Gilgamesch
Gilgamesch (Teil I)
Gilgamesch war König und Herr von Uruk.
Er besaß übermenschliche Kräfte kannte die tiefsten Geheimnisse und verrichtete große Taten. Die Zeit vor der großen Flut ward er kund unermeßlich waren sein Wissen und seine Weisheit. Einen weiten Weg ging er in die Ferne leidensvoll war seine lange Wanderung beschwerlich die Fahrt. Gilgamesch war zu einem Drittel Mensch zu zwei Dritteln Gott und er suchte das ewige Leben. Ein großer Herrscher war Gilgamesch die Mauern von Uruk ließ er erbauen alle übertraf er – aber ewiges Leben fand er nicht.
Wie ein Tyrann herrschte er über Uruk und als die Götter Kenntnis davon bekamen und die gequälten Untertanen sie um Hilfe baten erschuf die Muttergöttin Aruru dem Gilgamesch in Enkidu ein Ebenbild daß es ihn im Zaume halte. Enkidu tat ungebärdig wie ein wildes Tier sein Leib war von Haaren bedeckt. Er lebte bei den Tieren auf dem Felde und fraß Gras wie das Vieh.
Einst erblickte ein Jäger Enkidu und vor Schreck erstarrte sein Herz. Er eilte zu seinem Vater und rief:
‚Unter den Tieren ist ein Wesen das mir Schrecken einjagt. Gewaltig stark ist es ich wage mich nicht heran. Es läßt mich nicht jagen – was soll ich tun?‘ Da riet ihm der Vater zu Gilgamesch zu gehen und ihn zu bitten er möge ihm ein Mädchen mitgeben das den Tiermenschen verführe; dann würden ihn die Tiere meiden. So eilte der Jäger zu Gilgamesch und der gab ihm ein Mädchen mit das er Enkidu bringen sollte. Er führte sie an die Wasserstelle wohin Enkidu zu kommen pflegte. Sobald das Mädchen ihn erblickte warf sie ihr Kleid ab und ergab sich dem Unhold. Sieben Tage lang behielt er sie bei sich dann ward er ihrer überdrüssig und gesellte sich wieder den Tieren zu die aber vor ihm zurückwichen. Da ließ sich Enkidu zu Füßen des Mädchens nieder. Sie riet ihm mit ihr nach Uruk zu Gilgamesch zu gehen. ‚Ihr beide‘ so sprach sie ‚Ihr seid ja mehr Götter denn Menschen ihr gehört zueinander.‘ Enkidu war bereit; inzwischen war nämlich in ihm der Plan gereift seine Kräfte mit Gilgamesch zu messen und selbst König von Uruk zu werden. So machten sie sich auf den Weg.
Unterwegs kam dem Mädchen der Gedanke daß Enkidu menschlicher aussehen müsse. Sie nahm ihr Oberkleid ab und legte es ihm an damit sein haariger Körper bedeckt sei. Dann führte sie ihn zu den Hirten und zeigte ihm wie sie aßen damit er auch dieses ordentlich lerne. Aber Enkidu blieb lieber bei seiner Gewohnheit Gras zu fressen wie die Tiere und anstatt wie ein Mensch zu trinken seinen Durst an den Eutern der Kühe zu löschen. Doch es gelang ihr schließlich ihm beizubringen wie man Brot ißt und Bier trinkt bis er Gefallen daran fand auch seinen haarigen Körper betastete und einsah daß er so nicht bleiben könne. Er salbte sich mit Ö1 wie ein Mensch und bekam allmählich ein menschliches Aussehen. Sie begegneten einem Manne und der erzählte ihnen vom Leben der Menschen und von der Ordnung der Gemeinschaft; er erzählte daß jeder Mann seine eigene Frau habe und die Geschlechter nicht in wilder Paarung lebten.
Die beiden gelangten nach Uruk und sobald sie sich auf dem Marktplatz sehen ließen liefen die Bürger der Stadt zusammen und fanden daß Enkidu wenn er auch kräftiger gebaut sei doch an Gestalt dem Gilgamesch recht ähnlich sehe. ‚Er kommt vom Felde‘ sprachen sie ängstlich ‚und lebte mit den Tieren; sicher wird er der Stärkere sein!‘ Sie fürchteten sich wie kleine Kinder.
Sowie Gilgamesch die ungeschlachte Gestalt des wilden Enkidu sah entbrannte der Kampf. Sie packten einander und brüllten auf wie wilde Stiere Türpfosten zerschmetterten sie und es gab großen Lärm. Zuletzt erlag Gilgamesch dem Wildling doch Enkidu war ritterlich und beide wurden Freunde. Enkidu erkannte Gilgamesch als König von Uruk an und der führte ihn zu seiner Mutter und bat sie:
‚Nimm diesen Starken an Sohnes statt an er ist mächtig wie der Himmel. Er hat weder Vater noch Mutter er wurde als Wildling in der Steppe geboren.‘ Da nahm Gilgameschs Mutter Enkidu als Sohn an und sprach zu ihm: ‚Du bist mein Sohn heute habe ich dich geboren. Ich bin deine Mutter dieser ist dein Bruder!‘
Diese freundlichen Worte rührten Enkidu so daß ihm die Tränen in die Augen traten; doch Gilgamesch fühlte wie unbehaglich ihm zumute sein muße er ahnte daß Enkidu seine ungestüme Kraft in der Stadt nicht ausleben könne und sich nur schwer eingewöhnen werde.
Darum machte er ihm einen verlockenden Vorschlag: im Zedernwald wohne ein dämonisches Wesen der Halbgott Chumbaba; er brülle wie die Sintflut Feuer speie sein Mund. ‚Den wollen wir töten!‘ Enkidu aber fürchtete den Dämon er meinte jener sei unüberwindlich weil der Gott Enlil ihm den Zedernwald zur Bewachung anvertraut habe. Da beschloß Gilgamesch nur mit einem Beil bewaffnet ohne Enkidu zu gehen und trieb seinen Spott mit ihm er fürchte wohl den Tod dabei wisse er doch genau daß er ohnehin sterben müsse denn das ewige Leben hätten die Götter doch nur sich selber vorbehalten.
