Theorie und Praxis DER BUCHFÜHRUNGS- UND BILANZ-REVISION
- Vorwort
- Bedeutung der Bilanz für die Rechnungskontrolle
- Die gesetzlichen Ordnungsregeln der Buchführung
- Der Nutzen der Bücherrevision
- Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit
- Die Revision der Bilanz an sich
- Ideelle und materielle Bilanzposten
- Wie muft die Revision ausgefibt werden. Allgemeines.
- Die Bestandsaufnahme. AllgMMiaes
- Die AsfaalMM des Kassenbestaades
- Die Aafaahae des WecMbestaades (PortofeaiUe).
- Die Aafsalune des Effekteabestaades
- Die Aufnahme der Laferbestlade
- Die Preisainisitze
- Die Bficherrevisioii. Die Qrasdblcber.
- Die Kontokorrente
- Das traoitorisdie Konto
- Der Baakverkehr
- Katttiooefl
- Die Betriebsonkostenkoeti
- Die Bestasdekontl.
- Die Larerblcher
- Das Mobiliea-(Utefisiliefi-)Koato
- Das Maschinen- und Anlagekoato.
- DM Fabrikationskonto
- Die Faktnreabicher.
- Die Reserve-, UotentitzsofS” Peasloarfonds.
- Aktieabaakea.
- Konzessionierte Aktiengesellschaften.
- Der Aufsichten! als Kontrollorgan und die Unhaltbarkeit des heutigen Revisionswesens.
- Bilanzverschleierungen
- Bilanzfälschungen.
- Vorschläge zur Vermeidung von Unterschlagungen
- Die deutschen Treuhand- und Revisionsgesellschaften
- Die Bficherrevisionsfrage in Deutschland
Vorwort
Von den Werken über Buchführung und Bilanzen ist die Literatur übersättigt. Nicht so liegt der Fall bezüglich der innig damit zusammenhängenden Buchführungs- und Bilanzrevision. Der Hauptgrund dieser Erscheinung ist, daß die Revision bei den hauptsächlich in Betracht kommenden Aktiengesellschaften von Gesetzes wegen durch den Aufsichtsrat, als das Kontrollorgan, ausgeübt wird oder doch ausgeübt werden soll. Und da sagte man sich, freilich mit derselben Indolenz, mit der die Aktionäre die Generalversammlungen besuchen, daß diese Kontrollinstanz aus so bedeutsamen Kaufleuten sich zusammensetzt, daß es keine Literatur geben könne, die diese illustre, sonder „Trug und Fehl“ arbeitende Körperschaft über das Wesen der Sache zu belehren vermöchte.
Erst als um das Jahr 1902 infolge der wirtschaftlichen Depression eine Aktiengesellschaft um die andere fiel und mit ihnen namhafte Bankfirmen in die Brüche gingen, da zeigte sich, daß es um die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats doch nicht so tadellos bestellt sei. Es ergab sich, daß nicht so sehr der wirtschaftliche Niedergang es war, der zu den finanziellen Katastrophen führte, sondern, daß dieser nur der äußere Anlaß, ein Hauch war, der die Kartenhäuser niederlegte, die Seifenblasen in nichts zerfließen ließ. Da wurde es denn klar, wie der Aufsichtsrat revidiert hatte, wie bei ihm das laisser aller in seiner schlimmsten Bedeutung die Losung war. Man muß nämlich wissen, daß bei allen zugrunde gegangenen Gesellschaften fast ausnamslos die gröblichsten Verfehlungen festgestellt wurden und der Strafrichter eine mehr oder minder wichtige Rolle zu spielen hatte. Hätte also der Aufsichtsrat seine Pflicht getan, so würde er manches, wenn auch nicht alles Mißgeschick abgewendet haben können.
Mit der Erkenntnis dieses Tatbestandes fällt die Zeit zusammen, wo die Bücherrevisoren sich mit festem Ziele enger vn
aneinanderschlossen und eine neue, speziell den Gegenstand treffende Literatur einzusetzen begann. • Es entstand im Jahre 1905 das grundlegende Werk: „Die Bücherrevisoren-Praxis in Deutschland und England“ von Ernst Römer, und Dr. jur. Otto Gertung schrieb im Jahre 1906 sein Buch: „Die Bücherprüfung im englischen Aktienrecht“. Seither ist die Literatur auf dem fraglichen Gebiete steril geblieben. An einen praktischen Wegweiser, der wenigstens der Hauptsache nach bei den Revisionen durch das Labyrinth der Bücher und Bilanzen führen könnte, fehlt es bis heute ganz. Dies hegt einerseits daran, daß das Gebiet noch zu neu ist und andererseits, daß allem Anscheine nach sich noch zu wenig Fachmänner finden, die die Kompetenz in sich fühlen, über den Gegenstand sich schriftstellerisch zu betätigen. Diese Kompetenz glaubte ich allerdings in mir zu fühlen, als ich vorliegende Schrift abfaßte. Seit einer langen Reihe von Jahren mitten im aktiengesellschaftlichen Betrieb praktisch-kaufmännisch wirkend, die engeren Handelswissenschaften in meinem fach wissenschaftlichen Kursus theoretisch pflegend, als Sachverständiger in Buchführung-Sangelegenheiten von den Gerichten oft in Anspruch genommen und die Buchführungsrevision einiger großer Aktiengesellschaften besorgend, glaubte ich den Versuch einer Darstellung des Revisionswesens vom rechtlichen und technischen Standpunkte aus wagen zu sollen. Ich sage ausdrücklich: Versuch. Denn auf etwas Abgeschlossenes, Vollkommenes kann und will die Arbeit keinen Anspruch erheben, weil sich kaum etwas Derartiges über den schwierigen Gegenstand bieten ließe. Bei Abfassung der Arbeit wurde nicht versäumt, die Unhaltbarkeit des heutigen Systems an der Hand praktischer Fälle nachzuweisen und die Wege zu zeigen, die man in Deutschland gehen muß, wenn in dem jetzigen Zustand Wandel eintreten soll. Daran anschließend wird gezeigt, wie die Bücherrevision in Amerika und Holland, besonders aber in England, als dem Lande, das der Handelswelt nicht bloß das Scheckwesen und das Clearing, sondern auch das Institut des Audit und der Accountancy schenkte, gestaltet ist.
Möge das Buch seinen besonderen Zweck: ein Führer durch die Buchführungs- und Bilanzrevision zu sein, und sodann im allgemeinen über das Revisionswesen aufklärend zu wirken, erfüllen.
Straßburg i. E., im September 1907.
von R. Beigel.
Bedeutung der Bilanz für die Rechnungskontrolle
Der Betrieb einer jeden Wirtschaft, gleichviel ob in privater oder fiskalischer Regie, wird mit Bezug auf Vermögensveränderungen und Erfolg dem Werte nach durch das Rechnungswesen zum Ausdruck gebracht. Im Laufe des Geschäftsjahres befindet sich das Rechnungswesen im permanenten Fluß: da gilt es, die täglichen Geschäftsvorkommnisse der mannigfaltigsten Art, den Zuwachs und den Abgang von fungiblen Sachen, den mittelbaren und unmittelbaren Gewinn und Verlust richtig zu verbuchen, die Waren genau auszukalkulieren, die Fakturenbücher in Ordnung zu bringen, das Rechenverhältnis mit den Geschäftsfreunden durch Belastung und Gutschrift der Leistungen 'pro und contra auf den Kontokorrenten täglich laufend zu halten und vieles andere mehr. Nur am Geschäftsjahresschluß tritt eine Weile Stillstand ein, in dem Sinne, daß sämtliche Personenkonti saldiert und die Bestandskonti nach vorgenommener Aufnahme der marktgängigen Artikel sowie Bewertung der keinen Marktpreis habenden Gegenstände berichtigt, abgeschlossen und mit den Abschlußergebnissen zur Bilanz gebracht werden, wo sie für den Abschlußtag den Vermögenszustand und den Geschäftsgewinn, den das abgelaufene Jahr gebracht hat, ersehen lassen. Demnach kann, auf das kaufmännische Rechnungswesen übertragen, die Bilanz mit Fug und Recht als der „ruhende Pol in der. Erscheinungen Flucht“ angesehen werden. Von der Treue und Offenheit, mit der dieser Nachweis geführt wird, hängt es ab, ob in der Bilanz Klarheit und Wahrheit herrscht oder ob sie nur eitel Blendwerk darstellt Nicht mit Unrecht wird daher die Bilanz Sprichwörtlich als das Gewissen des zur Buchführung Verpflichteten bezeichnet '
R. Beigel, Theorie und Praxis.
* * ‘Mit dem in der Bilanz gelieferten Nachweis ist jedoch die Sache noch nicht abgetan, denn es können in den Buchungen und folglich auch in der Bilanz Irrtümer, auch beabsichtigte Unrichtigkeiten enthalten sein, unter deren Einfluß das Wirtschaftsbild beeinträchtigt, verschoben, in falscher Beleuchtung erscheint So können, abgesehen von Rechenfehlern, fehlerhafte Übertragungen aus den Dokumenten in die Geschäftsbücher dadurch entstehen, daß eine Zahl falsch abgeschrieben oder daß ein Geschäftsposten übersehen oder zweimal gebucht wird. Auch kann es sich ereignen, daß der Buchhalter eine unrichtige Auffassung von einem Vorgang hat und diesen infolgedessen auf falsche Konti bringt Es können ferner Verwechslungen bei Verwendung der verschiedenen Rechnungen, Versehen bei den Überträgen von Folio zu Folio, Auslassungen, dolose Schiebungen und Buchungsmanipulationen der verschiedensten Art vorkommen, die das Bilanzbild nicht bloß zu entstellen, sondern gänzlich zu verzerren befähigt sind. Die wichtige Frage, ob das Rechnungswesen samt Bilanz richtig oder falsch ist, kann daher nur eine sachliche Nachprüfung des einschlägigen Materials beantworten. Darum bildet die Kontrolle einen der wichtigsten Grundpfeiler im Betrieb einer Wirtschaft.
In der Staatswirtschaft wird diese Kontrolle von einer Rechnungskammer oder einem Rechnungshof, in der Privatwirtschaft von einem Revisor oder einem sonstigen Kontrollorgan ausgeübt.
Bei der Aktiengesellschaft bildet der Aufsichtsrat die Kontrollinstanz. Das Handelsgesetzbuch schreibt in dieser Beziehung vor:
§ 246. „Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und sich zu dem Zwecke von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten. Er kann jederzeit über diese Angelegenheiten Berichterstattung von dem Vorstande verlangen und selbst oder durch einzelne von ihm zu bestimmende Mitglieder die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen sowie den Bestand der Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber der Generalversammlung Bericht zu erstatten.
Er hat eine Generalversammlung[*] zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist
Weitere Obliegenheiten des Aufsichtsrates werden durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt
Die Mitglieder des Aufsichtsrates können die Ausübung ihrer Obliegenheiten nicht andern übertragen/4
Diese Bestimmung zeigt, daß man sich über die Wichtigkeit des Kontrollwesens gerade bei den Aktiengesellschaften völlig klar war. Darum wurde in § 249 des Handelsgesetzbuchs weiter verordnet:
„Die Mitglieder des Aufsichtsrates haben bei der Erfüllung ihrer Obliegenheiten• die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
Mitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft mit den Vorstandsmitgliedern als Gesamtschuldner für den daraus entstehenden Schaden.“
Wie ist es nun in der Praxis mit dieser dem Aufsichtsrate auferlegten Pflicht zur Revision der Bilanz und der Jahresrechnungen bestellt? Kann der Aufsichtsrat diese seine Revisionspflicht mit gutem Gewissen erfüllen? Darf er als Wächter des gesellschaftlichen Rechnungsgebäudes angesehen werden? Ist er befähigt, vor den Eingangspforten dieses Gebäudes, so . da Soll und Haben heißen, quasi Doppelposten zu stehen? Mit anderen Worten: Hat der Aufsichtsrat die Zeit, die Lust und die Fähigkeit, den Inhalt der einzelnen Konti samt Belegen zu prüfen, die Fehlerquellen aufzusuchen, sodann den bewilligten Krediten nachzugehen, die Bilanzansätze und Abschreibungen auf ihre Richtigkeit hin unter die kritische Lupe zu nehmen? Wir antworten darauf: Nein und abermals Nein!1) Tausendfältig hat die Erfahrung gelehrt, daß die vom Gesetz berufene Schildwache ihre Pflicht nicht erfüllt: Sie schläft bald absichtlich, bald unabsichtlich, hier mit geschlossenen, dort mit offenen Augen. Vorgänge, wie sie sich in Kassel, Leipzig, Dresden, Rheinau e tutti quanti im Jahre 1902 abspielten, sprechen Bände über diesen Schlaf. Welches Unheil eine Verletzung der Kontrollpflicht anzurichten vermag, das haben die vielen Zusammenbruche von Aktiengesellschaften gezeigt, unter deren Trümmern Millionen deutschen Nationalvermögens begraben wurden. Dieser Zusammenhang wird verständlich, wenn man weiß, daß der hauptsächlichste Prozentsatz der gesamten Güterproduktion in Deutschland den Aktiengesellschaften zufällt Überall, wohin man auf den Gebieten großgewerblicher oder großindustrieller Unternehmungen schauen mag, sind sie kraft ihrer Kapitalsmacht und der leitenden Intelligenzen tonangebend, oder sie haben sich die Alleinherrschaft gesichert Damit hängt weiter zusammen, daß sich ein neuer Mittelstand gebildet hat, der, sei es, daß ihm die Fähigkeit und das Verantwortlichkeitsgefühl zum Betrieb eines eigenen Unternehmens abgeht, oder daß ihm die Möglichkeit gerade durch die Existenz der alles umfassenden Aktiengesellschaften zur Ansammlung großer Vermögen geraubt ist, es nun vorzieht, in unbeschränkter Freiheit zu leben und sich womöglich im Lichte der Dividenden zu sonnen. Und gerade aus diesem Grunde zieht jeder „Krach“ einer Aktiengesellschaft unübersehbar weite Kreise in seinen Strudel.
Zugegeben soll werden, daß die Zahl der Unregelmäßigkeiten im Verhältnis zu der außerordentlich großen Zahl von Aktiengesellschaftenx) in Deutschland nicht so beträchtlich ist. Aber die Vorkommnisse an sich haben doch Bedeutung genug, um die Frage, wie sie vermieden werden können, zur Erörterung zu stellen, zumal sie in engem Zusammenhang mit der Frage der Regreßpflicht des Aufsichtsrates steht, dem das Gesetz, wie erwähnt, die Pflicht der Prüfung des Rechnungswesens auferlegt hat. Zwischen dieser dem Aufsichtsrate auferlegten Obliegenheit und der Möglichkeit, die Verantwortung hierfür zu tragen, liegt die Kollision, die, auch abgesehen von Fällen der mala fides, wie ein Verhängnis wirkt, und zu den folgenschwersten Unregelmäßigkeiten geführt hat Dazu tritt, daß sich der konstante Brauch herausgebildet hat, immer nur von einer Bilanzrevision zu sprechen, als ob nur diese und nichts anderes bei der Revision in Betracht käme. Die Folge ist, daß sehr oft in diesem Wortsinne revidiert, d. h. eben nur
*) In Preußen allein im Jahre 1905 genau 2554 Gesellschaften mit einem nominellen Aktienkapital von 6622 Millionen Mark.
die Bilanz im Vergleich mit den Buchresultaten, nicht aber im Zusammenhang mit dem Inhalte der Konti geprüft wird« Vielleicht war es nicht Zufall, sondern Ohnmacht, vor der man sich mit der Revisionspflicht gestellt sah, wenn man nicht Buchf ührungs-, sondern Bilanzrevision sagte und schließlich bewußt oder unbewußt darnach handelte. Von einer solchen mechanischen Auslegung des Wortes ist freilich der Grundgedanke der Revision so weit entfernt, wie der Himmel von der Erde! Mitnichten vermag ein bloßer Vergleich der Bilanzposten mit den Bücherabschlüssen das zu bieten, was man von einer wahren Revision erwartet. Und man erwartet von ihr die Garantie, daß sämtliche geschäftlichen Vorgänge getreu verrechnet, das vorhandene Vermögen genau nach seinem augenblicklichen Wert dargestellt und der Erfolg objektiv zum Ausdruck gebracht werde. Denn die durch die täglichen Geschäftsvorfälle täglich eintretenden Vermögensbestandsveränderungen werden auf den Hauptbuchkonti einregistriert, ebenso der dar mit zusammenhängende Gewinn und Verlust Da die Posten der Jahresschlußbilanz nichts mehr und nichts weniger als die Saldi der Hauptbuchkonti sind, so ergibt sich hieraus imperativ der unzertrennliche Zusammenhang zwischen der Bilanz und der für Aktiengesellschaften vorgeschriebenen doppelten Buchhaltung J).
Das Erfordernis einer scharfen Prüfung der Bilanz in diesem Zusammenhänge, wie der Prüfung überhaupt, mag früher, als .in den Aktiengesellschaften nur ein kleiner Teil des Volksvermögens investiert war, nicht so scharf hervorgetreten sein. Bei dem heutigen Konzentrations- und Aufsaugungsprozeß, wo zwei Drittel unserer Volkswirtschaft in dem Interessenkreis der Aktiengesellschaften aufgehen, ist die Kontrolle über das Rechnungswesen dieser Gesellschaften ein unverkennbares, unab- weisliches, das Wohl und Wehe der Aktionäre wie der Gläubiger und der Obligationsinhaber tief berührendes Erfordernis. Es ist daher ausgeschlossen, daß mit einer solchen Kontrolle die Bilanzrevision im engsten Sinne des Wortes gemeint sein
*) Es ist schwer zu begreifen, jrie Prof. Rehm in seinem Werke über „Bilanzen“ . ▼on einer „isolierten“ Bilanz, „auf die das Bilanzrecht sein Augenmerk richtet“, sprechen und weiter behaupten konnte, dafl erst auf Grund der Bilanz das Bilanzkonto zu bilden sei, denn genau das Umgekehrte ist bei Aktiengesellschaften wahr.
kann. In der Tat ist vom Gesetzgeber gewollt und vom Gesetz (§ 246 H.-G.-B.) vorgeschrieben eine Revision im weitesten Wortsinne, nämlich des gesamten Rechnungswesens, von welchem auch die Bilanz getragen wird.
Für das große Publikuip — Aktionäre wie Gläubiger — bietet die Bilanz den einzigen Maßstab zur Beurteilung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Dieser Maßstab ist oft sehr schwer zu gebrauchen, bedenkt man die Verschiedenheit seiner Struktur und die Schwierigkeit der Urteilsbildung darüber, ob bei seiner Konstruktion Treu und Glauben obgewaltet haben oder nicht Denn auch für den besten Kenner der Zahlen gibt es kein „Sesam, öffne dich“, das den Zugang zur Bilanzwahrheit auftut wenn die Erläuterung fehlt Die Kunst des Bilanzlesens stößt an allen Ecken und Enden auf fast unübersteigbare Hindernisse. Fehlt dann noch im innern Betrieb die nötige Moral und dazu die administrative Kontrolle, so daß es selbst dem Ehrlichsten schwer gemacht ist ehrlich zu bleiben, dann bedeutet die Bilanz gar nichts und ist keinen Pfifferling wert
[*] Vergl. den Aufsats des Verfassen in den „Kaufm. Mitteilungen0 der Straßb. Po* Nr. 653 vom 21. Juli 1901 „Was soll und was kann der Anfsichtsrat einer Aktiengesellschaft an Kontrollarbeit leisten“.
Die gesetzlichen Ordnungsregeln der Buchführung
Die Ordnungsmäßigkeit der Bücher ) ist in buchtechnischer Beziehung zunächst an die hierfür gesetzlich bestehenden, so¬dann an die allgemeinen Grundsätze gebunden, nach denen schriftliche Darstellungen, insbesondere solche von einem ge¬wissen dokumentären Wert, in die Erscheinung zu treten pflegen. Die in dieser Beziehung gesetzlich vorgeschriebenen Grund¬sätze sind ganz allgemeiner Natur und bezwecken, da die Handelsbücher Urkunden im Sinne des Reichsstrafgesetz¬buchs sind, für deren Qualität wenigstens allgemeine Merkmale festzusetzen2). Inwieweit Zuwiderhandlungen den Wert der Bücher als Beweismittel zu schmälern oder ganz aufzuheben
geeignet sind, ist nur im Einzelfalle zu beurteilen. Das Gesetz (§ 43 H.-G.-B.) stellt an die kaufmännische Buchführung folgende Anforderungen:
„Bei der Führung der Handelsbücher und bei den sonst er-forderlichen Aufzeichnungen hat sich der Kaufmann einer leben¬den Sprache und der Schriftzeichen einer solchen zu bedienen.
Die Bücher sollen gebunden und Blatt für Blatt oder Seite für Seite mit fortlaufenden Zahlen versehen sein.
An Stellen, die der Regel nach zu beschreiben sind, dürfen keine leeren Zwischenräume gelassen werden. Der ursprüng¬liche Inhalt einer Eintragung darf nicht mittels Durchstreichens oder auf andere Weise unleserlich gemacht, es darf nicht radiert, auch dürfen solche Veränderungen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiß läßt, ob sie bei der ursprünglichen Eintragung oder erst später gemacht worden sind.“
Die Vorschrift, die Bücher in einer lebenden Sprache, auch wenn diese in keinem deutschen Landesteil Volkssprache ist, und in den Schriftzeichen einer solchen führen zu dürfen, ist erlassen, um die Niederlassung ausländischer Kaufleute in Deutschland zu erleichtern1). Von den lebenden Sprachen aus¬geschlossen ist die lateinische und hebräische Sprache1), und wenn besonders die letztere in manchen Ländern, so in Galizien und im Orient, auch noch da und dort gesprochen wird und auch die Schriftzeichen dieser Sprache noch in jenen Gegenden verschiedentlich in Anwendung sind, so ist damit doch noch lange nicht der Fall einer lebenden Sprache gegeben8).
In Stenographie die Bucheinträge auszuführen, ist ver¬boten, weil es sich bei dieser um keine lebende Sprache und C um keine Schriftzeichen einer solchen handelt. Die Steno¬graphie besteht außerdem nur aus Schriftzeichen; und Schrift- ) Zeichen, hinter denen keine lebende Sprache steht, sind unstatt- , haft Auch aus Zweckmäßigkeitsgründen wäre die Stenographie, so sehr diese auch sonst, besonders in der Korrespondenz, am Platze ist, in der Buchführung zu verwerfen. Denn in größeren Betrieben werden die Bücher bald von diesen, bald von jenen
9 Protokolle S. 48; Mot. z. preufi. Entw. S. 22; Makower S. 83.
s) Düringer S. 161.
, •) VergL Schindler in der Allgem. Osten*. Gerichtsztg. XIV, Nr. 44.
Beamten eingesehen, benutzt und die Einträge weiter verar¬beitet Wie soll das aber geschehen, wenn alles stenographiert ist? Und man kann doch füglich nicht verlangen, daß das ge¬samte Bureaupersonal eines Betriebes stenographisch geschult sein soll. Sodann müßte jedesmal, wenn es auf den Beweis durch Handelsbücher ankäme, dieser Beweis erst durch Zu¬ziehung stenographisch gebildeter Sachverständiger möglich gemacht werden1).
Die Forderung gebundener und sodann seitenweise num¬merierter oder blattweise foliierter Bücher*) soll gewährleisten, daß die Schriftstücke nicht nachträglich durch wahrheitswidrige ersetzt werden ). Aus einem gleichen Gesichtspunkte ist in Frankreich (Art io c. c.) die Paraphierung des Journals und des Inventarbuches, und in Ungarn (Art 25 H.-G.-B. v. 16. Mai 1875) eine Schnur vorgeschrieben, mit der die Bücher ) durchzogen sein müssen. Alle diese Maßregeln haben als Schutzmittel nur nebensächlichen Wert, weil sie, wie die Erfahrung lehrt, gegen Missetaten nicht zu schützen vermögen. Dahingegen bilden sie ein wesentliches Merkmal für die Ordnungsmäßigkeit der Bücher. Aus diesem Grunde sind denn auch lose Bogen oder Zettel, in welche Buchungen eingetragen sind, ebenso wie die sog. fliegenden Konti der Buchhändler, auch wenn diese Mate¬rialien gesammelt werden, keine Handelsbücher8).
Zur Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung gehört, daß die Eintragungen fortlaufend, d. h. nach der Zeitfolge und, soweit tunlich, sofort, nachdem die einzutragenden Tatsachen einge¬treten sind, vorgenommen werden ). Leere Zwischenräume, wie solche beim Transportieren oder Abschließen (Saldieren) der Konti dann vorkommen, wenn die eine Seite mit Buchungen gefüllt ist und die andere nicht, müssen durchstrichen werden, was gewöhnlich mittels schräg durch die Seite gehender Linien
geschieht Der Zweck auch dieser Anordnung ist ein Schutz¬mittel oder soll doch ein solches sein. Und zwar soll damit verhütet werden, daß nachträglich in solche Zwischenräume Einträge gemacht werden.
Rasuren sind überhaupt vom Gesetz nicht gestattet, wenn schon dieselben eigentlich nur dann Bedenken an sich tragen, wenn sie sich an Zahlen oder an sonstigen, wesentlichen Be¬standteilen einer Buchung befinden. Es gibt aber Rasuren, die an ganz unwesentlichen Stellen ausgeführt werden und folglich durchaus harmloser Natur sind. Diese dürften wohl kaum geeignet sein, etwas von dem Beweiswert der sonst ord¬nungsmäßig geführten Bücher zu nehmen.
Sind Buchungen zu Unrecht in ein Buch gekommen, so muß die Berichtigung in der gesetzlich zulässigen Form ge¬schehen. Die Berichtigung kann unmittelbar oder durch Storno- posten vorgenommen werden.
a) Erlaubte und unerlaubte Berichtigungen. Er¬laubt ist eine Berichtigung, wenn aus ihr klar hervorgeht, daß es sich um die Richtigstellung eines begangenen Irrtums oder eines einfachen Schreibfehlers handelt Diese Ersichtlichmachung ist nur möglich, wenn das irrtümlich Hingeschriebene so durch¬gestrichen wird, daß dasselbe durch die Durchstreichung nicht unleserlich wird. Die unmittelbare Berichtigung, d. h. die Durch¬streichung der irrtümlichen Eintragung geschieht gewöhnlich nur in Büchern, die nicht kontomäßig angelegt und geführt sind, während Irrtümer in den Konti durch sog. Stornoposten (siehe unten) berichtigt zu werden pflegen.
Unerlaubt ist eine Berichtigung, wenn infolge der Vor¬nahme derselben nicht mehr erkennbar ist, was vor der Be¬richtigung dastand. Solche Berichtigungen sind dann auch geeignet, die Ordnungsmäßigkeit der Bücher zu beeinträchtigen und unter Umständen den Beweiswert der Bücher aufzuheben, eventuell, d. h. im Konkursfalle, Strafen nach sich zu ziehen.
b) Stornoposten. Unter „Stornoposten“1) versteht man „Gegenposten“, das sind Posten, die eine irrtümlich erfolgte Buchung ungültig machen oder aufheben. Die Aufhebung des
s) Aus dem ital. atomare = wörtlich: zum Weichen bringen, merkant. stornare partite — unrichtige Posten stornieren oder gegenbuchen.
Irrtums geschieht, indem der irrtümlich belastete Betrag auf die entgegengesetzte Seite eingetragen, also umgekehrt gfe- bucht de h. gutgeschrieben, und der irrtümlich gutgeschriebene Betrag belastet wird. Hierbei ist anzugeben, daß es sich um die Beseitigung eines Irrtums handelt, z. B. „Storno des Postens vom 18. d. Mts.“. Ist der Irrtum durch den Stomoposten oder die Gegenbuchung beseitigt, so wird hierauf richtig gebucht.
Erlaubt ist eine Gegenbuchung, wenn durch sie nur die Richtigstellung einer Veränderung der Kapitalsform oder eines Schuldverhältnisses buchmäßig zum Ausdruck gebracht wird. Ebenso gibt der mit dem Betrieb zusammenhängende Ver¬schleiß an Waren, Maschinen, Mobilien usw. Anlaß zu richtig’“ stellenden Gegenbuchungen des Buchbestandes gegenüber der Wirklichkeit Unerlaubt ist die Gegenbuchung, wenn mit ihrer Hilfe „scheinbar“ derselbe Zweck erreicht, in Wirklich¬keit aber nur das Betriebsergebnis willkürlich beeinflußt werden soll. Wenn Buchungen vorgenommen werden, um den Status zu verschlechtern oder zu verbessern, oder auf den Bestands¬konti unter dem Titel von „Berichtigungen“ Summen gebucht werden, die nur auf einer Fiktion beruhen, so sind das uner¬laubte Gegenbuchungen, dazu geeignet, die Bilanz, welche die Wahrheit sagen soll, schönfärberisch oder pessimistisch zu be¬einflussen. Der Effekt solcher unerlaubten Gegenposten kann sein, daß im Einzelbetrieb und bei der offenen Handelsgesell-schaft ein zu hoher Gewinn dem Kapitalkonto zugeschrieben wird und daß bei der Aktiengesellschaft eine zu hohe Divi¬dende, also kein Gewinn, sondern Aktienkapital zur Verteilung- kommt
Der Nutzen der Bücherrevision
Die Bücherrevision bringt zwar keinen Gewinn in klingender Münze, wirkt nicht werterzeugend und vermehrt nicht die Um¬sätze. Aber der mittelbare Nutzen ist ein großer, die wirt¬schaftliche Bedeutung eine eminente, denn die Umsätze allein sind es nicht, die Gewinne bringen, sondern es gibt der Fälle genug, wo durch die Umsätze Verluste entstehen. Damit die Umsätze Gewinn bringen, ist es notwendig, daß das Räderwerk des Betriebs richtig ineinandergreift, daß die Ware richtig auskal- * kuliert wird, daß die Belastungsbuchungen richtig vor sich io
gehen und daß die nötige Vorsicht bei Einräumung von Kre¬diten obwaltet Das kaufmännische Leben im aktiengesellschaft- Jichen Betrieb hat sich in den letzten Jahren so sehr verändert so sehr sich aus kleinen Verhältnissen zu gewaltigen Betriebs¬formen emporgearbeitet daß es den leitenden Organen kaum noch möglich ist sich der innerdienstlichen Entwicklung in ge¬nügendem Maße zu widmen. Hier setzt die Tätigkeit des Re¬visors ein, deren Wert nicht .bloß auf dem Gebiete der Kon¬trolle, sondern vielmehr noch auf dem der sachverständigen Mitarbeit liegt . .
Die bestehenden Einrichtungen im aktiengesellschaftlichen Rechnungs- und Buchführungswesen würden bei der schnellen Vorwärtsbewegung des Räderwerks im heutigen Wirtschafts¬betrieb versagen, wenn sie nicht ergänzt ausgebaut und ver¬vollkommnet werden würden. Hier mit ihrem sachverständigen Rate an die Hand zu gehen, ist neben der technischen und juristischen Revisionstätigkeit just die Aufgabe der Revisoren. Und diese Tätigkeit sollte so ganz unproduktiv sein? Wäre J sie das, so müßte auch die Arbeit des Betriebsleiters, der In- / genieure, des Personals und der Reisenden eine sterile oder^ doch keine gewinnbringende sein, denn auch die Leistungen 1 dieser Arbeitsfaktoren bringen keinen unmittelbaren Gewinn zustande. Was sie tun, ist nichts als eine mittelbare Förderung der Umsätze, mit denen aber, wie gesagt, nicht immer Gewinn verknüpft ist oder verknüpft sein muß.
Wer den Nutzen der Revision verkennt, der verkennt auch den Wert der Buchführung. Und leider muß es gesagt werden, daß in der Tat mehr, als man gemeiniglich glaubt, es Kauf¬leute, ja Geschäftsleiter gibt, die in der Buchführung etwas Lästiges, von dem Gesetz Aufgezwungenes, ein „papiernes Übel“ oder bestenfalls ein „Dekorationsstück“ erblicken. Die also denken, haben keine Ahnung von der wirtschaftlichen Erkennt¬nis, die die Buchführung ermöglicht und von den Gefahren, die das Fehlen einer genauen Verrechnung in sich trägt Sie haben kein Verständnis für den modernen Wirtschaftsbetrieb, ihnen sind die klaren Bahnen, die die Buchführung schafft, nicht sympatisch, oder sie haben keine Kenntnis von der Ver¬rechnungswissenschaft und eben darum kein Interesse für die Sache. .
Daß der produktive Wert der Buchführung ein eminenter ist, haben bereits die Griechen, besonders die Römer erkannt, die schon ein klar ausgebildetes Buchführungswesen kannten« Ihr Libellus, ihr Codex accepti et expensi und ihre Kalendarium¬buchführung waren logisch und buchtechnisch fein durchdachte und streng durchgeführte Einrichtungen1). Der berühmte ita¬lienische Professor Vincenz Gitti äußert sich in seinem am i. April 1884 zu Turin gehaltenen Vortrag über das Wesen und die Aufgabe der Buchführung wie folgt:
„ . . . . Die Buchhaltung spielt im Leben der Verwaltungen dieselbe Rolle, wie die Weltgeschichte im Leben der Völker. Diese entrollt uns ein Lebensbild der Nationen im Lauf der Jahrhunderte, und hierdurch wird die Vergangenheit unsere Lehrmeisterin für die Zukunft. Jene hingegen zeigt uns die geschäftlichen (wirtschaftlichen) Begebenheiten, die erzielten Erfolge und ihre Ursachen, sowie die Wege, die zum wirtschaft-lichen Erfolge führen . . . Mit andern Worten: die Buchführung ist der Spiegel der Vergangenheit, die Führerin für die Zu¬kunft, die Geschichte und Statistik des Unternehmens . . und es ist undenkbar, daß ohne sie ein Unternehmen für die Dauer auch nur bestehen, geschweige denn prosperieren kann."
Und daß zur Buchführung Geist, viel Geist gehört, bestätigt unser Altmeister Goethe in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, in¬dem er sagt: „Die doppelte Buchhaltung ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und jeder gute Haus¬halter. sollte sie in seiner Wirtschaft einführen.“
Was von der Buchführung, gilt auch von der Bücherrevision: sie stellt fest, ob die vom Buchhalter ermittelten Resultate formell und materiell richtig sind, ob der Buchhaltung etwa technische Mängel anhaften, und ob ihre Organisation eine solche ist, daß sie eine rasche und klare Übersicht gewähren kann. Laufend ausgeübt, wirkt sie sowohl im „detektiven“ wie im „vorbeugenden“ Sinne. Wie die Buchführung selbst, so hat übrigens auch die Revision ihre weit zurückliegende Vergangen¬heit, und in England muß schon frühzeitig eine solche Meinung von der Bedeutung der Buchführungsrevision bestanden haben,
// *) Näheres hierüber bei R. Beigel, „Rechnungswesen und Buchführung der
// Römer“. Karlsruhe 1904. .
// 12
denn nach einer gesetzlichen Bestimmung aus dem Jahre 1285 konnten säumige und nachlässige Buchhalter auf Grund eines vom Revisor ausgestellten Zeugnisses ohne weiteres in Haft ge¬nommen und dem nächsten Bezirksgefängnis zugeführt werden ).
Aus diesen Gründen wohnt dem planmäßigen Zusammen¬wirken von Buchführung und Revision nicht bloß eine mate¬rielle, sondern zugleich auch eine hohe moralische Bedeutung bet
Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit
Von der Sorgsamkeit und Vorsicht, mit der bei Aufstellung des Inventars vorgegangen wird, hängt es ab, ob die Bilanz die wahre Vermögenslage darstellt oder nicht Freilich wird die Bilanz immer nur insoweit die Vermögenslage ziffernmäßig zum Ausdruck bringen können, als die Forderungen, Schulden und Rechte nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Buch¬führung im Hauptbuch enthalten waren. Es gibt aber eine Reihe von Verpflichtungen und von Rechtsgeschäften, wie Giro¬obligos, Garantieverpflichtungen u. dergl., die, weil sie nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht gebucht werden, auch nicht in den Salden des Hauptbuches enthalten sind, aus denen aber mit mehr oder minder großer Wahrscheinlich¬keit Verluste drohen oder bedingte Verpflichtungen erwachsen können. So hat es sich im Leipziger Bankprozeß gezeigt, daß die Buchführung dieses Instituts als eine durchaus korrekte an-erkannt wurde, und daß trotzdem aus der Bilanz die verhängnis¬vollen Riesenengagements, die die Gesellschaft gegenüber der Trebertrocknungs-Gesellschaft eingegangen war, nicht ersehen werden konnten. Dieser Tatbestand kollidiert demnach nicht mit der Bilanzwahrheit. Aber er erfordert, daß jede Bilanz einer Nachprüfung auch in der Richtung, ob Rechtsgeschäfte abgeschlossen sind, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht gebucht werden, aus denen aber Eventual-verpflichtungen schweben, unterzogen werden muß.
