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Von Prof. Dr. Günther Jakobs, Bonn

I.
Kann mit den Mitteln eines rechtsstaatlichen Strafrechts „Krieg gegen den Terror" geführt werden? Nun, bereits 1986 wurde ein „Gesetz zur Bekämp- fung (!) des Terrorismus" erlassen1, 2003 in Umsetzung eines Rahmen- beschlusses des Rates der Europäischen Union ein weiteres zur „Terrorismus- bekämpfung"2, und auch das kurz zuvor erlassene, unscheinbar „34. Straf- rechtsänderungsgesetz"3 genannte Gesetz gehört in die Reihe der gegen Terrorismus gerichteten Kampfgesetze4. „Krieg" und „Kampf", sind das bloße Worte, dann sollte man sie nicht unbedingt auf die Goldwaage legen, oder sind es doch Begriffe, dann implizieren „Krieg" und „Kampf" einen Feind, gegen den es vorzugehen gilt.

Wenn die Gesetze als das zu Bekämpfende nicht die Terroristen, sondern den Terrorismus nennen, vergleichbar dem Kampf gegen die Cholera oder den Analphabetismus, so verschlägt das nichts: Es handelt sich um Straf- gesetze, und Strafe gilt nun einmal nicht dem Terrorismus, sondern den Terroristen. Aber wie der Name der Gesetze zeigt, ist die Bestrafung der Terroristen nur ein Zwischenziel, nicht das Hauptanliegen des Gesetzgebers; offenbar soll durch die Bestrafung der Terroristen der Terrorismus insge- samt bekämpft werden, mit anderen Worten, die Strafe ist ein Mittel zu einem polizeilichen Zweck, ein Schritt im Kampf um Sicherheit. Wie dem auch sei, jedenfalls bleibt die Frage: „Kampf" als Wort oder als Begriff?

Die beiden neueren Gesetze betreffen in der Hauptsache die Vorschrift gegen die Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB), intensi-vieren sie und dehnen sie auf Vereinigungen im Ausland aus (§ 129b StGB); es geht also um die Ausformung von Spezialvorschriften aus dem Bereich strafbarer Verbrechensvorbereitung. Nun ist gegen deren Bestrafung nichts Prinzipielles einzuwenden: Die Vorbereitung einer schweren Tat stört die öffentliche Sicherheit und mag als solche Störung bestraft werden. Das Reichs- strafgesetzbuch sah nach seiner Ergänzung um den „Duchesneparagraphen" (§ 49a RStGB) für Verbrechensvorbereitung bis zu drei, äußerstenfalls fünf Jahre Gefängnis vor (nicht: Zuchthaus), was dem Unrecht in einer Zeit ent- sprochen haben dürfte, in der Mord geradezu selbstverständlich mit dem Tode bestraft wurde. Diese Zurückhaltung wurde 1943 (!) aufgegeben, und seitdem gilt bei der allgemeinen Verbrechensvorbereitung nach § 30 StGB die nur um eine schmale Schamdistanz gemilderte Strafe für die geplante Tat.

Dieser Ausuferung durchaus vergleichbar beläuft sich die Höchststrafe bei der Bildung einer terroristischen Vereinigung auf 10 Jahre Gefängnis, bei Rädelsführern auf 15 Jahre.
Was bei der Bestrafung der allgemeinen Verbrechensvorbereitung viel- leicht eine gesetzgeberische Nachlässigkeit ist – der zur Verfügung stehende Strafrahmen wird in der Praxis wohl nicht ausgeschöpft –, hat bei der Bestrafung der Bildung einer kriminellen oder gar terroristischen Vereini- gung Methode: Obgleich hier die in Aussicht genommenen Taten mehr oder weniger vage geblieben sein können, also auch die Störung der öffentlichen Sicherheit nur einigermaßen diffus zu erkennen sein mag, bedarf es harter Strafandrohungen, um Eskalationen zu vermeiden; denn nur das Strafrecht, nicht aber das für Gefahrenabwehr an sich zuständige Polizeirecht kann die Betreiber der gefährlichen Vereinigung zu Tätern stilisieren, eben Tätern nach § 129a StGB, und diese dann durch Untersuchungshaft und Strafhaft für lange Zeit – sit venia verbo – kaltstellen.

Die Vorschrift gegen die Bildung einer terroristischen Vereinigung ist also zumindest auch Polizeirecht in strafrechtlicher Gestalt, wie ja auch manche Ermittlungsmethoden nach dem 8. Buch des 1. Abschnitts der StPO weniger der Aufklärung begangener Taten dienen dürften – begangene Taten sind oft wohl nur der Anlass, nicht aber der Grund der Ermittlungen – als der Verhinderung weiterer Taten (so offen bei § 110a Abs. 1 Satz 2 StPO) und wie sich der Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) nur als Gefahrenabwehr im strafprozessualen Gewand verstehen lässt.

Man mag diese polizeirechtlichen Verschmutzungen des Strafrechts be- klagen, wird damit aber, zumal nach dem Rahmenbeschluss des Rates, nichts erreichen außer einer Stärkung der Gemeinschaft der sowieso Gläubigen. Man kann aber auch untersuchen, ob beim Umgang mit Terroristen – unter anderem mit Terroristen – Besonderheiten zu berücksichtigen sind, die eine solche Verschmutzung geradezu notwendig machen, und diese Unter- suchung soll hier in der gebotenen Knappheit, aber doch mit einem Rück- griff auf einige Grundlagen der Theorie des Strafrechts unternommen werden.​