IV. In dem bislang behandelten Bereich
In dem bislang behandelten Bereich ist die Exklusion des Terroristen Selbst- exklusion25: Er hat sich zum Terroristen gemacht oder sonst seine Pflichten
nicht erfüllt und wird deshalb im Rahmen des Erforderlichen fremdverwal- tet. Dieser Bereich ist rechtsstaatlich weniger heikel; denn der Terrorist kann durch Kooperation der Fremdverwaltung entgehen, jedenfalls im Grund- satz. Rechtsstaatlich erheblich anstößiger verhält es sich, wenn ein Terrorist zur Abwehr von Gefahren herangezogen wird, die nicht von ihm ausgehen.
Das ist insbesondere bei seiner Bestrafung in negativ-generalpräventiver Absicht der Fall, wenn also der Terrorist etwa wegen seiner Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) allein deshalb extrem hart bestraft wird, weil andere Beteiligte abgeschreckt werden sollen, wenn er also nicht wegen seiner Gefährlichkeit fremdverwaltet wird, sondern wegen der Deliktsneigung anderer Personen, mit anderen Worten, wenn er nicht als potentielle Person, sondern als Teil des Kollektivs der Feinde behandelt wird. Aber das betrifft überhaupt nicht mehr das besondere Problem des Strafrechts gegen Terroristen, sondern allgemein die Straftheorie, bei der nicht nur die negative Generalprävention, sondern auch manches zur Spezial- prävention dem Feindstrafrecht nähersteht, als man es geläufig liest.
Zurück zum Terroristen! Seine Bestrafung weit im Vorfeld oder seine harte Vernehmung passen nicht in einen perfekten Rechtsstaat; aber der Ab- schuss eines Verkehrsflugzeugs passt auch nicht dorthin. Beides gehört zum Recht der Ausnahme, wie seinerzeit die Kontaktsperre als Recht der Aus- nahme geschaffen wurde, zunächst sogar praeter legem, was übrigens lehrt, dass der Staat dem Dilemma nicht entkommt, indem er auf Regelungen ver- zichtet: Die Ausnahme stellt sich sowieso ohne sein Zutun ein, und das pas- sende Recht wird sich dann schon finden.
Wenn der Staat aber eine Regelung trifft, sollte er zwischen dem, was nur dem Feind gilt, sei dieser Terrorist oder ein anderer gewichtig und hart- näckig tätig Dissentierender, und dem anderen, was auch dem Bürger gilt, sauber unterscheiden, weil ansonsten das Feindstrafrecht das Bürgerstraf- recht kontaminiert. Diese Trennung der Bereiche setzt freilich voraus, dass der Staat diejenigen Täter, bei denen sich zumindest in einem gewichtigen Bereich die Vermutung rechtstreuen Verhaltens nicht aufrechterhalten lässt, offen als das bezeichnen und behandeln kann, was sie sind, nämlich zumin- dest bereichsweise Feinde. Bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe für die bloße Mit-gliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder verdeckte Ermittlungen oder Lauschangriffe oder Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr und anderes mehr sind nicht per se Attacken auf den Rechtsstaat, sondern nur dann, wenn sie im Mantel eines bürgerlichen Schuldstrafrechts oder eines ordentlichen Strafverfahrens daherkommen. Wer freilich nur den per- manenten – sit venia verbo – Schönwetter-Rechtsstaat anerkennt, verleitet den wirklichen Staat dazu, die zu seinem Überleben in einer schmutzigen Welt nun einmal notwendigen Ausnahmen als Regeln zu tarnen und da- durch zu verdunkeln, was eigentlich die Regel und was die Ausnahme ist; anders formuliert, der imperfekte Rechtsstaat stellt sich durch einen ideolo- gischen Wortgebrauch als perfekt dar. Diese Unterschätzung der Komple- xität der staatlichen Wirklichkeit ist gefährlich, weil sie den Blick dafür raubt, wann das Strafrecht auf dem gesicherten Boden des Bürgerstrafrechts steht und wann auf dem durchaus schlüpfrigen des Feindstrafrechts.
Ich komme nochmals auf die eingangs gestellte Frage zurück: Kann mit den Mitteln eines rechtsstaatlichen Strafrechts Krieg gegen den Terror ge- führt werden? Ein alles umfassender Rechtsstaat könnte diesen Krieg nicht führen; denn er müsste seine Feinde als Personen und dürfte sie demgemäß nicht als Gefahrenquellen behandeln. Beim praktisch optimalen Rechtsstaat verhält es sich anders, und das bringt ihm die Chance, nicht an den Attacken seiner Feinde zu zerbrechen.
No Comments