Eine andere Frage ist, ob es sich mit der Bilanzwahrheit verträgt, wenn gesellschaftliche Aktiva, entweder in zu hohen oder
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in zu niederen Sätzen abgeschrieben werden, so zwar, daß diese Aktiva mehr oder weniger weit hinter demjenigen Wert Zurück¬bleiben oder über denjenigen Wert hinausgehen, der ihnen am Bilanztage beigemessen werden kann. Wieviel im Minimum abgeschrieben werden muß, bestimmt das Handelsgesetzbuch. In § 261, Ziff. 3, heißt es:
• „Anlagen und sonstige Gegenstände, die nicht zur Weiter¬
veräußerung, vielmehr dauernd zum Geschäftsbetriebe der Gesellschaft bestimmt sind, dürfen ohne Rücksicht auf einen geringeren Wert zu dem Anschaffungs- oder Herstellungs¬preis angesetzt werden, sofern ein der Abnutzung gleich¬kommender Betrag in Abzug gebracht oder ein ihr ent¬sprechender £meuerungsfonds in Ansatz gebracht wird.“
Daraus könnte man schließen, daß der Gesetzgeber den Gesellschaften eine Maximalgrenze nicht vorschreiben, sondern ihnen nach oben freie Hand lassen wollte. Dieser Schluß wäre aber falsch und stünde in direktem Widerspruch zur Bilanz¬wahrheit. Diese erfordert treue Angabe desjenigen Wertes, den der Gegenstand tatsächlich am Bilanztage für den Betrieb hat Der gewöhnliche Kaufmann mag in seiner Bilanz Minderungen oder Vermögensabgänge in der Hoffnung verschweigen, in besseren Jahrgängen wieder einen Ausgleich herzustellen und somit über kritische Zeiten hinwegzukommen. Bei Aktien¬» gesellschaften liegt der Fall ganz anders. Diese müssen aller Welt von Jahr zu Jahr die bei ihnen vorkommenden Vorgänge, auch wenn solche noch so schmerzlicher Natur sind, klar¬legen. Dies muß geschehen selbst auf die Gefahr hin, daß Ansehen und Kredit und damit die Lebensfähigkeit schwindet, die bloße Hoffnung auf eine spätere Gesundung der Gesell¬schaft entbindet nicht von der Pflicht zur Offenbarung der vollen und ganzen Wahrheit, wenn das Publikum wirksam gegen das leichtfertige oder gar verbrecherische Treiben von Gesell¬schaftsorganen, denen es sein Vermögen anvertraut, ohne die Möglichkeit einer Kontrolle zu haben, geschützt werden soll. Die Notwendigkeit uneingeschränkter Bilanzwahrheit entspringt dem eigenartigen Wesen der Aktiengesellschaft, die auf der einen Seite den gleichen Lebensbedingungen unterworfen ist wie jede andere wirtschaftliche Unternehmung, auf der andern .Seite aber in ihrer freien wirtschaftlichen Entfaltung aus Gründen des öffentlichen Interesses gewissen Schranken unterworfen werden muß. Denn wenn Aktionäre und Gläubiger nicht mehr wissen, was, wo und wieviel in der Bilanz verschwiegen wurde, dann hört jeder Glaube an dieses Schriftstück auf. Darum muß an dem Verlangen einer möglichst ausgiebigen Wahrheit und Offenheit in den aktiengesellschaftlichen Bilanzen und Geschäfts¬berichten unbedingt festgehalten werden.
Daß vorgekommene, vom Vorstande begangene Unregel¬mäßigkeiten oder Straftaten in der Bilanz (durch Abbuchung der Verluste) und in dem erläuternden Bericht (durch Mit¬teilung der näheren Umstände) nicht verschwiegen werden dürfen, versteht sich eigentlich von selbst Das Offenheits¬prinzip muß auch dann zur Geltung kommen, wenn Deckung für die veruntreuten Summen eingebracht wurde. Auch be¬stimmt § 314 des Handelsgesetzbuches was folgt: „Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder Liquidatoren wer- t den mit Gefängnis bis zu einem Jahre und zugleich mit Geld¬strafe bis zu 20000 Mk. bestraft wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern.“
Nun plädiert zwar Professor Dr. Rehm-Straßburg in seinem in der „Deutschen Juristen-Zeitung“ Nr. 1 vom 1. Januar 1904 veröffentlichten Aufsatz über „Die Übertreibung des Offen¬heitsprinzips im Aktienwesen“ dafür, daß man unter Umständen nicht so offen, d. h. wahr zu sein braucht, wir möchten aber wissen, welche Umstände stichhaltig genug sein könnten, um das Offenheits- und Wahrheitsprinzip zu durchlöchern. Denn ist einmal in dieses Prinzip Bresche gelegt, so ist es schwer zu sagen, vor welcher Linie Halt gemacht werden soll. Es ist daher sehr gewagt, sich diesbezüglich eine einschränkende Auffassung anzueignen. Man muß vielmehr unterstellen, daß eine aktiengesellschaftliche Bilanz gar nicht offen genug sein kann und daß jede Gruppierung mit dem Zweck, der Bilanz bewußtermaßen eine andere materielle Gestalt zu geben, als sie verdient, die Indizien des Betrugs in sich schließt. Dem¬gegenüber verwirft Rehm nicht das Verschweigen von ver¬untreuten Summen seitens des Direktors, wenn dieser unter der
Bedingung, daß geschwiegen wird, Deckung liefert Er ver¬wirft diese Geheimhaltung deshalb nicht und nennt das Gegen¬teil „Offenheitsfanatismus“ und „Überspannung des Offenheits¬prinzips“ um deshalb, weil er sagt, daß, wenn durch die Un¬wahrheit möhf Unheil von der Gesellschaft abgewendet wird als durch die Wahrheit, der Aufsichtsrat nur im Interesse der Gesellschaft und mit der ihm vom Gesetz auferlegten „Sorg¬falt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ handelt, wenn er nicht die Wahrheit sagt Mit einer solchen Anheimgabe an den Auf¬sichtsrat, zu beurteilen, wann er von Unterschlagungen der Generalversammlung Mitteilung machen soll und wann nicht, wird ein sehr schlechtes Beispiel den übrigen Gesellschaften gegeben, und „böse Beispiele verderben oft gute Sitten“. Daran ändert nichts, daß Prof. Rehm in seinem Werke über „Bilanzen“ usw. (S. 853 ff. u. S. 870 ff.) lehrt, daß es „rechtlich zugelassene Bilanzverschleierungen und Bilanzfälschungen“, „strafrechtlich erlaubte Bilanzverhüllungen“ gibt ). Er versucht diese spitzfindige, und auch juristisch kaum haltbare Anschauung mit der Notwendigkeit der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu beweisen, übersieht jedoch, daß überall, wo im Verkehr die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses eine Rolle spielt, dieses Ge¬heimnis von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrs¬sitte getragen sein muß. Ein Geheimnis aber, dessen Gegen¬stand eine Straftat zu seinem Inhalte hat, muß unseres Erachtens gerade bei Aktiengesellschaften der Generalversammlung offen¬bart werden, auch dann, wenn das Gegenteil im Interesse der Gesellschaft liegen sollte. Es ist nicht möglich, die dem Auf¬sichtsrat auferlegte Sorgfalt von diesem Erfordernis zu trennen.
Als im Jahre 1904 der Direktor der Fabrik photographischer Apparate in Dresden, Hüttig, Unterschlagungen beging, ge¬fälschte Akzepte in Umlauf setzte und sich mit den auf diese Weise erbeuteten Mitteln bei anderen Unternehmungen be¬teiligte, erklärte der Vorsitzende des Aufsichtsrates, daß bereits im Jahre 1903 Unterschlagungen und Falschbuchungen des Direktors entdeckt worden seien. Der Aufsichtsrat sei indes zum Resultat gelangt, keine Anzeige zu erstatten, da der
Schuldige für die Unterschlagungen ausreichende Deckung bot und es nicht ratsam erschien, eine unnötige Beunruhigung in das Publikum zu tragen. Der als Fälscher entlarvte Direktor wurde daher beibehalten. Es stellten sich aber bald neue Unter-schlagungen heraus, die nun zur Anzeige führten! —
In einem andern Falle, der sich bei der Bedburger Woll¬industrie-Aktiengesellschaft im gleichen Jahre abspielte, stellte es sich heraus, daß die Bilanz per 31. Dezember 1902 eine bedeutende Überwertung der Aktiva enthielt, die auf falsche Inventuraufnahmen seitens des inzwischen verstorbenen General¬direktors der Gesellschaft, des Kommerzienrats Silverberg, zurück¬zuführen waren. Gleichwohl brachte der Aufsichtsrat die Sache nicht vor die Generalversammlung mit der Begründung, daß es für die Geschäftsinteressen gefährlich sei, mit halber Wahr¬heit (der Aufsichtsrat hatte nämlich mit der Revision begonnen und hierbei unliebsame „Entdeckungen“ gemacht) an die Öffent¬lichkeit zu treten, ferner weil man von der Erbin des ver¬storbenen Generaldirektors Deckung zu erhalten hoffte. Erst als die mit der Revision beauftragte Treuhandgesellschaft Aus¬führlicheres an die Oberfläche zog und einen Bericht abstattete, der auch noch Lücken aufwies, hielt sich der Aufsichtsrat für berechtigt, am 28. Februar 1904 eine diesbezügliche Notiz an die Presse zu versenden.
Beide Fälle sind einander ähnlich. In beiden war das Motiv der Verheimlichung die Aussicht, Ersatz für den Schaden zu erhalten, die sich aber als irrig erwies, und in beiden Fällen interpretierten die Aufsichtsräte die Sorgfalt, welche das Gesetz von ihnen bei Erfüllung ihrer Obliegenheiten verlangt, so, daß sie sich zur Geheimhaltung der Unregelmäßigkeiten verpflichtet fühlten. An diese beiden Fälle, welche die Handelszeitung des „Berl. Tageblattes“ in Nr. 183 vom n. April 1904 mitteilte, knüpfte das Blatt folgende Bemerkung:
„Der Aufsichtsrat wäre danach also in einen Konflikt ge¬raten zwischen dem Prinzip der Geheimhaltung und dem Offen¬heitsprinzip. Auf diesen Konflikt hat vor einiger Zeit Prof. Rehm-Straßburg in einer in der ,Deutschen Juristen-Zeitung* veröffentlichten Abhandlung hingewiesen, die den Titel führt: ,Die Übertreibung des Offenheitsprinzips im Aktienwesen*. Prof. Rehm kommt darin zu folgendem Resultat: »Pflicht und R. Beigel, Theorie und Praxis. j
Recht der Geheimhaltung bestehen noch, wo Mitteilung einer Tatsache für die Gesellschaft größere Übel im Gefolge hat als das Unterlassen der Mitteilung Nachteile für diejenigen, welche die Tatsachen nicht erfahren/
Die beiden oben angeführten Fälle können geradezu als Schulbeispiele für den von Professor Rehm konstruierten Fall gelten. Und da zeigt es sich denn, daß die rauhe Wirklichkeit derartige, am grünen Tisch konstruierte Theorien ad absurdum führt Gerade weil der Aufsichtsrat der beiden Gesellschaften das Offenheitsprinzip im Interesse derselben durchbrach, hat sich der entstandene Schaden womöglich noch vergrößert
Abgesehen davon, daß es den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats unmöglich ist, in derartigen Fällen, wie den oben aufgezählten, zu entscheiden, welches das größere Übel für die Gesellschaft ist: die Geheimhaltung oder die Mitteilung an die Öffentlichkeit, widerspricht ein derartiges Durchbrechen des Offenheitsprinzips völlig dem Geiste des Gesetzes. Das Handels-gesetzbuch hat zwar die Pflichten und Rechte des Aufsichts¬rates, wie die Praxis ergibt, nicht scharf genug präzisiert, immer¬hin gibt es dem Aufsichtsrat eine ganze Reihe von Anweisungen, wie er in Fällen wie Hüttig und Bedburg zu handeln hat Der § 246, Absatz 2, legt dem Aufsichtsrat die Pflicht auf, eine Generalversammlung einzuberufen, so oft dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Der § 247 gibt dem Aufsichts¬rate das selbständige Klagerecht gegen die Vorstandsmitglieder. Der Aufsichtsrat braucht in den Fällen, wo es sich um seine Verantwortlichkeit handelt, nicht einmal einen Beschluß der Generalversammlung abzuwarten, er kann sogar gegen den Be¬schluß der Generalversammlung von seinem Klagerecht Ge¬brauch machen. Das Gesetz hat auch dem Aufsichtsrat die Pflicht aufgelegt, sich um die Qualifikation der von der Gesellschaft anzustellenden oberen Beamten zu kümmern. Wie sollte man da einen Aufsichtsrat entschuldigen, der einen als Fälscher ent¬larvten Direktor — angeblich im Interesse der Gesellschaft — beibehält?“
Der oberste deutsche Gerichtshof, das Reichsgericht in Leipzig, hat sich jüngst gegen die Rehmsche Lehre über das Offenheitsprinzip ausgesprochen und entschieden (Urt d. R.-G. IV. Str.-Sen. vom 24. Okt. 1905), daß, wenn bei einer Aktien- 18
Gesellschaft Veruntreuungen seitens des Vorstandes vorge¬kommen sind, dieselben vom Aufsichtsrat im Geschäftsbericht selbst dann erwähnt werden müssen, wenn für die der Gesell¬schaft aus ihnen entstandenen Ersatzansprüche Deckung vor¬handen ist. Aus den Gründen heißt es:
„Der Geschäftsbericht einer Aktiengesellschaft soll zur Er¬läuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung dienen. Er soll nicht nur den aus diesen Vorlagen in den Um¬rissen zu erkennenden Vermögensbestand der Gesellschaft, son¬dern daneben auch die Verhältnisse der Gesellschaft entwickeln und so einen Überblick über deren Stand zunächst bei Ab¬schluß des Geschäftsjahres geben. Für die Beurteilung der Frage, was hiernach im einzelnen der Erwähnung oder Be¬sprechung im Geschäftsbericht bedarf, müssen die Erwägungen maßgebend sein, die im besonderen Falle die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzustellen gebietet (§§ 241, Abs. 1, 249, Abs. 1, H.-G.-B.). Die Verhältnisse des vorliegenden Falles lassen es nicht rechtsirrig erscheinen, wenn die Strafkammer annahm, daß hier die umfangreichen Veruntreuungen des Direktors der Gesellschaft nicht unerwähnt bleiben durften, selbst wenn für die daraus der Gesellschaft gegen jenen erwachsenen Ersatzansprüche Deckung vorlag. Denn auch dann handelte es sich um ein für die Entlastung der Gesellschaftsorgane und die Neuwahl des Aufsichtsrates bedeutsames und hier um so wichtigeres Vorkommnis, als der Vorstand vom Aufsichtsrat in seiner Stellung belassen worden war.
Mit Recht hat die Strafkammer den Einwand zurückge¬wiesen, daß es unter den obwaltenden Umständen Pflicht des Aufsichtsrates gewesen sei, im Geschäftsberichte Mitteilungen über die Veruntreuungen zu unterlassen, weil derartige Mit¬teilungen den Zusammenbruch der Gesellschaft zur notwentigen Folge hätten haben müssen. Der Geschäftsbericht, so wurde dieser Einwand begründet, sei nur für die Aktionäre bestimmt und habe nur diesen Rechenschaft zu geben. Deren mutma߬licher Wille und deren Interesse habe für die Gesellschafts¬organe die oberste Richtschnur zu bilden. Ihr Wille habe nur dahin gehen können, daß von den Vorkommnissen nichts in die Öffentlichkeit dringe, damit ihr Aktienbesitz nicht gefährdet werde. Das kapitalistische Interesse der Aktionäre sei be¬
friedigt, wenn Veruntreuungen gedeckt seien; von solchen noch Kenntnis zu erhalten, daran bestehe für sie kein Interesse. Sei anzunehmen, daß für andere (Aktienerwerber oder Kreditgeber) solche Kenntnis von Bedeutung sei, so liege demgegenüber für die Gesellschaftsorgane ein Notstand vor.
Diese Auseinandersetzungen beruhen auf Rechtsirrtum. Daraus, daß die Veröffentlichung des Geschäftsberichts nicht gesetzlich ebenso vorgeschrieben ist, wie die Veröffentlichung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 256, Abs. 1, H.-G.-B.), ist nicht zu folgern, daß der Geschäftsbericht nur dem Interesse der Aktionäre diene und nur für diese bestimmt sei. Nach Abs. 2 des § 265 ist er zum Handelsregister einzureichen und schon so der Einsicht jedermanns zugänglich. (§ 9, Abs. 1, H.-G.-B.). Üblichermaßen versenden außerdem die Aktienge-sellschaften ihre Geschäftsberichte an viel weitere Kreise als den der Aktionäre. Und die Vorschriften, zu deren Befolgung die Gesellschaftsorgane im öffentlichen Interesse an gesunder Entwicklung des Aktienwesens, wie zum Schutze des Publikums gegen unlautere Machenschaften überhaupt, unter Strafandrohung (im § 314, Abs. 1, Nr. 1, H.-G.-B.), angehalten werden, treffen ebenso die Darstellungen über den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft in den Gesellschaftsberichten, wie die Übersichten über deren Vermögensstand in den Bilanzen. Unter allen Um¬ständen aber erheischte schon das Interesse der Aktionäre hin¬sichtlich der zu fassenden Beschlüsse aus den dargelegten Rück¬sichten die Bekanntgabe der Veruntreuungen. Einer besonderen Widerlegung der gänzlich verfehlten Hereinziehung eines Not¬stands ist man hiernach überhoben.“
Wie die Wahrheit vom rechtlichen, so ist die Klarheit vom formalen Standpunkte aus als ein wesentliches Erfordernis der Bilanz zu betrachten. Von der Klarheit und Übersicht der Darstellung hängt es ab, ob der Aufbau (Struktur) der Bilanz ein solcher ist, daß ein Einblick in die Vermögenslage der Ge¬sellschaft im einzelnen wie im ganzen sich aus ihr gewinnen läßt oder nicht
Das Schweizerische Obligationsrecht bestimmt in Art 656 was folgt:
„Die Bilanz ist so klar und übersichtlich aufzu¬stellen, daß die Aktionäre einen möglichst sichern
Einblick in die wirkliche Vermögenslage der Gesellschaft erhalten.“
Mit Bezug auf die Bilanzklarheit bietet jede Gattung von Aktiengesellschaften für die richtige Bilanzierung eigenartige Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten werden wesentlich da¬durch erhöht, daß kein fester Rahmen für die Bilanz besteht ), in welchem in einer bestimmten Ordnung die Aktiv- und Passiv¬posten eingefügt werden können. Bei sehr vielen Aktienge¬sellschaften ist die Bilanz so gehalten, als ob diese nur dazu da wäre, um Rätsel aufzugeben. Man ist bei ihnen auf das Raten und Vermuten angewiesen. Und das kann doch unmöglich der Zweck gewesen sein, aus welchem das Gesetz (§ 265 H.-G.-B.) die Veröffentlichung der Bilanz (PublikationspfEcht) vorschrieb.
Dieser Buntscheckigkeit, Willkür und Bilanzverwilderung ist es zuzuschreiben, wenn es dem Publikum so schwer wird und auch dem Fachmanne nur selten gelingt, sich aus den veröffentlichten. Bilanzen ein annähernd klares Bild von der Vermögenslage der Gesellschaften zu machen. Zweckmäßig hätte die Befugnis und die Verpflichtung zur Aufstellung von Bilanzschemata für die Hauptgruppen der Aktiengesell¬schaften dem Bundesrat übertragen werden sollen. Wenn es möglich gewesen ist, für Versicherungsgesellschaften wichtige Grundsätze der Bilanzierung gesetzlich festzulegen *), und es gelungen ist, für Hypothekenbanken ein einheitliches Schema für den gleichen Zweck zu schaffen8), so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dieselbe Aufgabe auch für alle andern Arten von Aktiengesellschaften lösbar wäre.
Diese andern Arten müßten mit Bezug auf ihre Bilanzen in sieben Hauptgruppen geschieden werden. Es hätten zu gehören:
Zur Gruppe I Sämtliche industriellen Gesellschaften.
Zur Gruppe II Die Gasanstalten und Elektrizitätswerke.
Zur Gruppe HI Die gewöhnlichen Banken und Finanzinstitute.
Zur Gruppe TV Die Emissionshäuser.
Zur Gruppe V Die Verkehrs- und Transportgesellschaften.
Zur Gruppe VI Die Versicherungsgesellschaften.
Zur Gruppe VII Die gemeinnützigen und Verkehrsanstalten.
Jede dieser sieben Haupterwerbsgruppen hätte in der Bilanz
in Ansehung der Eigenart ihrer Betriebsform ihre speziellen Konti klar und übersichtlich auszuweisen.
In sämtlichen Bilanzschemata aber hätte der Grundsatz
vorzuherrschen, daß die immobilen Posten des Aktivver¬mögens wie des Passivvermögens streng getrennt von den mobilen zu halten sind.
Unter immobilen Posten des Aktivvermögens sind alle Werte zu verstehen, die nicht zur Veräußerung, son¬dern den Zwecken der Gesellschaft dienen. Hierher gehören: Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Werkzeug, Geräte und der¬gleichen. Ferner die ideellen Werte, wie Patente, Verlags¬rechte, Firmenwert
Zu den mobilen Posten des Aktivvermögens zählt man: Geld, Guthaben an Banken, Wechsel, Effekten, Zinsscheine, den Vorrat an Waren, die Fabrikate und Rohmaterialien und die Außenstände, soweit diese jederzeit oder innerhalb einer Frist von drei Monaten einziehbar sind.
Immobile Posten des Passivvermögens sind diejenigen Werte, welche nicht zurückgefordert werden können, oder die erst in längerer, im voraus bestimmter Frist rückzahlbar sind. Zur erstem Kategorie gehören: das eingezahlte Aktienkapital, die verschiedenen Reservefonds, der Amortisations- oder Er¬neuerungsfonds sowie die Unterstützungskasse für das Personal. Zur letztem Kategorie zählt man: Hypothekenschulden und Obligationskapitale.
Zu den mobilen Posten des Passivvermögens rechnet man alle diejenigen Schulden, deren Rückzahlung von den Gläubigem sofort oder innerhalb einer Frist von drei Monaten eingefordert werden kann. Hierher gehören: Akzepte, Lieferantenforde¬rungen, aufgenommene Baardarlehen.
Das Merkmal einer gesunden Bilanz besteht darin, daß möglichst wenig immobile Bilanzposten vorhanden sind, sodann, daß sämtliche mobilen Passivposten durch die mobilen Aktiv¬posten gedeckt sind1)« Der Zustand der Bilanz ist in diesem Falle ein „liquider“.
Auf die Liquidität der Bilanz ist bei Aktiengesellschaften ein großer Wert zu legen, weil nur so im Bedarfsfälle Bestände ohne Einbuße versilbert werden können. Diese Liquidität darf nicht nach hergebrachter Schablone, d. h. so dargestellt werden, als ob man sie erst erraten müßte, sondern sie muß aus der Bilanz, mindestens aber aus dem Geschäftsbericht her¬vorgehen. Dies ist nur zu erreichen, wenn die Gesellschaften verpflichtet würden, jedes ihrer größeren Engagements, gleich¬gültig ob sie dem Effekten-, Konsortial-, Kontokorrent- oder Wechselgeschäft angehören, namentlich, das heißt kontomäßig und mit Ziffernangabe, sei es in der Bilanz selbst oder im Ge¬schäftsbericht, anzuführen.
Bei Fabriken ist darauf zu achten, daß die eingekauften Rohstoffe nicht mit dem Lager fertiger Produkte zusammen¬geworfen werden. Die Bilanzklarheit erheischt vielmehr strikte Trennung dieser beiden Kategorien und getrennte Angabe der Rohmaterialien und der verkaufsfähigen Erzeugnisse.
Die Maßregel verhindert (immer vorausgesetzt, daß der Aufsichtsrat seine Pflicht tut), daß abnorme Ein- und Verkäufe von Rohstoffen oder Fertigfabrikaten gemacht werden können, wie dies gewöhnlich zu Spekulationszwecken zu geschehen pflegt, ohne von dem kontomäßig getrennten Nachweis verraten zu werden. Gewiß wird das Bilanzschema den unlautere Ge¬schäften den „Garaus“ nicht zu machen vermögen; aber das Versteckspielen mit abnormen Summen, das durch das heutige Bilanzchaos und besonders durch das Zusammenwerfen der Konti gefördert wird, würde bei dem festen Gefüge eines sachlich gegliederten Bilanzschemas erheblich erschwert werden.
*) Andri-Sayous stellt in seinem in der „Revue d’^conomie politique“ (Februar 1899) veröffentlichten Artikel: „Les banquet allemandes en cas de crise ou de guerre“, den deutschen Banken das Zeugnis aus, daß sie es bisher trefflich verstanden hätten, die Liquidität ihrer Bilanzen dem Werdegang der heimischen Volkswirtschaft entsprechend zu regulieren. Er berechnet das Prozentualverhältnis der liquiden Mittel zu den Verbindlichkeiten bei den deutschen Banken ftr die Jahre 1891—1899 wie folgt: 1891:95%, 1892:91%, 1893:88%, 1894:83%, 1895:73%» I80:75%, 1897:79%, 1898:76%, 1899:78%; vergl. Les Ban¬des de Dlpöts“, S. 298, Anm. 1.
Die Bilanz einer Aktiengesellschaft darf auf keinen Fall sich als eine Sphinx darbieten; sie muß vielmehr dargestellt werden, so klar, daß auch der gebildete Laie sich aus ihr ein Urteil über die Vermögenslage bilden kann, und so wahr, daß auf die Richtigkeit der aufgestellten Aktiva und Passiva, sowie der ausgewiesenen Überschüsse mit Sicherheit gezahlt werden kann.
Die Revision der Bilanz an sich
Bei Einbringung des Geschäftsvermögens in die Bilanz müssen die Bewertungen nach den. Grundsätzen der §§ 39 und 261 des H.-G.-B. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vorgenommen werden. Der Einbringung muß eine Inventari¬sierung sämtlicher Vermögensbestände vorausgehen. Denn In¬ventar und Bilanz sind nicht nur begrifflich, sondern auch ge¬setzlich voneinander verschieden. Freilich gibt es Kaufleute und Direktoren von Aktiengesellschaften genug, die sich um 4as Gesetz ebensowenig kümmern, wie um die Technik der Buchführung. Ihnen geht der Betrieb an sich über alles, weil sie nicht wissen, daß eine falsche Buchung, eine Vernach¬lässigung der Bücher oder eine unsachliche Buchführung das Geschäft ebenso schädigen kann, wie ein Mangel in der Fabri¬kation ). Es ist daher wichtig, daß außer der Aufstellung eines Inventars jedes Jahr auch eine Bilanz gezogen wird. Die Nichtbeachtung dieses Erfordernisses zieht im Konkurs¬falle Strafe nach sich. Die Berufung auf einen Rechtsirrtum würde den Kaufmann nicht straffrei ausgehen lassen, weil der Grundsatz gilt, daß „Unkenntnis der Gesetze nicht vor Strafe schützt".
Dem Kaufmanne (und sämtliche Aktiengesellschaften haben gemäß § 6 und § 210, Abs. 2, des H.-G.-B. Kaufmannseigen¬schaft), der nach Lage seines Geschäftes nicht imstande ist, jährlich das Inventar seines Lagers aufzunehmen, hat das Gesetz (§ 39, Abs. 3, H.-G.-B.) nachgelassen, dieses Inventar alle zwei Jahre anzufertigen. Hiervon wird „die Verpflichtung, alljährlich Bilanz zu ziehen, nicht berührt“. Das Gesetz läßt hiernach keinen Zweifel zu, daß es sich um zwei getrennte Schriftstücke handelt, die gefordert werden.
Hierbei sei auf eine interessante Meinungsverschiedenheit zwischen Handelsgesetz und Reichsgerichtsentscheidung bezüg¬lich der Inventarisierung des Warenlagers hingewiesen. Das Handelsgesetzbuch schreibt nämlich in' § 39, Abs. 3 diesbe¬züglich vor:
„Hat der Kaufmann ein Warenlager, bei dem nach der Beschaffenheit des Geschäfts die Aufnahme des Inventars nicht füglich in jedem Jahre geschehen kann, so genügt es, wenn sie alle zwei Jahre erfolgt Die Verpflichtung zur jährlichen Aufstellung der Bilanz wird hierdurch nicht be¬rührt“
Das Verkehrte dieser Anordnung (zweijähriges Inventar bei einjähriger Bilanz) leuchtet ein1). Denn wenn das Gesetz in den Jahrgängen, in welchen die Inventarisierung des Warenlagers ruht, dennoch die Ziehung der Warenbilanz fordert, so kann dies nur auf Grund von Schätzungen ge¬schehen. Schätzungen aber sind von den Tatsachen mehr oder minder abweichende Vermutungen, also für eine Bilanz unbrauch¬bare Wertgrößen. Denn die Bilanz soll Tatsachen, Wahr¬heiten enthalten. Wie soll sie das aber, wenn das Gesetz selbst Gegensätze schafft, die ihr die getreue Darstellung einer Vermögenslage unmöglich machen? ♦
Nun hat ganz richtig das Reichsgericht (Entsch. IV, Straf¬senat, vom 2. November 1900), was folgt ausgesprochen:
„Angesichts des Umstandes, daß die Aufnahme des In¬ventars des Warenlagers sich als wesentliche Grundlage und Vorbedingung für die Bilanzziehung darstellt, erscheint es nicht rechtsirrig, wenn einem Vermögensverzeichnisse, das
x) Eingehend behandelt ist die Frage des gesetzlich zugelassenen zweijährigen Wareninventars bei einjähriger Bilanz in R. Beigel, Die Buchführung nach den gesetzlichen Bestimmungen des Deutschen Reichs und des gesamten Auslandes, S. 84, 85 (Leipzig 1891), und in R. Beigel, Allgemeines deutsches Buchführungs¬recht, S. 65 ff., Leipzig 1900.
an deren Stelle sich prinzipiell mit einer mehr oder weniger i willkürlichen Schätzung von Bestand und Wert des Waren* lagers begnügt, jede Bedeutung als Bilanz, mithin die Eigen¬schaft einer solchen selbst, abgesprochen wird.“
Wenn in vorstehender Entscheidung dem fraglichen Ver-mögensverzeichnis jede Bedeutung als Bilanz abgesprochen wird, so hat dies zweifellos seine Richtigkeit Nicht richtig aber ist, wenn das Reichsgericht einem Vermögensverzeichnis nur darum die Bilanzeigenschaften abspricht weil darin das Warenlager schätzungsweise aufgenommen ist.
Unseres Erachtens ist entgegen der Behauptung des Reichs¬gerichts, das Vermögensverzeichnis auch dann nicht Bilanz, wenn in demselben das Warenlager nicht schätzungsweise, sondern bei tatsächlicher Aufnahme und Bewertung nach den Marktpreisen Aufnahme gefunden hat und zwar von Gesetzes wegen; denn das Gesetz verlangt zwei formell getrennte Urkunden: ein Inventar und eine Bilanz (§ 39, Abs. 2, H.-G.-B.). j
Ist nach den Grundsätzen doppelter Buchführung gebucht ) worden, so müssen, sobald diese Buchungen aus dem Haupt¬buche auf die Bilanz gebracht sind, die Sollspalte und Haben- ’ spalte der Bilanz miteinander übereinstimmen. Die Bilanz an sich braucht darum noch nicht richtig zu sein. Jene Überein¬stimmung ist lediglich eine rein formale, mechanische; sie schützt aber mitnichten die haftpflichtigen Aufsichtsräte vor fingierten Buchungen, Buchungsverschleierungen und Unter¬lassungen. Diesen Schutz vermag nur eine materielle Prüfung der einzelnen Bilanzposten und der damit zusammenhängenden Unterlagen zu bieten.
Findet eine ständige Überwachung und Revision der Buch¬führung statt, so bietet die Prüfung der Bilanz keinerlei Schwie¬rigkeit Denn da die Konti des Hauptbuchs nach den Vor- büchem und diese nach den Belegen regelmäßig geprüft wer¬den, so müssen die Saldi, so wie diese bei doppelter Buch¬führung allmonatlich von der Monatsbilanz und am Jahres¬schluß von der Jahresschlußbilanz nach dem Hauptbuche aus¬gewiesen werden, mechanisch und mathematisch stimmen.
Die Jahresschlußbilanz ist dann auch nichts anderes als eine Monatsbilanz, mit dem Unterschiede, daß auf diesen Monat gerade der Schluß des Geschäftsjahres fällt und daß aus der 26
Jahresschlußbilanz sämtliche Gewinn- und Verlustkonti durch Abgabe ihrer Resultate an Kapitalkonto ausgeschieden sind.
Findet also eine kontinuierliche Buchführungsrevision statt, so kann von einer eigentlichen Bilanzrevision in dem von der Praxis angenommenen Sinne des Wortes keine Rede sein. Es ist vielmehr nur nachzuprüfen, ob die Saldi der Hauptbuch¬konti richtig in die Aktiva und Passiva der Bilanz einge¬stellt sind.
Als Bilanzposten besonderer Art sind anzusehen die spe¬ziellen Saldi der Hauptbuchkonti, wie solche bei Emissions¬banken, bei Pfandbriefinstituten, bei Versicherungsgesellschaf¬ten, bei Straßenbahnen und bei Gas- und Elektrizitätswerken vorkommenx).
Von einer gesunden Bilanz muß man verlangen können, daß die mobilen Passivposten durch die mobilen Aktiv¬posten gedeckt werden, denn nur in diesem Falle ist der von der Bilanz nachgewiesene Status ein liquider1).
Bei Prüfung der Bilanzposten, als der Ausläufer der hinter ihnen stehenden Hauptbuchkonti, empfiehlt es sich, die einzelnen Aktiv- und Passivsummen mit den analogen Beträgen der letzten Jahrgänge zu vergleichen, um im Vergleichsbilde festzustellen, ob wesentliche Veränderungen gegeneinander stattgefunden haben. Starke Abweichungen, sei es nach oben oder nach unten, müssen auf ihre Begründung hin untersucht werden.
Ideelle und materielle Bilanzposten
Man versteht unter ideellen Bilanzposten solche Posten, die weder einen fungiblen (verbrauchbaren) noch sonst einen Kurant¬wert haben. Hierzu gehören: ungeschützte Fabrikationsgeheim¬nisse, Schutzmarken, das Firmenrecht, die Kundschaft. Sodann Patente, Modelle, Lizenzen, Konzessionen, soweit zu ihrer Er¬langung Aufwendungen notwendig waren. Auch erworbene Rechte, wie Verlagsrechte, Wasser- und Grubengerechtsame u. dergl., können als ideelle Aktivposten angesehen werden.
’) Näheres hierüber siehe bei R. Beigel, Das BuchfUhrungsrecht. II. Bd. Die Bilanzen der Aktiengesellschaften. Verlag der mod. kauftn. Bibliothek. Leipzig.
Über „mobile und immobile Posten“ veigl. bei „Bilanzwahrheit und Bilanz¬klarheit“.
Bilanzposten sind materiell, wenn es sich bei ihnen um wirtschaftliche Güter, d. h. um Werte handelt, die Gegenstand des Rechtsverkehrs sind.
Die ideellen Bilanzposten dürfen nicht stets stationär, d. h. mit ein und demselben Wert auf der Bilanz erscheinen; viel¬mehr ist auf eine allmähliche Amortisation derselben Bedacht zu nehmen. Sie liefern keinen ziffernmäßig nachweisbaren Nutzen und haben nur einen Buchwert, dessen aktivische Be-handlung sukzessive aus der Bilanz verschwinden muß. Diesen Posten wohnt mehr Unkosteneigenschaft bei, wennschon die Aufwendungen in ursächlichem Zusammenhang mit dem wirt¬schaftlichen Gedanken stehen.
Ein Status, wie die Bilanz, der den kältesten Realismus darstellt, kann für die Dauer ideelle, eigentlich unreelle Posten nicht vertragen, weil sonst fingierte Aktiven gezüchtet würden, die einer Gesellschaft verhängnisvoll werden könnten.
Der früher beliebten Einstellung von Unkosten für Druck¬sachen, Projektions- und Studienarbeiten, sowie Einrichtungs¬und sonstige Verwaltungskosten in die Aktiven der Bilanz, mit denen besonders die Eisenbahn-Gesellschaften Unfug trieben, wurde durch die Vorschriften des § 261, Ziff. 4, des Handels¬gesetzbuchs, welcher lautet: „Die Kosten der Errichtung und Verwaltung dürfen nicht als Aktiva in die Bilanz eingesetzt werden“, ein Riegel vorgeschobenx).
Unter die materiellen Werte fallen sämtliche Teile des Geschäftsvermögens, also das gewerbliche Anlage- und Betriebs¬kapital. Sie bilden im kaufmännischen und wirtschaftlichen Sinne das gesamte, in dem Betriebe werbende, d. h. zur Er¬zielung des gewerblichen Ertrags unter Mitwirkung von Arbeit verwendete Vermögen. Zum Unterschiede von den ideellen Werten findet bei diesen ein fortwährender Umlauf statt, aus welchem Kreislauf das Geschäftsresultat (Gewinn — Verlust) in die äußere Erscheinung tritt Bei diesen Werten ist darauf zu achten, daß im Verhältnis zu ihrem Verschleiß eine entsprechende
*) Nur die Reichsbank ist befugt, anderen Grundsätzen zu folgen. In dieser Beziehung bestimmt {13, Ziff. 2, ihres Statuts v. 21. Mai 1875 was folgt: „Von den Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nur die Ausgaben für die Herstellung der Banknoten auf mehrere Jahre verteilt werden. Alle übrigen Kosten sind ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung unter den Ausgaben aufzuführen“. 28
Abnutzungsquote alljährlich auf ihren buch- und bilanzmäßigen Betrag zur Abschreibung gelangt Bei etwaigem Ersatz haben die bisherigen Beträge aus den Aktiven der Bilanz auszu-scheiden.
Eine besondere Spezies bilden auf der Passivseite der Bilanz die Abschreibungskonti. Sie gehören nicht zu den ideellen Bilanzposten, weil sie das Korrektiv für die entsprechenden Aktivkonti bilden, deren augenblicklicher Wert erst im Zu¬sammenhang mit jenen Abschreibungen im Sinne von Abzugs¬summen festgestellt werden kann. Eine gleiche Eigenschaft besitzt das aktive Disagiokonto bei Emissionsbanken gegenüber den unter Pari ausgegebenen, aber zu Pari gebuchten Emissionen.
Wie muft die Revision ausgefibt werden. Allgemeines.