Da lieft Enkidu sich überreden mit Gilgamensch gegen Chumbaba auszuziehen und beide begaben sich zu einem guten Waffenschmied der ihnen riesige Waffen schmiedete: Beile Schwerter Keulen. Jeder trug sechshundert Pfund Waffen – so schwer waren diese.
So marschierten sie zum Stadttor hinaus wo die Bewohner von Uruk sich versammelt hatten um den beiden Helden zum Abschied zuzujubeln. Gilgamesch sprach zu ihnen: ‚Ich ziehe aus zum Kampf gegen den Riesen Chumbaba von dem alle Welt spricht; ich werde ihm zeigen wer ich bin und das Land soll von meinem Ruhme widerhallen!‘ Die Ältesten Uruks warnten jedoch: ‚Du bist noch jung Gilgamesch daher weißt du nicht was du tust und unterschätzest die Gefahr. Unmöglich ist es Chumbaba zu widerstehen!‘ Aber Gilgamesch kniete nieder hob die Hände zu Schamasch empor und flehte ihn um eine glückliche Rückkehr an.
Darauf ließ er sich die Waffen umhängen und von den Segenswünschen des Volkes begleitet zogen sie davon. Das Volk rief Gilgamesch nach er möge Enkidu vor sich hergehen lassen der kenne den Zedernwald wo Chumbaba hause; er könne ihn warnen wenn Gefahr drohe. Auch Enkidu sprach ihm Mut zu und gelobte voranzugehen. Gilgamesch aber wollte zuvor noch seine Mutter aufsuchen. Er teilte ihr seine Absicht mit und bat sie bei Schamasch Fürsprache für ihn einzulegen damit er seinen Plan mit Erfolg segne und ihn unversehrt wieder zurückbringe.
Die Mutter war bekümmert über das Vorhaben ihres Sohnes legte ihr königliches Gewand an gürtete sich setzte die königliche Haube auf besprengte sich mit geweihtem Wasser opferte Weihrauch stieg hinauf auf das Dach ihres Palastes und hob dort bittend die Hände zu Schamasch empor.
Sie sprach eine Beschwörungsformel und befahl Gilgamesch in die Obhut der Mondgöttin Sin und der Sterne. Darauf machten sich die beiden Helden schwerbewaffnet auf den Weg; sie kamen schnell voran und zu einem Weg von anderthalb Moriaten brauchten sie nur drei Tage. Sie erreichten den Rand des Zedernwaldes wo Chumbaba einen Wächter aufgestellt hatte. Wiederum sank Gilgamesch der Mut Enkidu aber ermunterte ihn: ‚In Uruk hast du gesagt: wir wollen Chumbaha töten! Warum zögerst du jetzt? Chumbaba trägt in der Regel sieben Mäntel durch die keine Waffen hindurchdringen. Gerade jetzt hat er sechs davon abgelegt jetzt ist er verwundbar!‘ Und sogleich stürmte er auf den Wächter los der jammernd flüchtete und Chumbaba herbeirief. Gilgamesch jedoch war todmüde und fiel in Schlaf; er hatte unheilverkündende Träume. Chumbaba fand dann im Kampf mit Enkidu und Gilgamesch den Tod wie sehr er auch um sein Leben bat und versprach Gilgamesch als Knecht zu dienen.
Nachdem Enkidu und Gilgamesch Chumbaba besiegt hatten fällten sie die heilige Zeder und kehrten nach Uruk zurück. Die Göttin Ischtar die ein Auge auf Gilgameschs Schönheit geworfen hatte trachtete danach ihn in ihren Tempel zu locken und seine Geliebte zu werden. Sie versprach ihm allerlei herrliche Dinge: in einem goldenen Wagen von Sturmwinden gezogen solle er dahinfahren; Könige und Fürsten sollten seine Füße küssen die Erträge des ganzen Landes sein eigen werden und Ziegen und Schafe Zwillinge und Drillinge werfen. Ischtar die Göttin der Fruchtbarkeit konnte das versprechen es stand in ihrer Macht.
Schroff wies Gilgamesch ihre Liebesbeteuerungen zurück. Er hielt ihr vor wie es sechs ihrer früheren Geliebten erging die ohne Ausnahme ihren schändlichen Künsten zum Opfer gefallen seien; er schalt sie eine schlechtschließende Tür einen Schuh der seinen Besitzer drücke Erdpech das die Hände besudele einen undichten Wasserschlauch und noch anderes mehr. ‚Wenn ich mich auf deine Reden einließe‘ schloß er ‚dann erginge es mir ebenso übel wie all den anderen. Dafür danke ich!‘
Ischtar kochte vor Wut; sie stieg zum Himmel empor zu ihrem Vater Anu und zu ihrer Mutter Antum und beklagte sich bitterlich über Gilgameschs Betragen.
Doch Anu bewahrte die Ruhe und erwiderte: ‚ Du hast ihn wohl herausgefordert? Ihm deine Liebe angeboten? Stimmt das? Dann hast du es dir selbst zuzuschreiben wenn er dir all deine Zauberkünste vorhielt!‘ Ischtar aber gab das Spiel noch nicht so schnell verloren und drohte: ‚Vater schaffe mir den Himmelsstier herbei damit er Gilgamesch töte! Und weigerst du dich so werde ich die Türen der Unterwelt zertrümmern und die Toten heraufführen daß sie die Lebenden fressen!‘ Schwer lastete diese Drohung auf Anu. Wenn Ischtar in Zorn geriet war sie fähig sieben Jahre Hungersnot herbeizurufen und alles Wachstum auf Erden verdorren zu lassen. Aber auch Ischtar war sich dessen wohl bewußt daß sie vorsichtig sein muße. Sie versprach hinreichend für Getreide zu sorgen und Gras für das Vieh bereitzuhalten wenn ihr Vater ihr den Himmelsstier überließe.
