bei wichtigen Beschlüssen des Königs hatten. Es war die Reichsstandschaft, d.h. das Recht auf Sitz und Stimme am Reichshoftag, der v om 1 5. Jahrhundert an als Reichstag bezeichnet wurde.
Zusammengesetzt war der Reichstag aus drei Kollegien: Zum einen das Kurfürstenkollegium (7 Kurfürsten), dann das Fürstenkollegium (204 Reichsstände), das aufgeteilt war in eine geistliche Bank (Bischöfe, Ä bte, Prälaten) und einer weltlichen Bank (Fürsten, Grafen und Herren). Dazu kam noch das Städtekollegium aus 51 Reichsstädten).
Verfahren: Zunächst unterbreitete der Kaiser dem Reichstag seine Propositionen (V orschläge). Dann berieten nacheinander alle Kollegien darüber. Hatte man eine Einigung gefunden, wurde sie dem Kaiser als consultum imperii (Reichsgutachten) v orgelegt. Genehmigte dieser das Gutachten, so wurde es zu einem conclusum imperii („Reichsschluß“) erhoben. A nderenfalls gab er die Sache zusammen mit neunen Propositionen an den Reichstag zurück.
IV. Reichskam m ergericht
Das mittelalterliche Hofgericht geht im 1 5. Jahrhundert unter und wird durch das königliche Kammergericht abgelöst. In ihm arbeiteten bereits gelehrte Richter. 1 495 wird das königliche Kammergericht dann reorganisiert und durch das Reichkammergericht ersetzt. Es spricht nicht mehr Recht im Namen des Königs, sondern im Namen des Reichs.
Die A ufgaben waren v ielfältig. Es soll das allgemeine Fehdev erbot aus dem „Ewigen Landfrieden“ sichern und war damit Instanz für V erstöße gegen Land- und Religionsfrieden. A uch für V erfahren gegen Reichsunmittelbare[1 9] war es zuständig, ebenso als zweite Instanz über A ppellationen[20] .
Nach der ersten Reichskammergerichtsordnung v on 1 495[21 ] bestand das Gericht aus zwei Senaten mit 1 6
A ssessorenstellen[22] (= Beisitzer, Urteiler). Gebildet aus Adeligen und Doktoren, je zur Hälfte. Die eigentliche A rbeit erledigten die A ssessoren. Sie bestand darin, für das rein schriftliche, artikulierte V erfahren alle Schriftsätze in A rtikel zu bringen, auf die der Gegner einzeln antworten musste. Eine solche Stelle war das Sprungbrett für eine steile Karriere im Dienst eines Landesherren oder einer Stadt. Die Besetzung der „Richter“ (= V orsitzenden) war dem Kaiser v orbehalten, bei den Stellen der A ssessoren musste er mit den Reichsständen zusammenwirken.
Das Reichkammergericht wanderte zuerst, fand dann aber seinen festen Sitz in Speyer (1 526-1 689) und Wetzlar (1 693-1 806).
Geurteilt werden sollte „nach des Reichs gemeinen Rechten“, so bestimmte es die Reichskammergerichtsordnung (RKGO). Das „Gemeine Rechts“ bestand aus den Reichsgesetzen, dem Corpus iuris in der Interpretation der Rechtsgelehrten (Glossatoren), dem kanonischen Recht und dem langobardischen Libri feudorum. Sie zusammen galten als das kaiserliche Recht. Es wurde v on Amts wegen angewandt, denn „curia nov it iura“ (= das Gericht kennt das Recht) – also die v on Amts wegen erfolgte A nwendung des geltenden Rechts – der Betreffende braucht sich nicht darauf zu berufen.
Doch auch partikuläres Rechts sollte nach der RKGO angewendet werden, und zwar nach dem Rechtssprichwort: „Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht“. Es hatte damit V orrang – das Gemeine Recht galt nur subsidiär. Jedoch musste sich der Betreffende darauf berufen. Es wurde nicht v on Amts wegen beachtet. Der Grundsatz „curia nov it iura“ galt hier nicht. Ein A ssessor kannte in der Regel nur das Gemeine Recht und das Recht seines Herkunftsortes.