Eine Buchführung kann aus verschiedenen Gründen revi¬diert werden, und zwar:
1. um zu ermitteln, ob bei der Jahresschlußbilanz die Ver¬mögenslage und der ausgewiesene Reingewinn richtig zum Aus¬druck gebracht ist;
2. um den Gründungshergang bei einer Simultangründung, Sukzessivgründung oder einer qualifizierten Gründung zu prüfen;
3. um einen ganz speziellen Vorgang, z. B. den Umsatz im Waren- oder Effektenverkehr oder einzelne Bestände oder die Summe der Debitoren und Kreditoren oder irgend ein Ver-dachtsmoment festzustellen.
Bezüglich der Prüfung des Gründungsvorgangs oder der Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft bestimmt das Han¬delsgesetzbuch was folgt:
§ 266, Abs. 1. Die Generalversammlung kann mit ein¬facher Stimmenmehrheit die Bestehung vcn Revisoren zur Prüfung der Bilanz oder zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung beschließen.
Das Gesetz unterscheidet hiernach scharf zwischen Bilanz¬revisoren und Gründungsrevisoren (vergl. §§ 192, 193, 194 H.-G.-B.). Gegenüber den Festsetzungen des früheren Allge¬meinen Deutschen Handelsgesetzbuchs bedeutet die Bestimmung des § 266, Abs. 1, eine wesentliche Erweiterung. Denn während nach letzteren) Recht die Ernennung von Bilanzrevisormr von bestimmten Kauteln (Vertagung der Verhandlung bei einem mit einfacher Stimmenmehrheit gestellten Antrag oder Angabe bestimmter Bilanzmängel, falls der Antrag auf Ernennung von der Minderheit herrührt) abhängig gemacht war, streicht das neue Gesetz diese Kauteln und verlangt nur einfache Stimmen¬mehrheit. Die Wahl der Revisoren muß auf die Tagesordnung gesetzt werden. Es kann aber auch schon generell im Statut eine Prüfung der Bilanz durch Revisoren obligatorisch ge¬macht werden1).
Die besondere Hervorhebung, daß zur Bestellung von Re¬visoren einfache Stimmenmehrheit erforderlich ist, soll bedeuten, daß das Recht durch das Statut nicht beschränkt werden kann, also zwingendes Recht ist1).
Die bestellten Revisoren sind Organe der Gesellschaft, und ihre Ermittlungen sind so anzusehen, wie wenn die General¬versammlung selbst durch ihr Organ die Prüfung vorgenommen hätte. Die Wahrnehmungen, die die Revisoren machen, muß demnach die Gesellschaft gegen sich gelten lassen8).
Zur Erfüllung der ihnen nach § 267 obliegenden Verpflich¬tungen (Bereitstellung der Buchführung und der Bestände) sind Vorstand und Liquidatoren durch Ordnungsstrafen (§ 319 H.-G.-B.) anzuhalten.
Der Bericht der Revisoren ist dem Handelsregister .einzu¬reichen, das ihn zu den Akten nimmt, aber nicht veröffentlicht Dagegen ist die Einsicht jedem gestattet
Der Schwerpunkt des § 266, Abs. 1, liegt darin, daß die Generalversammlung die Prüfung der Bilanz durch besondere Revisoren beschließen kann. Sie muß dies demnach nicht, und nur in den allerwenigsten Fällen tut sie dies in der Tat So bleibt denn bestehen, daß die Bilanzrevisonspflicht dem Aufsichtsrate zufällt Wie dieses Organ sich seiner Prüfungs¬pflicht entledigt und welche Folgen diese Art von Revision zeitigt, wird an anderer Stelle gezeigt Demgegenüber sind die Gefahren, wenn Unregelmäßigkeiten im Rechnungswesen einer Aktiengesellschaft unaufgedeckt bleiben, schwerwiegend,
9 Vergl Kayser, S. 167, Anm. 2.
*) Denkschrift. S. 161. Vergl. Pimer, S. 221.
•) Vergl. R.-O.-H.-G. Bd. 22. S. 277.
weil deren Geschäftsgebahren über den privatrechtlichen In¬teressenkreis hinausgeht, und ihre Handhingen und Unter¬lassungen ein öffentlich - rechtliches Interesse in Anspruch nehmen.
Hierbei ist davon auszugehen, daß, wo im Gesetz von einer Bilanzrevision die Rede ist, was sich so anhört, als ob man nur am Geschäftsjahresschluß zu revidieren brauchte, man an diese Auslegung sich nicht halten darf. Eine richtige Würdigung der Sache muß zum Schluß gelangen, daß die Buch¬führung einer ununterbrochenen Revision unterstellt werden muß, wenn die Kontrolle wirksam sein soll. Der eigentliche Wert der Revision liegt in ihrer Kontinuität Geschieht dies, so erfordert der Monat, in welchen der Abschluß fällt, keine andere Revisionsvorkehrung, wie irgendein anderer Monat auch. Bei einer solchen Revision können sich Fehler oder Unregelmäßigkeiten immer nur einen Monat lang erhalten, näm¬lich so lange, als dieser betreffende Monat noch nicht unter die kritische Lupe der Revision genommen ist, während bei einem Zuwarten mit der Revision bis zum Jahresschluß Fehler und Unregelmäßigkeiten weit schwieriger zu entdecken sind, und bis sie entdeckt sind, können sie bereits alles mögliche Unheil angerichtet haben.
Der Effekt, den unrichtige Buchungsdarstellungen erzeugen, kommt im Abschlußergebnis zum Ausdruck, denn jede einzelne Zahl (Position) in der Buchführung ist eine mathematische Größe, die den Inhalt der das Vermögen zusammensetzenden Konti je nachdem positiv oder negativ beeinflußt Solche Beein¬flussungen können entstehen:
1. durch unwillkürlich begangene Fehler,
2. durch willkürlich erzeugte Unrichtigkeiten.
Zu den unwillkürlichen Fehlern sind zu zählen: alle auf Unachtsamkeit oder Unverständnis beruhenden Fehler und Irr¬tümer, zu den willkürlichen die in böser Absicht also in mala fide, vorgenommenen Bucheinträge, sogenannte Falsch¬buchungen oder Malversationen. Auf gleicher Höhe stehen die wissentlich und zum Zweck einer fiktiven Erhöhung der Aktiva zu hoch bewerteten Vermögensgegenstände oder zu niedrig bemessenen Amortisationsquoten und dergleichen. In allen solchen Fällen liegt eine Vorspiegelung falscher Tatsachen vor, die, soweit damit eine Aneignung widerrechtlicher Ver-mögensvorteile angestrebt wird, auf Betrug hinausläuft.
Zweck der Buchführungsrevision ist nun, jede mögliche Eventualität, die für einen Betrieb aus unwillkürlichen oder will¬kürlichen Unregelmäßigkeiten im Rechnungswesen entstehen kann, dadurch zu beseitigen, daß jede mit guter oder böser Absicht vorgenommene unrichtige Buchung aufgedeckt und ihr etwaiger Einfluß auf das Gesamtergebnis rechtzeitig durch Richtigstellung paralysiert wird.
Soll eine Revision Zweck haben und nicht bloß Formsache sein, so dürfen ihr in Erfüllung ihrer Aufgabe keine Schranken auferlegt werden. Sie muß das gesamte Revisionsmaterial Stück für Stück mit Bezug auf Rechtsform, Buchhaltungstechnik und wirtschaftlichen Effekt im logischen und organischen Zu¬sammenhänge mit den Büchern sine ira et studio prüfen. Ins¬besondere darf der Revisor nicht im Umfange seiner Revi¬sionsarbeiten beschränkt werden und den Auftrag erhalten und ihn akzeptieren, nach einem ihm vom Auftraggeber vorgezeich¬neten Zirkel die Bilanz zu revidieren. Seine Ernennung darf nicht von denjenigen ausgehen, die selbst mit ihrer Geschäfts¬führung unter der Pflicht der Rechnungslegung stehen. Dies erfordert Unabhängigkeit der Revisorenstellung von Gunst oder Mißgunst Der Revisor ist — um ein bekanntes Wort zu paro¬dieren — „unabhängig, oder er ist nicht“.
Die Revision muß, und wenn die Belege als noch so sicher sich geben und von den eigenen Dienststellen mit noch so vielen Vermerken über den richtigen Lauf des Belegstücks versehen sind, mit einem gesunden Mißtrauen an das Material herantreten. Denn wenn der Revisor alles für gut und schön hält und von Vertrauensseligkeit beherrscht wird, so wird nie¬mals etwas Rechtes bei seiner Prüfung herauskommen.
Man vergesse nicht daß mit den strengen Normativbe¬stimmungen des § 261 des H.-G.-B„ unter welchen die Bilanz aufgestellt werden muß, insbesondere aber mit den schärferen Kontrollmaßregeln, die für die Bücher und das gesamte Rech- । nungswesen verlangt werden, auch das Raffinement im Bilanz¬fälschen größer geworden, die Kunst derer gewachsen ist die durch Falschbuchungen ihre Betrügereien, Unterschleife und Schiebungen so zu verstecken verstehen, daß selbst der
gewiegteste Fachmann sie nur sehr schwer aufzudecken vermag.
Auch sollte der Revisor sich nicht bloß auf den Inhalt der Konti und Belege beschränken, sondern er sollte weiter gehen, und sofern es immer möglich ist, auch in den Korrespondenzen nachblättem. Dort stehen oft Dinge, von denen die Schul¬weisheit sich nichts träumen läßt und die dem Revisor, der in den Büchern alles noch so schön und gut finden mag, über manchen Vorgang die Augen öffnen könnten. Sie würden ihm zeigen, wie unrichtig es ist, wenn man mit Bezug auf die Buchführung glaubt: quod non est in actis, non est in mundo.
Übrigens wäre es durchaus verkehrt, anzunehmen, daß eine Revision nur aus befürchteten Betrügereien vonnöten wäre; vielmehr darf man davon ausgehen, daß in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit von Direktion und Beamten im allgemeinen Ver¬trauen zu setzen ist. Wenn trotzdem regelmäßige Revisionen als durchaus notwendig erachtet werden, so geschieht dies aus der Erkenntnis heraus, daß allen Teilen nur damit gedient sein kann, gegenüber der Verantwortung, welche Aufsichtsrat und Direktion den Aktionären schulden, die Sicherheit sich zu ver¬schaffen, daß alles in bester Ordnung ist >
Das Beamtenpersonal hat der Revisionsinstanz auf Befragen bezüglich der gemachten Anstände wahrheitsgetreu Rede und Antwort zu stehen. Berichte derjenigen Beamten, deren Amts¬tätigkeit und Rechnungsführung zu kontrollieren sind, können nur neben den eigenen Erkenntnisquellen des Revisors in Be¬tracht kommen.
Den Maßnahmen zur Abstellung von Übelständen und zur Sicherung des Revisionszwecks muß unbedingt Folge geleistet werden. Wird schriftliche Beantwortung oder Aufklärung be-anstandeter Punkte verlangt, so hat dies ohne weiteren Auf¬schub zu geschehen. Hierbei haben die Dienststellen jede Kritik beiseite zu lassen und sich lediglich auf präzise, den Kem der Sache treffende Erwiderungen zu beschränken.
Verdeckte und offene Zeichen des Unwillens oder gar der Renitenz gegenüber der Revisionsinstanz sind stets die Merk¬male dafür, daß irgendwo etwas „faul“ sein muß. Denn wer seiner Sache sicher ist, braucht die Revision nicht als eine Be¬lästigung, als einen „ungebetenen Gast“ zu betrachten, sondern
R. Beifei, Theorie und Praxi«. 3 03
er darf ‘in ihr einen zwar streng urteilenden, aber doch von Wohlwollen beseelten „Hausfreund“ und Berater erblicken, der nichts weiter als nur nach dem Rechten sehen und Lucken und Fehler aufdecken will. Der zur Rechnungslegung Ver¬pflichtete wird, dafern er seine Sachen in Ordnung hat, nach geschehener Entlastung sich nicht bloß wieder freier fühlen, sondern auch das stolze Bewußtsein in sich tragen, der Revision Gelegenheit gegeben zu haben, sich von der guten Ordnung der Bücher und dem absolut regulären Gang der Geschäfte eingehend überzeugt zu haben. •
Erregen einzelne Punkte den Verdacht des Revisors, so müssen die Verdachtsmomente unauffällig beobachtet und ver¬folgt werden, wie diese sich weiter entwickeln. Ist einmal der „leitende Faden“ gefunden, nach dem „gearbeitet“ wurde, dann dauert es gewöhnlich nicht mehr lange, bis der vollendete Be¬trug offengelegt ist.
Um den Revisionszweck zu erreichen, ist es notwendig, daß die Revision der Buchführung eine sachgemäße und eine gründliche sei.
Eine Revision ist sachgemäß, wenn sie alle diejenigen zum Rechnungswesen gehörigen Faktoren in den Bereich der Kontrolle zieht, die in der Eigentümlichkeit des Betriebes wurzeln. Gründlich ist sie, wenn sie sämtliche Haupt- und Nebenbelege einfordert und sich nicht damit begnügt, die Über¬einstimmung der Buchresultate mit der Bilanz, also die Gleich¬wertigkeit zweier Zahlenreihen festzustellen, sondern wenn sie in die Tiefe — bis zur Ursache der Buchung heruntersteigt, da, von wo aus gewöhnlich die beabsichtigte Unregelmäßigkeit ihren Ausgangspunkt nimmt. Nur selten wird, wie die Er¬fahrung lehrt, die Revision, abgesehen vom Kassenverkehr, bei den Journalbuchungen oder Überträgen auf Erfolg rechnen können. Dahingegen sind bei den primitiven Unterlagen (Billett¬verkauf bei den Straßen- und Eisenbahnen, Lagerschein- und Frachtenverrechnung bei Transport-Gesellschaften, Ausgangs¬scheine im Fabrik- und Warenverkehr, Strom- und Gasverbrauch bei Elektrizitätswerken und Gasanstalten) schon die gefähr¬lichsten Unterschleife entdeckt worden. Man bleibe eingedenk, daß die Buchhaltung bereits mit dem einfachsten Materialent¬nahmeschein einsetzt, und daß in den meisten Fällen die untersten
Organe, die gewöhnlichen Arbeiter, mit ihren Manipulationen, Entnahme, Verwenden und Einbringen von Materialien die wichtigsten Grundlagen für die Buchhalterei und das Rech-nungswesen überhaupt abgeben und entscheidende Faktoren für die Kalkulation wie für die Bilanz bilden. Darum sichere man sich die hier in Betracht kommenden Angaben durch eine geeignete Kontrolle mittels eines dem speziellen Betrieb an¬gepaßten Systems von Abreißregistern, von denen aus die Buch¬führung ihren Ausgangspunkt nehmen kann.
Hieraus ergibt sich, daß sehr wohl die Endzahlen der Bücher mit den Bilanzpositionen in schönster Harmonie sich befinden können, während die Unterlagen falsch sind.
Es müßte schon ein plumper Betrüger sein, der nicht ver¬stände, seinen Betrug durch die Herstellung einer oberfläch- flächlichen Übereinstimmung zwischen den Buchsaldi und der Bilanz künstlich zu verdecken. Aber eben nur künstlich; denn eine gründliche und mit Sachverständnis vorgenommene Revision soll dem natürlichen Hergang klar ins Auge schauen, den Ent¬stehungsgrund prüfen und die Unterlagen, von der Grundbuchung angefangen, durch sämtliche Bücher hindurch, über welche die Post geführt wurde und zu führen war, hinauf bis zur Bilanz genau verfolgen. Setzen wir z. B. den Fall, daß das Debitoren¬konto übereinstimmend mit der Bilanz einen Sollsaldo von 68000 Mk. ausweist, so würde mit dieser Übereinstimmung ja äußerlich die Richtigkeit des Verfahrens gewahrt sein. Damit aber ist noch gar nichts bewiesen. Nehmen wir aber weiter an, daß, um die Geschäftsspesen niedriger erscheinen zu lassen, anstatt des Betriebsunkostenkontos das Debitorenkonto, sagen wir, mit einer Summe von 8000 Mk. belastet wurde, so ist ja zwar damit das Gleichgewicht der Bilanz nicht gestört, aber das Gesamtresultat wird um eben diese Summe niedriger er¬scheinen, als es erscheinen sollte. Denn da die fragliche Summe nicht dem Unkostenkonto, sondern einem Aktivkonto zuge¬schrieben wurde, so haben die Aktiva ungebührlichermaßen «inen Zuwachs erfahren, und die Wirkung ist nun die, daß die Summe künstlich als Gewinn erscheint und als solcher bei Aktiengesellschaften zur Verteilung gelangt, während die ganze Sache auf einem Schwindel beruht Oder nehmen wir einen anderen Fall: der Leiter einer Aktiengesellschaft erhebt aus 3* 35
dritter Hand Beträge aus der Klasse, über die er einen Liefe¬ranten, mit dem er im Einverständnis handelt, quittieren läßt, ohne daß dafür reelle Werte eingegangen wären, oder er ver¬silbert Wertpapiere, ohne den Gegenwert der Kasse zuzuführen, so können sehr wohl solche Manipulationen durch geeignete Buchungen so geschickt dargestellt werden, daß eine ober¬flächliche Übereinstimmung der Bücher und Bilanzen zu Tage tritt, während der Inhalt auf Betrug beruht.
So hatten z. B. die zwei persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft durch längere Jahre in monat¬lichen Raten 3000 Mk. extra der Kasse entnommen, mit diesem Betrag aber nicht ihr Privatkonto belastet, sondern die ganze Summe dem Unkostenkonto unter anderem Namen zur Last geschrieben, so, als ob es sich um eine Ausgabe im Betriebe handeln würde. In einem anderen Falle hatte der Komplementär einer Handelsgesellschaft die strafwürdige Gewohnheit, den Posten für Löhne und Gehälter weit höher in die Bücher und in die Bilanz einzustellen, als die Ausgaben dafür betrugen; die Differenz betrachtete derselbe dann als gute Beute. Und wie häufig kommt es nicht vor, daß Gesellschafter, die für ihre Tätigkeit nach dem Vertrage nur mit einem bestimmten Anteil am Reingewinn abgefunden werden sollen, sich eigenmächtig ein angemessenes Gehalt aussetzen und den entnommenen Be¬trag auch ohne weitere Umschweife als Gehalt* buchen. Wieder andere sichern sich ihren Schnitt auf die Weise, daß sie mit dem Lieferanten ein Abkommen treffen, wonach dieser die zu liefernden Waren zu einem beispielsweise um 10 °/0 höheren, als dem üblichen Preise in Rechnung bringt und auch bezahlt erhält. Die Mehrzahlung, d. h. die betreffenden Prozente aber werden dem biederen Sozius oder Betriebsleiter „vergütet“. In allen diesen oder ähnlichen Fällen, die häufiger vorkommen, als man gemeiniglich glaubt, liegen Untreue und Betrug, eventuell verbunden mit Urkundenfälschung (wegen wissentlich falscher Buchungen und Bilanzierungen) vor und ziehen zivil- wie straf-rechtliche Folgen nach sich. Außerdem berechtigt ein Ver¬trauensbruch obiger Art jeden Gesellschafter oder Gesell¬schaftsteilhaber das bestehende Gesellschaftsverhältnis sofort aufzulösen bezw. die Gesellschaft den Betriebsleiter zu entlassen*
Eine ganz besondere Sorgfalt hat die Revision — wie oben erwähnt — bei Aktiengesellschaften anzuwenden, wo aus dem Gesichtspunkte einer unpersönlichen Gesellschaftskasse heraus gewirtschaftet wird, wo infolge der Amortisationsver¬hältnisse sich jeder beliebige Gewinn herausrechnen läßt, und wo stets die Neigung besteht, einen recht hohen Gewinn heraus¬zurechnen. Dabei ist ein großer Teil der zur öffentlichen Rech¬nungslegung verpflichteten Unternehmungen immer erfolgrei¬cher bemüht, möglichst verschleierte Bilanzen zu veröffent-lichen.
Die Buchführung aber soll ein untrügliches Bild von dem Geschäftsleben der Gesellschaft geben und so geartet sein, daß die Geschäfte derselben und die Lage des Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung daraus ersehen werden können1). Damit ist die Bedeutung der Buchführung für die Aktienvereine in das richtige Licht gerückt, und Auf¬gabe des Revisors ist es, darüber zu wachen, daß
1. eine den gesetzlichen und kaufmännischen Erfordernissen entsprechende Buchführung gehandhabt wird, und
2. daß das, was in den Büchern steht, auch auf Wahrheit beruht.
Diese Überwachungspflicht ist der springende Punkt der ganzen Revision. Sie verlangt bei der heutigen Lage der Dinge, d. h. bei dem Fehlen einer sachlichen Regelung des Revisionswesens, dort, wo man keine sachverständige Hilfe zur Revision zuzieht, imperativ, daß jeder, der die auf ihn gefallene Wahl in den Aufsichtsrat annimmt, auch mit den Kenntnissen der doppelten Buchführung vollkommen vertraut sei.
Darum nützt es dem Aufsichtsrate nichts, wenn er im Falle von Unregelmäßigkeiten sich damit entschuldigt, daß die Kon¬trolle oder die Überwachung eine zu komplizierte war, ebenso¬wenig wie er mit dem Einwande mangelnder Buchführungs¬kenntnisse seine zivilrechtliche Verantwortlichkeit beseitigen kann, ganz besonders dann nicht, wenn, wie dies häufig der Fall, im Gesellschaftsstatut die periodische Revision der Bücher usw.
l) Mustergültig sind die städtischen Revisionseinrichtungen in Frankfurt a. M. Das ist aber auch die einzige Stadtverwaltung Preußens, die ihr Finanz- und Re¬visionswesen fest organisiert hat. Sonst scheint trotz des Selbstverwaltungsrechts, das in diesem Staate den Gemeinden zugestanden ist, das schönste Durcheinander mit Bezug auf das Revisionswesen zu herrschen. Vergl. E. Römer.
dem Aufsichtsrat noch zum Überfluß ausdrücklich zur Pflicht gemacht ist
Prüft man die verschiedenen Bilanzfälschungen näher, so ergibt sich, daß die begangenen Delikte in der Hauptsache folgende Punkte betrafen:
1. wissentlich vorgenommene Werterhöhungen auf Im¬mobilienkonto und der den gesellschaftlichen Zwecken dienenden Einrichtungen;
2. willkürliche Erhöhung des Debitorenkontos;
3. willkürliche Herabsetzung des Kreditorenkontos;
4. Umbuchung von Aktivbeständen auf Gewinn- und Ver¬lustkonti;
5. Vornahme zu geringer Abschreibungen;
6. Unterlassung von Abschreibungen überhaupt;
7. Ausbuchungen von Geldbeträgen auf Grundlage selbst¬gefertigter oder gefälschter Kassenbelege;
8. Buchung von Ausgaben auf Betriebsunkosten, anstatt auf Privatkonto;
9. Umwandlung von Debetsaldi in Akzepte zum Jahres¬schluß, um die Bilanz von einer „Flüssigkeit“ erscheinen zu lassen, die sie nicht besitzt;
10. Buchung von Syndikats- oder sonstigen dunkeln Ge¬schäften auf Conto pro diverse;
11. Buchungsmanipulationen verschiedener Art mit Bezug auf Wechsel- oder Akzeptoperationen;
12. Eröffnung und Führung fingierter Personenkonti;
13. betrügerische Verrechnung von Löhnen oder Aus¬buchung derselben in den Lohnlisten auf fingierte Namen bei industriellen Aktiengesellschaften:
14. Umbuchung von Wertpapieren von Effektenkonto auf Lombardkonto bei Aktienbanken.
Natürlich sind damit nicht alle einem arglistigen Bilanz¬künstler zur Verfügung stehenden Bilanzverschleierungen und Fälschungen erschöpft, aber doch der Hauptsache nach.
Die Revision wird sich daher nach diesen Richtungen hin zu bewegen haben und umfassen:
1. Beurteilung des Buchführungsystems, der Buchungs¬gänge und der Arbeitsverteilung;
2. Begutachtung der Bilanz in ihrer Wechselbeziehung zu den einrelftffli Poteen;
3. Feststellung der Aktiva nach dem Tages- bezw. Bilanzwert;
4. Prüfung der Anlässe, aus denen Gewinn und Verlust entstanden sind;
5. Bewertung der wirtschaftlichen Seite des Betriebs;
6. Offenlegung der Gründe, die den wirtschaftlichen Zweck zu beeinträchtigen oder zu hemmen geeignet sind;
7. Feststellung der Übereinstimmung der vorgetragenen mit den abgeschlossenen Saldi;
8. Abstimmung der gebuchten Posten mit den Belegen;
9. Prüfung der Belege auf ihre Authentizität hin;
10. Prüfung der Verwendung der von den Lieferanten ge¬währten Rabatte und sonstigen Vergütungen.
11. Ermittelung der Verwendung der von den Löhnen zu den Arbeiterversicherungen abgezogenen Mitgliederbeiträge.
Abgesehen von diesen speziell ins Auge zu fassenden Re¬visionsmomenten ist ganz allgemein darauf zu halten, daß der Kassierer nicht zugleich Kontokorrentbuchhalter sei, daß also nicht beide Dienstgebiete in eine Hand gelegt seien. Das gleiche gilt für das Wechselportefeuille und das Journal. Ebenso muß die Prüfung der Einkaufsfakturen und des Einkaufs selbst in getrennte Hände gelegt sein.
Als eine weiter gute Maßregel hat es sich bewährt, jedem Angestellten, dem die Verwaltung von Beständen an vertraut ist, alljährlich einen obligatorischen Urlaub mit zwangsweiser Ver¬tretung zu geben und seine Arbeiten bezw. Bücher während seines Urlaubs von anderen Beamten fortführen zu lassen.
Die Beamten mit Vertrauensstellung müssen auskömmlich saläriert sein, denn gar oft hat es sich gezeigt, daß eine in dieser Beziehung geübte Sparsamkeit böse Folgen gezeitigt hat
Im übrigen lassen sich einheitliche Grundsätze in Bezug auf Kontroll- und Vorsichtsmaßregeln nicht geben, vielmehr werden diese je nach Axt und Umfang des Betriebs verschieden lauten müssen.
Auch die Prüfung der einzelnen Beläge und Buchungen wird bei den verschiedenen Aktiengesellschaften eine ver¬schiedene sein. Allgemein gültige Grundsätze lassen sich auch hierfür nicht aufstellen.
Dafür sind die Betriebe zu sehr verschieden voneinander; und jeder Betrieb hat seine eigene Geschichte, wirtschaftliche Basis, Buchführung und Arbeitsweise. Jeder will individuell be¬handelt sein, und alles kommt hier auf den Scharfblick und die Geschäftskenntnis des Revisors an, dessen natürliche Eigen¬schaften ihn zu seinem Beruf prädestiniert erscheinen lassen müssen. Darum glauben wir auch nicht, daß die Handelshoch¬schulen allein die geeigneten Bildungsstätten sind, um, wie dies schon oft verlangt wurde, tüchtige Revisoren auszubilden.
Nur ganz allgemeine Anhaltspunkte lassen sich als Richt¬schnur für die Revision liefern.
Die zu revidierende Gesellschaft hat dafür zu sorgen, daß das Kassabuch, Journal und die Kontokorrente auf dem Lau¬fenden gehalten, daß die Kassen- und Journalbelege monats¬weise in chronologischer Ordnung getrennt aufbewahrt und daß die Einträge in diesen beiden Grundbüchern in Überein¬stimmung mit den Belegen mit fortlaufenden Nummern ver¬sehen werden.
Die Aktiengesellschaften haben sich davor zu hüten, bei ihrer Buchführungsrevision den gefährlichen Weg der Stich¬proben zu betreten. Solche Scheinrevisionen nützen nichts und haben noch niemals zur Aufdeckung von fingierten Buch¬ungen, Verschleierungen oder Fälschungen geführt Dahingegen leisten sie dem gefährlichen Glauben, als ob tatsächlich eine sachliche Revision stattgefunden hätte, Vorschub. Denn, daß nur Stichproben vorgenommen wurden, verschweigt geflissent¬lich die unter der Bilanz eingetragene Richtigkeitsbescheinigung, so daß das interessierte Publikum, welches anzunehmen be¬rechtigt ist, daß eiiie Prüfung der Buchführung ihrem ganzen Umfange nach stattgefunden hat, durch die vorbehaltlose Be¬scheinigung der „Richtigkeit der Bilanz nach vorangegangener Prüfung“ bewußt irregeführt wird.
Daß eine Kontrolle, ausgeübt von den eigenen Gesell¬schaftsbeamten keine Kontrolle ist, bedarf keiner weiteren Er¬wähnung. Denn der ausübende Beamte kann doch nicht zu¬gleich sein eigener Revisor sein. Gewöhnlich fehlt einer sol¬chen Kontrolle die nötige Sorgfalt und Erfahrung. fAuch wird häufig Rücksicht auf den zu Revidierenden genommen, mit dem man, wer weiß durch welche Fäden, verschlungen ist, so 40
daß man ihm nicht schaden will oder darf. Die Folge ist, daß Unregelmäßigkeiten nur selten an das Tageslicht kommen. Da¬gegen steht der Einrichtung einer „kalkulatorischen Kontrolle* durch das Gesellschaftspersonal nichts im Wege.
Außer der rechnerischen Prüfung der Belege und Bücher durch die „kalkulatorische Kontrolle“ müssen die in den Büchern ausgewiesenen Aktiv- und Passivsaldi mit den tatsächlichen Beständen einer genauen Prüfung unterzogen werden: die Ver-mögensgegenstände (Güter) durch die Bestandsaufnahme, die Schulden und Forderungen (Rechte) durch die juristische Bücher¬revision.
Am gefährlichsten sind die unterlassenen Buchungen, weil sie sich ganz und gar der Revision entziehen, denn was nicht vorliegt, kann nicht revidiert werden. Wird die Buchung über einen vereinnahmten Geldbetrag unter widerrechtlicher Aneignung desselben unterdrückt, und logischerweise auch die damit im Zusammenhänge stehende Gutschrift auf den Konto¬korrent unterlassen, dann wird der Zahler bei Erteilung des Kontokorrentauszuges die mangelnde Gutschrift monieren. Findet aber bei Unterschlagung der Zahlung samt Buchung einseitig Gutschrift statt, so kann bei der Einseitigkeit der Buchung die Bilanz nicht stimmen. Wird doppelseitig gebucht, z. B. „Privat- (auch Fabrikations-)Konto an Kontokorrentkonto*, so stimmt zwar die Bilanz, aber der Journalsatz wird jeder sach-verständigen Revision auf fallen, weil die gegenseitige Ver¬rechnung gerade dieser beiden Konti, die sonst nichts mit¬einander gemein haben, Befremden erregen muß. Und in dieser gewaltsamen Verbindung, in der das Haben des Kontokorrents mit dem Soll des Unkostenkontos gebracht wird, werden, wie die Strafprozesse lehren, häufig die dolosen Gegenposten bei Unterlassung der Einnahmebuchungen eingenistet.
In solchen Fällen kann die kalkulatorische Nachprüfung der Rechnungen und Konti den Fall natürlich nicht aufdecken, wennschon man oft der Anschauung begegnen kann, als ob mit einer solchen Nachprüfung nun alles geschehen sei Der kalkulatorischen Nachprüfung muß sich vielmehr die buchtech¬nische und juristische anschließen. Die Bücher können rech¬nerisch vollständig richtig sein, auch wenn die in denselben ausgewiesenen Rechte und Verpflichtungen mit den Tatsachen
nicht übereinstimmea. Werden Abzüge nicht belastet, Ver¬gütungen nicht gutgeschrieben und die ülgaqg einer Schuld im Kontokorrent nicht verbucht, so wird die Bilanz, der Nach¬weis der methodischen Richtigkeit der Bücher, nicht gestört, die Buchführung aber trotzdem falsch sein. Der Grund hierfür ist, daß die Buchführung keine Rechenmaschine ist, die für die Richtigkeit der aufgenommenen Summen einsteht; viel¬mehr besteht ihre Aufgabe darin, die ihr zugeführten Beträge nach ihrem Einfluß auf Wirtschaftsobjekt und -Subjekt me¬thodisch aufzunehmen. Wenn diese ihr zugeführten Beträge materiell unrichtig sind, so werden sie durch die Aufzeich- nungs- und Klassifikationsarbeit der Buchführung nicht richtig¬gestellt; die Buchführung destilliert dieses ihr zugeführte Ma¬terial nicht1).
Aus alledem geht hervor, daß die Prüfungen des Revisors weder leicht noch einfach sind. Sie erfordern eine vollständige Beherrschung der Materie, sowie der einschlägigen Gesetze. Außerdem ist Gewandtheit und Scharfsinn erforderlich. Und weil diese Eigenschaften nicht jedem beiwohnen, ist es in § 266 H.-G.-B. ausdrücklich für zulässig erklärt worden, daß die Mit¬glieder des Aufsichtsrats sich sachverständiger Hilfe bei Prüfung der Bilanz usw. bedienen dürfen. Um die Kollision zwischen gesetzlicher Pflicht und individueller Verhinderung, die bei der Mehrzahl der Aufsichtsratsmitglieder besteht, ein- für allemal aus dem Weg zu räumen, gibt es nur ein Mittel, und das ist: Einführung der Kontrolle durch Berufsrevisoren im Wege der Gesetzgebung oder die ex officio erfolgende Abordnung eines vereideten Revisors in den Aufsichts¬rat, der die ständige Prüfung der Bücher und der Ge¬sellschaftsverhältnisse zu besorgen hätte.
Die Stellung eines solchen Revisors, deren Ansehen und Gewicht vielleicht durch Verleihung von Titeln, wie z. B. Re¬visionsrat oder Kommissionsrat, auch mit Bezug auf den Rang in der Beamtenhierarchie gehoben werden könnte, müßte den Gesellschaftsorganen gegenüber eine durchaus unabhängige sein. Denn fehlt dem Revisor die nötige Initiative, so kann er nur mit gebundenen Händen seines Amtes walten; entdeckt
*) L. Gomberg in „Soll und Haben“. Nr. 4. Juli 1902. er Unregelmäßigkeiten oder sind Monita zu erteilen und macht er hiervon dem Aufsichtsrat Mitteilung, so wird er, anstatt bei seinen Ermittlungen der Tatbestände unterstützt zu werden, in seine Schranken unter der Bedeutung, daß er seine Kompe¬tenzen überschreite, zurückgewiesen1). Daß nach solchen Er¬fahrungen eine gewisse Gleichgültigkeit und ein Gehen- und Geschehenlassen zum Schaden der Sache Platz greifen muß, braucht nicht besonders betont zu werden. Darum ist für die Wirksamkeit des Instituts vereidigter Aktiengesellschafts¬Revisoren erste Lebensbedingung die absolute Unabhängigkeit derselben,.
Mit Bezug auf die Revision der städtischen Kassen schreibt Gottfried Kramer, Oberrevisor der Stadt Frankfurt a. M., was folgt8): „Überhaupt muß die Unabhängigkeit der Re¬vision von vornherein in zweifelloser Weise gewährleistet sein, selbst auf die Gefahr hin, daß sie gelegentlich über das gesteckte Ziel hinausschießen sollte. Wird der Revisor erst ängstlich gemacht, so daß er sich fragt, ob er nicht mit seinen Moniten irgendwo anstößt und diese deshalb lieber unterläßt, dann wird er unzuverlässig, sowie die Revision zur leeren Form und damit nicht nur nahezu zwecklos oder überflüssig, sondern bis zu einem gewissen Grade sogar gefährdend, denn sie er¬zeugt unter Umständen ein Bewußtsein der Sicherheit, welches gar nicht berechtigt ist.“
Es darf kühnlich behauptet werden, daß eine mit weit¬gehenden Vollmachten ausgestattete und durchaus unabhängige und fachmännisch gebildete Revisionsinstanz, die nicht bloß die formale, sondern auch die materielle und wirtschaftliche Seite der Sache auf Inhalt, Autorisation und Vollzug prüft, wenn nicht alles, aber doch das meiste und gröbste Unheil von den Aktiengesellschaften abzuwenden geeignet ist
a) Vergl. den Fall mit der Aktiengesellschaft „Dampfwollwäscherei“ vorm. Rich. Frans in Krimmitschau u. a. m.
*) Gottfried Kramer, „Die Verwaltung der städtischen Kassen und die Vornahme von Kassen- und anderen Revisionen“. Berlin, Carl Heymanns Verlag. 1901. Der Verfasser verlangt in dieser Schrift (S. so), daß der Revisorposten unkündbar sei, und fährt dann fort: „Ein Revisor auf Kündigung verfehlt sicher seinen Zweck und Beruf, denn ihm mangelt dann die notwendigste Eigenschaft, die Unabhängigkeit und damit die tatkräftige Initiative“.
Die Bestandsaufnahme. AllgMMiaes
Die wesentlichste Rolle im Leben und Wesen einer Aktien- i Gesellschaft spielt das ihr gehörige Vermögen; bei den Aktien¬banken der Barbestand, das Guthaben bei der Reichsbank» das ; Wechselportefeuille, der Bestand an Werttiteln, bei industriellen Gesellschaften die Maschinen, der Bestand an Rohmaterial, an Terrain, Gebäuden, an fertigen und halbfertigen Fabrikaten.
Die Aufnahme der Bestände bezweckt die Erbringung des Nachweises, daß die auf den Bestandskonti in ihren Saldi formell nachgewiesenen Werte tatsächlich und körperlich in den vorhandenen Vermögensbestandteilen vertreten sind. Bei der Aufnahme müssen auch die kleinen Unkosten, d. h. die Bestände an Postwertzeichen, Invaliditäts- und Wechsel¬stempelmarken, die Portokasse und die sogenannte „kleine Kasseu einer Kontrolle unterzogen werden.