Da gab Anu nach und schenkte ihr den Stier – welcher Vater kann je seiner erwachsenen Tochter etwas versagen? – und sie nahm das gewaltige Tier an einer Kette mit auf die Erde hinunter nach Uruk. Dort verbreitete sein Erscheinen furchtbaren Schrecken unter der Bevölkerung denn sogleich fielen sechshundert Männer seinem Schnauben zum Opfer. Dann stürzte er sich auf Enkidu. Der packte ihn bei den Hörnern aber der Stier schüttelte ihn ab. Da rief Enkidu Gilgamesch zu Hilfe und indessen er den Stier am Schwanze festhielt schlug ihm Gilgamesch den Kopf ab. Dann schnitten sie ihm das Herz aus dem Leibe legten es ehrfurchtsvoll Schamasch zu Füßen und warfen Ischtar ein Stück Stierfleisch ins Gesicht. Und die Leute sangen in den Straßen Uruks:
‚Wer ist der Herrlichste unter den Männern?‘
Gilgamesch ist der Gewaltigste unter den Männern.‘
Nach einem großen Freudenfest im Palast legten sich Gilgamesch und Enkidu zum Schlafe nieder. Enkidu träumte die Götter hätten seinen Tod bereits beschlossen weil er mit Gilgamesch Chumbaba und den Stier getötet und obendrein die heilige Zeder gefällt habe. Bald lag Enkidu schwer krank darnieder und hatte weitere Träume. Ein Mann erschien ihm der hatte ein seltsames Aussehen und forderte ihn auf mitzugehen in das Land ohne Rückkehr ins Reich der Toten wo es finster ist wo die Bewohner Lehm essen und wie Vögel mit Federn bekleidet sind wo die Kronen auf dem Boden liegen und die Göttin Ereschkigal über alle Toten herrscht. Enkidu merkte daraus daß er nun sterben müsse. Der Kummer quälte ihn tatenlos und ohne Ruhm sein Ende erwarten zu sollen statt als Held draußen im Kampfe zu fallen.
Gilgamesch rief die Ältesten und Vornehmsten von Uruk an Enkidus Sterbebett und erzählte ihnen von den großen Taten die sie beide gemeinsam vollbracht hatten.
Als er dabei die Hand auf des sterbenden Bruders Herz legte fühlte er daß es zu schlagen aufgehört hatte. Da brüllte er einem Löwen gleich und warf sich trauernd und schreiend über die Leiche Enkidus raufte sich die Haare und zerfetzte sein Gewand. Fassungslos trauerte Gilgamesch sieben Tage und sieben Nächte mit herzzerreißender Klage über den Tod seines Freundes und Bruders. Und die Angst packte ihn daß ihm dasselbe Schicksal bestimmt sein könne und er bäumte sich wild auf gegen den Gedanken des drohenden Sterbens. Gilgamesch wollte nicht sterben.
Da gedachte Gilgamesch seines Ahnen Utnapischtim der dem Tode entgangen und nicht gestorben war. Die Götter hatten ihn an die Mündung der Ströme versetzt und dort wollte Gilgamesch ihn nun besuchen und fragen wie auch er dem Tode entrinnen könne. Lange mußte Gilgamesch wandern viele Prüfungen mußte er bestehen und beschwerlich war sein Weg. Durch undurchdringliche Finsternis hindurch kam er schließlich in den Garten der Götter. Der stand voller Bäume auf denen statt der Früchte Edelsteine hingen. Gilgamesch durchschritt diesen herrlichen Garten und gelangte an ein Meer.
Dort saß die Göttin Siduri auf ihrem Throne. Sie erschrak flüchtete in ihr Haus und verriegelte es von innen da sie Gilgamesch für einen bösen Geist hielt. Als er aber drohte er werde das Tor einschlagen öffnete sie und stand ihm Rede und Antwort.
Gilgamesch erzählte Siduri von seinen Taten von seinem verstorbenen Freund Enkidu und von dessen Tod. Auch sprach er ihr vom Ziel seiner Wanderung und fragte nach dem Wege zu Utnapischtim. Siduri warnte ihn; noch niemand außer dem Sonnengott Schamasch habe je das große Meer überschritten das Wasser des Todes; so könne auch Gilgamesch nicht hinüber und zu Utnapischtim gelangen. Sie fügte hinzu:
‚Das Leben das du suchst
du wirst es niemals finden;
die Götter bestimmten den Tod
dem Menschen zum Ende des Lebens
als einst sie den Menschen erschufen.
Das Leben behielten sie sich!‘
Siduri riet Gilgamesch er solle doch lieber das Leben genießen solange er es noch habe er möge Feste feiern und sich mit Tanz und Musik vergnügen denn gar zu bald ach komme der Tod.
Aber Gilgamesch kannte kein Zurück und hörte kaum auf ihre Worte. Unverrückbar stand ihm sein Ziel vor Augen: Utnapischtim und das ewige Leben. Als Siduri dies erkannte hatte sie Mitleid mit ihm und wies ihm den Weg zu Urschanabi dem Fährmanne Utnapischtims.
Gilgamesch gelangte zu Urschanabi und erzählte auch ihm seine Geschichte und seine Absicht. Und Urschanabi ließ sich herbei ihm zu helfen. Beide setzten in einem Boot über das Wasser des Todes und landeten am jenseitigen Ufer. Indessen stand dort Utnapischtim und sah ihrer Überfahrt in stummer Verwunderung zu. Er wußte nicht ob es ein Gott oder ein Mensch sei der da auf diesem Wege zu ihm komme. Nach der Landung erzählte Gilgamesch Utnapischtim seine Geschichte. Er schilderte ihm den Tod des Freundes und wie sehr er selbst Angst vor dem Tode habe.