A nders dagegen die territorialen Gerichte. Sie beachteten v on Amts wegen sowohl das Gemeine Recht, wie auch das partikuläre Recht ihres Rechtskreises.
Zahlreiche A utoren bemühten sich nach 1 495 dem einfachen V olk die Grundzüge des römischen Rechts durch in deutsch v erfassten populär-wissenschaftlichen Werken nahe zu bringen. Ein Beispiel dafür ist der 1 609 erschienene „Laienspiegel“ v on Ulrich Tengler.
V. Reichshofrat
Neben dem Reichskammergericht entstand 1 498 der Reichshofrat mit Sitz in Wien. Er war die persönliche Gerichtsbarkeit des Königs und neben dem Reichskammergericht die oberste Instanz. Bei der Besetzung hatte der Kaiser das alleinige Entscheidungsrecht. Zuständig war er in allen Regierungs- und V erwaltungsstreitigkeiten. A uch als Berater des Kaisers in Rechtssachen fungierte er.
Ebenso wie das Reichskammergericht war auch der Reichshofrat in Strafsachen zuständig. Eine klare A bgrenzung zwischen beiden gab es nicht. Welches Gericht angerufen und zuständig war, hing stark von dem politischen Einfluss des Betreffenden ab.

[1] V on 888 bi s ca . 1200.
[2] V on 1200 bi s 1500.
[3] Feu du m – [l a t.] Di en st, Leh en .
[4] Dedu cere – [l a t.] h era bfü h ren .
[5] R a ti o scri pta der R ech tswi ssen sch a ft.
[6] R a ti o scri pta der Th eol ogi e.
[7 ] R a ti o scri pta der Ph i l osoph i e.
[8] R a ti o – [l a t-] V ern u n ft, v ern ü n fti ges Den ken .
[9] Scri ptu m – [l a t-] da s Gesch ri eben e, Sch ri ftwerk; a u ch V erordn u n g, Gesetz.
[10] [l a t.] frei e, u n a bh ä n gi ge Ki rch e.
[11] Di ctu m – [l a t.] A u ssa ge, Erkl ä ru n g; a u ch Befeh l , V orsch ri ft.
[12] Lega tu s – [l a t.] Gesa n dte, Botsch a fter, Bev ol l m ä ch ti gte.
[13] Pa x Di e = Befri edu n g gewi sser Person en , Orte u n d Sa ch en .
[14] Treu ga Di e = Befri edu n g gewi sser Zei ten . (Son n ta g, Ostern ,. Fa sten zei t, etc.)
[15] Er i st ei n e oberdeu tsch e Übersetzu n g des Sa ch sen spi egel s.
[16] Du rch si eben Ei dh el fer.
[17 ] [l a t.] i n qu i ere – da h er In qu i si ti on sprozeß
[18] [l a t.] da s Gestä n dn i s i st di e Kön i gi n der Bewei se.
[19] A l s R ei ch su nm i ttel ba r wu rden di ejen i gen bezei ch n et, di e kei n er a n deren
Herrsch a ft u n tersta n den , son dern di rekt u n d u nm i ttel ba r dem Ka i ser
u n tergeben wa ren . Es ga b drei Gru ppen : Zu r ersten Gru ppe geh ören Ku rfü rsten ,
Fü rsten u n d rei ch su nm i ttel ba re Bi sch öfe. Di e zwei te Gru ppe bi l deten Gra fen ,
R ei ch sstä dte u n d rei ch su nm i ttel ba re Ä bte. A l l e zu sam m en bi l deten di e
R ei ch sstä n de. Di e dri tte Gru ppe wa ren di e R ei ch sri tter, ei n e R ei h e v on Kl östern
u n d ei n i ge R ei ch sdörfer.
[20] A ccu sa ti o – [l a t.] A n kl a ge, Den u n zi a ti on , A n sch u l di gen , Besch werde.
[21] In den Ja h ren 1521 u n d 1555 en tsta n den wei tere.
[22] Spä ter wu rden da ra u s v i er Sen a te m i t 41 Bei si tzerstel l en .

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