Sämtliche Bestände müssen nach Art und Gattung über¬sichtlich in Verwahrung gehalten werden, so, als ob in jedem Augenblick Inspektion und Revision vorgenommen würde. Die ordnungsmäßige Aufbewahrung bezweckt die frei von jedem weitern Nachsuchen ermöglichte Aufnahme der Bestände nach den Büchern.
Die AsfaalMM des Kassenbestaades
Die Aufnahme des Kassenbestandes muß immer impro- visu, plötzlich, unverhofft geschehen. Die einzelnen Geldsorten sind durch Nachzählen festzustellen, fremde Münzen zum Tages¬kurs umzurechnen, fällige Coupons, Vorschüsse, Postwertzeichen und Invalidenmarken, soweit diese Kategorien als Geld zählen, in den Barbestand aufzunehmen. Das Total der Baraufnahme muß genau mit dem Kassenbuchsaldo übereinstimmen. Mit diesem Saldo ist das Kassenbuch am Tage der Revision in den Seitentotalen abzuschließen. Unter diesem Abschluß hat der Revisor einen Vermerk mit Namensunterschrift und Datum an¬zubringen, in welchem die Übereinstimmung des Saldos mit dem vorgefundenen Barbestand bescheinigt wird.
Vor Feststellung des Kassenbuchsaldos ist zu untersuchen, ob sämtliche Ausgabenbelege bis zum Moment der Bestandsauf- nähme ausgebucht und sämtliche Eingänge und Ablieferungen zur Kasse eingebucht sind. Liegen Geldsummen frei, d. h. unge¬bucht, so muß die Einnahmebuchung sofort nachgeholt werden, denn solche Gelder lassen sich ohne weiteres dazu verwenden, um damit Defekte zu decken. Jeder Abzug auf voll ausgebuchte Zahlungen, sei es als Skonto, Entschädigung oder Arbeiterver¬sicherungsbeitrag, muß wieder in dem entsprechenden Kassa¬buche vereinnahmt sein. Ausgaben für Anschaffung von Inva¬liditätsversicherungsmarken müssen effektiv als Markenbestände nachgewiesen werden. Nicht geduldet darf werden, daß, wie dies zuweilen geschieht, Wechsel über das Kassakonto anstatt über Wechselkonto geführt werden. Ferner lenke man sein Augenmerk auf die Posten, die in Soll und Haben der Kasse periodisch unter einem bestimmten Konto zu erscheinen haben, und halte jeden nicht unter dem üblichen Kontotitel laufenden Posten an. Das gleiche gilt für Posten, die zwecks Verdeckung eines bestehenden Kassenmankos als „Verrechnungskonto“ in Haben erscheinen. Dieses Verrechnungskonto wird dann am Ende des Jahres durch Bilanzkonto geschlossen und dem gleichen Konto zu Beginn des neuen Jahres wieder vorgetragen, wo¬durch bewirkt ist, daß das Manko im . Kassabuch nicht ausge¬wiesen zu werden braucht. Um aber auch das lästige Ver¬rechnungskonto loszuwerden, läßt man einen fingierten Debitor als deus ex machina auftreten, der den Saldo des Verrechnungs¬kontos auf sein Soll übernimmt und ihn in den Aktiven der Bilanz an Stelle des fehlenden Geldes als Forderung ausweist.
Bei einem Bestände ausländischer Münzen muß darauf geachtet werden, ob dieselben im Sortenskontro mit dem rich¬tigen Tagesagio eingebucht stehen. Auch die diesbezüg¬lichen Ausgänge sind auf das angewandte Agio nachzuprüfen. Die Verbuchung höherer Ansätze im Eingang und niederer im Ausgang zwecks widerrechtlicher Aneignung der Agiodifferen¬zen hat im erstem Falle zu hohe Ausgabebuchungen, und im letztem Falle zu niedrige Einnahmebuchungen im Kassabuch zur Folge. Diese Manipulation aber läßt sich hier um so we¬niger auffallend durchführen, als das Münzenskontro gewöhn¬lich mit Gewinn abschließt und dieser den in der Sache stecken¬den Dolus nicht so leicht erkennen läßt.
Die Aafaahae des WecMbestaades (PortofeaiUe).
Die Wechselbestände müssen nach ausländischen und inländischen Bankplätzen, sodann innerhalb dieser Gliederung' nach Verfallzeiten aufbewahrt werden.
Bei Aufnahme der fraglichen Bestände ist zu prüfen, ob die Papiere gehörig akzeptiert sind, ob ihre Verfallzeit noch nicht eingetreten ist, ob die Unterschriften der Trassanten und Akzeptanten von bekannten Firmen herrühren, ob der gesetz¬liche Stempel in gehöriger Form verwendet wurde, ob im letzten Giro die zur Revision stehende Firma als Indossatar angegeben ist und der in der Bilanz ausgewiesene Saldo im einzelnen durch individuelle Wechsel im Wechselskontro sich nachweisen läßt. Auch dürfen die Wechsel nicht zu ihrem nominellen Be¬trage, sondern abzüglich des Diskonts für die Zeit, die zwischen dem Verfalltag und dem Bilanztag liegt, in der Bilanz aufge-nommen werden. Das gleiche gilt von den Akzepten. Keines¬falls dürfen Akzepte durch das Wechselskontro laufen, in An¬sehung dessen, daß Akzepte wechselmäßige Verbindlichkeiten, mithin Passiva, und Wechsel oder Rimessen Forderungsrechte, d. h. Aktiva bedeuten.
Die Aafsalune des Effekteabestaades
Bei Prüfung des Effektenbestandes ist darauf zu achten, daß keine eigenen, noch nicht zur Emission gelangten Papiere J aufgerechnet, daß die im Lombard beliehenen Titel vom Eigen¬besitz getrennt aufbewahrt und buchhalterisch gesondert be¬handelt werden, und daß die in Eigenbesitz stehenden Wert¬titel zu dem in Gemäßheit des § 261, Ziff. 1, des Handelsgesetz-buchs bewerteten Kurs in der Bilanz erscheinen. Ferner ist zu prüfen, ob zu jedem Effekt der Couponbogen mit Zins¬schein vom letzten Zahlungstermin ab, sodann der dazu ge¬hörige Talon vorhanden ist.
Bei Banken, die im Betriebe ihres Handelsgewerbes Wert¬papiere zur Aufbewahrung oder als Pfand in Verwahrung haben, ist zu prüfen, ob sie das ihnen in § 1, Ziff. 2, des Gesetzes vom 5. Juli 1896 auf erlegte Depotbuch führen und in Ordnung haben, sowie ob die eingetragenen Depots auch vorhanden und ge¬trennt von dem eigenen Effektenbesitz verwaltet werden. Ebenso müssen die etwa von Aufsichtsräten oder kautionspflichtigen 46
Beamten bei den Gesellschaften in Verwahrung* gehaltenen De¬pots jeglicher Art ordnungsmäßig eingebucht sein und auf der Bilanz nachgewiesen werden.
Sind besondere Fonds passivisch in der Bilanz gebucht, so muß ihr Rechtsboden geprüft .und weiter untersucht werden, wie diese fundiert sind, ob sie statutengemäß bezw. nach der be¬stehenden Konzessionsurkunde ordnungsgemäß verwaltet wer¬den und ob die Aufwendungen aus denselben den darüber bestehenden Bestimmungen entsprechen.
Die Aufnahme der Laferbestlade
Die Revision der Lagerbestände ist gleichbedeutend mit einer Inventarisierung derselben. Die aufgenommenen Bestände sind von den Lageristen in ein Inventar übersichtlich nach Menge und Gattung, einzutragen. Dieses Wareninventar muß mit An¬gabe des Datums der Vollendung von den inventarisierenden Beamten unterzeichnet werden. Hierbei empfiehlt es sich, die Lageristen dienstlich nicht unmittelbar mit den Lieferanten ver-kehren und daher ihre Bücher ohne Preisbuchungen führen zu lassen. Dies hat vielmehr in der Buchhalterei zu geschehen, wo auch die Preise neben den inventarisierten Beständen im Wareninventar eingestellt werden. Diese, also die Originalinven¬tare, und nicht Abschriften derselben sind bei der Nachprüfung zur Hand zu nehmen. Zum mindesten mässen die Reinschriften genau mit den Originalaufnahmen verglichen werden. Voraus¬setzung ist, daß ein zweckmäßig angelegtes Lagerbuch ge¬halten wird, welches die Bestände kontrolliert. Dieses Buch darf nicht bloß gehalten, sondern es muß so zuverlässig geführt wer¬den, daß es Fehler der Bestandsaufnahme richtigstellen kann, und nicht, daß umgekehrt erst die Bestandsaufnahme das Lagerbuch berichtigen muß. Ohne Zweifel ist die unbedingt zuverlässige Führung eines Lagerbuchs besonders dort, wo die Bestände sich aus recht kleinen Fertigerzeugnissen zusammensetzen, geradezu ein Kunststück der Buchführung und des Aufpassens. Aber ausgerüstet mit dem nötigen guten Willen und Verständnis ist dieses Kunststück viel einfacher, als es aussieht; jedenfalls ist dieses Kunststück, gerade weil die Kontrolle des Lagers eine komplizierte und in dem Lager oft der Hauptbestandteil des Vermögens enthalten ist, wert und wichtig genug, um unver- drossen an seine Lösung heranzutreten. Abgesehen hiervon ist es mehr als fraglich, ob vom Rechtsstandpunkte aus der Vermögensnachweis, der nach dem Gesetz aus den Buchern ersichtlich gemacht werden muß1), ohne Lagerbuch über¬haupt als erstellt betrachtet werden würde.
Bei industriellen Aktiengesellschaften spielen die Fabrikate eine Hauptrolle. Diese gliedern sich in fertige und halb- oder unfertige Fabrikate. Die fertigen Produkte dürfen genau nur zu dem Preis aufgenommen werden, zu dem sie sich unter Berücksichtigung des Aufwandes an Rohmaterial, Löhnen, Verwaltungskosten, Zinsen und Abnutzungsquoten aus¬kalkulieren lassen.
Die halb- oder unfertigen Fabrikate müssen zu dem¬jenigen Werte aufgenommen werden, der auf sie bei Anrech¬nung der gleichen Belastungsfaktoren wie bei den fertigen, bis zu dem Stadium, an dem sie am Tage der Aufnahme an¬gelangt sind, aufgewendet wurde.
Die Preisainisitze
Zu welchen Preisen die verschiedenen Vermögensbestände in die Bilanz eingebracht werden sollen, darüber bestimmt zu¬nächst § 40 des Handelsgesetzbuchs was folgt:
„Bei der Aufstellung des Inventars; und der Bilanz sind sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden nach dem Werte anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet
Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrschein¬lichen Werte anzusetzen, uneinbringliche Forderungen abzu¬schreiben.“
Diese Vorschriften sind wie für den Einzelkaufmann, so auch für die'Aktiengesellschaft bindend.
Bei der Aktiengesellschaft haben außerdem die verschärften Bewertungsregeln des § 261 des Handelsgesetzbuchs Platz zu greifen, wonach insbesondere alle Vermögensgegenstände, auch wenn sie zur Weiterveräußerung bestimmt sind, nicht höher als zum Anschaffungs- oder Herstellungspreis, und Waren und Wertpapiere stets zu dem niedrigeren Preise — gleichviel ob dies
5) Vergt bei: Bücheirerison; Das Lagerkonto.
der Anschaffungspreis oder Markt- oder Börsenpreis am Bilanz¬tag ist — angesetzt werden dürfen; andere Gegenstände sind höchstens zu dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis anzu¬setzen; Anlagen und sonstige Gegenstände, die nicht zur Weiter¬veräußerung, vielmehr dauernd zum Geschäftsbetriebe der Gesell¬schaft bestimmt sind, dürfen ohne Rücksicht auf einen geringeren Wert zu dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis angesetzt werden, sofern ein der Abnutzung gleichkommetader Betrag in Abzug gebracht oder ein ihr entsprechender Emeuerungsfonds in Ansatz gebracht wird; die Kosten der Errichtung und Ver¬waltung dürfen nicht als Aktiva in die Bilanz eingesetzt werden. Der Zweck dieser Verschärfungen ist, eine Verminderung des Gesellschaftskapitals durch Verteilung eines fiktiven oder doch noch nicht realisierten Gewinns zu verhindern. Diese Verschär¬fung steht im Zusammenhänge mit den übrigen Maßregeln, die das Aktienrecht zur Erhaltung des statutenmäßigen Grund-kapitals trifft.
Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze sind an¬zusetzen:
1. Die Warenbestände zu£den Anschaffungskosten (Fak¬turenwert) einschließlich der darauf ruhenden Spesen, wobei auf außer Mode gekommene Artikel ein bestimmter Wertteil zu amortisieren und der durch Lagerung, Veraltung, Schwund, Veränderung der Konjunkturen usw. sich ergebende Minderwert zu berücksichtigen ist.
2. Eigene Fabrikate zum Marktpreis, der für dieselben am Bilanztage maßgebend ist, Halbfabrikate zum Betrage der bis hierher auf dieselben aufgewendeten Kosten an Rohstoffen, Arbeitslöhnen usw.
3. Der Wechselbestand zum Nominalbetrag abzüglich des Diskonts zum Tagessatze für die Zeit, welche zwischen dem Bilanztage und der Verfallzeit des Bestandes liegt.
4. Die Buchforderungen, so wie diese sich als Saldi aus den Abschlüssen ergeben, wobei jedoch zweifelhafte Beträge nur nach ihrem wahrscheinlichen Werte eingebracht, unein-bringliche aber gänzlich abgesetzt werden müssen.
5. Maschinen, Werkzeug und sonstige Mobilien zum An¬schaffungswert, wobei alljährlich ein der Abnutzung entsprechen¬der Wertbetrag abgesetzt werden muß.
R. Beigel, Theorie und Praxi». 4.
6. Immobilien, besonders Gebäulichkeiten, zum Anschaffungs- bezw. Bauwert mit alljährlicher prozentualer Abschreibung bezw. Hinzuschreibung für aus baulichen Veränderungen her¬rührende Meliorationen und Wertsteigerungen.
7. Die Buchschulden zu ihrem wirklichen Wert, also be¬strittene Schulden und schuldige Kosten, deren Betrag noch nicht feststeht, zu ihrer wahrscheinlichen Höhe.
8. Bürgschaftsübernahmen und Gefälligkeitsakzepte, bezüg¬lich deren noch keine Inanspruchnahme erfolgte, zum vollen Betrag; doch kann die hierbei etwa in Betracht kommende Regreßforderung in die Aktiva gesetzt werden. Ist aber die Zahlungsfähigkeit (Bonität) des Regreßpflichtigen zweifelhaft, so darf nur der wahrscheinliche Wert der Regreßforderung in Ansatz kommen.
Die Bficherrevisioii. Die Qrasdblcber.
Bei Revision der Buchhaltung ab solcher ist das Haupt¬augenmerk auf die beiden Grundbücher: Kassabuch und Journal, zu heften. Diese beiden Bücher bilden das Rückgrat des gesamten Verrechnungswesens; in ihnen müssen sämtliche Geschäftsvorfälle und sonstige das Geschäftskapital beeinflußende Vorkommnisse, soweit diese auf das Vermögen der Geselbchaft verändernd einwirken, ausnahmslos gebucht werden. Steht in diesen beiden Büchern etwas fabch, so überträgt sich der Fehler, durch sämtliche davon betroffenen Konti hindurchgehend, bis hinauf zur Bilanz, und unterschlagen diese Bücher Posten, d. h. schweigen dieselben dort, wo sie reden sollen, so wird auch die Bilanz schweigsam erscheinen.
Man revidiere daher zunächst diese Bücher, eines nach dem andern, an der Hand der Belege. Rasuren u. dergl. an erheb¬lichen Stellen müssen angehalten werden. Verdächtige Posten sind sofort rückwärts bis zu ihrem Entstehungsgründ zu ver¬folgen, auf welchem Wege es sich zeigen muß, welche Be¬wandtnis es mit dem Posten hat.
Jeder revidierte Posten ist in diesen beiden Büchern mit einem roten Tintenstrich, dem sog. Verifikationszeichen, zu ver¬sehen. Ganz besonders wichtig ist es, die letzten Journal¬posten, welche vor Aufstellung der Bilanz gebildet werden, 50
einer genauen Revision zu unterziehen, denn Schiebungen werden in der Regel erst voigenommen, wenn man sieht, daß sie im Interesse der Rechnungslegung sich als notwendig er¬weisen. Darum wird die Buchung solcher Posten gewöhnlich erst gegen Ende der Betriebsperiode in den Geschäftsbüchern vollzogen.
Die Belege.
Durch authentische Unterlagen belegt sind nur die Kassen- und Journalbuchungen. Folglich können, soweit von „Belegen“ im revisionstechnischen Sinne die Rede ist, nur die Belege zum Kassabuch und Journal gemeint sein.
Die Kassenbelege, auf Grund deren Auszahlungen statt¬gefunden haben, müssen besonders unter die kritische Lupe genommen werden. Es ist zu prüfen, ob der Beleg mit der Unterschrift des Empfangsberechtigten quittiert ist, ob das Datum der Quittung mit dem Datum der Buchung übereinstimmt. Ferner muß der Kassenbeleg mit der Zahlungsanweisung der Direktion versehen sein. Selbstgeschriebene Belege sind zu verpönen, vielmehr müssen diese von den Geldempfängern ge¬liefert werden. Bestehen neben dem Hauptbeleg Nebenbelege, so dürfen diese neben der gebuchten Summe des Hauptbelegs nicht etwa auch als selbständige Unterlagen zu Ausgangs¬buchungen benutzt werden.
Bilden Lohnlisten Kassenbelege, so ist darauf zu achten, i. daß die einzelnen Empfänger selbst mit ihren Namen quittieren,
2. daß, wenn eine Liste mehrere Totale enthält, die zu¬sammen die gebuchte Summe ergeben, nicht das eine oder andere Teiltotal nochmals zur Ausbuchung benutzt wird.
Jeder Journalbeleg muß
1. das laufende Datum an geben,
z. den Gegenstand nennen, der zur Buchung Veran¬lassung gab,
3. den Geldbetrag ersehen lassen,
4. die Austitelung des Kontos enthalten, das bei der Buchung in Frage kommt,
5. mit der Buchungsanweisung der Direktion versehen sein.
Findet bei der Revision, d. h. dem Vergleich der einzelnen Belege mit den Buchungen, Übereinstimmung statt, so ist jedes-
mal bei der Buchung in roter Tinte ein Häkchen (etwa: x/) anzubringen. Dieses Häkchen ist auch dann auszufuhren, wenn eine Buchung oder ein Beleg zur Beanstandung Anlaß gibt, schon deswegen, um nicht die Aufmerksamkeit auf die Buchung* oder den Beleg zu lenken, wie dies geschehen würde, wenn das übliche Revisionszeichen fortfiele oder durch ein anderes ersetzt würde. Indem ein verdächtiger Posten wie ein ver¬dachtloser behandelt wird, kann die Nachforschung in unauf¬fälliger Weise und daher unbeeinflußt vor sich gehen. Nichts hindert natürlich, sich in unauffälliger Form (d. h. in einem be¬sonderen Revisionsnotizbuch) seine Notizen zu machen.
Um eine wiederholte (fraudulöse) Benutzung des bereits gebuchten und revidierten Belegs unmöglich zu machen, müssen nach erfolgter Revision sämtliche Kassen- und Joumalbeleg-e, nachdem sie die Revision passiert haben, mit dem Revisions¬stempel annulliert werden.
Journalbelege im weitem Sinne bilden alle diejenigen Vor¬bücher, aus denen das Journal unmittelbar seine Buchungen hemimmt; sodann in Fabriken: die Verteilungslisten der ge¬zahlten Löhne, die Fakturenbücher, die Abreißregister, auch etwaige Anweisungen zu Gegen- und Umbuchungen; in Bank¬geschäften: die Depot- und Lombardbücher sowie die im Konto-korrentverkehr empfangenen Bürgschaftsurkunden.
Bnchnngsfiberträge und Vorträge auf neue Rechnung.
Sind die Belege zu den beiden Grundbüchern durchrevi¬diert, so ist zu prüfen, ob die Grundbuchungen aus den beiden Büchern pünktlich auf die Bestandsbücher einerseits und auf die Hauptbuchkonti andererseits übertragen wurden.
Ist die Revision vom gesetzlichen Inventar ausgegangen, so muß geprüft werden, ob vor der Übertragung der Verkehrs¬posten aus den Grundbüchern zunächst die Inventarposten den bezüglichen Konti als Saldi in Soll und Haben richtig vorge¬tragen wurden.
Die Kontokorrente
Ein jedes Konto, welches einem Geschäftsfreunde gegen¬über geführt wird, darf inhaltlich nur Rechtsgeschäfte ent¬halten. Hier gilt es, daß jeder gebuchte Posten auf seinem richtigen Platz (Soll oder Haben) steht. Denn jedem Geschäfts- 52
vorfall, der auf eine Geldleistung ausläuft, muß stets ein Rechts¬verhältnis (Vertrag) zwischen den beiden handelnden Parteien unterliegen, von denen die eine Partei die (aus dem Vertrage) verpflichtete oder Soll-Partei und die andere die (aus dem Vertrage) berechtigte oder Haben-Partei ist.
Werden generelle Debitoren- und Kreditorenkonti geführt, so hat man sich die Kontokorrentlisten vorlegen zu lassen, welche die Saldi der obengenannten beiden Konti spezialisieren. Diese Listen müssen
1. das Folio des Kontokorrentbuches,
2. die Namen der Konti-Inhaber,
3. die Summen der auf Soll und Haben gebuchten Posten,
4. den Saldo eines jeden einzelnen Kontokorrentkunden individuell angeben.
Die Kontokorrentlisten müssen einer eingehenden Durch« sicht an der Hand des Kontokorrentbuches unterzogen werden, wobei zu prüfen ist, ob keine fingierten Konti sich darauf befinden. Berüchtigte, im Debitorenkonto versteckte Rech* nungen sind: die Konti pro Diverse, die Syndikatskonti, die Partizipationskonti.
Wichtig ist, die Habenposten auf den Kontokorrenten mit dem Soll des Kassabuchs zu vergleichen, da oft Fälschungen dadurch begangen werden, daß eingegangene Zahlungen zwar auf dem Konto des Zahlers, nicht aber auch im Kassabuch auf Soll (Einnahme) gebucht werden.
Umgekehrt sind ausgebuchte Zahlungen im Haben des Kassabuchs, die auf Soll der Lieferantenkonti gebucht sein müssen, diesen Sollbuchungen gegenüberzustellen«
Den Belastungsbuchungen auf den Kundenkonti müssen die Ausgänge aus den Fakturen- und Lagerbüchern, den Gut¬schriften auf den Lieferantenkonti die Eingangsbuchungen in den Lagerbüchern gegenüberstehen. Im Zweifels- oder gar Verdachtsfalle sende man einen Kontoauszug an den Konto¬inhaber mit der Bitte, die Richtigkeit desselben bestätigen zu wollen.
Absolut zu verwerfen ist es, den Verkauf von Einlaßkarten bei Theater-Aktiengesellschaften, der Fahrscheine bei Straßen¬bahnen, des Gaskonsums bei Gasanstalten, der abgegebenen elektrischen Energie bei Elektrizitätswerken unmittelbar über
Betriebseinnahmekonto gehen zu lassen. Vielmehr ist für die Übernahme dieser Beträge zunächst das „Abonnentenkonto" (mit seinen dahinterstehenden namentlichen Listen) als Unter¬abteilung des Debitorenkontos (Buchung: „Abonnentenkonto an Betriebseinnahmen") zuständig. Erst von diesem Konto werden dann die bezüglichen Beträge bei deren Bezahlung durch das Kassakonto (Buchung: „Kassakonto an Abonnentenkonto“) ab¬gebucht Die Umgehung dieser Buchungsmethode durch un¬mittelbare Übernahme dieser Einnahmen auf Betriebskonto fällt in das Gebiet einer undurchsichtigen Buchführung, weil auf dem Betriebseinnahmekonto gar noch sehr viele andere Einnahme¬posten erscheinen, wodurch die regulär fließende monatliche Haupteinnahmequelle im Gemisch mit den vielen anderen Buchungen getrübt wird und nicht mehr in ihrer gesonderten Reinheit erscheint, während gerade dieser Posten auch vom Standpunkte des Vergleichsbildes im Wechsel der Monate eine gesonderte Behandlung im Sinne der oben angegebenen Buchungen erheischt
Uneinbringliche Forderungen dürfen nicht figurieren, son¬dern müssen von dem Saldo der Debitoren in Abzug gebracht werden. Um aber nicht zu warten, bis Verlust eintritt und diesen Verlust dann auf einmal über Gewinn- und Verlustkonto buchen zu müssen, wird ein Delcredere-Konto gebildet und diesem — gleichviel ob Verlust da ist oder nicht — zum Bücher¬abschluß jedes Jahr vorsorglich eine bestimmte Quote aus dem Reingewinn mittels der Buchung: Gewinn- und Verlustkonto an Delcredere-Konto überwiesen, aus welchem dann effektive Ver¬luste durch die Buchung: Delcredere-Konto an Debitorenkonto gedeckt werden können.
Ein besonderes Augenmerk richte man auf die Syndikats¬rechnungen, weil es sich hierbei gewöhnlich um Spekulations¬geschäfte handelt, sowie auf etwaige Privatkonti der Direktoren und Aufsichtsräte, da diese oft Ablagerungen von Geschäfts¬gewinnen und Ausbuchungen von Privatverlusten enthalten.
Oft werden das Debitoren- oder Kreditorenkonto dazu be¬nutzt oder besser mißbraucht, um dahinter Zinsen- und Waren¬ausfälle oder auch sonstige Verluste zu verstecken. Wird am Jahresschluß der im Saldo des betreffenden Verlustkontos dar¬gestellte Ausfall auf Kreditorenkontö übertragen, so wird dieses 54
Konto, welches ein Passivum bildet, um den Betrag des auf ihm lastenden Ausfalls gekürzt Geschieht die Abbuchung des Verlustes auf Soll des Debitorenkontos, so erscheint dieses Konto mit einem um den abgebuchten Verlustbetrag erhöhten Saldo in den Aktiven. So oder so, in beiden Fällen wird aus der Verschlechterung eine Bilanzverbesserung. Gewöhnlich wird das Manko auf ein Konto pro Diverse getragen, welches in der Debitorenliste zu den übrigen Debitoren hinzugesetzt wird und das dann in dem Saldo des Debitorenkontos aufgeht Vielleicht wird auch unter den Posten des Konto pro Diverse im Kontokorrentbuch das Manko mit seinem Betrage einge¬tragen; vergebens aber wird man nach einem Personen-Namen bei dem Eintrag suchen, der doch bei regulärem Verlauf der Sache der Buchung hinzugefügt sein müßte. Solche Fälschungen sind, je nachdem, vom Kassenführer leicht vorzunehmen, wo der Kassierer zugleich die Funktionen eines Buchhalters versieht; sie sind vom Vorstand leicht durchführbar, wenn der Buchhalter lediglich die Handelsbücher führt und mit der Vermögensab¬rechnung nichts zu tun hat da ihm dann die zu übertragenden Mankoposten diktiert werden können, ohne daß er eine Über¬sicht erhält wo seine Buchung schließlich ausmündet.
Das traoitorisdie Konto
Dieses Konto wird nur beim Bücherabschluß eröffnet, um auf ihm vereinnahmte Beträge zu verrechnen, die sich auf Zeiten beziehen, welche über den Abschluß hinausreichen. Anderer¬seits werden diesem Konto diejenigen Summen gutgeschrieben, die bis zu dem Jahres- bezw. Bücherabschluß geschuldet werden, aber noch nicht eingegangen sind. Darum wird dieses Konto auch Verrechnungskonto genannt Dasselbe kann in der Bilanz sowohl aktivisch wie passivisch auftreten.
Es kommt in jedem großem Betrieb vor, daß z. B. Feuer-, Haftpflicht- oder Lebensversicherungsprämien nicht bloß für ein Jahr, sondern um sich, wie dies gewöhnlich policemäßig stipu- liert ist ein Freijahr zu sichern, auf vier Jahre hinaus bezahlt werden. Die Zahlung, sagen wir 8000 Mk., geht zu Lasten (Soll) des Gewinn- und Verlustkontos bezw. des Kontos der Betriebsausgaben. Es wäre unrecht wollte man mit dem un¬geteilten Betrag das Geschäftsjahr, in welchem die Prämien-
Zahlung erfolgte, belastet lassen, da ja die Versicherung und mit ihr der wirtschaftliche Vorteil auch während der folgenden vier Betriebsjahre andauert Es geziemt sich vielmehr, von den 8000 Mk., welche, auf die fünf Versicherungsjahre aufge¬teilt, 1600 Mk. pro Jahr ergeben, nur 1600 Mk. auf dem Gewinn- und Verlustkonto stehen zu lassen, den Rest aber mit 6400 Mk. dem genannten Konto ab- und dem „transitorischen Konto“ aufzubuchen. Auf diese Weise ist die Minderung des Geschäfts¬ergebnisses und der mit der Versicherung verbundene Nutzen in Einklang gebracht Geschähe dies nicht, so würde das eine Jahr die Lasten von noch vier andern Jahren tragen, ohne daß Aussicht auf eine Gegenleistung gegeben wäre. Ähnlich liegt der Fall, wenn pränumerando Mieten gezahlt wurden.
Sind solche Unkosten zur Zeit der Bilanzierung noch ge¬schuldet, so muß die Belastung des bis zu diesem Datum ge¬schuldeten Teilbetrags auf die Gewinn- und Verlustrechnung zugunsten der diesbezüglichen Gläubiger erfolgen.
Hatte man solche Unkosten nicht zu zahlen, sondern zu vereinnahmen, und sind die Beträge bis zum Bilanztage nicht eingegangen, so muß das Gewinn- und Verlustkonto gegen¬über der Belastung der schuldnerischen Konti für den auf das laufende Geschäftsjahr entfallenden Unkostenteil erkannt werden. Wurden die Beträge vereinnahmt und geschah dies mit Vor-ausbezahlung, so ist der vorausbezahlte Teil auf dem Gewinn- und Verlustkonto, das bei der Vereinnahmung mit dem ganzen Betrag erkannt wurde, durch Belastung an das transitorische Konto, wieder zurückzubuchen. Denn geschähe dies nicht, so würde das Betriebsergebnis des laufenden Jahres ungebühr¬lichermaßen mit dem auf das nächste Geschäftsjahr entfallenden Teil zu seinen Gunsten beeinflußt
Nachzusehen, ob die mit Wert vom Abschlußtag statt¬gehabten Verrechnungen begründet sind und richtig vorge¬nommen wurden, oder ob nicht etwa mit Absicht dem transi¬torischen Konto Posten ein verleibt wurden, die das Licht zu scheuen haben. Das zu ermitteln bleibt Aufgabe der Revision.
Der Baakverkehr
Von einschneidender Bedeutung für eine Aktiengesellschaft ist ihr Bankverkehr. Dieser hinterläßt stets einen Saldo, der 56
für die Bilanz einen sehr wichtigen Posten abgibt Steht dieser Posten in den Aktiva, so bedeutet er Guthaben für die Gesell¬schaft; steht er in den Passiva, so ist er Guthaben der Bank an die Gesellschaft Da gilt es, den Banksaldo auf Höhe, Grund und Zinsfuß hin, sowie die Deckungsverhältnisse und etwaige Blankokredite zu prüfen. Es muß aber auch weiter untersucht werden, aus welchen geschäftlichen Operationen der Inhalt des Kontos sich zusammensetzt, der den Saldo an die Oberfläche der Bilanz gebracht hat Da heißt es ferner Umschau halten, ob Spekulationsgeschäfte im Konto gewütet oder ob Syndikats-Unternehmungen dasselbe durchsetzt haben. Um das alles zu erfahren, genügt es nicht nur einseitig das bei der Gesellschaft geführte Bankkonto zu revidieren. Es können gutgläubige und böswillige Fehler im Konto enthalten sein, fingierte oder dolos entstellte Posten vorkommen. Dies erheischt eine Prüfung des Gegenkontos, welches bei der Bank geführt wird. Zu diesem Behufe muß die Revision periodisch einen Kontokorrentauszug von der Bank unmittelbar einfordem. Erst dieser Auszug wird das „wahre Gesicht“ zeigen, auch über die Höhe der Bankprovision, bezw. über den Kontokorrentprovisionssatz den erwünschten Aufschluß geben. Der von der Bank gelieferte Kontoauszug muß naturgemäß, wenn bei der Aktiengesellschaft richtig gebucht wurde, in allen Teilen genau mit dem Konto, das die Gesellschaft gegenüber der Bank bei sich führt, über¬einstimmen.
Katttiooefl
Haben der Aufsichtsrat, der Vorstand und einzelne Beamte Kautionen in Wertpapieren bestellt, so muß geprüft werden, ob die Titel gehörig hinterlegt und sichergestellt sind, ob der Coupondienst in Ordnung ist und ob die Kautionsbesteller auf besonderen Kautionskonti und nicht verquickt mit den Kontokorrentkonti Gutschrift erhalten haben, da sonst die Übersicht einerseits bezüglich der Kautionen und andererseits bezüglich des Kontokorrentverkehrs verloren geht. Dies muß durch die Führung von zwei getrennten Konten vermieden werden.
Die Betriebsonkostenkoeti
Bezüglich der Betriebsunkosten muß geprüft werden, in wieviele und welche Unterabteilungen das allgemeine Gewinn-
und Verlustkonto zerlegt ist, wie diese Unterkonti geführt, welche Unkosten darauf gebucht werden und in welcher Weise dieselben kontomäßig abschließen. Jeder Soll- und Haben¬posten muß auf seine Begründung hin abgewogen werden. Nur zu leicht können hier auf Soll Posten eingebracht werden, die auf Personenkonti belastet und von irgend jemand bezahlt werden sollten. Werden sie auf irgend ein Betriebskonto abgeschrieben, so sind sie dauernd aus dem Personenkonto gelöscht und dem Betrieb aufgebürdet, auf dessen Geschäftsresultat sie negativen Einfluß nehmen.
Die Bestasdekontl.
Die Bestandskonti bilden mit ihren Saldi die Gegenprobe zu der Bestandsaufnahme des Inventars. Liefern diese Konti in ihren Ausweisen dem Werte nach einen Betrag, der dem Tagespreis einer Warengattung gleich- oder doch nahekommt, so stimmt die Rechnung. Bleiben Buchresultat und Bestands¬aufnahme zu weit voneinander in Abstand, so muß nachgesehen werden, wo der Fehler liegt und welcher Natur der Fehler ist. Denn auf die Bestandskonti können Summen geworfen werden und werden oft Beträge geworfen, die absolut nichts mit diesen Konti gemein haben. Dazu gehören alle Summen, die Un¬kosteneigenschaft haben und als solche die Bestände ihrem Werte nach nicht zu heben befähigt sind.
Auf den Bestandskonti dürfen unter keinem wie immer gearteten Vorwande Beträge für Reparaturen u. dergl. er¬scheinen. Jede Belastung dieser Konti muß eine tatsächliche Wertvermehrung der Anlagen im Gefolge führen. Ausgaben, die diesem wirtschaftlichen Erfordernis nicht entsprechen, haben diesen Konti fern zu bleiben, weil sie als wertvermehrende Be-standteile ökonomisch und gesetzlich (§§ 40, 261, Ziff. 2, 3, und § 241, Abs. 1 H.-G.-B.) nicht gelten. Beschlüsse des Auf¬sichtsrates und Anordnungen des Vorstandes, welche diesem ökonomischen und gesetzlichen Erfordernis zuwiderlaufen, sind, gleichviel aus welchen Anlässen diese Beschlüsse und Verord¬nungen ergangen sind, unstatthaft.
Andererseits dürfen unter keinem wie immer gearteten Titel Gegenstände mit Inventareigenschaft auf ein Betriebskonto ge¬bucht werden, wo sie, jeder Kontrolle entzogen, mit dem Saldo 58
des Betriebskontos in der Gewinn- und Verlustrechnung unter¬gehen. Nichts ist leichter, als solche durch die falsche Ver¬rechnung außer Kontrolle gestellte Wertobjekte spurlos „ver-schwinden“ zu lassen.
Die Larerblcher
Von dem Grundsätze ausgehend, daß der Revisor dafür zu sorgen hat, daß nicht bloß Geschäftsbücher geführt werden, sondern daß die in dem Betrieb tatsächlich notwendigen Bücher geführt werden, fällt es in den Bereich der Revision, zu verlangen, daß in industriellen Aktiengesellschaften die not¬wendigen Lagerbücher geführt werden. Denn was der Aktien¬bank der Effektenbestand, ist der industriellen Gesellschaft das Warenlager, und was infolgedessen der erstem das Effekten- skontro, ist der letztem das Lagerbuch. Dieses ist in der Buchhalterei nach Kategorien geordnet in Mengen und Werten zu führen. Am Lager selbst hat der Lagerist ein ebenfalls nach Kategorien geordnetes Lagerbuch, jedoch nur den Mengen nach, zu führen. Beide Lagerbücher müssen sich gegenseitig mit Bezug auf die Mengen im Eingang, Ausgang und Bestand kontrollieren. Daraus ergibt sich zwingend, daß der Saldo des in der Buchhalterei geführten Lagerkontos mit dem Werte der in dem Inventar von der Lagerverwaltung nachgewiesenen Bestände identisch sein muß. Die Bestände selbst dürfen zu keinem hohem als dem Anschaffungspreis, so wie § 261 des H.-G.-B. es im einzelnen vorschreibt, angesetzt sein. Zum Vergleich der Inventare mit dem Buchsaldo dürfen keine Abschriften, sondern nur die Originalaufnahmen der Lageristen bezw. Magazinverwalter verwendet werden. Zu beachten ist, daß der Selbstkonsum in den in Menge und Geld geführten Lager¬büchern zum Selbstkosten- bezw. Einkaufspreis ausgebucht werden muß. Aber auch alle übrigen Ausgänge können zum Einkaufspreis auf Haben (Ausgang) des Lagerkontos gebucht werden. In diesem Falle muß jeweils der Gewinn aus den Ausgangsposten (Fakturabetrag) ausgeschieden und dem Ge¬winn- und Verlustkonto gutgeschrieben werden. Eine Folge dieser Buchungsmethode ist, daß das Lagerkonto glatt mit dem Wert des Lagerbestandes abschließt und reines Bestands«- konto ist
Werden auf dem Lagerkonto aber Verkaufspreise aus¬gebucht, so muß vor Feststellung des Wertes für den Lager¬bestand zunächst aus dem Haben durch die Buchung: „Lager¬konto an Gewinn- undVerlustkonto“ derGewinn ausgeschieden werden. Das Lagerkonto wird in diesem Falle als gemischtes Erfolgskonto geführt
Das Mobiliea-(Utefisiliefi-)Koato
Das Mobilien-(Utensilien-)Konto darf erst nach Ab¬schreibung einer bestimmten Quote (gewöhnlich 5 v. H.) für Abnutzung in der Bilanz erscheinen. Die Aufstellung, in der die einzelnen Mobilien nachgewiesen werden, muß in einer Weise erfolgen, daß nach dieser Aufstellung die Gegenstände der Reihe nach leicht auffindbar sind. Unbrauchbar gewordene Mobilien müssen vom Konto abgesetzt werden.