Wenig tröstlich klang Utnapischtims Antwort:
‚Das ewige Leben ist dem Menschen nicht bestimmt. Dem irdischen Leben ist eine begrenzte Frist gesetzt ewig ist nur der Tod für den Menschen. Schon bei der Geburt wird über den Tod beschlossen und keiner kann seinem Ende entrinnen.‘ Da entgegnete ihm Gilgamesch: ‚Und du? Du siehst nicht viel anders aus als ich und doch bist du dem Tode nicht verfallen! Warum soll dies nicht auch mir gelingen?‘
Da erzählte Utnapischtim wie er das ewige Leben erhalten habe. Es war nach der großen Flut geschehen in der die Menschheit vernichtet worden war: ‚Nachdem die ganze Welt verödet war stieg Ea zu mir und meinem Weibe in die Arche segnete uns und sprach: ‚Zuvor war Utnapischtim nur ein Mensch; von nun an sollen er und sein Weib uns Göttern gleich sein. Sie sollen wohnen an der Mündung der Ströme!` Dann brachten die Götter uns hierher. Doch wer vermag die Götter zu bewegen mit dir ein Gleiches zu tun?‘
Utnapischtim wollte Gilgamesch helfen.
Gilgamesch solle sieben Tage und sieben Nächte wachen um zu zeigen daß er des ewigen Lebens fähig sei. Denn ewig leben heiße ewig wachen nie müde werden nie schlafen. Da setzte sich Gilgamesch in ruhende Stellung nieder und versuchte die Probe zu bestehen. Doch wie sehr auch Utnapischtim und sein Weib versuchten ihn durch magische Mittel wach zu halten – er wurde doch schläfrig und müde und bald übermannte der Schlaf ihn vollends. Damit hatte er die Probe nicht bestanden und die Möglichkeit verspielt das ewige Leben doch noch zu erlangen. Utnapischtim aber war ärgerlich und sprach zu seinem Weibe indem er auf den Schlafenden deutete:
‚Das ist nun der Mann der ewiges Leben begehrt!‘
Am siebenten Tag weckte Utnapischtim Gilgamesch und sorgte dafür daß dieser sich wusch und neue Kleider anlegte. Dann verabschiedete er ihn: ‚Ich will dir ein Geheimnis offenbaren. Es wächst ein dorniges Kraut das sticht wie die Dornen einer Rose. Kannst du dich dieses Krautes bemächtigen dann kehre getrost nach Hause zurück!‘
Gilgamesch begab sich mit Urschanabi auf den Rückweg. Mitten auf dem Meere sprang er aus dem Boot Urschanabis tauchte bis zum Grunde des Meeres zu Apsu hinunter zum Ort des verborgenen Lebens und von dort holte er sich das Kraut von dem Utnapischtim gesprochen hatte. Der Name dieses Krautes aber war: Als Greis wird wieder Jung der Mensch! Damit tauchte er wieder zu Urschanabis Boot empor und erreichte so wohlbehalten das Ufer um von dort nach Uruk zurückzukehren. In Uruk wollte er das Kraut mit allen Menschen teilen damit alle im Alter wieder Jung würden und so dem Sterben entgingen.
Unterwegs kam Gilgamesch an einem Teich vorbei und es gelüstete ihn darin zu baden. Und er legte das Kraut mit seinen Kleidern am Ufer des Teiches nieder und badete. Eine Schlange aber roch den Duft des Krautes und kam herbeigekrochen. Sie fand das Kraut bei Gilgameschs Kleidern nahm es weg und fraß es. Alsbald warf sie ihre Haut ab und verjüngte sich. Als aber Gilgamesch vom Baden kam und sich ankleidete merkte er daß das Kraut verschwunden war. Da wurde er zunächst zornig und dann sehr traurig. Er brach in lautes Jammern aus denn nun war auch die letzte Möglichkeit den Tod zu umgehen dahin. Seine lange und mühsame Wanderung war vergeblich gewesen und er kehrte unverrichteterdinge als Sterblicher nach Uruk zurück. Weinend betrat er seine Stadt.
Eines Tages erschien Gilgamesch der Geist seines toten Freundes Enkidu und sprach zu ihm:
‚Warum sitzest du so traurig? Wenn du zu mir kommen willst darfst du kein reines Hemd anziehen dich nicht mit Ö1 salben und keine Waffen mitbringen sonst umringen dich sofort alle die von deinen Waffen getötet worden sind. Keine Schuhe darfst du tragen Weib und Kind darfst du nicht zum Abschied küssen.‘
Da bat Gilgamesch die großen Götter Enlil Sin und Ea Enkidu zu erlauben daß er aus der Unterwelt heraufsteige. Enlil und Sin hörten nicht auf die Bitte und gaben keine Antwort aber Ea wies Nergal den Gatten Ereschkigals und Herrn des Totenreiches an Enkidu heraufzubringen.
So waren Enkidu und Gilgamesch wieder zusammen. Sie umarmten einander vor Freude und Gilgameseh bat Enkidu ihm zu erzählen wie es ihm drunten im Lande ohne Wiederkehr ergehe. Und Enkidu antwortete: ‚Ich kann es dir nicht sagen mein Freund ich kann es dir nicht sagen. Würde ich es dir sagen so müßtest du den ganzen Tag weinen. Gewürm frißt meinen Leib wie ein altes Kleid!‘
Daraufhin mußte Enkidu mit Nergal wieder in die Unterwelt zurückkehren und auch für Gilgamesch schlug die Stunde des Todes.
Gilgamesch mußte sterben er hatte das ewige Leben vergeblich gesucht denn die Götter haben es sich selbst vorbehalten und der Menschen Los ist dahinzugehen von dieser Welt.