Das Maschinen- und Anlagekoato.
Das Maschinenkonto muß in seiner sich amortisierenden Be¬ziehung zum Erneuerungsfonds (§ 261, Ziffer 3, H.-G.-B.) einer genauen Prüfung unterzogen werden, wobei darauf zu achten ist, daß die Höhe der Tilgungsquoten nicht, wie dies oft ge¬schieht, nach dem erzielten Gewinn, sondern nach dem Grad der Abnutzung bemessen wird. Auch darf nicht in zu niedrigen Sätzen abgeschrieben werden, weil sonst der Unterschied der Gewinn- und Verlustrechnung zugute käme und dann nominell, d. h. auf dem Papier, als Überschuß, de facto aber als Aktien¬kapital verteilt würde. Die Revision hat diesem Gegenstand umsomehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, als die Dividenden¬politik und die Abschreibungspolitik im engsten Zusammenhang zueinander stehen1).
*) Dr. Fuld, Rechtsanwalt in Mainz, geht zu weit, wenn er in seinem Aufsatz „Bilanz und Abschreibung“ (Zeitschrift für das ges. Aktienwesen Nr. 11 vom No¬vember 1901) zu dem Schlufiergebnis gelangt, dafi die Bilanz sowohl von amtswegen als auch auf Antrag seitens eines Aktionärs von dem Registerrichter beanstandet werden kann, wenn die Aufstellung eine derartige ist, dafi sie die Höhe der Abschrei¬bungen bei den einzelnen Kategorien und Teilen des Gesellschaftsvermögens nicht erkennen läfit. Wäre dies richtig, so müßten die meisten Bilanzen der Aktien¬gesellschaften beanstandet werden.
Ausgaben für den Unterhalt und für Reparaturen der Maschinen dürfen das Erneuerungsfondskonto nicht berühren, den gleichmäßigen Vollzug seiner Buchungen und die klare Erkennbarkeit seines allmählichen Anwachsens nicht trübend beeinflussen. In der Praxis freilich begegnet man oft einer andern Auffassung. Ja man geht sogar so weit, den Er-neuerungsfonds und den Reservefonds zusammenzuwerfen. In diesem Unsinn liegt nicht einmal Methode, weil aus den Rück¬lagen nicht mehr ersichtlich wird, wieviel zu Erneuerungen und wieviel zur Deckung von effektiven Verlusten diesem ge¬waltsam zusammengeschweißten Zwillingsfonds entnommen wer- denjkann. Der Vorgang zeigt, daß man sich weder über den Zweck, noch über die rechtliche Bedeutung, noch auch über die buchtechnische Behandlung des Emeuerungsfonds im klaren ist Da werden bald Altmaterialien und Reparaturen, bald Neu¬anschaffungen und Unkosten der verschiedensten Art über das Emeuerungsfondskonto geführt, so daß alles in Nebel gehüllt und nichts mehr von dem erkennbar wird, was eigentlich klar aus ihm ersichtlich sein sollte.
Finden Abgänge statt, für welche Ersatz beschafft wird, so darf nicht die Ansicht Platz greifen, daß, da durch den Ersatz der ursprüngliche Zustand erhalten bleibt, es nur erübrigt, den Abgang nicht auszubuchen, also bestehen zu lassen, und den Ersatz über Unkostenkonto zu führen. Diese Annahme, die in der Praxis vielfach vorherrscht, ist falsch. Vielmehr muß der nicht mehr gebrauchsfähige Gegenstand mit seinem zu Buche stehenden Wert dem Mobilien- bezw. Utensilienkonto auf Haben (Ausgang) abgeschrieben und die Neuanschaffung mit dem An¬kaufspreis dem gleichen Konto auf Soll (Eingang) belastet wer¬den. Beide Preise — der des ersetzten wie der des Ersatzgegen¬standes — sind verschieden. Dieser Tatbestand kann bücher¬lich nicht ignoriert werden, was aber geschieht, wenn die oben gekennzeichnete Buchungsweise angewendet wird.
Ebenso falsch wäre es, wenn z. B. dem Rohrstrangkonto bei Gasanstalten, dem Kabelnetzkonto bei Elektrizitätswerken, oder dem Oberbaukonto bei Straßenbahngesellschaften der partielle Ersatz der fraglichen Anlagen zur Last geschrieben würde, ohne zu gleicher Zeit die ersetzten Teile den fraglichen Konti in Abgang zu buchen. Geschähe dies, so entstände
Doppelbelastung für dieselbe Sache. Die Folge wäre: fiktive Aktiva und zu hoher Gewinnausweis.
Angenommen eine Anlage steht mit 8000 Mk. zu Buch. Sie muß ersetzt werden durch eine andere, welche 12000 Mk. kostet Die beseitigte Anlage hat für Altmaterial 3000 Mk. eingebracht Die Buchungen werden bezüglich dieses Vorgangs wie folgt zu lauten haben:
Folgende an Anlagekonto
Lagerkonto
Eingang von Altmaterial aus der ersetzten
Anlage 3000
Konto für Unterhaltung u. Abnutzung
Wert der beseitigten Anlage . 8000
ab für Altmaterial 3000 5000
8000 Anlagekonto
’ an Kreditorenkonto
Lieferung einer neuen Anlage 12000 Debitorenkonto
. an Lagerkonto
Verkauf von Altmaterial . . 3000
Dagegen brauchen Gegenstände von kurzer Lebensdauer mit rasch schwindendem und unerheblichem Wert, wie Schreib¬materialien u. dergl. m. nicht über ein aktives Konto geführt zu werden, vielmehr dürfen solche Posten über die Betriebs¬unkostenkonti gebucht werden.
DM Fabrikationskonto
Dieses Konto muß im Soll den gesamten Aufwand, der für die Produktion benötigt ist, und zwar: den Betrag für Roh¬material, für Unterfeuerung bei Dampfmaschinen, die Ausgaben für die motorische Kraft, für Arbeitslöhne und Verwaltungs¬kosten, sodann die Abnutzungsquoten der Anlagen und die anteiligen Zinsen des Anlagekapitals enthalten. Genau so viel als diese Faktoren zusammen betragen, ist die Produktion wert, die sie erzeugt haben. Diese Produktion (Fertigfabrikate) ist dem Fabrikationskonto gegenüber dem Soll des Lagerkontos gutzuschreiben. Der Saldo des Fabrikationskontos muß gleich 62
sein dem Werte, den die noch in der Bearbeitung begriffenen Halbfertigfabrikate haben.
Die Faktnreabicher.
In den Verkäufen liegt bei Erwerbsgesellschaften der Schwerpunkt des Unternehmens. Sie bilden die hauptsächlichste, wenn nicht die ausschließliche Einnahmequelle industrieller Aktiengesellschaften. Darum müssen die Verkäufe sämtlicher Produkte absolut gesichert sein und von fünf Gesichtspunkten aus revidiert werden. Es muß nachgeprüft werden, obj
1. die Ausgänge pünktlich in die Fakturenbücher einge¬tragen werden;
2. ob die Abschlüsse mit als zahlungsfähig bekannten Firmen getätigt sind;
3. ob die Verkaufspreise denjenigen Prozentsatz an Gewinn enthalten, mit dem der Betrieb zu rechnen hat;
4. ob die vereinbarten Zahlungstermine nicht überschritten werden;
5. ob etwaige Spesen den Käufern richtig belastet werden.
Die Fakturenbücher sind zu trennen und zwar in eines für Barverkäufe und in ein zweites für Kreditverkäufe. Für jeden Verkauf hat der Lagerist einen aus einem fortlaufend numme¬rierten Stammregister entnommenen Lieferschein, gehörig aus¬gefüllt und kenntlich gemacht durch die Überschrift: „Barver¬kauf“ oder „Kreditverkauf“, dem Buchhaltungsdienst zu über¬mitteln, welcher die Einträge in dem einen oder in dem andern der beiden Fakturenbücher zu besorgen hat. Die Journalisierung der Barverkäufe geschieht im Total (en bloc) täglich, wöchent¬lich oder auch monatlich. Die Journalisierung der Kreditverkäufe geschieht unter Anführung der Namen der Käufer. Wird ein Posten bezahlt, so hat dies der Rendant dem Fakturisten unter Angabe des Betrags, des Namens und des Kassenbuchfolios mitzuteilen, der im Fakturenbuch zur Seite der bezüglichen Eintragung das Folio des Kassabuchs vermerkt Noch besser ist es, wenn der Kassierer selbst diesen Vermerk im Fakturenbuch einträgt. Jedenfalls, darf keine Einschreibung, die durch Zahlung erledigt ist, ohne diesen Vermerk bleiben, denn gerade die offenstehenden Einträge im Fakturenbuch sollen, abgesehen vom Bilanzsaldo, eine Kontrolle darüber abgeben, welche Fak-
turen bezahlt sind und welche nicht, um die unbezahlten* bei den Abnehmern nach Ablauf des Fälligkeitstermins monieren (in Erinnerung bringen) zu können.
Die Reserve-, UotentitzsofS” Peasloarfonds.
Auch die Sicherung der Reserven sowie der [Unter- stützungs- und Pensionskassen hat die Revisionsinstanz in den Bereich ihrer Prüfung zu ziehen. Denn es genügt nicht, daß diese Fonds in den Passiven der Bilanz stehen; es muß Vor¬sorge getroffen werden, daß in der Tat auch Aktiva dafür vor¬handen sind. Ist für diese Fonds statutarisch besondere An¬lage und Verwaltung vorgesehen, so müssen die diesbezüglichen, auf der Aktivseite der Bilanz nachgewiesenen Bestände auf ihr Vorhandensein und ihre Richtigkeit nachgeprüft werden.
Aktieabaakea.
Nirgends mehr als bei Banken, und bei Aktienbanken zu¬mal, tritt an die Leitung wie an die Beamten die Versuchung zum Spekulieren und zur Untreue in den verschiedensten Formen heran, denen sie in schwacher Stunde zum Opfer fallen können. War daher schon früher eine Überwachung der Buchführung und der Wertbestände eine unumgängliche, um wieviel mehr muß dies heute der Fall sein, wo mit dem Zusammenschluß der Banken die Umsätze sich vervielfältigt haben, das Risiko größer und natürlich der Buchführungsapparat komplizierter geworden ist. Wohl gewähren auch Revisionen bei einem umfangreichen Bankbetrieb keine Garantie dafür, daß nun alles in Ordnung geht Indes verschaffen sie doch die Zuversicht, daß die revidierten Werte, in denen wohl der wichtigste Teil des Bankbetriebs zu suchen sein dürfte, in Ordnung sind. Dann aber darf der moralische Wert, den gute Revisionen in sich tragen, nicht unterschätzt werden. Sie bilden das beste Mittel, treulose Gedanken und Versuchungen schon im Keime zu ersticken. Der Beamte weiß genau, daß Untreue vor einer intensiven Revision nicht standhalten kann. Er wird sich da¬her im Momente der Versuchung klarer der Gefahr, entdeckt zu werden, bewußt sein, ebenso wie eine oberflächliche oder Stichprobenrevision in dem Defraudanten das Gefühl der Sicher- 64
heit, täuschen zu können, ohne entdeckt zu werden, aufkom¬men läßt.
Der Revisor von Bankbetrieben muß eine ganz besonders tüchtige Kraft sein; er muß ein rasch denkender und allseitig er¬fahrener Mann sein. Denn die Revision einer Bankbuchhaltung erfordert gründliche Fach- und Gesetzeskenntnisse, Findigkeit, große Ausdauer und gespannteste Aufmerksamkeit. Der Revi¬dierende muß genau wissen, durch welche Buchungen diese oder jene Unstimmigkeiten oder Veruntreuungen möglich sind und wie solche Malversationen entdeckt werden können. Er muß prüfen, ob und welchen Verlaß die gegebene Buchführungs¬methode bezüglich der Übereinstimmung der Buchsaldi mit den Beständen bietet.
Unter diesem Gesichtswinkel müssen die Buch-(Rech- nungs-)Revision und die Bestandsrevision vorgenommen werden. Bei der Aufnahme der Depots ist darauf zu achten, daß revidierte Bestände nicht zweimal vorgezeigt werden. Darum müssen die bereits revidierten Depots dem Zugänge des Effekten¬verwalters so lange entzogen werden, bis sämtliche Depots revidiert sind. Die Depotbücher müssen laufend gehalten sein und trotz ihrer sonstigen Mannigfaltigkeit das gemeinsame haben, daß die Art ihrer Führung zuverlässig und eine be¬ruhigende Sicherheit zu bieten vermag.
Werden' fremde (andern gehörige) Wertpapiere in Ver¬wahrung gehalten, so sind die diesbezüglichen Verzeichnisse mit Umgehung der Depotverwaltung dem Revisor auszuhän-digen, der sie versenden und die Anerkenntnisse in Empfang nehmen wird.
Die halbjährlichen Kontokorrent-Auszüge müssen dem Revisor unterschrieben zum Revidieren, Kopieren und Versand übergeben werden. Die erbetenen Anerkenntnisse müssen zu seinen Händen gelangen, und er hat die Identität mit den Kopien festzustellen.
Das Wechselportefeuille muß bezüglich der Akzepte, der Giros, der Verfallzeiten und der Stempelentrichtung, im Zu¬sammenhang mit den nach dem Bankstatut oder dem Bank-reglement für die Diskontierung festgesetzten Bedingungen revidiert werden. .
Der Effektenbestand muß den Erfordernissen des § 261, R. Beigel, Theorie und Praxis. 5 ße
Ziff, i, des H.-G.-B. entsprechen, der Depotbestand, d. h. die in Verwahrung genommenen, also Drittpersonen gehörenden Wertpapiere, nach der Verordnung des § i des Reichsgesetzes vom 5. Juli 1896 (des sogen. Depotgesetzes) behandelt sein.
Die in Lombard genommenen Titel müssen mit Bezug auf die Beleihungsgrenze revidiert und mit dem Stammregister verglichen werden.
Sämtliche Wertpapiere müssen mit Bezug auf die Stücke und die dazu gehörigen Zins- oder Dividendenbogen in beson¬deren Schränken aufbewahrt und vollständig getrennt von dem Eigenbesitz verwaltet werden. Die Behälter müssen so ein¬gerichtet sein, daß jeder einzelne stets nur unter Anwendung von zwei verschiedenen Schlüsseln, von denen einer von dem Effektenverwalter und der andere von einem Direktionsmit- gliede verwahrt wird, geöffnet werden kann.
Ferner ist von den Aktienbanken zu fordern, daß sie Buch führen über ihre Verbindlichkeiten — sogen. Eventualobligos —, die für sie aus der Weitergirierung von Wechseln oder sonstigen Regreßverbindlichkeiten entstehen können. Aus dieser Buchführung soll ersichtlich gemacht werden, bis zu welchem Betrage die Bank eventuell aus Wechseln, die unbezahlt bleiben und protestiert werden müssen, oder aus andern Gutsagen, die, weil weder Aktiva noch Passiva, auf der Bilanz nicht erscheinen, in Anspruch genommen werden kann. Eine Angabe hierüber in Notizform muß entweder die Bilanz oder der Geschäfts¬bericht enthalten. Solche Obligos kommen zwar im Augen¬blick ihrer Übernahme weiter nicht in Betracht, um so mächtiger aber, wenn es gilt, die eingegangenen Regreßverbindlichkeiten zu erfüllen. Muß die Firma plötzlich aus irgend einem Anlaß für ihre Gutsage einspringen, so kann dies ganz erheblich den Ver¬mögensbestand verändern. Geben die obigen Schriftstücke über die Eventual-Verbindlichkeiten keinen Aufschluß, so würden sie über die wirkliche Lage der Gesellschaft hinwegtäuschen; denn das eingegangene Obligo Stellt immerhin einen gewissen Buch¬wert dar, der leicht zu einer greifbaren Forderung werden kann.
Konzessionierte Aktiengesellschaften.
Bei konzessionierten Gesellschaften (Salinen und Bergwerken, Gasanstalten, Elektrizitätswerken, Straßenbahnen, Theatern), muß 66
darauf gehalten werden, daß die einschlägigen Buchungen den Erneuerungs- und Reservefonds betreffend nach den darüber bestehenden Konzessionsbedingungen vollzogen werden» Ge¬wöhnlich sind diese Bedingungen so gestellt, daß nach Ablauf der auf eine bestimmte Zeit erteilten Konzession bestimmte Anlagen (bei Straßenbahnen der Oberbau, bei Gas- und Elek¬trizitätswerken das Hauptrohr- bezw. Kabelnetz, bei Bergwerken das Verhüttungsmaterial) der konzessionsgebenden Behörde (Staat, Bezirk, Gemeinde) kostenlos überlassen werden müssen. Diese Anlagen haben sonach infolge des konzessionsmäßigen Heimfallrechts nur so lange Wert, als die Konzession andauert, ihr Wert vermindert sich sukzessive mit dem allmählichen Ab¬lauf der Konzessionsjahre, und er hört gänzlich auf, ein solcher für die Gesellschaft zu sein, mit dem Tage, an welchem die Konzession abläuft Wollte bezüglich dieser Wertauflösung die Gesellschaft in Konti und Bilanz keine Vorkehrung treffen, so würde sie Kapital anstatt Dividende verteilen, und am Schluß der Konzession angelangt, wären das Kapital auf gezehrt, die Aktien entwertet Dem muß vorgebeugt werden; es muß ein Plan entworfen werden, demzufolge während der Dauer der Konzession alljährlich ein solcher Bruchteil jener Anlagen ab¬geschrieben, d. h. von der Verteilung ausgeschlossen werden muß, daß nach Ablauf der Konzession die abgeschriebenen Bruchteile zusammengenommen den Betrag ergeben, zu dem die Anlage der Konzessionsgeberin ausgeliefert werden und aus der Gesellschaftsbilanz ohne Gegenleistung ausscheiden muß. Dieser Betrag bildet das Äquivalent für die Anlage. Es ruht in den Aktiven und mit ihm können nun die Aktien heimgezahlt werden.
Hat die Konzessionsgeberin alternativ die Wahl, entweder die kostenlose Auslieferung der Anlage oder die Beseitigung derselben unter Wiederherstellung des früheren Zustandes an¬zufordern, und wählt die Behörde die Beseitigung, so kann unter Umständen der Kapitalverlust noch größer sein. Eine vorsichtige Verwaltung wird sich immer auf den ungünstigeren Pall einrichten und hiernach ihren Amortisationsplan aufstellen.
Der Aufsichten! als Kontrollorgan und die Unhaltbarkeit des heutigen Revisionswesens.
Die groben Pflichtverletzungen, deren sich Aufsichtsräte in ihrer Eigenschaft als Kontrollorgan in einer Unzahl von Fällen schuldig gemacht haben, erlauben den Schluß, daß die wenigsten Mitglieder dieses Organs sich der Wichtigkeit und. Schwere ihres Amtes völlig bewußt sind. Zumeist ist man in den mit der Aufsicht betrauten Kreisen, deren Mitglieder oft tüchtige Finanzleute, Juristen und Ingenieure, aber schlechte Buchführungstechniker sind, zu vertrauensselig; man kennt den Grad seiner Rechte, die Summe seiner Pflichten, das Gewicht seiner Verantwortlichkeit nicht — oder unterschätzt sie. Zwar beziehen die Aufsichtsräte häufig für ihre „Tätigkeit“ recht hohe Tantiemen, so beliefen sich dieselben nach einer Zusammen-stellung der „Frkf. Ztg.“ bei io größeren Banken auf 14,13% .des erzielten Reingewinns, bezw. nahezu 20% der verteilten. Dividenden. Nach einer Berechnung, die jüngst ein genauer Kenner der einschlägigen Verhältnisse, Dr. Ernst Loeb, in „Conrads Jahrbücher“ (DL Folge, Bd. 23, Jena 1902) veröffent¬licht hat, betrugen im Jahre 1900/01 bei 400 Kreditbanken mit einem Gesamtaktienkapital von 2459 Millionen Mark die Tan¬tiemen 11 Millionen Mark, d. i. % % vom Kapital. Bei 41 Hypo¬thekenbanken mit einem Kapital von 625 Millionen Mark betrugen die Tantiemen 4 Millionen Mark oder % % des Aktien¬kapitals. ' Bei 3443 Industriegesellschaften mit einem Gesamt¬kapital von 5915 Millionen Mark betrugen die Tantiemen des. Aufsichtsrates 41 Millionen Mark, demnach ebenfalls, wie bei den Hypothekenbanken, % % des Kapitals. Die Dresdner Bank z. B. hat ein Aktienkapital von 130 Millionen Mark und ver¬teilte im Jahre 1900 eine Dividende von 8%. Der Aufsichts¬rat bekam eine Tantieme von 470000 Mk. Da derselbe aus 24 Mitgliedern bestand, so erhielt ein jedes beinahe 20000 Mk. an Tantieme für seine Tätigkeit vergütet. Bedenkt man, daß die Aufsichtsräte, die in der Regel als Kollegium tagen, nur in längem Perioden zusammentreten, meistens einigemal im Jahr, sehr oft sogar nur ein- bis zweimal jährlich, und zwar einmal zur Abnahme der Semestralrechnung und das andere
Mal zur „Prüfung“ der Jahresschlußbilanz, so sind diese Ver¬gütungen gewiß reichlich bemessen.
Freilich mußten schon da und dort, besonders in den letzten Jahren, die Aufsichtsräte auch nach dem alten deutschen Sprich¬wort: „Wer nicht die Augen auftut, muß seinen Beutel auf¬tun“, ihr Vermögen opfern. Notorisch aber ist, daß der Tan¬tiemebezug in den meisten Fällen mühelos erworbenes Geld ist, und daß die mit dem Bezüge verbundene Verantwortung gewöhnlich im umgekehrten Verhältnis zur Höhe der Tantieme steht. Darum hat der Abgeordnete Nacken in der Sitzung der Steuerkommission des Reichstags vom 14. Februar 1906 den Antrag gestellt, ein Zehntel der Aufsichtsratstantiemen zu¬gunsten des Fiskus zu konfiszieren, d. h. die fraglichen Bezüge mit einer Steuer zu belegen, deren Ertrag dem zehnten Teil des Bezugs gleichkommt Und was gibt der Aufsichtsrat für diese hohen, zum Teil fürstlichen Bezüge an effektiver Gegen¬leistung den Gesellschaften her? Nichts, oder doch nicht sehr viel. Zwar wird die nunmehr Gesetz gewordene Tantiemesteuer den gewollten Zweck kaum erreichen, denn es wird ein Leichtes sein, die Bezüge des Aufsichtsrates um so viel höher zu stellen, als Prozente an das Reich abzuführen sind; aber charakteristisch bleibt, daß im deutschen Reichstage die Aufsichtsratstantieme als müheloser Gewinn gekennzeichnet wurde.
Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß von den nach Mil¬lionen zählenden Verlusten, die bei Aktiengesellschaften ent¬standen sind, der weitaus größte Teil auf das Konto mangelnder Diligenz seitens des Aufsichtsrates gesetzt werden muß. Denn weder der Gesamtaufsichtsrat noch einzelne Mitglieder desselben können und wollen die Bücher und Schriften einer Gesellschaft einsehen und prüfen. Wohl vermögen sie periodisch den Be¬stand an Bargeld, Effekten und Wechseln festzustellen. Aber diese Feststellungen haben nichts mit der Kontrolle des Rech¬nungswesens zu tun. Die Prüfung der Jahresrechnungen im Zusammenhänge mit der Bilanz ist für den Aufsichtsrat rein unmöglich. Darum sollte, so schreibt der Geh. Hofrat Hecht1), die gesamte rechnerische Revisionstätigkeit aus dem Pflichten¬kreis des Gesamtaufsichtsrats ausgeschaltet werden. Seine Tätig-
*) Referat gehalten in der Sitzung des Vereins für Sozialpolitik am 15. Sep¬tember 1903, abgedruckt in Holdheims „Monatsschrift“ Nr. 11 v. 14. November 1903. keit sollte dort anfangen, wo diejenige des Bücherrevisors aufhört. Derzeit beruht nicht bloß bezüglich der Revisions¬pflicht, sondern überhaupt die ganze Verfassung des Aufsichts¬rats auf dem, was man „Vertrauen“ nennt. Das ist aber kein für die juristische Konstruktion verwertbares Moment Die Ver¬fassung des Aufsichtsrats, so führt Hecht weiter aus, ist aus jener Zeit herübergekommen, in der das Rechtsbewußtsein noch nicht bestand, daß für die einzelnen Mitglieder des Aufsichts¬rats eine unter Umständen für sie ruinöse pekuniäre Haftpflicht und eine ihre ganze bürgerliche Existenz möglicherweise unter¬grabende kriminelle Haftbarkeit besteht Das einzelne Auf-sichtsratsmitglied hat auch heute eine Vertrauensstellung, wie der ganze Aufsichtsrat, aber — eine bezahlte Vertrauensstellung, was Georg v. Siemens in seiner drastischen Weise einmal so ausdrückte, daß er sagte: „Die Tantieme ist eine Prämie;“
Die Bestimmung des § 266 H.-G.-B. gestattet zwar, wie schon erwähnt1), der Generalversammlung, Revisoren zur Prü¬fung der Bilanz oder zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung zu bestellen; allein der erste Absatz des § 266 wirkt zu schwerfällig, auch enthält er nur nachgebendes Recht: „Die Generalversammlung kann usw.“ Der übrige Teil der Vorschrift trifft nur die Anordnung für bestimmte Fälle, schafft also nur Gelegenheitsrevisoren. Was daher bei dieser Gesetzesbestimmung herauskommt, kann kein Institut sein, das eine nachhaltige Wirkung erzeugen könnte. ' Gewiß liegt auch in anderen Staaten, so in Italien, Belgien, Spanien und Rußland, die Bücherrevision noch sehr im argen. In Österreich-Ungarn ernennen die Handelskammern die Bücher¬revisoren, und auch Frankreich kennt keine diesbezügliche Or-ganisation. Aber Was bedeutet das Aktienwesen dieser Staaten gegenüber demjenigen Deutschlands.
Schon der internationale Emissionsmarkt bezeichnet klar den Unterschied. Ordnet man die gesamten Emissionen der Welt, die im Jahre 1905 über 15 Milliarden, genau 15,28 Milliarden Mark betrugen, nach denjenigen Staaten, denen sie zugute kämmen, nicht nach denen, wo sie aufgelegt wurden, also nach den Ursprungsländern, so marschieren, wie der „Ratgeber auf
*) Vergl. bei: „Wie muß die Revirion ausgeübt werden“; „Allgemeines“.
dem Kapitalmarkt" schreibt, die Vereinigten Staaten von Nord-amerika mit über 4 Milliarden Mark an der Spitze. Deutsch¬land ist ein guter Zweiter mit nahezu 2% Milliarden Mark, dann kommt Großbritannien und dessen Kronkolonien (also ohne Kanada und Südafrika usw.) mit etwas über 2 Mil¬liarden Mark, Japan mit 1,46 Milliarden, Rußland mit 1,57 Mil¬liarden, Zentral- und Südamerika mit 828 Millionen Mark, Frank¬reich nebst Kolonien mit 676 Millionen Mark, Ägypten mit 376 Millionen Mark, Rumänien mit ca. 320 Millionen Mark (wo¬von ca. 277 Millionen Mark Konversion), Belgien mit 277 Mil¬lionen Mark, Spanien mit 261 Millionen Mark, die Niederlande nebst Kolonien mit 201 Millionen Mark, Britisch-Südafrika mit 229 Millionen Mark, Kanada mit 188 Millionen Mark. Es folgen Italien, die Türkei, die Schweiz, Österreich-Ungarn (mit nur 56 Millionen Mark, ein deutliches Zeichen der wirtschaftlichen Depression infolge des politischen Zwistes mit Ungarn), China, Griechenland, Portugal, Schweden, Luxemburg, Serbien mit Beträgen von 142 % Millionen Mark bis herunter zu 2,4 Mil¬lionen Mark.
In welchen Proportionen die Gründungen bei uns seit 1871 (die vor 1871 bestandenen kommen wenig in Betracht, weil dieselben längst wieder von der Bildfläche verschwunden sein dürften) sich entwickelt haben, möge folgende vom „Deutschen Ökonomist“ veröffentlichte Tabelle zeigen.
Es wurden gegründet:
im Jahre 1871 207 Gesellschaften mit 758760000 Mk. Kapital
Y n 1872 479 Y 79 I477730000 Y Y
n Y 1873 242 Y Y 544180000 Y Y
n 9? 1874 90 Y Y 105920000 Y Y
1875 55 Y 45560000 Y Y
Y 1876 42 Y Y 18180000 Y Y
Y 1877 44 Y n 43420000 Y Y
Y 1878 42 Y Y 13250000 Y Y
Y 1881 ui n . Y 199240000 V Y
Y 1882 94 n Y 56IOOOOO Y Y
n Y 1883 192 r Y 176030000 Y Y
n Y 1884 153 n Y III240000 Y Y
w Y 1885 70 Y Y 53470000 Y Y
r 1886 113 Y Y 103940000 Y Y
im Jahre 1887 168 Gesellschaften mit 128410000 Mk. : Kapital
n 1888 *84 n r. 193680000 * 99 -
„ „ 1889 360 „ „ 402540000 „ 99
n „ 1890 *36 « r. 270990000 „ 99
« „ 1891 160 „ „ 90240000 „ 99
„ „ 1892 127 , „ 79820000 „ n
* V I893 95 « r 77260000 r 99
» » 1894 9* n * 88260000 n 99 ■
» 1895 l6l „ „ 250680000 „ n
» n 1896 *8* „ „ 268500000 n n
» » 1897 *54 „ „ 380470000 „ 9!
„ „ 1898 3*9 « „ 463620000 „ 99
1» „ 1899 3<>4 n „ 544390000 n n
n n I9OO *6l „ „ 340460000 „ 99
„ „ I9OI *58 r> n 158250000 r n
r. n 190* 87 n 1, 1x8430000 n n
» n 1903 84 n n 300040000 „ n
» „ 1904 104 » „ 140650000 „ 9!
„ n 1905 I9I n „ 386000000 „ 9T
Nach vorstehender Tabelle haben wir in Deutschland mit 5049 Aktiengesellschaften und einem nominellen Aktienkapital von 7435150000 Mk. zu rechnen. Zu diesem Kapital ist noch diejenige Summe hinzuzufügen, die als werbendes Kapital für die Aktiengesellschaften in Form von Obligationen wirksam ist. Zwar fehlen über den Umfang derselben bestimmte Daten, aber es wird annähernd wohl auf eine Milliarde veranschlagt wer¬den können. Das gesamte investierte Kapital dieser Gesell¬schaften wird auf mindestens 20 Milliarden Mark geschätzt. Und merkwürdig! Dieses ganze und große Riesenkapital ist nicht bloß mit Rücksicht auf seine Verwendung, sondern auch in Bezug auf seine buchtechnische Verrechnung einzig und allein der Kontrolle des Aufsichtsrates, d. i. eines Organs ausgeliefert, das — die täglichen Erfahrungen und die Gerichtshöfe bestätigen dies — mehr Dekoration als Kontroll¬organ ist, und das weder die Zeit noch auch die Befähi¬gung besitzt, die Pflichten eines solchen auszuüben, und dennoch diese Pflichten tragen muß, weil — das Gesetz es so will. Das Handelsgesetzbuch bestimmt nämlich in § 246 was folgt:
„Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und sich zu dem Zwecke von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten. Er kann jederzeit über diese Angelegen¬heiten Berichterstattung von dem Vorstande verlangen und selbst oder durch einzelne von ihm zu bestimmende Mitglieder die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen, sowie den Bestand der Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren untersuchen. Er hat die Jahres¬rechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinn¬verteilung zu prüfen und darüber der Generalversammlung Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist Weitere Obliegenheiten des Aufsichtsrates werden durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt. Die Mitglieder des Auf¬sichtsrates können die Ausübung ihrer Obliegenheiten nicht anderen übertragen.“
Bedenkt man, daß der Aufsichtsrat sehr vieler Aktiengesell¬schaften aus Zufallskapitalisten, Malern, Professoren, Ärzten, Ingenieuren, hohen Beamten und Offizieren „z. D.“ und „a. D.“, also aus Personen besteht, die vom kaufmännischen Rechnungs¬wesen keine Ahnung haben, so ist rasch zu begreifen, welcher Wert der von einem solchermaßen zusammengesetzten Kolle¬gium revidierten Bilanz beizumessen ist Daß die Unfähigkeit zur Überprüfung nicht zugegeben wird, ist natürlich und be¬ruht auf rein menschlicher Eitelkeit und — Schwäche. Ihr ist es auch zuzuschreiben, daß der Aufsichtsrat oft „Vogelstrau߬politik“ treibt dort, wo er zugreifen sollte und müßte. Daraus erwächst die traurige Tatsache, daß Bilanzen oft für „geprüft und in Ordnung befunden“ erklärt werden, die nicht einmal oberflächlich mit dem Scheinwerfer der Kritik beleuchtet wurden. Es sei hierbei nur daran erinnert, wie seiner Zeit die gröbsten Unregelmäßigkeiten, die auf eine ganze und lange Reihe von Jahren zurückreichten, bei einem Straßburger Bankinstitut auf¬gedeckt wurden, trotzdem in dem unmittelbar vorangegangenen Jahre die Bilanz mit der Bescheinigung, daß alles in bester Ord¬nung sei, versehen wurde, und ungeachtet dessen, daß schon eine oberflächliche Prüfung die Falschbuchungen bei dem „Konto pro diverse“ hätte finden müssen!
Man hätte nun meinen sollen, daß der Gesetzgeber dem Aufsichtsrate mit Rücksicht auf seine Eigenschaft als Kontroll¬organ das Recht hätte geben, um nicht zu sagen die T’flictit hätte auf erlegen müssen, unparteiisch e, aber verantwortliche Sachverständige zu ernennen, um die Bilanzkontrolle und mit ihr eine lückenlose Prüfung der Bücher samt Belegen wirksam zu ermöglichen. Damit wäre die Gewähr gegeben, daß die Bilanz nicht bloß pro forma, sondern der Tat nach geprüft würde. Allein das Gesetz kam zu einem umgekehrten Schluß und. schrieb vor, daß die Obliegenheiten des Aufsichtsrates nicht übertragbar sind, und bestimmte so mit Rücksicht auf die Re¬visionstätigkeit gerade das Gegenteil von dem, was es logischer- weise bestimmen müßte. In der Tat kann vernünftigermaßen einem Menschen nicht eine solche Kraft und Vielseitigkeit zu¬gemutet werden, daß er in ein und demselben Betrieb ein Wächter, der Custos der Geschäftsführung und gleichzeitig" der Revisor und Inspektor eines komplizierten Verrechnungswesens sein soll. Ein Aufsichtsratsmitglied, welches dies alles zu leisten vermöchte, müßte die reinste „Allerweltskraft“ sein. Und dies sind die Aufsichtsräte gemeiniglich nicht. Es wird dies sofort klar, wenn man weiß, wie die Aufsichtsratsstellen oft besetzt werden. Bei der engen Beziehung der Industrien zu den Gro߬banken existiert ein System der Ernennung nicht nur von Auf¬sichtsräten, sondern auch von Direktoren, das ganz anderen Gesichtspunkten als dem der Wahl des Tüchtigsten folgt. Solche Gesichtspunkte sind um so maßgebender, je größer die Bank, je zahlreicher ihre Industriebeziehungen, je zielbewußter ihre In¬dustriepolitik wird. So ist es zu verstehen, daß an Stelle der un¬mittelbaren und freien Wahl eine systematische Ausnutzung der rechtlichen Institution des Aufsichtsrates tritt. Man kann daher getrost sagen, daß der Aufsichtsrat nicht nur vom Gesetz zu einem obligatorischen Organ der Aktiengesellschaften, sondern auch durch die Art der handelsrechtlichen Regelung zugleich zu einem vollkommenen Werkzeug finanzpolitischer Bestrebungen der Banken gemacht ist. Wie könnte es sonst sein, daß ein dem technischen und industriellen Leben fernstehender Bankier über die Wahl der Direktoren befinden, oder ihm nahestehende Personen auf diesen Posten bringen, oder als Aüfsichtsrat über das Wohl und Wehe der Gesellschaft verfügen könnte.
Dazu tritt» daß das Gesetz zwei wichtige Tatbestände still¬schweigend sanktioniert: und zwar braucht das Aufsichtsrats¬mitglied nicht Aktienbesitzer der Gesellschaft zu sein» sodann ist die Zahl der Gesellschaften, bei denen dieselbe Person Auf¬sichtsrat sein kann, unbeschränkt. So steht denn im „Adre߬buch der Direktoren und Aufsichtsräte“ für 1904/05 der Bankier Louis Hagen in Köln mit 35 Aufsichtsratsstellen an erster, der Inhaber der Firma Oppenheim in Köln mit 29 an dritter Stelle. Der letzte Mitinhaber der liquidierten Firma Landau in Berlin war Aufsichtsrat bei folgenden Gesellschaften: bei drei Banken» einer Versicherungsgesellschaft, zwei Terraingesell¬schaften, einem Bahnuntemehmen, drei Montangesellschaften, fünf Brauereien, fünf Gesellschaften der Waggon- und Maschinen-industrie, je einer chemischen Zement-, Zucker- und Textilfabrik. Im gleichen Betreff schreibt Dr. Arthur Blaustein, Mannheim („Neue Gedanken über die Bedeutung des Aufsichtsrates für die Aktiengesellschaft“ in der „Bankbeamten-Zeitung“ Nr. 7 v. 1. April 1907), was folgt:
„Wohl die größere Hälfte der Aufsichtsratsposten bekleiden die „Großaktionäre“ (darunter Gründer, Vorbesitzer von umge¬wandelten Einzelunternehmungen, fremde Unternehmungen, die sich beteiligen, vor allem die Banken), Vertreter von Bank¬häusern fehlen überhaupt nur in den seltensten Fällen in den Aufsichtsräten, denen sie, sei es äls Gründer oder ständige Bank¬verbindung oder als Gläubiger angehören. Für die Großbank-direktoren ist es nachgerade zum vornehmen Sport geworden, als Aufsichtsrat bei den Aktiengesellschaften ihrer Klientel zu fungieren. Daher die vielen Dutzende von Aufsichtsratsposten, welche diese Männer bekleiden (Passow zählt bis 33, Eulenburg sogar bis 40 bei einer Person). Nach Jeidels (Verhältnis der Großbanken zur Industrie, Leipzig 1905) verfügten Ende 1903 die Direktoren und Aufsichtsräte der 6 Berliner Großbanken über 751 Aufsichtsratsposten. Nach Eulenburg hatten 692 Bankiers und Bankdirektoren von insgesamt 3918 Personen 1996 Aufsichtsratsstellen (von 6783) oder 29,4 °/0 aller Aufsichtsrats¬posten inne, und zwar sind von den 154 Aufsichtsräten mit 10 und mehr Stellen (zusammen 2257) 91 Bankiers, die 1422 Stellen innehaben. Fraglich ist, ob Passows Motivierung zutreffend erscheint, wonach die „Tantiemenjagd“ erst in zweiter Linie zu
dieser Erscheinung geführt habe, und daß den ausschlaggebenden Anreiz vielmehr der Einfluß auf das Unternehmen, also das Geschäftsinteresse, nicht das Selbstinteresse bilde.
Weiter gehören den Aufsichtsräten an Direktoren und Auf-sichtsratsmitglieder von in Interessengemeinschaft stehen¬den Gesellschaften (auch Bildung besonderer Delegationsräte), nur selten Vertreter der Kleinaktionäre (fast nur sog. „Schreier“, die beruhigt werden sollen), ferner technische oder kommer¬zielle, auch juristische Sachverständige, zurückgetretene Direktoren, Vertreter des Staates, endlich dem Unternehmen fremde Leute mit dekorativ wirkenden Namen oder Titeln, höhere Beamte, welche durch ihre Beziehungen nützen können, Männer der wirtschaftlichen Praxis mit wichtigen geschäftlichen Verbindungen. Diese betriebsfremden Ele¬mente haben am meisten zur Unterschätzung der Auf¬sichtsratstätigkeit, zu ihrer Bewertung als mühelosen Gewinn bringend, beigetragen.
Der im Juli 1903 wegen Weiterverpfändung fremder Depots verhaftete Geh. Kommerzienrat Viktor Hahn, Mitinhaber der inzwischen in unfreiwillige Liquidation getretenen Dresdner Bankfirma Ed. Rocksch Nachf., der von jeher sich dadurch unvorteilhaft auszeichnete, daß er eine ungewöhnliche Zahl von Aufsichtsratsstellen einnahm, hatte wohl am meisten solcher Sinekuren inne. Zu den Gesellschaften, in denen Aufsichtsrat Hahn den Vorsitz führte,, zählten nach dem „Berliner Tage¬blatt*4 (Nr. 381 v. 30. Juli 1903): die Aktiengesellschaft für Kunst¬druck in Dresden-Niedersedlitz, Aktiengesellschaft für Trocken¬plattenfabrikation vorm. Westendorp & Wehner in Köln, AktiengesellschaftBergbräu zu Dresden-Plauen, Dresdner Aktien¬Cichorien- und Kaffeesurrogatfabrik Teichel & Claus, Dresdner Albuminfabrik, Aktiengesellschaft in Dresden, Cardinal Film Compagnie in Köln, ErZgebirgische Dynamitfabrik, Aktienge¬sellschaft in Geyer in Sachsen, Faber & Schleicher, Aktien¬gesellschaft in Offenbach a. M., Fabrik photographischer Papiere auf Aktien C.Christensen, Aktiengesellschaft in Berlin, Fabrik photographischer Papiere vorm. Dr. A. Kurz, Aktiengesellschaft in Wernigerode, Fabrik photographischer Apparate auf Aktien vorm. R. Hüttig & Sohn in Dresden, Kunstanstalt Wilh. Hoff¬mann, Aktiengesellschaft in Dresden, Kulmbacher Exportbrauerei 76 •
Mönchshof, Aktiengesellschaft, Mittelrheinische Brauereigesell¬schaft in Andernach und Koblenz, Sebnitzer Papierfabrik, Aktien¬gesellschaft, Paul Süß, Aktiengesellschaft für Luxuspapierfabri¬kation m Dresden, Trockenplattenfabrik Dr. C. Schleußner, Aktiengesellschaft in Frankfurt a. KL, Vereinigte Radeberger Glashüttenaktiengesellschaft, Petzold & Aulhorn, Aktiengesell¬schaft in Dresden, Protalbinwerke, Aktiengesellschaft in Wien, Vereinigte Elektrizitätswerke, Aktiengesellschaft in Dresden, Mitteldeutsche Elektrizitätswerke in Dresden und Aktiengesell¬schaft für Elektrizitätszentralen in Dresden. Außerdem gehörte er dem Aufsichtsrate der Deutschen Kognakbrennerei vorm. Gruner & Co. in Siegmar, der Mechanischen Treibriemenweberei und Seilfabrik G. Kunz, Aktiengesellschaft, der Sächsischen Gußstahlfabrik in Döhlen bei Dresden, den Vereinigten Fabriken photographischer Papiere in Dresden und Georg A. JasmatziF Aktiengesellschaft in Dresden an.
Zur Illustration der Häufung der Aufsichtsratsstellen dient eine Statistik, die das „Berliner Tageblatt“ aufgemacht und am 3. Juli 1907 veröffentlicht hat. Nach dieser Statistik hatten Aufsichtsratsmandate inne: 29 Personen je 10, 26 je 11, 21 je 12, 25 je 13, 20 je 14, 10 je 15, 13 je 16, 8 je 17, 2 je 18, 2 je 19, 4 je 20, 2 je 21, 4 je 22, 3 je 23, 4 je 24, 3 je 26, 1 :27, 1:28, 2 Je 3 je 30, 1:36, 1:37, 1:41. 15 oder mehr Mandate hatten folgende Persönlichkeiten: Justizrat Dr. Springer-Berlin (15), Generalkonsul H. Rosenberg-Berlin (15), Max Schinckel- Hamburg (15), Geheimrat Fritz v. Friedländer-Fuld-Berlin (i6)r Kommerzienrat Rudolf Koch-Berlin (16), Geheimrat Dr. Max Winterfeldt sen.-Berlin (17), Dr. P. v. Schwabach-Berlin (17), Dr. Hans Jordan-Schloß Mallinckrodt (17), Kommerzienrat Arn- hold-Dresden (20), Direktor Arthur Gwinner-Berlin (22), Kom¬merzienrat Karl Klönne-Berlin (22), Geheimer Regierungsrat Witting-Berlin (23), Geheimer Baurat Emil Rathenau-Berlin (24), Dr. Walther Rathenau-Berlin (23), Geheimrat Isidor Loewe- Berlin (24), Generalkonsul Eugen Landau-Berlin (24), Direktor Julius Stern-Berlin (26), Hugo Stinnes-Mülheim-Ruhr (26), Ge¬heimer Oberfinanzrat Waldemar Müller-Berlin (30), Konsul Eugen Gutmann-Berlin (36), Karl Fürstenberg-Berlin (37), Kommerzien¬rat Louis Hagen-Köln (41). Die Stelle des Aufsichtratsvor¬sitzenden vereinigt in einer Hand Dr. Hans Jordan (7 mal),.
Karl Neuburger-Berlin (7 mal), Konsul Eugen Gutmann-Berlin (8 mal), Hugo Stinnes-Mülheim (8 mal), Arthur Gwinner-Berlin (10 mal), Dr. P. v. Schwabach-Berlin (11 mal), Eugen Landau- Berlin (14 mal), Geheimrat Dr. Gustav Strupp-Meiningen (18 mal).
Man hat ausgerechnet, daß in Deutschland allein 70 Per¬sonen in 1184 Aktiengesellschaften die Aufsichtsratsstellen in Beschlag genommen haben, dabei müssen doch diese Leute auch noch ihr eigenes Geschäft besorgen! Je mehr derartige Posten jemand bekleidet, desto größer ist die Möglichkeit, in der einen oder andern Gesellschaft zivilrechtlich haftbar gemacht zu werden, was fraglos nicht im schutzwürdigen Interesse der Aktionäre liegen kann.
Freiwillig werden Aufsichtsratsstellen, so schreibt Dr. Otto Jeidels in seiner oben zitierten Arbeit, gewährt an Personen mit gutklingendem Namen, auch an ehemalige Staatsbeamten, die im Verkehr mit den Behörden manche Erleichterung schaffen können, oder aus Höflichkeit der Gründer, ferner an Sachver¬ständige, vor allem aber an andere industrielle Gesellschaften, deren Kundschaft oder Freundschaft man sich sichern will. Gewiß liegt der Generalversammlung in ihrer Majorität die Wahl des Aufsichtsrates ob. Dies ist aber auch nur ein Schein¬recht Denn gewöhnlich bilden die Banken, zufolge des über¬nommenen Aktienbesitzes die Mehrheit, so daß die Generalver¬sammlung nur Ja und Amen zu sagen braucht Findet sich wirklich einmal ein scharfer Opponent, der es versucht „wider den Stachel zu locken“, so weiß man ihn durch Kooptation in den Aufsichtsrat mundtot zu machen.
Wir wollen hier nicht von der Einflußsphäre sprechen, in der solche Aufsichtsräte wirksam sind, und die diese für sich ausnützen können; aber diese Sach- und Rechtslage birgt große Gefahren für die Bilanzkontrolle. Denn ein aus solchen Mit¬gliedern zusammengesetztes Kollegium kann gar nicht anders als nur formell die Saldi des Hauptbuches mit den Ziffern der Bilanz vergleichen. Ob die Bilanz aber auch in Wirklichkeit stimmt, ob sie nicht, wie man zu sagen pflegt, „frisiert“ ist, ob keine Verschleierung stattfand, oder ob sie nicht gar unmittel¬bar Fälschungen verdeckt, das kann eine solche „Kontrolle“ nicht aufdecken. Wenn es nun schon tüchtigen Kaufleuten außerordentlich schwer fällt, und diese nur selten dazu befähigt 78
sind, eine aktiengesellschaftliche Bilanz zu ziehen und zu beur¬teilen, um wieviel weniger noch muß dies bei einem Aufsichts¬ratspersonal, wie dem oben gekennzeichneten, der Fall sein. Damit ist der Wert des heutigen Kontrollorgans, so da Auf¬sichtsrat heißt, auf das richtige Maß gebracht.
Es war daher ein Fehler, daß man im dritten Abschnitt des Handelsgesetzbuches über die Aktiengesellschaften nicht analoge Vorschriften aufgenommen hat, wie sie im vierten Ab-schnitt des Reichsgesetzes vom i. Mai 1889, betreffend die Er¬werbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, über die „Revision“ zum Prinzip erhoben sind. Denn was den Genossenschaften frommt, würde auch den Aktiengesellschaften nützen. Beide verdienen gleichen Schutz. Sind doch die Ziele im Grunde genommen bei beiden die gleichen, nämlich den Aktionären und den Genossenschaftsmitgliedern möglichst hohe Renten zu sichern. Zum mindesten aber hätte man den Schlußsatz des § 246 H.-G.-B. anders regeln, d. h. den Aufsichtsrat ermächti¬gen sollen, Sachverständige an seiner statt wählen zu dürfen. Damit wäre diesem Laienkollegium etwas gewährt, was dem juristisch gebildeten Richterkollegium längst zugestanden ist. Der § 405 der Zivilprozeßordnung bestimmt in dieser Hinsicht was folgt:
„Das Prozeßgericht kann den mit der Beweisaufnahme betrauten Richter zur Ernennung der Sachverständigen er¬mächtigen. Derselbe hat in diesem Falle die in dem vor¬stehenden Paragraphen dem Prozeßgerichte beigelegten Be¬fugnisse auszuüben.“
Ein ähnliches Zugeständnis hat das Gesetz dem Aufsichts¬rat nicht gemacht. Da aber die Prüfung der Jahresrechnungen samt Belegen und Bilanzen, sei es für den Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit oder für einzelne Mitglieder desselben, so gut wie unmöglich ist, so beschränkt sich fast durchgängig diese Prüfung auf Stichproben, oder sie wird durchgeführt durch Stroh¬männerrevisoren, das heißt soviel wie: die Revision unterbleibt ganz. Etwas ganz besonderes glaubt gewöhnlich der Aufsichts¬rat geleistet zu haben, wenn er die Übereinstimmung der Bilanz¬posten mit den Abschlußziffern der Bücher prüft. Wie die Endziffern gewonnen werden und nach welcher Methode die Bilanzaufmachung auf ihre Zuverlässigkeit gegenüber Ver- 79 schleierungen geschieht, darauf geht er nicht ein, und er be¬achtet nicht, daß selbst bei den gröbsten Fälschungen für Über¬einstimmung gesorgt wird. Darin liegt für den Aufsichtsrat das ruinöse Moment Nicht zum kleinsten Teil hat daher der § 246 des H.-G.-B’s die Unsummen mit verschuldet, die im Jahre 1903 dem deutschen Nationalvermögen durch den Zu¬sammenbruch namhafter Banken und industrieller Aktiengesell¬schaften verloren gingen. Gewiß hat der Aufsichtsrat, salvis juribus der Generalversammlung, das unbegrenzte Prüfungsrecht Allein das Recht der Untersuchung wird illusorisch, wenn die Unmöglichkeit der Ausübung dieses Rechts zweifellos ist Darum hat, so führte Hofrat Hecht in seinem in der Sitzung des Ver¬eins für Sozialpolitik am 15. September 1903 zu Mannheim er¬statteten Referat aus, unter allen organischen Einrichtungen des Aktiengesellschaftswesens keine so wenig die Hoffnungen und Erwartungen gerechtfertigt, wie die Institution des Aufsichtsrats 1 Zwar steht auch der Generalversammlung das Prüfungsrecht zu (§ 250—260 H.-G.-B.), allein auch dieses ist nur ein papiernes Recht Dies bedarf keines Kommentars. Noch niemals hat eine ordentliche Generalversammlung einen entscheidenden Ein¬fluß auf di$ Vorgänge im Gesellschaftsbetrieb ausgeübt, ebenso wie es niemals der Gesetzgebung gelingen wird, die ordentliche Generalversammlung zu beleben, und auch der warmherzigste Appell an die Aktionäre, daß es ihre Pflicht sei, die Versamm¬lungen zu besuchen, wird je bei denselben irgend welchen Widerhall finden.
Was nun die Regreßpflicht des Aufsichtsrates anlangt, so läßt sich aus den einzelnen Fällen, die das Reichsgericht entschieden hat, eben nur der gemeinsame Gedanke heraus¬schälen, daß die Schadenersatzpflicht des Aufsichtsrates dann gegeben ist, wenn er bei einiger Sorgfalt und Einsichtnahme der Bücher die Fälschungen hätte entdecken oder verhindern können. Aus dieser Haftung (§§ 246 ff. des H.-G.-B.) ist die Idee einer Versicherung entstanden, welche Aufsichtsrats¬mitgliedern gegen die Folgen Deckung gewähren soll.
Die Geschichte des deutschen Aktienwesens zeigt es klar, daß sozusagen unter den Augen des gesamten Aufsichtsrates, des geborenen Kontrollorgans der Aktiengesellschaften, die gröbsten Bilanzfälschungen und Defraudationen jahrelang be- 80
-gangen werden können. Die Vorgänge bei der Aktiengesell¬schaft für chemische Industrie in Rheinau-Mannheim, in der plumpe Millionenfalschungen vorkamen/und der Zusammenbruch der Leipziger Bank, die in blanco auf die einzige Treberkarte 85 Millionen setzte, haben in dieser Beziehung klassisches Mate¬rial zu Tage gefördert Oder was soll man dazu sagen, wenn der Vorstand der Hannoverschen Straßenbahn-Aktiengesell¬schaft, um in den Jahren 1897 bis 1900 Tantiemen und Gewinn¬anteile zahlen zu können, mit Wissen des Aufsichtsrates den Reingewinn höher angeben konnte mit ca.:
34900b Mk. für das Jahr 1897, 737000 „„ „ „ 1898,
933000 „ „ „ „ 1899,
1193000 „ „ „ r 1900.
Einen gleichen „Trick“ hatte der durch eine Reihe von Ehren¬stellen ausgezeichnete Leiter der Aktiengesellschaft für Leder¬fabrikation in München-Giesing, Kommerzienrat Ed. Kester, angewendet, der, um die ungenügenden Geschäftsergebnisse der einzelnen Betriebsjahre besser erscheinen zu lassen, seit dem Jahre 1886 alljährlich im Hauptbuche wie in der Bilanz das Lederkonto mit einer weit höheren Ziffer einsetzte, als sich solches nach den richtig vorgenommenen Einzelaufnahmen be¬rechnete. Hierbei soll auch an das buchmäßige Verschwinden¬lassen von mehr als 25 Millionen, das bei der Diskontogesellschaft als „Abschreibung“, vulgo Verlust auf Popp und die Venezuela¬bahn, gelegentlich der Fusion mit der Norddeutschen Bank in Hamburg vorkam (vergL Dr. Otto Lindenbaum, „Die Ge¬fahren im deutschen Bankwesen“, Berlin 1901), gedacht werden. Man vergesse nicht, daß die Aktiengesellschaft gar oft als ein Weidefeld betrachtet wird, das möglichst schnell abzugrasen ist, ganz nach dem Nomadencharakter aller jener Spekulanten, denen weniger am Produzieren als am Profitieren gelegen ist. Das sind die Piraten des Aktienwesens!
Mit der Frage der Kontrollpflicht des Aufsichtsrates und der Prüfung der Bilanz bezw. der Buchführung durch sachverständige Revisoren beschäftigte sich auch der Juristen¬tag, der in Kiel im September 1906 tagte. Es wurden, nach¬dem festgestellt war, daß die Überwachungsfunktionen des Aufsichtsrates im großen und ganzen sich nicht bewährt haben, R. Beigel, Theorie und Praxis. 6 ßj
die folgenden, von den beiden Referenten — Reichsgericlitsrat Dr. Düringer und Geh. Justizrat Prof. Dr. Riesser — in der zweiten Abteilung gemeinsam aufgestellten Thesen beinahe mit Einmütigkeit angenommen:
„i. Ein dringliches Bedürfnis zu einem sofortigen ge¬setzlichen Eingreifen ist nicht anzuerkennen, zumal eine weitere Klärung der vielfach stark voneinander abweichenden Ansichten und Reformvorschlage abzuwarten ist
2. Bei einer künftigen Regelung ist vorzusehen, daß im Gesellschaftsvertrage selbst das Mindestmaß der Kontrollpflicht mit Rücksicht auf die besondere Art und Branche der einzelnen Gesellschaften bestimmt wird. Den Mit¬gliedern der demzufolge im Gesellschaftsvertrag in ihrem Mindest-umfange festzusetzenden Dezernate oder Kommissionen sollen selbständige Kontrollbefügnisse zustehen, aber auch schärfere Verpflichtungen in der Weise auferlegt werden, daß jedes Kommissionsmitglied für die Erfüllung seiner beson¬deren Kontrollpflicht den übrigen Mitgliedern des Aufsichts¬rats verantwortlich ist
3. Für größere Aktiengesellschaften mit einem Grund¬kapital von mindestens nom. 1000000 Mk. empfiehlt sich die obligatorische Einführung jährlicher Bilanzrevisionen durch besondere, von der Gesellschaft unabhängige, seitens der Generalversammlung zu wählende Sachverständige, die für sorg¬fältige Ausübung ihrer Pflichten verantwortlich zu machen sind.“
„Durch diesen Vorschlag, so führte Geheimrat Dr. Rießer in seinem Referat aus, soll der Tatsache Rechnung getragen werden, die aus den Eingangs erwähnten Gründen durch gesetzliche Vorschriften nicht zu beseitigen ist, daß un- gemein häufig in den Aufsichtsräten nicht genügend sach¬verständige Personen sitzen, um eine materielle Bilanz- (und Inventar-)Prüfung, um die es sich hier handelt, vornehmen zu können, und es soll die bereits tatsächlich bei vielen Gesell¬schaften bestehende Übung zu einer gesetzlichen Institution erhoben werden. Auch hier werden die Ausführungsbestim¬mungen Näheres bestimmen können und müssen; ich selbst habe, so berichtete der Referent weiter, schon früher vorgeschlagen, zu bestimmen, daß die Generalversammlung in erster Linie solche Sachverständige zu wählen habe, welche von beson- 82
deren Gesellschaften hierzu speziell ausgebildet sind, vorausgesetzt nur, daß diese Gesellschaften in ihren Satzungen für sorgfältige Auswahl dieser Sachverständigen und für deren gewissenhafte Amtsführung die Gewähr übernehmen, .und ein zur Erfüllung solcher Garantie ausreichendes, vollgezahltes Grundkapital (etwa von 1000000 Mk. nominal) besitzen.
Wir haben also den Vorschlag des Herrn Gutachters nicht aufgenommen, wonach bei allen Aktiengesellschaften alle zwei Jahre eine Prüfung der Buchführung durch besondere Re¬visoren erfolgen soll, weil wir nicht glauben, daß die gemachten Erfahrungen ein Recht geben, an der Richtigkeit der Buch¬führung der Aktiengellschaften im allgemeinen Zweifel zu hegen, und weil die besonderen Verhältnisse, welche den Gesetzgeber bei Genossenschaften zu einer solchen Maßregel veranlaßten, hier nicht vorhanden sind.“
Die im letzten Absatz enthaltene Bemerkung gibt zu An¬ständen Anlaß: Zunächst, welches war der Grund, der den Gutachter zum Vorschlag gerade einer zweijährigen Prüfung der Bücher geführt hat? Welches sind sodann die gemachten Erfahrungen des Prof. Dr. Rießer, die, wie er ausführte, ein Recht nicht geben, „an der Richtigkeit der Buchführung der Aktiengesellschaften im allgemeinen Zweifel zu hegen“? Fast sämtliche bis jetzt geführten Prozesse bei Zusammenbrüchen von Aktiengesellschaften oder bei Haftbarmachung ihrer Organe wegen mangelnder Diligenz oder wegen böswilliger Hand¬lungen haben immer noch das Gegenteil bewiesen, nämlich, daß Falschbuchungen vorgenommen, die Inventare gröblichst gefälscht, Lagerbücher nicht geführt waren u. dergl. mehr. Sodann, wenn Referent an die Richtigkeit der Buchführung glaubt, wozu verlangt er die obligatorische Bilanzrevision durch besondere Sachverständige? Oder meint er etwa, daß unter „Bilanzrevision“ etwas anderes als eine Prüfung der gesamten Buchführung zu verstehen sei? Oder daß die Bilanz nur formell mit den Abschlüssen der Hauptbuchkonti verglichen zu werden braucht? Es darf von Prof. Dr. Rießer angenommen werden, daß er unter „Bilanzrevision“ eine Revision des gesammten, der Bilanz unterliegenden Rechnungsmaterials verstanden haben will. Will er aber das, so durfte er auch nicht die Richtigkeit der Buchführung der Aktiengesellschaften, auch „im allgemeinen“
6* 8S
nicht, als etwas so Zweifelfreies hinSteilen; denn die Revision der Bilanz bezw. der Buchführung unterstellt, daß in der Bilanz bezw. in der Buchführung Ungehörigkeiten vorgekommen sein könnten»
Sicher aber bedeuten die Vorschläge Rießers mit ihrem Zwange zu regelmäßiger, sachkundiger Revision der Aktien¬gesellschaften, zur Schaffung von Dezernaten für die ein¬zelnen Aufsichtsratsmitglieder unter eigener Verantwortlichkeit sowie zur Festsetzung eines Mindestmaßes von Pflichten für den Aufsichtsrat in dem Gesellschaftsstatut einen Fortschritt, der zweifellos der künftigen Gesetzgebung die Richtung weisen wird.
Bilanzverschleierungen
Die Methode, in einer Bilanz ungünstige Resultate als günstige illiquide Bilanzen als liquide oder dolose Handlungen als nicht vorhanden darzustellen, heißt Bilanzverschleierung. Es gibt zwei Arten von Verschleierungen; die eine, welche nur eine günstige Darstellung der Bilanz bezweckt, und eine solche, die eine Folge von betrügerischen Manipulationen ist.
Um das Resultat der Bilanz günstig zu beeinflussen, gibt es verschiedene Mittel: man kann die Preise des Lagers oder der Rohmaterialien zu hoch einstellen, und bei einem starken Vorräte genügen schon ganz minimale Erhöhungen, um den Zweck zu erreichen. Man kann aber auch zum gleichen Ziel gelangen, wenn die Abschreibungen in zu niedrigen Sätzen vorgenommen werden.
Eine illiquide Bilanz, d. h. eine Bilanz, deren Aktiva schwer flüssig zu machen sind, läßt sich in das Gegenteil, d. h. in eine liquide, verwandeln, wenn man sich von den Debitoren am Ende des Geschäftsjahres Akzepte über ihre Schuld geben läßt mit der Bedingung, daß dieselben nicht in Umlauf gesetzt, sondern bei Verfall zurückgegeben oder gegen neue Akzepte umge¬täuscht werden sollen. Da diese Akzepte ihren Schuldnern im Kontokorrent gutgeschrieben und dem Wechselkonto belastet werden, so erscheint der Wechselbestand in der Bilanz um diese Beträge höher und der Debitorenbestand kleiner. Das Debitorenkonto gilt aber als ein-weniger liquides Konto, während der Wechselbestand schon wegen der vom Gesetz geordneten 84
strengen Erfüllungsform der dabei in Betracht kommenden Verbindlichkeiten als liquid gilt Diese Manipulation ist vom buchhalterischen Standpunkte aus durchaus korrekt; trotzdem enthält sie eine Verschleierung, weil sie die wahre Lage der Gesellschaft falsch darstellt: sie hat eine schwer flüssig zu machende Buchforderung in eine leicht realisierbare Wechsel-forderung wie durch ein Taschenspielerkunststück umgewandelt Die solchermaßen entstandenen Wechsel sind aber nur schein¬bar leicht flüssig zu machen, weil sie bei der Reichsbank gar nicht bei andern Banken nur schwer begebbar sind.
Dahingegen lassen sich solche Wechsel als Zahlungsmittel bei den Lieferanten verwenden, wodurch erzielt wird, daß die im Debitorenkonto festgelegte, vielleicht übergroße Summe ge¬mindert erscheint, wobei gleichzeitig durch die Gutschrift der Wechsel auf den Lieferantenkonti die Kontokorrentschuldenlast eine erwünschte Minderung erfährt Es können endlich sogar mit Hilfe der eigenen Unterschrift, mit der die Wechsel per Giro weitergegeben werden, diese versilbert werden, dann ist wie im Handumdrehen aus einer „faulen“ Forderung das beste aller Aktiva, nämlich Bargeld, entstanden. Wie die Sache bei Verfall der Akzepte weiter geht ist eine andere Frage. Gehen sie mit Protest zurück, so werden sie oft mit neuen Wechseln gedeckt woraus gar leicht Wechselreitereien entstehen. Jeden¬falls ist der Jahresabschluß gerettet ist man aus dem Bilanz¬dilemma heraus, denn die Retourwechsel treffen ja doch erst nach erfolgtem Abschluß ein.
So hatte, wie die in Leipzig erscheinenden „Verbands¬blatter“ in Nr. 44 des Jahrgangs 1904 berichteten, eine große Fabrik, die vor einigen Jahren in Konkurs ging und deren Geschäftsführung in einem nachfolgenden großen Strafprozeß allgemein Aufsehen und Entrüstung hervorrief, folgendes Manöver gemacht: Die Firma hatte faule Forderungen in Höhe von 2224000 Mk. Diese Forderungen ließ sie buchmäßig da¬durch verschwinden, daß sie diese Summe einem Konsortium Gebrüder H. und Genossen belastete. Aber auch dieser Posten war für die Bilanz unbequem, weshalb man den Betrag der Bank zedierte, welche ein großes Interesse an dem Fortbestand des Unternehmens hatte, weil sie sich mit großem Kapital bei ihm engagiert hatte. Auf diese Weise verschwanden sämtliche
faulen Forderungen, und das Guthaben, welches die Bank bei dem Unternehmen hatte, verminderte sich. Die Bilanz war, wie der terminus technicus lautet, „frisiert“ worden.
Um erlittene Verluste nicht so auffällig in Erscheinung treten zu lassen und den Ertrag des Jahres günstiger zu ge¬stalten, hatte ein großes Werk erhebliche Verluste auf das Reservefondskonto abgebucht, eine andere Firma wieder hatte einen Teil sehr hoher Unkosten auf ein Konto gebucht, das den schönen Namen „Erfindungskonto“ trug, welches Konto natürlich als Aktivum in die Bilanz eingestellt wurde. Ein falsches Bild des Vermögensstandes zu geben, ist auch das Verbuchen der Wechsel durch das Kassabuch insofern geeignet, als in die Bilanz dann nicht der Saldo des vielleicht eine Un¬zahl von „notleidenden“ Wechseln enthaltenden Rimessenkontos, sondern der Saldo des Kassakontos eingestellt wird.
Eine äußerst beliebte Form der Bilanzverschleierung besteht darin, die Debitoren hinter die Kreditoren oder letztere hinter die ersteren zu verstecken, anstatt jedes dieser beiden Konti mit seinem Saldo aktiv und passiv in der Bilanz getrennt auf¬zurechnen. Daß mit. der Aufrechnung der beiden einschlägigen Konti ineinander erhebliche Tatsachen, die durch die Bilanz klar zu Tage treten sollen, verschleiert werden, ist klar. Setzen wir den Fall, eine Aktiengesellschaft weist auf ihrem Konto¬korrentkonto einen Debet- oder Sollsaldo von 15952000 Mk. und einen Kredit- oder Häbensaldo von 16000000 Mk. nach. Damit ist gesagt, daß sie für 15952000 Mk. Forderungen und für 16000000 Mk. Schulden zu Buch stehen hat Anstatt nun den ersteren Betrag in den Aktiva und den letzteren in den Passiva geteilt zu buchen, bucht sie einfach nur den zwischen 16000000 Mk. und 15952000 Mk. sich ergebenden Unter¬schied mit 48000 Mk. als Passivum der Bilanz. Damit sind die ganzen Verhältnisse auf den Kopf gestellt: man weiß nicht mehr, wieviel und ob überhaupt Forderungen zu Buche stehen; ebensowenig, welches der eigentliche Betrag der Kontokorrent¬schulden ist Hat die Gesellschaft die Gepflogenheit, auf sie gezogene Akzepte ungebucht zu lassen und die Buchung erst bei Einlösung derselben vorzunehmen (was natürlich falsch wäre, aber doch vielfach geschieht), so können für Millionen Akzept¬’ Verpflichtungen auf die Gesellschaft laufen, ohne daß die Bilanz 86
ein Sterbenswörtchen darüber sagt, dehn sie weist ja überhaupt nur die Differenz zwischen dem Aktiv- und Passivsaldo und nicht die Saldi selbst aus. Dieser Unfug hat auch bei der in Konkurs gegangenen Kasseler Trebergesellschaft unrühmlichen Angedenkens seine verhängnisvolle Rolle gespielt. Denn sonst hätte die Bilanz auf dem Kontokorrentkonto ersehen lassen müssen, was hinter den Kulissen dieses Kontos geschah. Zum Zwecke der Entfernung eines großen Teils zweifelhafter Forde¬rungen nämlich wurde, wie aus dem Bericht des Konkursver¬walters Justizrats Frieß hervorging, ein Konsortialkonto unter dem fingierten Namen: „Geb. Sumpf & Gen.“ — „nomen est omen“, kann man in diesem Falle sagen — geschaffen. Die Gesamtsumme der hierher gehörenden Forderungen be¬zifferte sich auf die Kleinigkeit von 22 400000 Mk. Die „Sumpf & Gen.“ zedierten dann die angeblichen Forderungen weiter an die Leipziger Bank. Auf diese Weise verschwanden in den Büchern die schlecht erdichteten Forderungen, das Konsortial- koüto war ausgeglichen und das Guthaben der Leipziger Bank an die Trebergesellschaft um den gleichen Betrag vermindert. Einer ernsten Buchführungsrevision hätten diese Bilanzmani¬pulationen schwerlich entgehen können. Und derjenige, welcher diese Malversationen vornahm und solche im ärgsten Sinne des Wortes zu nehmenden Bilanzkunststücke ausführte, war der flüchtig gewordene Direktor Adolf Schmidt. Es ist schwer zu sagen, was hier größer war, die Dummheit des Publikums, welches in naiver Weise den schönen Worten eines notorischen Betrügers Glauben schenkte, oder die Verschmitztheit, mit der der Herr Direktor seine Schwindeltransaktionen Kassel—Leipzig ausführte. Jedenfalls haben beide Faktoren zusammen gewirkt, um das, was offenbar schon seit Jahren unter der Asche glimmte, praktisch werden, d. h. den Zusammenbruch eintreten zu lassen. Gerade an diesem Beispiel zeigt es sich so recht deutlich, wie wenig Gesetze schützen. Am letzten Ende ist es doch immer die gar nicht hoch genug einzuschätzende menschliche Einfalt, die den Verbrechen den Weg ebnet. Darum ist bei Missetaten die — wie man es nennen will — Einfalt oder Dummheit der Zeitgenossen ein Faktor der Kalkulation, der nur selten im Stiche läßt.
Auf gleicher Höhe wie das Verfahren, den Debitoren- und Kreditorensaldo ineinander aufgehen zu lassen, steht das
„rühmlichst" bekannte Konto pro diverse. Hier ist die Sache insofern noch gefährlicher, ah dieses Konto in dem unschuldigen Gewände eines ganz gewöhnlichen Kollektivkontos erscheint, ohne zu verraten, daß ihm ganz die Eigenschaft eines Konto¬korrentkontos (mit Debitoren und Kreditoren) beiwohnt. In? folgedessen wird bei ihm erst recht nur der Saldo (Unter¬schied zwischen Belastung und Gutschrift) bilanzmäßig ausge¬wiesen, wenngleich in ihm die belangreichsten Schulden und Forderungen, auch Betriebsgewinne und -Verluste, enthalten sein können, die von Rechts wegen aufgerollt zur Bilanz gebracht werden sollten. Aber mit diesem Aufrollen hat es eben seinen Haken! Da die Natur dieses Kontos pro diverse es ganz besonders geeignet erscheinen läßt, hinter seiner Anonymität die häßlichsten Pestbeulen von Zahlen zu verstecken, so sollte dieses Konto aus jeder aktiengesellschaftlichen Buchführung ausgemerzt werden, es sei denn, daß es absolut durchsichtig geführt wird. Unter absoluter Durchsichtigkeit verstehen wir hier, daß jeder Belastungs- und Gutschriftsbuchung der Namen dessen deutlich voransteht, der belastet oder erkannt werden soll, daß ferner beim Inventar der Saldo des Kontos pro diverse in Aktiva und Passiva getrennt wird und daß innerhalb der Trennung die einzelnen Namen mit den dazu gehörigen Beträgen aufgeführt sind.
Keinesfalls aber dürfen auf diesem Konto (wie dies in der Buchführung einer auswärtigen Aktiengesellschaft, deren Re¬vision dem Schreiber dieses oblag, geschah) abgehobene Bar¬vorschüsse des Direktors sowie die Vorausentnahme seines Ge¬haltes auf Monate hinaus, die auf „Geheimbuchkonto" verrechnet wurde, gebucht werden.
Jedenfalls ist es ein gewaltiger Unterschied, ob die aufge¬rollten Debitoren- und Kreditorenkonti mit ihrem tatsächlichen Inhalt auf der Bilanz ausgewiesen werden, oder ob nur der Unterschied zwischen beiden Konten dargestellt wird. Abgesehen von der mangelnden Übersicht und direkten Verschleierung, die der zweite Fall in sich schließt, ist, falls beim Aufsichtsrat Revisionspflicht und Buchführungskenntnisse in der „bekannten" Verbindung sich die Stange halten, einem skrupellosen Direktor mit der Zulassung solcher Ausgleichspraktiken das schönste Mittel geboten, dahinter alle möglichen und unmöglichen Posten zu verbergen und sie sodann nach Anwendung eines eigen- 88
artigen buchhalterischen Filtrierungssystems, wie wir dies bei der Trebergesellschaft gesehen haben, in der unschuldigsten Form wieder in Erscheinung treten zu lassen.