Gilgamesch war König und Herr von Uruk.
Er besaß übermenschliche Kräfte kannte die tiefsten Geheimnisse und verrichtete große Taten. Die Zeit vor der großen Flut ward er kund unermeßlich waren sein Wissen und seine Weisheit. Einen weiten Weg ging er in die Ferne leidensvoll war seine lange Wanderung beschwerlich die Fahrt. Gilgamesch war zu einem Drittel Mensch zu zwei Dritteln Gott und er suchte das ewige Leben. Ein großer Herrscher war Gilgamesch die Mauern von Uruk ließ er erbauen alle übertraf er – aber ewiges Leben fand er nicht.
Wie ein Tyrann herrschte er über Uruk und als die Götter Kenntnis davon bekamen und die gequälten Untertanen sie um Hilfe baten erschuf die Muttergöttin Aruru dem Gilgamesch in Enkidu ein Ebenbild daß es ihn im Zaume halte. Enkidu tat ungebärdig wie ein wildes Tier sein Leib war von Haaren bedeckt. Er lebte bei den Tieren auf dem Felde und fraß Gras wie das Vieh.
Einst erblickte ein Jäger Enkidu und vor Schreck erstarrte sein Herz. Er eilte zu seinem Vater und rief:
‚Unter den Tieren ist ein Wesen das mir Schrecken einjagt. Gewaltig stark ist es ich wage mich nicht heran. Es läßt mich nicht jagen – was soll ich tun?‘ Da riet ihm der Vater zu Gilgamesch zu gehen und ihn zu bitten er möge ihm ein Mädchen mitgeben das den Tiermenschen verführe; dann würden ihn die Tiere meiden. So eilte der Jäger zu Gilgamesch und der gab ihm ein Mädchen mit das er Enkidu bringen sollte. Er führte sie an die Wasserstelle wohin Enkidu zu kommen pflegte. Sobald das Mädchen ihn erblickte warf sie ihr Kleid ab und ergab sich dem Unhold. Sieben Tage lang behielt er sie bei sich dann ward er ihrer überdrüssig und gesellte sich wieder den Tieren zu die aber vor ihm zurückwichen. Da ließ sich Enkidu zu Füßen des Mädchens nieder. Sie riet ihm mit ihr nach Uruk zu Gilgamesch zu gehen. ‚Ihr beide‘ so sprach sie ‚Ihr seid ja mehr Götter denn Menschen ihr gehört zueinander.‘ Enkidu war bereit; inzwischen war nämlich in ihm der Plan gereift seine Kräfte mit Gilgamesch zu messen und selbst König von Uruk zu werden. So machten sie sich auf den Weg.
Unterwegs kam dem Mädchen der Gedanke daß Enkidu menschlicher aussehen müsse. Sie nahm ihr Oberkleid ab und legte es ihm an damit sein haariger Körper bedeckt sei. Dann führte sie ihn zu den Hirten und zeigte ihm wie sie aßen damit er auch dieses ordentlich lerne. Aber Enkidu blieb lieber bei seiner Gewohnheit Gras zu fressen wie die Tiere und anstatt wie ein Mensch zu trinken seinen Durst an den Eutern der Kühe zu löschen. Doch es gelang ihr schließlich ihm beizubringen wie man Brot ißt und Bier trinkt bis er Gefallen daran fand auch seinen haarigen Körper betastete und einsah daß er so nicht bleiben könne. Er salbte sich mit Ö1 wie ein Mensch und bekam allmählich ein menschliches Aussehen. Sie begegneten einem Manne und der erzählte ihnen vom Leben der Menschen und von der Ordnung der Gemeinschaft; er erzählte daß jeder Mann seine eigene Frau habe und die Geschlechter nicht in wilder Paarung lebten.
Die beiden gelangten nach Uruk und sobald sie sich auf dem Marktplatz sehen ließen liefen die Bürger der Stadt zusammen und fanden daß Enkidu wenn er auch kräftiger gebaut sei doch an Gestalt dem Gilgamesch recht ähnlich sehe. ‚Er kommt vom Felde‘ sprachen sie ängstlich ‚und lebte mit den Tieren; sicher wird er der Stärkere sein!‘ Sie fürchteten sich wie kleine Kinder.
Sowie Gilgamesch die ungeschlachte Gestalt des wilden Enkidu sah entbrannte der Kampf. Sie packten einander und brüllten auf wie wilde Stiere Türpfosten zerschmetterten sie und es gab großen Lärm. Zuletzt erlag Gilgamesch dem Wildling doch Enkidu war ritterlich und beide wurden Freunde. Enkidu erkannte Gilgamesch als König von Uruk an und der führte ihn zu seiner Mutter und bat sie:
‚Nimm diesen Starken an Sohnes statt an er ist mächtig wie der Himmel. Er hat weder Vater noch Mutter er wurde als Wildling in der Steppe geboren.‘ Da nahm Gilgameschs Mutter Enkidu als Sohn an und sprach zu ihm: ‚Du bist mein Sohn heute habe ich dich geboren. Ich bin deine Mutter dieser ist dein Bruder!‘
Diese freundlichen Worte rührten Enkidu so daß ihm die Tränen in die Augen traten; doch Gilgamesch fühlte wie unbehaglich ihm zumute sein muße er ahnte daß Enkidu seine ungestüme Kraft in der Stadt nicht ausleben könne und sich nur schwer eingewöhnen werde.
Darum machte er ihm einen verlockenden Vorschlag: im Zedernwald wohne ein dämonisches Wesen der Halbgott Chumbaba; er brülle wie die Sintflut Feuer speie sein Mund. ‚Den wollen wir töten!‘ Enkidu aber fürchtete den Dämon er meinte jener sei unüberwindlich weil der Gott Enlil ihm den Zedernwald zur Bewachung anvertraut habe. Da beschloß Gilgamesch nur mit einem Beil bewaffnet ohne Enkidu zu gehen und trieb seinen Spott mit ihm er fürchte wohl den Tod dabei wisse er doch genau daß er ohnehin sterben müsse denn das ewige Leben hätten die Götter doch nur sich selber vorbehalten.
Da lieft Enkidu sich überreden mit Gilgamensch gegen Chumbaba auszuziehen und beide begaben sich zu einem guten Waffenschmied der ihnen riesige Waffen schmiedete: Beile Schwerter Keulen. Jeder trug sechshundert Pfund Waffen – so schwer waren diese.
So marschierten sie zum Stadttor hinaus wo die Bewohner von Uruk sich versammelt hatten um den beiden Helden zum Abschied zuzujubeln. Gilgamesch sprach zu ihnen: ‚Ich ziehe aus zum Kampf gegen den Riesen Chumbaba von dem alle Welt spricht; ich werde ihm zeigen wer ich bin und das Land soll von meinem Ruhme widerhallen!‘ Die Ältesten Uruks warnten jedoch: ‚Du bist noch jung Gilgamesch daher weißt du nicht was du tust und unterschätzest die Gefahr. Unmöglich ist es Chumbaba zu widerstehen!‘ Aber Gilgamesch kniete nieder hob die Hände zu Schamasch empor und flehte ihn um eine glückliche Rückkehr an.
Darauf ließ er sich die Waffen umhängen und von den Segenswünschen des Volkes begleitet zogen sie davon. Das Volk rief Gilgamesch nach er möge Enkidu vor sich hergehen lassen der kenne den Zedernwald wo Chumbaba hause; er könne ihn warnen wenn Gefahr drohe. Auch Enkidu sprach ihm Mut zu und gelobte voranzugehen. Gilgamesch aber wollte zuvor noch seine Mutter aufsuchen. Er teilte ihr seine Absicht mit und bat sie bei Schamasch Fürsprache für ihn einzulegen damit er seinen Plan mit Erfolg segne und ihn unversehrt wieder zurückbringe.
Die Mutter war bekümmert über das Vorhaben ihres Sohnes legte ihr königliches Gewand an gürtete sich setzte die königliche Haube auf besprengte sich mit geweihtem Wasser opferte Weihrauch stieg hinauf auf das Dach ihres Palastes und hob dort bittend die Hände zu Schamasch empor.
Sie sprach eine Beschwörungsformel und befahl Gilgamesch in die Obhut der Mondgöttin Sin und der Sterne. Darauf machten sich die beiden Helden schwerbewaffnet auf den Weg; sie kamen schnell voran und zu einem Weg von anderthalb Moriaten brauchten sie nur drei Tage. Sie erreichten den Rand des Zedernwaldes wo Chumbaba einen Wächter aufgestellt hatte. Wiederum sank Gilgamesch der Mut Enkidu aber ermunterte ihn: ‚In Uruk hast du gesagt: wir wollen Chumbaha töten! Warum zögerst du jetzt? Chumbaba trägt in der Regel sieben Mäntel durch die keine Waffen hindurchdringen. Gerade jetzt hat er sechs davon abgelegt jetzt ist er verwundbar!‘ Und sogleich stürmte er auf den Wächter los der jammernd flüchtete und Chumbaba herbeirief. Gilgamesch jedoch war todmüde und fiel in Schlaf; er hatte unheilverkündende Träume. Chumbaba fand dann im Kampf mit Enkidu und Gilgamesch den Tod wie sehr er auch um sein Leben bat und versprach Gilgamesch als Knecht zu dienen.
Nachdem Enkidu und Gilgamesch Chumbaba besiegt hatten fällten sie die heilige Zeder und kehrten nach Uruk zurück. Die Göttin Ischtar die ein Auge auf Gilgameschs Schönheit geworfen hatte trachtete danach ihn in ihren Tempel zu locken und seine Geliebte zu werden. Sie versprach ihm allerlei herrliche Dinge: in einem goldenen Wagen von Sturmwinden gezogen solle er dahinfahren; Könige und Fürsten sollten seine Füße küssen die Erträge des ganzen Landes sein eigen werden und Ziegen und Schafe Zwillinge und Drillinge werfen. Ischtar die Göttin der Fruchtbarkeit konnte das versprechen es stand in ihrer Macht.
Schroff wies Gilgamesch ihre Liebesbeteuerungen zurück. Er hielt ihr vor wie es sechs ihrer früheren Geliebten erging die ohne Ausnahme ihren schändlichen Künsten zum Opfer gefallen seien; er schalt sie eine schlechtschließende Tür einen Schuh der seinen Besitzer drücke Erdpech das die Hände besudele einen undichten Wasserschlauch und noch anderes mehr. ‚Wenn ich mich auf deine Reden einließe‘ schloß er ‚dann erginge es mir ebenso übel wie all den anderen. Dafür danke ich!‘
Ischtar kochte vor Wut; sie stieg zum Himmel empor zu ihrem Vater Anu und zu ihrer Mutter Antum und beklagte sich bitterlich über Gilgameschs Betragen.
Doch Anu bewahrte die Ruhe und erwiderte: ‚ Du hast ihn wohl herausgefordert? Ihm deine Liebe angeboten? Stimmt das? Dann hast du es dir selbst zuzuschreiben wenn er dir all deine Zauberkünste vorhielt!‘ Ischtar aber gab das Spiel noch nicht so schnell verloren und drohte: ‚Vater schaffe mir den Himmelsstier herbei damit er Gilgamesch töte! Und weigerst du dich so werde ich die Türen der Unterwelt zertrümmern und die Toten heraufführen daß sie die Lebenden fressen!‘ Schwer lastete diese Drohung auf Anu. Wenn Ischtar in Zorn geriet war sie fähig sieben Jahre Hungersnot herbeizurufen und alles Wachstum auf Erden verdorren zu lassen. Aber auch Ischtar war sich dessen wohl bewußt daß sie vorsichtig sein muße. Sie versprach hinreichend für Getreide zu sorgen und Gras für das Vieh bereitzuhalten wenn ihr Vater ihr den Himmelsstier überließe.