Sehr oft wird gegen Gesetz und Statut künstlicher (fiktiver) Gewinn dadurch erzeugt, daß, anstatt die Abschreibungen auf bestimmte Aktivbestandteile zu einem der Abnutzung ent-sprechenden Satze vorzunehmen, man diese Abschreibungen zu einem niedrigeren Betrage vornimmt. Die Differenz kommt natur¬gemäß der Gewinn- und Verlustrechnung zugute. Setzen wir den Fall, es ist auf Maschinenkonto, dessen Saldo i oooooo Mk. betragen soll, eine Quote von 8% abzuschreiben und es wird anstatt ihrer eine solche von 5% angerechnet, so sind mit einem Schlage 30000 Mk. dem Gewinn- und Verlustkonto mehr zugeflossen, als tatsächlich verdient waren, die nun, freilich nicht als Überschuß, sondern als Aktienkapital, als Fleisch vom Fleische, disponibel sind und verteilt werden können. Mit einem solchen Verfahren wird genau dasjenige erreicht,.was das Gesetz mit seinen in § 261 gegebenen Bewertungsvorschriften vermeiden wollte. Es wollte verhüten, daß die Aktiengesellschaften sich die Möglichkeit zur Verteilung von Gewinnsten dadurch verschaffen, daß sie den Wert der stabilen Vermögensgegenstände (zu denen Vorräte in Rohstoffen und Halbfabrikaten nicht gehören) über den Anschaffungs- bezw. Herstellungspreis berechnen. Das Grundprinzip war, in dieser Beziehung eine Prohibitivbestimmung zu schaffen, und daß eine solche notwendig ist, daß hat die Geschichte des Aktienwesens nicht nur des Auslandes, sondern auch Deutschlands gelehrt Darum muß die Grenze nach oben, -welche das Gesetz für den Ansatz der stabilen Werte gezogen hat, unter allen Umständen in striktester Weise eingehalten werden. Eine Überschreitung der vom Gesetz vorgeschriebenen Höchstgrenze, die dadurch erfolgt, daß von vornherein zu hohe Werte für die fraglichen Aktiva angesetzt oder daß in den folgenden Jahrgängen zu niedrige Abschreibungssätze an¬gewandt werden, zieht übrigens strafrechtliche Folgen nach sich.
Abschreibungen in zu hohen Sätzen lassen die Vermögens¬werte zu niedrig in der Bilanz erscheinen. Je mehr aber dieser Fall zutrifft, desto kleiner die Dividende. Eine Minimalgrenze, bis zu welcher die stabilen Werte abgeschrieben werden dürfen, findet sich in § 40 des H.-G.-B., welcher bestimmt:
„Bei der Aufstellung des Inventars und der Bilanz sind sämtliche Vermögensgegenstande und Schulden nach dem Werte anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet "
Mithin gilt als Maßstab für die niedrigste Einstellung der Vermögensstucke nicht der gewöhnliche Versilberungswert, sondern der Geschäftswert Für diesen Wert gibt die per¬sönliche Anschauung des Bilanzierenden unter Berücksich¬tigung aller dabei in Betracht kommenden Faktoren den Aus¬schlag. Der auf subjektiver Schätzung beruhende Wert, den die Vermögensstücke objektiv für das Geschäft haben, schwebte auch dem vormaligen Reichsoberhandelsgericht als der Tendenz des früheren Art 31 (heutigen § 40) H.-G.-B. entsprechend vor, wenn es in seiner Entscheidung Bd. 12, S. 19, sagt: „Der Bilanz liegt die Idee einer fingierten augenblicklichen Realisierung sämtlicher Aktiva und Passiva zugrunde, wobei jedoch davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht Liquidation, sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäftes beabsichtigt wird und daß daher bei der Ermittlung und Fesstellung der ein¬zelnen Werte derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist wel¬cher eine Liquidation auf dieselben ausüben würde" (vergL auch j das Urteil des Reichsgerichts in Zivilsachen, Bd. 19, S. 122).
Ferner ist zu beachten, daß gemäß dem oben zitierten § 40 H.-G.-B. die festgestellten Werte der stabilen Vermögens¬bestandteile nur einen Zeitwert darstellen, d. h. einen Wert welcher den Gegenständen zur Zeit der Inventaraufnahme zukommt Ob dieser Wert späterhin, etwa nachdem die Bilanz von der Generalversammlung genehmigt wurde, noch weiter besteht oder nicht erscheint bedeutungslos angesichts der ge¬setzlichen Vorschrift, die nur den Zeitpunkt als Stichtag für den Wert anerkennt, an dem die Bilanz aufgestellt wird.
Werden gesellschaftliche Aktiven in zu hohen Sätzen ab¬geschrieben, so zwar, daß ihr Buchwert unter das Niveau ihres reellen Wertes zu liegen kommt, so mögen solche Abschrei¬bungen, wenn sie die Sanktion der Generalversammlung er¬halten, hingehen;-steuerrechtlich haben sie keine Bedeutung. Vielmehr hat die Steuerbehörde das Recht solche unterwertete Gegenstände im Interesse der Wahrheit der Bilanz wieder auf ihren wahren Wert zu heben. Denn der zu viel abgeschriebene 90
Betrag* ist ein Teil des wirklich vorhandenen Vermögens, wenn¬gleich er in dem Buche nicht als solches erscheint. Es ist also eine in verschleierter Form ausgeführte Rücklage, die der Gesellschaft für eine spätere Verwendung zur Verfügung bleibt. Ist demnach der Buchwert schon geringer als der wirkliche Wert, so mag eine Aktiengesellschaft es für zweckmäßig halten, noch weitere Abschreibungen vorzunehmen; für die Steuer¬behörde sind solche nicht mehr den Tatsachen folgende Minde¬rungen keineswegs bindend ).
Endlich liegt Bilanzverschleierung vor, wenn konzessionierte Gesellschaften im Hinblick auf einen etwaigen Rückkauf seitens des Konzessionsgebers (Staat, Bezirk, Gemeinde) Ausgaben, die einem Betriebskonto anzuschreiben sind, auf ein von dem Kon-zessionsgeber bei einem eventuellen Rückkauf zu bezahlendes Aktivkönto (Anlage, Installation) buchen.
Geschieht dies, so erscheinen die Aktiva überwertet und die Dividende zu hoch. Die nächste Folge ist, daß die Kurse der Aktien künstlich in die Höhe geschraubt werden. Träte Liqui¬dation ein, so kämen die letzten Aktionäre in Verlust, der unter Umständen ihren Ruin herbeiführen könnte. Müßte der die Konzession erteilende Staat oder Bezirk oder die Gemeinde in Gemäßheit der Konzessionsurkunde bei einem etwaigen Rück¬kauf die Aktien nach dem Kursstände erwerben, den die Pa¬piere am Rückkaufstage haben, so würde eine zu hohe Rück¬kaufssumme gezahlt werden. In dieser Beziehung tun die Kon-? Zessionsgeber gut daran, sich den „Rücken frei zu halten“ durch Sicherung des Rechts, die zu übernehmenden Wertobjekte nicht nach dem Buchwerte und auch nicht nach dem Kurs der Aktien, sondern einzig nach sorgfältiger Prüfung des Inhalts der ein¬schlägigen Konti bezw. Schätzung der fraglichen Vermögens¬stücke heimzuzahlen.
Bilanzfälschungen.
Die Bilanzfälschungen lassen sieh in drei Kategorien gliedern:
1. Fälschungen der Inventare durch eine höhere Angabe der Bestände in Menge oder Wert;
2. unrichtige Einstellung der Außenstände, indem wertlose oder zweifelhafte Forderungen gegen Kunden oder gegen die Direktoren selbst als vollwertig eingesetzt oder Scheindebitoren gebildet werden;
3. Fälschung der Gewinn- und Verlustrechnung oder der Herstellungsrechnung dadurch, daß Betriebskosten auf Liegen¬schafts-, Maschinen- oder Reservefondskonto verbucht oder Neu* anschaffungen über den Gestehungspreis eingesetzt, dagegen die hohen Rabatte hierauf als Betriebsgewinne verbucht werden.
Jede Bilanzfälschung bezweckt, erlittene Verluste, die man fahrlässigerweise oder durch Spekulation selbst verschuldete, oder Vermögensvorteile, die man sich bewußtermaßen wider¬rechtlich angeeignet hat, zu verbergen. In diesem Punkte liegt der Unterschied zwischen der Bilanzfälschung und der Bilanzverschleierung. Während nämlich bei dem erstem Delikt Dolus (Arglist) vorliegt, beruht das letztere auf Culpa (lata oder levis), d. h. (grober oder leichter) Fahrlässigkeit.
Eine weitverbreiteteFälschungsmethode besteht darin, Speku- lations- oder Syndikatsgeschäfte entweder auf fingierte Konto-korrentkonti oder noch besser auf das Konto pro diverse zu buchen. Glückt die Transaktion, so wird dieselbe auf das Privatkonto des Vorstandes übertragen, glückt sie nicht, so wird sie auf irgend ein Betriebskonto abgebucht, d. h. von dem einen Versteck in das andere gebracht und hier endgültig beim Jahresabschluß verrechnet
Ein Unikum in seiner Art bildet wohl der im Jahre 1902 erfolgte Zusammenbruch der Leipziger Bank, wegen dessen vor dem Leipziger Schwurgericht im Juni 1902 die beiden Direktoren August Heinrich Exner und der frühere Rechts¬anwalt Dr. jur. Albert Gentsch, sodann der gesamte Auf¬sichtsrat wegen betrügerischen Bankrotts, falscher Buchführung, Verschleierung des Vermögensstandes in den Geschäftsbüchern und Bilanzen, sowie wegen Betrugs und Untreue sich zu ver¬antworten hatten. Direktor Schmidt wurde flüchtig und wandte sich nach Amerika, ist aber auf der Durchreise durch Paris in einem Hotel verhaftet und ausgeliefert worden. Eine hochangesehene, altrenommierte und solide Bankfirma knüpfte mit einer Kasseler Industrie, der dortigen Trebertrocknungsaktien- gesellschaft, bezw. mit deren Leiter, dem Landsmann des Bank- 92
direktors Exner, Adolf Schmidt, Geschäftsbeziehungen an und verlor sich im Verlaufe weniger Jahre in dieselben so weit, daß der der Trebertrocknung eingeräumte Blankokredit, ange¬fangen mit 200000 Mk., rasch auf 3 Millionen wuchs, für welche die Leipziger Bank Treberaktien übernahm. Mittlerweile wurden überall Filialen gegründet, auf Grund gefälschter Bilanzen hohe Tantiemen bezahlt, und bereits im Jahre 1897 betrugen die Engagements der Bank über 8 Millionen, die, da die Unter¬nehmungen mißlangen, immer wieder erhöht werden mußten.
Um die hohen Engagements zu verdecken, griffen Exner sowohl wie Schmidt zu den verschiedenartigsten Schiebungen und Bilanzverschleierungen. Die Engagements der Leipziger Bank betrugen schon damals 27% Millionen Mark, wuchsen aber alsdann ins Ungeheuerliche, als Schmidt seinen Plan, einen Welttrust für Holzverkohlung zu gründen, aufnahm und von der Errichtung einer Tochtergesellschaft zur anderen schritt. Zuletzt betrug die Verpflichtung der Trebertrocknung gegen* über der Leipziger Bank gegen 80 Millionen Mark. In den Bilanzen und Geschäftsberichten kam aber von diesen Riesen* engagements nichts zum Ausdruck. Durch Schaffung beson* derer Konten, Eintragung fingierter Effekten und Posten und durch die verzwicktesten Schiebungen, zu deren Auf* deckung monatelange, mühselige Arbeit der kaufmännischen Sachverständigen und Bücherrevisoren nötig war, wurde der • Sachverhalt verdeckt. Bekannt ist aus dem Treberprozeß, wie die sogenannten sechs „Treberherren“ (Schmidt und die fünf Aufsichtsratsmitglieder) einen Kredit von 22% Millionen Mark von der Leipziger Bank eingeräumt erhielten, wofür die For¬derungen der Gesellschaft an die Tochtergesellschaften in Höhe von 18 Millionen Mark auf die Bank übertragen wurden. Den Rest von 41/, Millionen Mark erhielt die Trebertrocknung gegen Akzepte der Treberherren als weiteren Kredit
Interessant hierbei ist, daß Exner deponierte, von doppelter Buchführung nichts zu verstehen. Das hinderte ihn aber nicht, seinem juristisch gebildeten Freunde und Direktor Adolf Schmidt Anleitungen zu geben, wie die Treberbilanz durch eine geeignete Gruppierung der Posten „flüssig“ und „schön“ zu gestalten sei, damit sie in diesem „frisierten“ Zustande dem Publikum „mundgerecht“ und „verständlich“ erscheine. Eine ganze Reihe von Konkursen von Handelshäusern und Industrie¬etablissements, Arbeitsstockungen, Selbstmorden von Leuten, die ihr Vermögen sicher angelegt glaubten und sich nun mit einem Schlage um ihre Ersparnisse gebracht sahen, waren die Folgen des Kraches. Auch zahlreiche Vereine und Korporationen, so der Gustav-Adolf-Verein, hatten ihr Vereinsvermögen bei der Leipziger Bank angelegt. Ebenso erlitten verschiedene thüringische Kleinstaaten, ferner die KönigL Sächsische Lotterie- Darlehnskasse, die Leipziger Hypothekenbank u. a. erhebliche Verluste.
Was in puncto Bilanzfälschung und fiktiver Dividenden geleistet werden kann, hat ferner der Prozeß des Bankdirektors und Kommerzienrates Eduard Sanden von der Aktiengesell¬schaft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr zu Berlin ge¬zeigt Bei der Aktiengesellschaft für Trebertrocknung legte der Direktor 1200000 Mk. in die Kasse, um die Dividende zu vergrößern und so eine unlautere Kursbeeinflussung vorzu¬nehmen. Wo blieb bei allen diesen Verfehlungen das Kontroll¬organ, der Aufsichtsrat? „Die Sorglosigkeit des Aufsichts¬rates bei den Revisionen/ so heißt es im Prozeß Terlinden, „habe das Tun der Angeklagten ungemein erleichtert“
Bekannt ist, daß sehr viele industrielle Aktiengesellschaften konsequent in ihren Geschäftsberichten erhebliche Tatsachen unterschlagen, von den Abschreibungen keine Zahlen mitteilen, und wenn sie solche offenbaren, dies oft nur tun, um irrezu¬führen und zu falschen Schlüssen zu verleiten.
Einen eklatanten Fall grober Bilanzfälschung lieferte im Jahre 1904 die Bedburger Wollindustrie-Aktiengesellschaft Bei dieser Gesellschaft ist die Bestandaufnahme in der Weise vor sich gegangen, daß die Werkführer der einzelnen Abteilungen (Kunst¬wollfabrik, Spinnerei, Zwirnerei, Weberei und Lager) ihre Be¬stände am 31. Dezember festgestellt und in Hefte eingetragen haben. Diese Hefte sind dann für den Generaldirektor Silver-berg — nach dessen Tode die Fälschungen erst ans Licht kamen — eingesammelt worden. Silverberg veranlaßte hier¬auf durch Kontoristen die. Zusammmenfassung dieser Hefte in eine sogenannte Rohaufnahme. Das so entstandene, die ein¬zelnen Gewichtsmengen usw. ergebende Heft ist von Silver¬berg in Gegenwart eines anderen Leiters mit den Einheits- 94
preisansätzen versehen worden. Für die Weber ei Vorräte, wo es sich um die größten Summen handelte, hat Silverberg die Bewertung allein vorgenommen. Das Kontorpersonal, dem die Ausrechnung und Reinschrift dieser Rohaufnahme oblag, hat wiederholt Änderungen an den Zahlen usw. bemerkt, aber an¬genommen, daß sich hinterher ein anderer Bestand ergeben habe. Welcher Angestellte hätte sich wohl träumen lassen, daß der Generaldirektor selbst, der Kommerzienrat, Handels¬richter, Kreisdeputierte, das Mitglied der Handelskammer und des Bezirkseisenbahnrates usw. usw. Silverberg seit Jahren die Inventur fälschte? Wer hätte die ungeheuerliche Behauptung vertreten?
Die Aufnahmehefte wie auch die Rohschrift der Inventur hat Silverberg bis auf drei wahrscheinlich beiseite geschafft oder vernichtet. Aus den übrig gebliebenen drei Dokumenten ist festgestellt worden — um nur einige Beispiele anzuführen — für 1902:
1. Originalaufnahme 100800 kg Beiderwand-Königsberg je 8x/4 Pfg., Reinschrift 100800kg karbonisierte Beiderwand- Königsberg zu 37 Pfg.; .
2. Originalaufnahme 277 kg karb. schwarz Tibet I je 70 Pfg., Reinschrift 9277 kg karb. schwarz Tibet I je 70 Pfg.;
3. Originalaufnahme 41240 kg karbonisierte Beider- wand je 6 Pfg.; Reinschrift 41240 kg zu je 33 Pfg.
Der Umstand, daß sich aus den Lager- und Materialbüchem der jeweilige Bestand nicht feststellen ließ und somit eine Kon¬trolle der durch die Inventur ermittelten Bestände ausgeschlossen war, beweist die großen Mängel der Betriebsbuchführung bei der Bedburger Wollindustrie und hat den Fälschungen Vor¬schub geleistet.
Typisch ist der Fall der Niedersächsischen Bank in Bücke¬burg, bei der ein Fehlbetrag in Höhe von 1995636 Mk. fest¬gestellt wurde. Die Revisionskommission stellte eine außer-ordentliche Unordnung der Buchführung fest. Das von dem Direktor Lindner persönlich geführte Kassabuch war seit 1885 nicht ordnungsmäßig addiert und nicht abgeschlossen. Gewiß besitzt jedermann eine Portion Spekulationstrieb, und wenn jemand wettet und wagt, schmeichelt und kriecht, baut und zerstört, so ist dies nichts weiter als ein Eingehen
auf die Einflüsterungen des spekulativen Instinkts, Aber von dieser Sorte von Spekulation waren die „Unternehmungen“ des Direktors Lindner grundverschieden. Er spielte mit fremdem Gelde va banque und verlor. Seine verfehlten Spekulationen aber versteckte er hinter dem Konto pro diverse, während eine Anzahl fingierter Konti dazu diente, seine Inanspruchnahme der Bankmittel zu verheimlichen. Eine im Jahre 1889 durch den Buchhalter Winkelhake erfolgte Denunziation Lindners führte zum „Krach“. *
Der Zusammenbruch der Aktiengesellschaft für chemische Industrie in Mannheim im Jahre 1902 bildet einen weiteren Beleg für die Sorglosigkeit des Aufsichtsrats, die das sträfliche Tun der beiden Direktoren Böhm und Henninger wesentlich erleichterte. Es wurde festgestellt, daß die Dividenden und Tantiemen, die gezahlt wurden, dem Aktienkapital entnommen waren. Der Direktor Böhm bekleidete bei dem Stahlwerk Mannheim, der Mannheimer Lagerhausgesellschaft und den chemischen Fabriken Gernsheim-Heubruck in Rheinau die Stelle eines Aufsichtsratsmitgliedes. An Fabrikationsgewinn ! wies die Bilanz vom 31. Dezember 1901 einen Betrag von 1 567652 Mk. aus. In Wirklichkeit war ein Manko von über 2000000 Mk. vorhanden, der mit andern Konti übermäntelt | wurde. Direktor Böhm stellte sich selbst, der stellvertretende Direktor Henninger wurde verhaftet. ;
Einen geradezu klassischen Fall von Verletzung der Kon¬trollpflicht seitens des Aufsichtsrates stellte die verkrachte Aktiengesellschaft Portland Zementfabrik und chemische Fabrik (vorm. Dr. Hoffmann & Cie.) in Oos dar.
Schreiber dieses hatte im Auftrage eines Aufsichtsratsmit¬gliedes genannter Gesellschaft die umfangreichen Akten und Skripturen der Sache durchzusehen und war daher in der Lage, einen tiefen Einblick in die Verhältnisse, sowie in den Gang der Buchungen und Bilanzen usw., zu nehmen. Was sich ihm da offenbarte, war ein schauriges Mosaikbild gröbster Pflichtver¬letzung, wissentlich falscher Darstellungen^ schnöder Bereicherung und von Unkenntnis der Gesetze. Die Hoffmannschen Unter-nehmungen nämlich waren bereits im Jahre 1884 überschuldet; sie hatten eine Kontokorrentschuld von 255342,21 Mk. und eine Kapitalschuld von 100000 Mk. zu 5 °/0, also mit 17 767,10 Mk. 96 .
p. a. zu verzinsen, so daß dieselben, schlecht organisiert und schlecht geleitet, wie sie waren, bis 1888 rund 92000 Mk. Ver¬luste brachten. Trotzdem wurden die Unternehmungen im Sep-tember 1892 unter Aufstellung einer falschen Eröffnungsbilanz und Aufnahme eines Bardarlehen£ von 450000 Mk. in eine Aktiengesellschaft von Leuten, die ihren „Schnitt“ dabei machten, mit einem nominellen Aktienkapital von 850000 Mk. umge¬wandelt. Hierbei wurde Dr. Hoffmann, dessen Kapitalkonto am 1. Oktober 1884 im ganzen nur mit 12000 Mk. zu Buch stand und der nun in der Umwandlungsbilanz mit einem angeb¬lich aus der chemischen Fabrik herrührenden Kapitalkonto von 110624,58 Mk. und einer angeblich aus der Portland-Zement¬fabrik stammenden Kommanditbeteiligung von 56667,77 Mk. auftrat, mit einer Summe von 282 677,86 Mk. abgefunden. Außer¬dem wurden diesem Bilanzkünstler 625 Stück Aktien zur Ver¬fügung gestellt, die er teilweise zu seinem ^eigenen Nutz und Frommen ungeachtet dessen, daß die Weiterbegebung gesetz¬lich (Art 218c, Abs. 3, A. G. alt) verboten war, weil es sich um ein nicht voll eingezahltes Aktienkapital handelte, verwendete. Von der Virtuosität oder, wenn man will, Plumpheit, mit der der Direktor bei der Bilanzierung des Unternehmens vorging, zeugt z. B. der Umstand, daß die Bilanz per 30. September 1890 mit einem Bruttogewinn von 192210,24 Mk. rechnerisch ab¬schloß, während nur ein Reingewinn von ganzen 2275,31 Mk. vorhanden war; ferner, daß der Direktor das Maschinenkonto, welches per 30. September 1890 mit einem Saldo von 177 200 Mk. abschloß, am 1. Oktober 1890 zu einem Betrag von 236000 Mk., also mit einem Mehrwert von 58800 Mk., wiedereröffnete. Die Liegenschaften wurden anstatt mit 267685 Mk. mit 481585 Mk., die Fabrikeinrichtung anstatt mit 172373 Mk. mit 460391,65 Mk. usw. bewertet, so daß die wunderbar aufgeputzte und herrlich anzuschauende Gründungsbilanz in Aktiva und Passiva mit 1275665,07 Mk. glatt ausgeglichen wurde und just wie eine durchaus ehrliche Bilanz sich gab. .
Ein grelles Schlaglicht auf die Diligenz des Aufsichtsrats bei Ausübung seiner Kontrollpflicht wirft der im Juni 1907 stattgehabte Krach der Marienburger Bank. Der Konkurs¬verwalter, Rechtsanwalt Diegner, stellte fest, daß die Konkurs¬forderungen sich, soweit sie sich bis zur Gläubigerversammlung
R. Beigel, Theorie und Praxis. 7
feststellen ließen, auf 9874000 Mk. belaufen. Der Massebestand beträgt dagegen 3145000 Mk. Rechnet man hiervon die vor¬aussichtlichen Ausfälle von 1145440 Mk. ab, so ergibt sich ein Nettomassebestand von rund 2 Millionen Mark, so daß die Gläubiger eine Dividende Vbn 20 Prozent zu erwarten haben. Wie der Direktor Wölke gewirtschaftet hat, geht am besten daraus hervor, daß nicht 5 Millionen Depositen und Sparein¬lagen vorhanden sein müssen, wie die letzte Bilanz behauptete» sondern daß die Summe der Spareinlagen im ganzen 8606000 Mk. beträgt. Der Konkursverwalter teilte unter anderm mit, wie durch den Direktor Wölke die Bilanzen durch falsche Buchungen verschleiert worden sind« Alle Bilanzziffern habe er gefälscht. So war beispielsweise in der Bilanz vom 31. Dezember 1906 ein Depositenbestand von 5402000 Mk. angegeben, während er tatsächlich auf 8606000 Mk. sich belief. Die 3% Millionen Effekten der Bilanz waren in Wirklichkeit gar nicht vorhanden. In den letzten fünf Jahren betrug vielmehr der tatsächliche Effekteilbestand nur noch 50—150000 Mk. Am letzten Jahres* Schluß waren statt der 3 x/t Millionen Mark Effekten nur 65000 Mk. vorhanden* Wölke sagte dem revidierenden Auf¬sichtsrat, die anderen Effekten befänden sich in Depots und dieser — glaubte es natürlich. Wo diese Depots waren, hat Wölke nicht angegeben. Der Aufsichtsrat beruhigte sich aber bei dieser Auskunft des Wölke. In Wirklichkeit waren die fehlenden Effekten bei auswärtigen Bankgeschäften verpfändet. Für die Revisoren fertigte Wölke stets ein besonderes Effekten¬verzeichnis an, das mit dem Effektenbestand der Bilanz über¬einstimmte. Eine Bestandsaufnahme in natura fand nicht statt, sonst wäre ja der Schwindel sofort entdeckt worden. Was die Verpfändung der Wertpapiere anlangt, so geschah diese nicht allein zu Spekulationszwecken, sondern auch zur Sicherheit für die auswärtigen Bankfirmen, bei denen die Marienburger Privat¬bank ihre Wechsel zu diskontieren pflegte. Ohne besondere Sicherheit hätten die Bankgeschäfte nicht die Marienburger Privatbankwechsel angekauft Kam in den Herbstmonaten mehr Geld bei der Privatbank ein, so wurden zuerst die ge-plünderten Depots wieder aufgefüllt. Stellte sich im Frühjahr großer Geldbedarf ein, so müßten die Depots herhalten zur Befriedigung des Geldbedarfes.
Und wie lange ist es her, daß der Vorstand der Aktienge¬sellschaft für Lederfabrikation in München-Giesing eine Bilanz vorlegte, in der er, um die durch sein Verschulden seit dem Jahre 1886 entstandenen Verluste zu Verschleiern, das Lederkonto in Höhe der Verluste besser erscheinen ließ als es war, so daß bei der richtigen Einzelaufnahme sich ein Manko von etwa 17t Millionen Mark ergab. Dieser Verlust betrug mehr als die Hälfte der gesamten Vorräte, so daß eine Zusammenlegung der Aktien von 2 zu 1 und Verkauf eines großen Teiles der Grund¬stücke stattfinden mußte. Und der Leiter dieser Aktiengesell¬schaft, derjenige, der den Ruin herbeigeführt hat, war der Kommerzienrat Ed. Kester, ein durch eine Reihe von Ehren¬stellen ausgezeichneter Mann, dem unbedingtes Vertrauen ent¬gegengebracht wurde. Es war das alte Lied: der Aufsichtsrat war schuld an dem Ruin, weil er seine Pflicht als Kontroll-organ nicht tat.
Was Bauernfängertum bei der Bilanzierung zu leisten ver¬mag, das hat das Dioskurenpaar von Direktoren Sanden und Exner bei der Berliner Grundkreditbank gezeigt Welches freie Spiel diesen beiden Vorständen die mangelnde Kontrolle des Aufsichtsrates gewährte, lehrt am besten der Bericht der Revisionskommission, welcher u. a> besagt: „Die Aufstellung einer Bilanz ist zurzeit unmöglich, Weil über die verschiedensten Hypothekentransaktionen keinerlei Buchung (I) vorgenommen worden ist" Ebenso unmöglich sei es, heißt es weiter, gewesen, verschiedene Konti materiell richtig zu stellen und sie mitein¬ander in Übereinstimmung zu bringen. Außerdem sollen sich in den Büchern eine Menge Rasuren und Durchstreichungen mit Unleserlichmachung des ursprünglich Hingeschriebenefi (§ 43 gefunden haben.
Ein klassisches Beispiel mangelnder Diligenz seitens des Aufsichtsrates lieferte sodann die im Jahre 1895 in Konkurs gegangene Geraer Handels- und Kreditbank, welche durch die maßlosen Börsenspekulationen ihres Direktors Roßbach zu¬grunde gerichtet wurde. Der Konkursverwalter verklagte den Aufsichtsrat auf Ersatz von 2539000 Mk., worauf sämtliche Mit¬glieder desselben (mit Ausnahme eines einzigen) sich vergleichs¬weise zur Zahlung von 1650000 Mk. verpflichteten.
Ein weiteres treffendes Beispiel von Sorglosigkeit bot der 7* 99
Aufsichtsrat der in Konkurs gegangenen Aktiengesellschaft für Dampfwollwäscherei vorm. Rich. Franz in Krimmitschau. Der Aufsichtsrat dieser Gesellschaft nämlich hielt in 21 Monaten überhaupt keine Sitzung ab. Die Jahresschlußbilanzen wurden einfach bei den Mitgliedern „brieflich“ in Zirkulation gesetzt. Auf gleichem Wege wurden dann auch diese wichtigen Pflicht¬schriftstücke ohne jede Prüfung lediglich im blinden Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des Vorstandes für gut und richtig be¬funden.
Aus dem Jahre 1905 sind zu melden: die Unregelmäßigkeiten, welche in der altberühmten oberelsässischen Spinnerei und. Weberei Herzog in Logelbach, Aktiengesellschaft, vorkamen und darin bestanden, daß die Direktoren seit Jahren verfehlte Spekulationsgeschäfte trieben, die sie hinter den Debitoren ver¬steckten und durch welche an nahezu 4 Millionen Mark in die Brüche gingen. Gefälschte Bilanzen, Überwertung der Ak¬tiven, unterlassene Abschreibungen, fiktive Dividenden — das war die Bescherung, die der Betrieb zu Weihnachten 1905 seinen Aktionären, den Gläubigern und — den armen Arbeitern (da nur mit Einschränkung fortgearbeitet werden konnte) ge¬bracht hat Das alles hinderte den Aufsichtsrat nicht, alljährlich die Richtigkeit der Rechnungen und der Bilanz zu bescheinigen! — Die beiden Direktoren Robin und Dufresne wurden als die Hauptschuldigen des Krachs entlassen, und nur durch eine „Zusammenlegung der Aktien“ konnte das Etablissement saniert und damit vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.
Gedacht sei hier weiter aller jener Fälle, in denen untreue Kassierer Defraudationen begangen haben, die zur sofortigen Entlassung bald mit bald ohne Anzeige führten, oder die aus „bestimmten Gründen“ vertuscht wurden. Die Zahl dieser Fälle ist Legion. Wir erinnern hier nur an den Prokura führenden Kassierer Jaeger des früheren Bankhauses M. A. v. Roth¬schild Söhne in Frankfurt a. M., der über 25 Jahre bei der Firma tätig war und nach Unterschlagung einer Summe von 1700000 Mk. (bei einem Kassenbestand von rund 17 Millionen Mark) mit einer Frau Klotz aus Brüssel im Jahre 1895 flüchtig wurde. Ferner an den Fall, der seinerzeit vor dem Landgericht Hamburg gegen den Prokuristen einer Aktiengesellschaft wegen wiederholter Untreue, zum Teil in Verbindung mit gewinn- 100
süchtiger Urkundenfälschung, wiederholter Unterschlagung und einfachem Bankrott verhandelt wurde. Er hatte ein Einkommen von 5000 Mk. bis 9000 Mk. jährlich« Er spekulierte jedoch an der Börse, verlor und veruntreute seit 1889 seiner Gesellschaft all-mählich die nette Summe von 772838,75 Mk. Die kleinste Ver¬untreuung betrug 6000 Mk., die größte 80000 Mk. Der An¬geklagte war Kollektivprokurist der Aktiengesellschaft, sein Mitprokurist, dessen Unterschrift er fälschte, hatte die Kasse. Wo blieb da die Kontrolle des Aufsichtsrates? Der Gerichts¬hof verurteilte den Angeklagten für 21 Fälle der Untreue und 18 Fälle gewinnsüchtiger Urkundenfälschung, sowie wegen ein¬fachen Bankrotts zu einer Zuchthausstrafe von 8 Jahren und 10jährigem Ehrverlust.
Aus jüngster Zeit sei der Fall erwähnt, welchem zufolge der Prokurist Hugo Spiegel die Oberschlesischen Kokswerke und Chemischen Fabriken, Aktiengesellschaften, durch Untreue und Unterschlagung, begangen in den Jahren 1901 bis 1905, um über 750000 Mk. geschädigt hat, wegen welcher er im Mai 1906 vom Berliner Landgericht I zu 4 Jahren Zuchthaus und 6 Jahren Ehrverlust verurteilt wurde.
Am 24. Juli 1907 meldete die „Neue Züricher Zeitung44 in ihrer Nr. 203 (Morgenblatt) was folgt: „Genf, 23. Juli 1907. Die Bankfirma Gay & Cie., Rue de Hesse, ist das Opfer betrüge¬rischer Handlungen ihres eignen Prokuristen Jules Canard ge¬worden. Dieser benutzte seine Vertrauensstellung, um Gelder zu unterschlagen und deponierte Titel zu veräußern. Mit dem entwendeten Gelde deckte er die Verluste, die er durch Spekulationen unter eignem Namen in Paris erlitten hatte. Die Verluste des Bankhauses lassen sich noch nicht genau übersehen. Die eigentlichen Unterschlagungen beziffern sich auf 117000 fr. Die entwendeten Werttitel mögen sich auf 400000 fr. beziffern. Canard wählte vorzugsweise Titel, die den Inhabern des Hauses selber zugehörten und die er derart schwer geschädigt hat. Die Veruntreuungen müssen seit Jahres¬frist systematisch erfolgt sein. Dies ward ermöglicht durch den Umstand, daß Herr Gay seit 15 Monaten krankheitshalber abwesend war und sein Vertreter, Herr Cremieux, dem Proku¬risten, der drei Jahre länger bei der Firma war, nicht den mindesten Argwohn entgegenbrachte. Canard schützte oft
Überbürdung mit Arbeit vor, die er an Sonntagen bewältigen müsse. Diese Gelegenheiten benutzte er zu den Manipulationen, die bis gestern abend unentdeckt blieben. Seit jenem Augen¬blick nämlich ist Canard verschwunden. Die Polizei hat bereits einen Steckbrief erlassen.“
Und im Anschluß daran war in dem Abendblatte der be¬sagten Zeitung vom gleichen Tage zu lesen: „Bankfirma Jacques Gay & Cie.: Genf. Im Anschlüsse an unsere Mitteilungen im heutigen Morgenblatt wird uns noch folgendes telegraphiert: Der flüchtige Prokurist der Bankfirma Gay & Cie. hat sein eigenes Vermögen ebenfalls verspielt, so daß die Bankfirma Gay & Cie. ungedeckt bleibt Man vermutet, daß Canard, der nur wenig bares Geld mit sich führte, sich nach Afrika ge¬wendet hat Für die Bankfirma bedeutet die Affäre einen fast tödlichen Schlag.
In einem ebenfalls im Juli 1907 vorgekommenen Falle wurde der Kassierer Müller von der Gewerbebank in Speyer wegen Depotunterschlagung in Höhe von 725000 Mk. von der Strafkammer zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt
Man sieht hieraus, die „Schwarzkunst“ des „Corriger la fortune“ wird nicht bloß von skrupellosen Direktoren, sondern auch von pflichtvergessenen Kassenführern und Prokuristen geübt
Wo blieb in allen diesen Fällen das Kontroll- und Prüfungs¬organ der Gesellschaften, der Aufsichtsrat? wo die Buchführungs- re vision?
Man glaube aber nur ja nicht, daß auch nur ein ziemlicher Teil aller Bilanzfälschungen und Defraudationen vor das Forum der Gerichte gezogen, an das Tageslicht gebracht wird. Ach nein, die weitaus größte Portion wird wohl aus „innerdienstlichen Gründen“ in den Geheimakten der Aktiengesellschaften ver¬graben bleiben. So hat seinerzeit eine Straßburger Bank einen enormen Betrag an eine Getreidehandlung unwiderbringlich verlören, ohne es nötig gefunden zu haben, dieses Tatbestandes im Geschäftsbericht Erwähnung zu tun. Auch in anderer Be* Ziehung hat diese Bank schon oft skrupellos sich über das Offenheitsprinzip hinweggesetzt.
Gewiß finden alle Verschleierungen und Bilanzfälschungen ihren besten „Unterschlupf“ in einer mangelhaft organisierten
Buchführung, Allein die Hauptschuld fällt doch auf das herrschende „System“ der Bilanzrevision zurück, und darum sollte je eher je besser mit ihm gründlich gebrochen werden.