Da gab Anu nach und schenkte ihr den Stier – welcher Vater kann je seiner erwachsenen Tochter etwas versagen? – und sie nahm das gewaltige Tier an einer Kette mit auf die Erde hinunter nach Uruk. Dort verbreitete sein Erscheinen furchtbaren Schrecken unter der Bevölkerung denn sogleich fielen sechshundert Männer seinem Schnauben zum Opfer. Dann stürzte er sich auf Enkidu. Der packte ihn bei den Hörnern aber der Stier schüttelte ihn ab. Da rief Enkidu Gilgamesch zu Hilfe und indessen er den Stier am Schwanze festhielt schlug ihm Gilgamesch den Kopf ab. Dann schnitten sie ihm das Herz aus dem Leibe legten es ehrfurchtsvoll Schamasch zu Füßen und warfen Ischtar ein Stück Stierfleisch ins Gesicht. Und die Leute sangen in den Straßen Uruks:
‚Wer ist der Herrlichste unter den Männern?‘
Gilgamesch ist der Gewaltigste unter den Männern.‘
Nach einem großen Freudenfest im Palast legten sich Gilgamesch und Enkidu zum Schlafe nieder. Enkidu träumte die Götter hätten seinen Tod bereits beschlossen weil er mit Gilgamesch Chumbaba und den Stier getötet und obendrein die heilige Zeder gefällt habe. Bald lag Enkidu schwer krank darnieder und hatte weitere Träume. Ein Mann erschien ihm der hatte ein seltsames Aussehen und forderte ihn auf mitzugehen in das Land ohne Rückkehr ins Reich der Toten wo es finster ist wo die Bewohner Lehm essen und wie Vögel mit Federn bekleidet sind wo die Kronen auf dem Boden liegen und die Göttin Ereschkigal über alle Toten herrscht. Enkidu merkte daraus daß er nun sterben müsse. Der Kummer quälte ihn tatenlos und ohne Ruhm sein Ende erwarten zu sollen statt als Held draußen im Kampfe zu fallen.
Gilgamesch rief die Ältesten und Vornehmsten von Uruk an Enkidus Sterbebett und erzählte ihnen von den großen Taten die sie beide gemeinsam vollbracht hatten.
Als er dabei die Hand auf des sterbenden Bruders Herz legte fühlte er daß es zu schlagen aufgehört hatte. Da brüllte er einem Löwen gleich und warf sich trauernd und schreiend über die Leiche Enkidus raufte sich die Haare und zerfetzte sein Gewand. Fassungslos trauerte Gilgamesch sieben Tage und sieben Nächte mit herzzerreißender Klage über den Tod seines Freundes und Bruders. Und die Angst packte ihn daß ihm dasselbe Schicksal bestimmt sein könne und er bäumte sich wild auf gegen den Gedanken des drohenden Sterbens. Gilgamesch wollte nicht sterben.
Da gedachte Gilgamesch seines Ahnen Utnapischtim der dem Tode entgangen und nicht gestorben war. Die Götter hatten ihn an die Mündung der Ströme versetzt und dort wollte Gilgamesch ihn nun besuchen und fragen wie auch er dem Tode entrinnen könne. Lange mußte Gilgamesch wandern viele Prüfungen mußte er bestehen und beschwerlich war sein Weg. Durch undurchdringliche Finsternis hindurch kam er schließlich in den Garten der Götter. Der stand voller Bäume auf denen statt der Früchte Edelsteine hingen. Gilgamesch durchschritt diesen herrlichen Garten und gelangte an ein Meer.
Dort saß die Göttin Siduri auf ihrem Throne. Sie erschrak flüchtete in ihr Haus und verriegelte es von innen da sie Gilgamesch für einen bösen Geist hielt. Als er aber drohte er werde das Tor einschlagen öffnete sie und stand ihm Rede und Antwort.
Gilgamesch erzählte Siduri von seinen Taten von seinem verstorbenen Freund Enkidu und von dessen Tod. Auch sprach er ihr vom Ziel seiner Wanderung und fragte nach dem Wege zu Utnapischtim. Siduri warnte ihn; noch niemand außer dem Sonnengott Schamasch habe je das große Meer überschritten das Wasser des Todes; so könne auch Gilgamesch nicht hinüber und zu Utnapischtim gelangen. Sie fügte hinzu:
‚Das Leben das du suchst
du wirst es niemals finden;
die Götter bestimmten den Tod
dem Menschen zum Ende des Lebens
als einst sie den Menschen erschufen.
Das Leben behielten sie sich!‘
Siduri riet Gilgamesch er solle doch lieber das Leben genießen solange er es noch habe er möge Feste feiern und sich mit Tanz und Musik vergnügen denn gar zu bald ach komme der Tod.
Aber Gilgamesch kannte kein Zurück und hörte kaum auf ihre Worte. Unverrückbar stand ihm sein Ziel vor Augen: Utnapischtim und das ewige Leben. Als Siduri dies erkannte hatte sie Mitleid mit ihm und wies ihm den Weg zu Urschanabi dem Fährmanne Utnapischtims.
Gilgamesch gelangte zu Urschanabi und erzählte auch ihm seine Geschichte und seine Absicht. Und Urschanabi ließ sich herbei ihm zu helfen. Beide setzten in einem Boot über das Wasser des Todes und landeten am jenseitigen Ufer. Indessen stand dort Utnapischtim und sah ihrer Überfahrt in stummer Verwunderung zu. Er wußte nicht ob es ein Gott oder ein Mensch sei der da auf diesem Wege zu ihm komme. Nach der Landung erzählte Gilgamesch Utnapischtim seine Geschichte. Er schilderte ihm den Tod des Freundes und wie sehr er selbst Angst vor dem Tode habe.
Wenig tröstlich klang Utnapischtims Antwort:
‚Das ewige Leben ist dem Menschen nicht bestimmt. Dem irdischen Leben ist eine begrenzte Frist gesetzt ewig ist nur der Tod für den Menschen. Schon bei der Geburt wird über den Tod beschlossen und keiner kann seinem Ende entrinnen.‘ Da entgegnete ihm Gilgamesch: ‚Und du? Du siehst nicht viel anders aus als ich und doch bist du dem Tode nicht verfallen! Warum soll dies nicht auch mir gelingen?‘
Da erzählte Utnapischtim wie er das ewige Leben erhalten habe. Es war nach der großen Flut geschehen in der die Menschheit vernichtet worden war: ‚Nachdem die ganze Welt verödet war stieg Ea zu mir und meinem Weibe in die Arche segnete uns und sprach: ‚Zuvor war Utnapischtim nur ein Mensch; von nun an sollen er und sein Weib uns Göttern gleich sein. Sie sollen wohnen an der Mündung der Ströme!` Dann brachten die Götter uns hierher. Doch wer vermag die Götter zu bewegen mit dir ein Gleiches zu tun?‘
Utnapischtim wollte Gilgamesch helfen.
Gilgamesch solle sieben Tage und sieben Nächte wachen um zu zeigen daß er des ewigen Lebens fähig sei. Denn ewig leben heiße ewig wachen nie müde werden nie schlafen. Da setzte sich Gilgamesch in ruhende Stellung nieder und versuchte die Probe zu bestehen. Doch wie sehr auch Utnapischtim und sein Weib versuchten ihn durch magische Mittel wach zu halten – er wurde doch schläfrig und müde und bald übermannte der Schlaf ihn vollends. Damit hatte er die Probe nicht bestanden und die Möglichkeit verspielt das ewige Leben doch noch zu erlangen. Utnapischtim aber war ärgerlich und sprach zu seinem Weibe indem er auf den Schlafenden deutete:
‚Das ist nun der Mann der ewiges Leben begehrt!‘
Am siebenten Tag weckte Utnapischtim Gilgamesch und sorgte dafür daß dieser sich wusch und neue Kleider anlegte. Dann verabschiedete er ihn: ‚Ich will dir ein Geheimnis offenbaren. Es wächst ein dorniges Kraut das sticht wie die Dornen einer Rose. Kannst du dich dieses Krautes bemächtigen dann kehre getrost nach Hause zurück!‘
Gilgamesch begab sich mit Urschanabi auf den Rückweg. Mitten auf dem Meere sprang er aus dem Boot Urschanabis tauchte bis zum Grunde des Meeres zu Apsu hinunter zum Ort des verborgenen Lebens und von dort holte er sich das Kraut von dem Utnapischtim gesprochen hatte. Der Name dieses Krautes aber war: Als Greis wird wieder Jung der Mensch! Damit tauchte er wieder zu Urschanabis Boot empor und erreichte so wohlbehalten das Ufer um von dort nach Uruk zurückzukehren. In Uruk wollte er das Kraut mit allen Menschen teilen damit alle im Alter wieder Jung würden und so dem Sterben entgingen.
Unterwegs kam Gilgamesch an einem Teich vorbei und es gelüstete ihn darin zu baden. Und er legte das Kraut mit seinen Kleidern am Ufer des Teiches nieder und badete. Eine Schlange aber roch den Duft des Krautes und kam herbeigekrochen. Sie fand das Kraut bei Gilgameschs Kleidern nahm es weg und fraß es. Alsbald warf sie ihre Haut ab und verjüngte sich. Als aber Gilgamesch vom Baden kam und sich ankleidete merkte er daß das Kraut verschwunden war. Da wurde er zunächst zornig und dann sehr traurig. Er brach in lautes Jammern aus denn nun war auch die letzte Möglichkeit den Tod zu umgehen dahin. Seine lange und mühsame Wanderung war vergeblich gewesen und er kehrte unverrichteterdinge als Sterblicher nach Uruk zurück. Weinend betrat er seine Stadt.
Eines Tages erschien Gilgamesch der Geist seines toten Freundes Enkidu und sprach zu ihm:
‚Warum sitzest du so traurig? Wenn du zu mir kommen willst darfst du kein reines Hemd anziehen dich nicht mit Ö1 salben und keine Waffen mitbringen sonst umringen dich sofort alle die von deinen Waffen getötet worden sind. Keine Schuhe darfst du tragen Weib und Kind darfst du nicht zum Abschied küssen.‘
Da bat Gilgamesch die großen Götter Enlil Sin und Ea Enkidu zu erlauben daß er aus der Unterwelt heraufsteige. Enlil und Sin hörten nicht auf die Bitte und gaben keine Antwort aber Ea wies Nergal den Gatten Ereschkigals und Herrn des Totenreiches an Enkidu heraufzubringen.
So waren Enkidu und Gilgamesch wieder zusammen. Sie umarmten einander vor Freude und Gilgameseh bat Enkidu ihm zu erzählen wie es ihm drunten im Lande ohne Wiederkehr ergehe. Und Enkidu antwortete: ‚Ich kann es dir nicht sagen mein Freund ich kann es dir nicht sagen. Würde ich es dir sagen so müßtest du den ganzen Tag weinen. Gewürm frißt meinen Leib wie ein altes Kleid!‘
Daraufhin mußte Enkidu mit Nergal wieder in die Unterwelt zurückkehren und auch für Gilgamesch schlug die Stunde des Todes.
Gilgamesch mußte sterben er hatte das ewige Leben vergeblich gesucht denn die Götter haben es sich selbst vorbehalten und der Menschen Los ist dahinzugehen von dieser Welt.
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