Vorschläge zur Vermeidung von Unterschlagungen
Die öfteren, bald plumpen, bald mit großem Raffinement vollführten Unterschlagungen und Falschbuchungen haben zu einer ganzen Reihe von Vorschlägen, wie diesem Übelstande zu steuern sei, geführt
Eine Reihe mechanisch wirkender Mittel, wie Kontroll¬kassen und dergU wurden auf den Markt gebracht Wie töricht! Als ob gegen Untreue und Missetaten, also gegen menschliche Charakterschwäche und moralische Defekte, mit solchen Mittel¬chen angekämpft werden könnte. Sie mögen gut und wirk¬sam sein in einem Ladengeschäft, in einem Betrieb mit ausschlie߬lichem Kassen verkehr. Wo dieser aufhört und der Kreditver¬kehr beginnt, da ist ihrer Wirksamkeit ein Ziel gesetzt Vollends bei Aktiengesellschaften sind solche und ähnliche Anpreisungen eitel Salbaderei. Bei diesen Gesellschaften bestehen ja ge* wohnlich schon innerdienstlich bestimmte Kontrolleinrichtungen und Vorsichtsmaßregeln. Den Prüfstein hierzu und die Sicher¬heit, ob die getroffenen Schutzmittel auch gewissenhaft ange¬wandt werden, bildet jedoch die Revision, und kein Mittel gibt es, das diese ersetzen könnte.
Es gibt nun Kaufleute, die mit den Unterschlagungen wie mit einem unvermeidlichen Übel rechnen. Sie wüßten, so sagen sie, daß bei ihnen Veruntreuungen in einem gewissen Prozent¬sätze begangen werden, aber sie müßten mit diesem Faktor rechnen, weil sie sich dagegen nicht wehren könnten. Andere wieder huldigen, bald aus „philanthropischem“ Empfinden, bald aus sonstigen Rücksichten, dem Vertuschungsprinzip» Klar ist, daß in dem einen wie in dem andern Falle eine Schwäche vorliegt, die ein Gehen- und Geschehenlassen Platz greifen läßt dort, wo Sühne angebracht wäre.
Mit diesem Gehenlassen und dieser Milde wird schwerer Schaden angerichtet. Eine Unterschlagung, und gar eine An¬zahl solcher Fälle, über die die Geschäftsinhaber hinwegsehen, können die korrumpierende Wirkung haben, erst recht zu weiteren Veruntreuungen zu verleiten. Ein Geschäft, in dem 103
der Inhaber die Augen zudrückt über die Unterschlagung eines kleinen Postens Ware, läuft Gefahr, daß dieses System auch seinen Kassierer, wenn er sittlich nicht genügend fest steht, zu einem Fehltritt reizt Und mit der Nachsicht, die der eine Ge¬schäftsinhaber übt, trägt er auch die Verantwortung dafür, wenn bei dem Nachbar ein Unglück geschieht1).
Bei Aktiengesellschaften dürfen solche Prinzipien nicht ins Oberwasser kommen. Bei dieser Betriebsform kann Gefühls¬duselei den schwersten Schaden bringen. Hier hilft im ge¬eigneten Falle nichts als ein Durchgreifen. Wenn für dieses Durchgreifen die Einführung von Kontrollkassen und dergl. an¬gepriesen wird, so kann solchen Vorschlägen bei Aktiengesell¬schaften erst recht kein weiterer Wert als der einer Reklame beigelegt werden. Wie sollte mit solchen automatischen Behelfen einem Übel beigekommen werden, das in Betrieben wie Aktien¬gesellschaften an allen Ecken und Enden auch dort, wo der Kassen¬dienst nicht in Betracht kommt, Unterschlupf finden kann. Man muß nur immer bedenken, daß bei Aktiengesellschaften es sich immer um Großbetriebe handelt, bei welchen sich eine unfrei¬willige Erleichterung der Kasse um einige Tausend Mark oder der Lagerbestände um eine bestimmte Menge von Waren kaum oder gar nicht fühlbar macht. Das dagegen anempfohlene Kolla¬tionieren der Bücher kann dem Übel nicht steuern und ist nur eine TeiIkontrolle, abgesehen davon, daß es sehr zeitraubend ist und daß der Defraudant Maßregeln treffen kann, damit beim Kolla¬tionieren sehr wohl Übereinstimmung stattfindet. Auch der Vorschlag eines obligatorischen Urlaubs für die Beamten mit Vertrauensposten kann als ein durchschlagendes Mittel gegen Untreue und Betrug nicht angesehen werden, insoweit ihm nicht noch andere Kontrollmittel zur Seite gegeben werden.
*) So schrieb das „Berl. Tageblatt“ in seiner Nr. 538 vom 22. Oktober 1902. Dasselbe Blatt brachte in Nr. 388 vom 3. August 1903 aus kaufmännischen Kreisen zum Schute gegen Defraudationen den Vorschlag, einen Verein zu gründen, in dem nur ehrliche bezw. für ehrlich geltende Kassenbeamte, Depotverwalter, Buchhalter usw., sodann kaufmännische Firmen, erstere als ordentliche, letztere als außerordentliche Mitglieder aufgenommen werden sollen. Zweck des Vereins soll sein, alle Defrau¬dationen, welche bei außerordentlichen Mitgliedern begangen würden, zu decken. Die Mittel hierzu soUen durch Beiträge aufgebracht werden. Gegen diese Vorschläge, die noch weiter ausgesponnen wurden, hat seinerzeit der Bankbeamtenverein scharf Stellung genommen. Vergl. Bankbeamten-Zeitung, Nr. 17 vom 1. September 1903.
Gerade weil die bisher angewandten Mittel sich nur auf der Oberfläche bewegen, Palliativmittel, aber keine Prophylaxis sind, verfiel man — was in der heutigen Zeit, wo an jedes irgendwie mögliche Risiko die Versicherungsgesellschaften her¬antreten um es in ihren Tätigkeitsbereich einzuziehen, gar nicht Wunder zu nehmen braucht — auf den Gedanken, für die Aufsichtsräte eine Versicherung gegen die Folgen ihrer gesetz¬lichen Haftpflicht aus den §§ 246 ff. des Handelsgesetzbuches einzurichten. Für diese Versicherungsart sprach sich sogar seinerzeit der preußische Versicherungsbeirat auf Grund zweier hervorragender Gutachten aus *). Zweifelsohne wird diese Ver¬sicherungsart sich auch durchsetzen, die ja nichts anderes ist, als ein weiterer Schritt auf dem Wege der organisierten Selbst¬hilfe, welche sich bemüht, die Gefahren, die das moderne Wirtschafts- und Rechtsleben bietet, möglichst abzüschwächen, indem sie den eingetretenen Schaden möglichst wieder gut macht. Aber m uß das Unglück geschehen, und kann es nicht besser vermieden werden? Gewiß kann es das, kann ihm vor¬gebeugt werden. Das Gegenmittel heißt: Kontinuierliche und fachmännische Buchführungs- und Bestandskontrolle!
Die deutschen Treuhand- und Revisionsgesellschaften
Die Bezeichnung „Treuhänder“, eine Weiterbildung des Wortes Treuhand (manus fidelis), ist dem Reichshypotheken¬gesetz vom 13. Juli 1899 entlehnt Mit Unrecht, wenigstens insoweit als dabei die Revisionstätigkeit in Betracht kommt, denn dort wurde der Ausdruck angenommen, um Verwechslungen mit dem nach dem Schuldverschreibungsgesetz vom 9. Dezember 1899 gewählten Vertreter der Gläubiger auszuschließen *). Treu¬händer ist auch der Ausdruck des badischen Landrechts für Testamentsvollstrecker (vergl. auch die §§ 2197—2229 des B.- G.-B.). Das Hypothekenbankgesetz macht in § 29 die Bestellung eines Treuhänders für jede Hypothekenbank obligatorisch. Die Ernennung erfolgt durch die Aufsichtsbehörde. Die Rolle, die
x) Vergl. die Gutachten von Hahn und Clauß in der Zeitschrift für die ge¬samte Versicherungs Wissenschaft Bd. n. S. 317.
a) Im Reichstag wurde der Treuhänder als ein Aufsichtsbeamter zweiten Ranges bezeichnet, der nicht den Gläubigern und nicht den Hypothekenbanken, sondern der Aufsichtsbehörde verantwortlich ist.
das Gesetz in den §§ 29—34 dem Treuhänder zuweist, ist die eip.es Pfandhalters und Vertreters der Pfandbriefgläubiger auf Grund gesetzlicher Vollmacht Seine Tätigkeit erstreckt sich lediglich auf das Hypotheken- und Pfandbriefgeschäft und wird von der Staatsbehörde überwacht Seine Prüfung ist formal, nicht materiell. Die Bezeichnung, die die hier in Frage kommen¬den Gesellschaften annahmen, ist somit geeignet, den Schein zu erwecken, als ob ihnen, bezw. ihren sog. Treuhändern, irgend welche behördliche, d. h. staatliche Autorität beiwohnte, was natürlich nicht zutrifft. Ganz und gar nicht paßt der Ausdruck । auf die Revisionstätigkeit der Gesellschaften.
Die Treuhandgesellschaften sind Kinder der Neuzeit und Schößlinge des Kapitalismus. Zum Teil fußen sie auf der in weiten Kreisen erwachten Erkenntnis, daß, soweit wenigstens die gesellschaftliche Buchführung in Betracht kommt, der Auf- sichtsrat bei Aktiengesellschaften nicht geeignet erscheint, die Kontrolle dieser Buchführung zu übernehmen. Aus dieser Er-kenntnis heraus sind die sog. Trenhan dgeael Isch aften entstanden. Es haben sich in Deutschland drei Revisionsgesellschaften auf Aktien, an der Spitze die „Deutsche Treuhandgesellschaft“, entwickelt. Im Prinzip wäre gegen die Ausführung von Buch- führungsrevisionen durch eigens für diesen Zweck gegründete Gesellschaften nichts zu erinnern. Sie wären im Gegenteil unter Umständen dem Einzelrevisor vorzuziehen, wenn sie die Bedingungen erfüllten, die an sie gestellt werden müssen. Diese Bedingungen sind:
1. materielle Unabhängigkeit von Aktienbanken oder son¬stigen Finanzinstituten und daher völlige Selbständigkeit bei Ausübung der Revisionstätigkeit;
2* Vorhandensein eines buchtechnisch und handelsrechtlich gehörig geschulten Personals, welches alle gewünschte Garantien bietet und zahlreich genug ist, um auch größeren Aufgaben schnellstens gerecht zu werden.
Erfüllen nun die in Deutschland bestehenden Revisions¬gesellschaften und obenan die deutschen Treuhandgesellschaften zurzeit diese Bedingungen? Antwort: nein1). „Entstanden als
>) Das gleiche wird wohl auch von der torn Schweiz. Bankverein im Oktober 1906 gegründeten Schweizerischen Treuhandgesellachaft (Soctetd anonyme fiduciaire snisse; Swiss Trust Company) mit einem eingezahlten Aktienkapital von 1OÖ
Schöpfungen des Großkapitals, das bei seinen tausendfältigen Beziehungen zur Industrie ein vitales Interesse daran hatte, den inneren Vermögensstand der einzelnen industriellen Gesellschaften zu kennen und dauernd unter Kontrolle zu halten, sind sie die gefügigen Diener dieses Kapitals, Werkzeuge bestimmter Bank*: gruppen1). Hinter jeder Revisionsgesellschaft steht eine solche Gruppe, deren oberste Aufgabe es gar nicht sein kann, das Re¬visionswesen im allgemeinen und objektiven Interesse zu hand¬haben und auszubauen. Die derzeitigen drei Revisionsgesell¬schaften handhaben als Spezialität die sogenannte Sanierungs¬Revision, und soweit sie auch laufende (ständige) Revisionen besorgen, dienen solche im Grunde auch nur dem Zweck, speziell die hinter ihnen stehenden Bankkonzerns vor Schaden zu be¬wahren. Nun wäre ja auch das schon immerhin ein Gewinn, inso» fern als der Schaden der Bankkonzerns im Grunde mit dem Schaden des Publikums identisch ist. Allein der „Knüppel liegt auch hier nicht weit vom Hund“. Denn das in den Bankkonzerns organisierte Großkapital fördert die Industrie durchaus nicht immer in gesunder Weise. Dadurch entstehen dann notleidende Werte, die von den Banken wieder „saniert“ werden müssen. Da aber die Banken das Sanieren bekanntlich nicht umsonst be¬sorgen, sondern dafür meist recht erklecklichen Gewinn ein¬heimsen, so entsteht die Gefahr, daß von den Großbankbetrieben . das Sanieren und Revidieren schließlich Selbstzweck wird, mit dem nicht dem Allgemeinwohl, sondern nur dem Wohl des Großkapitals gedient wird. Es ist daher keine Frage, daß wirk¬lich unabhängige Revisionsinstanzen, wie sie in tüchtigen Berufs¬revisoren gefunden werden, vor den bestehenden Revisions¬gesellschaften zurzeit noch immer den Vorzug verdienen.
Gewiß bieten die Revisionsgesellschaften eine größere mate¬rielle Garantie als der Berufsrevisor in seiner Vereinzelung, eine Tatsache, die die fraglichen Gesellschaften oft genug als Trumpf ausspielen. Aber wenn trotz der durch die Revisions-
250000 fr. und dem Site in Basel, gesagt werden können. Die Gesellschaft, welche im Januar d. Js. ihre Prospekte hinaussandte, scheint in ihrer Einladung etwas kühn und zu viel zu versprechen, da sie neben der Revision noch sieben andere Branchen, darunter die Übernahme von Konkursverwaltungen, kultivieren will.
J) In obiger Weise äußert sich Ernst Römer in seinem bekannten Buche über Bücherrevisorenpraxis (Berlin, E. E. Römers Verlag). .
gesellschaft vorgenommenen Revision die Sache „schief“ geht und Unregelmäßigkeiten vorkommen, so ist es nicht die Re¬visionsgesellschaft, sondern nach Recht und Gesetz der Auf¬sichtsrat, der bluten muß. Diese gesetzliche Haftpflicht des Aufsichtsrats wird oft auch gegenüber dem einzelnen Berufs¬revisor ins Feld geführt Allein auch dieser Trumpf ist eigent¬lich nur ein Protzentrumpf. Denn wie oft kam es nicht vor, daß auch der Aufsichtsrat den Schaden nicht decken konnte und die Gesellschaft darüber zugrunde ging. Man sieht, daß die materielle Schadendeckung, die oft für den heutigen Zu¬stand ins Feld geführt wird, auch nur eine Scheindeckung ist, die versagen kann. Aber was tut’s? In einer Zeit, in der fast überall das Kapital über die Arbeit gesetzt wird, genügt schon der Schein, wenn damit nur der „beste aller Zustande“ von heute gerettet wird.
Die arme Arbeit! Sie ist heute noch Bettlerin, verschämt, und wie oft muß sie vergebens an die Tür der Reichen klopfen, um Einlaß zu begehren. Diese Bettlerin trägt aber den Adel an der Stirn, weil sie allein es ist, die dem Leben Zweck und Inhalt gibt Darum wird und muß die Zeit kommen, wo man sie zur Königin proklamieren wird. Was ist auch das Geld ohne Arbeit Das größte Kapital wäre ein toter Klotz, würde . es nicht von der Arbeit — der zielbewußten und Zwecksichern Arbeit — bewegt und befruchtet Die Vermögen allein, über welche die Aufsichtsräte verfügen, bieten daher immer nur eine fragwürdige Garantie und können so lange nicht als vollwertig betrachtet werden, als neben dem Vermögen nicht das nötige Verständnis für das aktiengesellschaftliche Rechnungswesen vorhanden ist Es ist wiederholt aktenmäßig bei Zusammen¬brüchen von Aktiengesellschaften festgestellt worden, daß König¬liche Kommerzienräte — geheime und gewöhnliche — sich da¬mit entschuldigt haben, daß sie von ‘der Buchführung nichts verstanden hätten, eine Ungeheuerlichkeit, die schon mehr an Unverfrorenheit grenzt Da aber das große Publikum von der Bedeutung der Kontrollpflichten des Aufsichtsrates nur eine mangelhafte Vorstellung hat, dagegen an die Allmacht des Mammons glaubt und sich von hochtönendem Namen und hohem Rang und Titel imponieren läßt, so liegt in diesem Zustande ein sehr gefährliches Moment Dabei soll ohne weiteres zuge- 108
geben werden, daß die meisten Aufsichtsräte vom besten Willen der Welt beseelt sind, eS mit der Revisionspflicht ernst zu nehmen; denn wer will so leicht heute sein Vermögen verlieren. Aber die Leute verstehen, wie männiglich bekannt, einfach nichts vom modernen Rechnungswesen, und der Satz: „Ein Schurke, wer mehr gibt als er hat“, gilt auch vom geistigen Vermögen.
Durch die Revisionsgesellschaften ist an dieser Sachlage durchaus nichts geändert: In gleicher Weise, wie die Banken bisher ihre direkten Angestellten als „Revisoren14 bei den von ihnen finanzierten oder sonst abhängigen Gesellschaften fun¬gieren ließen, so werden sie künftig die Revisionen durch das Personal der von ihnen gegründeten und daher von ihnen ab¬hängigen Revisionsgesellschaften ausführen lassen, und solche Revisionen werden nicht einen Deut mehr wert sein, als die derzeitigen Buch- und Bilanzprüfungen.
Die Deutsche Treuhandgesellschaft, welche an der Spitze der Revisions- und Verwaltungsgesellschaften marschiert und daher für die Kollegialgesellschaften typisch ist, wurde im Jahre 1890 mit einem Aktienkapital von 20 Millionen Mark von der Deutschen Bank gegründet. Als Vorbild dienten 'die amerikanischen Trustgesellschaften. Ihre Aufgabe sollte an¬fänglich sein, für amerikanische Werte (Dividendenpapiere) fest¬verzinsliche Titel (Obligationen) auszugeben. Der Plan mißlang, weil die Verhältnisse des amerikanischen Effektenmarktes die Betätigung auf diesem Gebiete nicht rätlich erscheinen ließen. Aber auch ihre sonstigen Aufgaben blieben weit hinter dem gesteckten Ziel zurück, so daß das Aktienkapital nach und nach bis zum Jahre 1894 auf 1 Million Mark herabgesetzt werden mußte. Im Jahre 1901 wurde es wieder auf i1/, Million erhöht.
Zwar sagt die Gesellschaft in ihren Berichten (1901), daß mit den gesetzlichen Vollmachten ausgestattete Gläubigerver¬tretungen lediglich nur einen teilweisen Erfolg hinsichtlich des Schutzes der ihnen anvertrauten Interessen zu erzielen ver¬mögen und daß die Wirksamkeit der Vertretung vielmehr durch Kontrolle und Revision des Geschäftsbetriebes des be¬treffenden Schuldners ausgiebiger zu gestalten sei. Aus diesem Grunde stellt sie als ihre Aufgabe hin: 1. Fehler und Unregel¬mäßigkeiten, wie sie bei den reorganisierten Hypothekenbanken
früher vorgekommen seien, durch Einsetzung einer anerkannten Revisionsinstanz im Sinne der englischen und amerikanischen Accountants fernzuhalten; z. durch Schaffung dieser Einrich¬tung dazu beizutragen, daß das öffentliche Vertrauen in jene Banken befestigt werde. Die versuchsweise Einführung einer derartigen, für Deutschland noch neuen Einrichtung, sagt der Bericht dann weiter, erscheine um so mehr am Platze, als nicht nur die Funktionen der vom Staate ernannten Treuhänder, sondern daß auch die staatliche Beaufsichtigung das Vorkommen selbst grober Unregelmäßigkeiten nicht verhindert habe.
Was die finanziellen Erträgnisse der Deutschen Treuhand-gesellschaft anlangt, so steht es fest, daß sie nur zum kleinsten Teil aus Revisionen, in der Hauptsache aus Bankgeschäften u. dergl. stammen. Dies bestätigt ihr eigenes Gewinn- und Verlustkonto, welches mit nichten die Revisionstätigkeit als eine Gewinnquelle zeigt. Wo bei ihr der Schwerpunkt liegt, geht schlagend aus der veröffentlichten Bilanz des Geschäfts¬jahres 1905 hervor. Dieselbe lautet nämlich:
Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Berlin.
Bilans per 31. December 1905.
Aktiva. Mk. Pf.
Kassa und Bankguthaben - 613 5°4 39
Debitoren 114 401 —
Eigene ESekten und Beteiligungen an Konsortialgeschäften 2 916 238 74
Mobilien-Konto I —
3 644145 13
Passiva. Mk. Pf.
Aktien-Kapital I 500000 —
Ordentliche Reserve 1 000000 —
Spezial-Reserve . 375000 —
Kreditoren 354 885 5l
Gewinn- und Verlust-Konto . 414 »59 62
3 644 »45 13
Wenn eine Gesellschaft, die sich BücherrevisionsgeseUschaft nennt, bezw. sich mit Bücherrevisionen befaßt, in ihrer Bilanz einen Kassen- und Bankguthabenbestand von weit über einer halben Million und einen Posten unter der Bezeichnung „Eigene Effekten und Beteiligungen an Konsortialgeschäften“ mit
2 gib 238,74 Mk. ausweist, so sieht man schon, von welcher Richtung her der Wind weht Man weiß, daß das vorgehängte Schild der Bücherrevisionstätigkeit eben nur ein Deckschild ist um dahinter andere Betätigungen sorgsam zu hüten. Und wenn man erfährt, daß diese Gesellschaft zum gleichen Ab¬schlußtage als Gewinn:
- auf Effektengeschäfte . . . 223 960,15 Mk.
„ Provisionskonto .... 149944,90 „ „ Zinsen-und Devisenkonto 122919,3 t „ zusammen 496 824,36 Mk. ausgewiesen hat, so begreift man ferner, daß dieser Gewinn nicht mit Bücherrevisionen verdient sein kann!
An dieser Bilanz ist aber noch weiter interessant daß die Gesellschaft die Richtigkeit ihrer Bilanz durch den Revisor Th. Veyer mit folgendem Vermerk bescheinigen läßt:
„Vorstehende Bilanz nebst Gewinn- und Verlustkonto so¬wie die Bücher der Deutschen Treuhandgesellschaft habe ich im Auftrage des Aufsichtsrats eingehend geprüft Ich bestätige, daß die Bücher ordnungsgemäß geführt sind, die Abschlu߬ziffern mit den Büchern übereinstimmen und die Bilanz den gesetzlichen Vorschriften entsprechend aufgestellt ist Die Be¬stände an Kasse, Bankguthaben und Effekten wurden festge¬stellt und in Ordnung befunden.
Berlin, den 18. Februar 1906.“
Wie ersichtlich, ist in dieser etwas umständlich gehaltenen Bescheinigung zwar aufgenommen, in wessen Auftrage die Bilanzprüfung vorgenommen wurde, aber mit keiner Silbe wird der Belege gedacht, die doch ungleich wichtiger sind wie z. B. die Erwähnung, daß die Abschlußziffern mit den Büchern übereingestimmt haben. Dieser Wortlaut der Bescheinigung beruht aber auch noch auf einem Lapsus calami, denn da die „Abschlußziffern“ sich nur auf die „Bücher“ beziehen, und nur in diesen enthalten sein können, so heißt der Ausdruck: „die Abschhißziffem stimmen mit den Büchern“ soviel als: „die Ab¬schlußziffern der Bücher stimmen mit den Büchern überein“. Richtig sollte es heißen: „die Bilanzposten stimmen mit den Abschlußziffern der Bücher überein“. Es läßt sich an-nehmen, daß die Treuhandgesellschaft ihrem Revisor die Be¬scheinigung in der mitgeteilten Form vorgeschrieben hat; wenn
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nicht, so hat sie dieselbe jedenfalls genau gelesen. Was soll man aber dazu sagen, wenn eine Gesellschaft, welche sich an¬bietet, berufsmäßig ständige Revisionen durchzuführen, es nicht einmal versteht, unter ihrer eigenen Bilanz eine richtig ab¬gefaßte Prüfungsbescheinigung anzubringen!
Die Treuhandgesellschaft verteilte an Dividenden seit ihrem Bestehen 3%, 4%, —, —, 2% %, 4°/<M von 1896—1899 je io°/0, im letzten Jahre 15%. Diese Gewinne sind, wie ge¬sagt, keineswegs das Ergebnis ihrer Revisionstätigkeit. Nur bei einem .winzig kleinen Teil trifft diese Voraussetzung zu. Den Löwenanteil hat sie aus ihrer Vertretung von Pfandbrief¬gläubigern und Obligatären, aus ihrer Funktion als Geschäfts-stelle einiger Aktiengesellschaften, aus der Führung der Sekre-tariatsgeschäfte der am 30. August 1902 ins Leben getretenen Vereinigung der deutschen Besitzer türkischer Staatspapiere, aus der Übernahme von Pfandbriefschaften für Anleihen und Hypotheken, sowie von sonstigen Gläubigervertretungen (so u. a. im Jahre 1904 10000000 Mk. 41/s°/o Teilschuldverschrei¬bungen der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vormals W. Lah- meyer & Cie., Frankfurt a. M.; 2 500000 Mk. Obligationen der Gewerkschaft Ville zu Brühl bei Köln a. Rh.) eingeheimst.
Der Geschäftskreis der Deutschen Treuhandgesellschaft ist wie folgt festgestellt:
1. Die Übernahme des Amtes als Pfandhalter oder Treu¬händer (trustee).
2. Die Ausstellung, Mitausstellung oder Gegenzeichnung von Zertifikationen oder Quittungen an Stelle hinterlegter Wert? papiere.
3. Die Vertretung inländischer und ausländischer Gesell¬schaften zum Zweck von Aktienregistrierungen und zur Vor¬nahme von Aktienumschreibungen.
4. Die Vertretung der Besitzer in- und ausländischer Wert¬papiere; insbesondere die Übernahme von Vertretungen im Sinne des Reichsgesetzes vom 4. Dezember 1899, betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschrei¬bungen sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches § 1189; ferner die Errichtung von Schutzvereinigungen, die Beteiligung an solchen und die Übernahme von deren Sekretariatsgeschäften.
5. Die Übernahme dauernder oder vorübergehender Über-
wachungs- und Revisionsfunktionen, insbesondere auch von Bilanzprüfungen, Abrechnungen und ähnlichen Tätigkeiten.
6. Die Übernahme der Reorganisation von Gesellschaften und verwandten Transaktionen.
7. Die Übernahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin, von Vermögensverwaltungen auf Grund testamentarischer oder anderer Bestimmungen und Verträge, sowie die Ausübung antichretischer und antichreseähnlicher Verwaltungen.
8. Die Übernahme der Funktion als Fiskalagentin für fremde Staaten, Gesellschaften und Korporationen.
9. Die Übernahme aller mit den vorstehenden Tätigkeiten oder der Anlage der Mittel der Gesellschaft nach dem Ermessen der Verwaltung im Zusammenhang stehenden Geschäfte und Funktionen. Die Gesellschaft ist insbesondere berechtigt zur Diskontierung, zum Kauf, zur Beleihung von Wechseln, zum Kauf, Verkauf und zur Beleihung von Wertpapieren und zu sonstigen Bank- und Finanzgeschäften, zum Erwerb, zur Ver¬äußerung sowie zur Verpfändung von ihr erworbener Immobi¬lien, ferner von Hypotheken und von sonstigen Forderungen und Rechten, dies alles sowohl für eigene, als auch für fremde Rechnung.
Übrigens ist speziell der ersten Deutschen Treuhandgesell¬schaft, d. i. der vornehmsten von allen, wie E. Römer in seinem mehrfach zitierten Werke erzählt, bei der Aktiengesell-schaft vormals James Eick & Straßer im Jahre 1904 inso¬fern ein penibler Fall passiert, als sie Unterschleife größeren Umfanges (108000 Mk.) durch eine von ihr vorgenommene Revision nicht aufzudecken verstand. Zwar brachte sie für das „kleine Malheur“ die Entschuldigung vor, daß sie die be¬treffende Revision durch einen von ihr für jenen speziellen Zweck engagierten vereidigten Bücherrevisor vornehmen ließ. Aber das Odium fiel doch auf sie zurück, abgesehen davon, daß diese Entschuldigung vollständig als mißglückt zu be-trachten ist Bezeichnend für die „Unabhängigkeit“ der Deut¬schen Treuhandgesellschaft als „Revisorin“ ist, daß sie, wie aus dem von ihr selbst veröffentlichten Geschäftskreis ersicht-lich, eine umfangreiche Bankpraxis betreibt, daß sie enge Be¬ziehungen zu der Bankwelt unterhält, die sie organisiert hat und sodann rein äußerlich schon, daß sie ihre Zelte im Palast
R. Beigel, Theorie und Praxis. 8 IIS der Deutschen Bank aufgeschlagen hat Unter diesen Um¬ständen hat es seine Bedenken, daß Bankkreise, die an sich in keiner Beziehung zu den revisionsbedürftigen Gesellschaften stehen, von deren Lage eine eingehende Kenntnis erhalten. Nun sichert zwar die Deutsche Treuhandgesellschaft den Ge-sellschaften, die von ihr revidiert zu werden wünschen, Diskre¬tion zu. Diese Diskretion wird sie jedoch immer nur innerhalb der durch die tatsächlichen Verhältnisse gegebenen Grenzen üben können. So wird sie niemals den in ihr vertretenen Banken die Verhältnisse der von ihr revidierten Gesellschaften verschweigen dürfen. Weiß aber die hinter der Treuhandgesell-schaft stehende Bank über die Verhältnisse einer Gesellschaft einmal Bescheid, so wird sie daraus auch ihre Konsequenzen ziehen können. Sie wird z. B., falls die Verhältnisse der re-vidierten Gesellschaft rückgängige sind und sie Aktien dieser Gesellschaft besitzt, bei Zeiten und noch bevor der Kursrück¬gang durch die Börsennotiz verkündet ist, dieses Aktienbesitzes sich (entäußern können. Es könnten Schiebungen vorkommen, durch welche leicht die Kreditfähigkeit der revidierten Gesell¬schaft empfindlich getroffen werden würde. Anderseits könnte die in der Treuhandgesellschaft vertretene Bank, falls sie von der erstem vorzeitig über das Emporblühen einer von ihr revi¬dierten Aktiengesellschaft informiert wird, durch Ankauf von Aktien dieser Gesellschaft leicht sich einen Vermögensvorteil ver¬schaffen, der ihr sonst ausgeblieben wäre ... Es ist daher nicht übertrieben, [wenn gesagt wird, daß die Großbanken, welche an sich einen Staat im Staate bilden, die Treuhandgesellschaften als Schrittmacher einseitiger kapitalistischer Interessen ge¬brauchen.
Der Vollständigkeit halber sei hier das Vorkommnis regi¬striert, das der Treuhandgesellschaft seinerzeit mit der Bilanz der „Kyffhäuserhütte“ passiert ist Die Unaufrichtigkeit dieser Bilanz soll, wie „der Ratgeber auf dem Kapitalmärkte“ (Jahr¬gang 1906, Nr. 38) schrieb, in die Augen gesprungen sein. Die wichtigsten Dinge sollen zwischen den Zeilen gestanden haben, so daß es „auf eine ganz grobe Irreführung der Aktio¬näre“ abgesehen gewesen sei. Die Treuhandgesellschaft hatte alles geprüft und in Ordnung befunden. Die Tatsache, daß ein solcher Bericht mit dem Placet dieser Revisionsgesellschaft 114 ,
versehen werden konnte, gewann unter diesen Umständen be¬sondere Bedeutung. Zwischen der Bescheinigung der Prüfungs¬Stelle und der Kritik des oben zitierten Finanzblattes klafft ein tiefer Widerspruch. Wenn es möglich ist, so schreibt das Blatt, eine Bilanz wie diejenige der Kyffhäuserhütte mit dem Giro einer tadellosen Firma zu versehen und sie damit passierfähig zu machen, so müssen den betreffenden Beamten entweder schwere Fehler unterlaufen sein, oder man hat sich von den Aufgaben der Treuhandgesellschaften bisher ein falsches Bild gemacht, und es wird notwendig sein, eine Korrektur daran vorzunehmen./. . .
„Die geschäftlichen Erfolge1) der Treuhandgesellschaft und die mittlerweile fortgeschrittene Konzentration, vielleicht auch das Erscheinen des Römerschen Buches — sind wohl der Anlaß gewesen, daß auch die übrigen Banken sich „ihre Treuhandgesellschaft“ zulegten. Anfang Juni 1906 gingen durch die Presse Mitteilungen des Inhalts, daß die Gruppe der Dis¬kontogesellschaft, wie auch Dresden-Schaafhausen sich mit der Absicht trügen, eigene Treuhandinstitute ins Leben zu rufen. In einem Artikel über: „Antagonistische Bestrebungen im Bank¬gewerbe“ heißt es wörtlich: Es konnte den konkurrierenden Bankgruppen keineswegs gleichgültig sein, wenn die Revisions¬tätigkeit von einer Treuhandgesellschaft ausgeübt wurde, die in enger Beziehung zu einer Konkurrenzbank steht. Gerade die unaufhaltsam fortschreitende Konzentration im Bankgewerbe zwingt daher die einzelnen Gruppen, die ihnen eventuell nach¬teilig erscheinenden Faktoren auszuschalten.
Hieraus folgt die Richtigkeit obiger Behauptung und ferner, daß die Gründung weiterer Revisionsgesellschaften keinem Be¬dürfnisse entsprang.
Es entstand also die „Revisions- und Vermögensverwaltungs¬Aktiengesellschaft“ und die „Treuhandvereinigung, Aktiengesell¬schaft“, beide in Berlin, mit je 1 Million Aktienkapital Erstere errichtete im Oktober 1905 Zweigstellen in Leipzig und München und formulierte ihren Geschäftskreis wie folgt: Übernahme von Geschäftsrevisionen, Vermögensverwaltungen, Testamentsvoll-
Streckungen und allen mit der Organisation, Reorganisation und Kontrolle kaufmännischer und industrieller Unternehmungen zusammenhängenden Transaktionen.
Letztere befaßt sich mit allen Arten Treuhandgeschäften, insbesondere mit Rechnungsprüfungen, Übernahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin, Vertretung von Besitzern von Wert¬papieren usw.
Gegründet waren die Revisionsgesellschaften, nun galt es Arbeit zu schaffen. In außerordentlich geschickter Weise wurde dazu die Tagespresse benutzt, auch die Mutterinstitute halfen. Dazu nur einige Beispiele. Die Diskontogesellschaft übernimmt die Vermittlung für den An- und Verkauf von Anteilscheinen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, natürlich nur von solchen, die sich der Prüfung der Revisions- und Vermögens-verwaltungs-Aktiengesellschaft unterwarfen. Es wird bekannt, daß bei der Gewerkschaft Hattorf eine Anzahl Kuxscheine doppelt ausgefertigt wurden. — Die Treuhandgesellschaften teilen mit, daß sie „infolge mehrfacher Anregungen“ die Führung des Kuxenbuches, die Umschreibungen von Kuxen und Bohr¬anteilen besorgen. Die Frage der Aufsichtsrats-Haftpflicht-versicherung wird erörtert, gewiß sehr interessant, aber noch in weiter Ferne — bis dahin empfiehlt sich die Revision durch die neutralen Treuhandinstitute. Die Mutterinstitute begleiteten die Mitteilungen von der Gründung in den Geschäftsberichten für 1905 mit geschickt abgefaßten Hinweisen, z. B. „die Tätig¬keit ist in der Mitte des Berichtsjahres bereits in umfangreichem Maße aufgenommen worden“ usw.
Anfang 1906 entstand unter der Patenschaft der Bank¬häuser Delbrück, Leo & Co., Hardy & Co. und anderer das vierte Treuhandinstitut, die Allgemeine Revisions- und Verwal¬tungs-Aktiengesellschaft, die ihr Arbeitsgebiet wie folgt skizzierte: Prüfung der Bücher, Abschlüsse usw. von Betrieben jeglicher Art, Vermögensverwaltungen, das Amt als Pfandhalterin oder Treuhänderin, die Vertretung der Besitzer von Wertpapieren und notleidenden Hypotheken, die Führung von Aktien- und Kuxenbüchern sowie Mitgliederverzeichnissen, das Amt als T estamentsvollstreckerin.
Näheres darüber ist dem Verfasser noch nicht bekannt geworden, ebensowenig über die von der Mecklenburgischen. 116
Hypotheken- und Wechselbank im April dieses Jahres mit i Million Stammkapital errichtete „Mecklenburgische Treuhand¬gesellschaft m. b. H.u
Ist nun schon, wie oben gezeigt, die Revisionstätigkeit bei der Treuhandgesellschaft eine etwas weit hergeholte, ein etwas künstlich ihr Aufgepfropftes, so wirft es ferner ein Schlaglicht auf diese ihre Tätigkeit, wenn die Gesellschaft wegen des Um¬fangs der ausgeübten Revision sowie wegen des Honorars in Streit mit ihren Auftraggebern gerät. So veröffentlichte, wie das „Berliner Tageblatt“ berichtete, die deutsche Treuhand¬gesellschaft im vorigen Jahr folgendes Zirkular: „Das Eisenwerk Barbarossa, Aktiengesellschaft in Sangerhausen, hat ihre von der letzten ordentlichen Generalversammlung genehmigte Bilanz im Reichsanzeiger vom 4. Juli a. c. mit dem Vermerk veröffent¬licht, daß ihre Geschäftsbücher per 1904 durch einen Bücher¬revisor und durch die Deutsche Treuhandgesellschaft revidiert worden sind. Zur Vermeidung mißverständlicher Auffassung gibt die Deutsche Treuhandgesellschaft bekannt, daß dieser ohne ihr Vorwissen beigesetzte Vermerk nicht auch auf die veröffentlichten Abschlußziffern zu beziehen ist, welche bei der vorgenommenen Revision ihrer Begutachtung nicht unterstellt waren.
Hierzu teilte dem zitierten Blatte das Eisenwerk Barbarossa, Aktiengesellschaft, was folgt mit: Die Deutsche Treuhandgesell¬schaft hat im Frühjahr dieses Jahres die Geschäftsbücher des Eisenwerkes Barbarossa wochenlang revidiert und hierüber einen umfangreichen Bericht erstattet; sie hat dafür ein Honorar von 1400 Mark liquidiert. Die erstere Tatsache 'mit der Bilanz¬veröffentlichung bekannt zu geben, dazu hatte das Barbarossa- Werk ein unstreitbares Recht, und die Erlaubnis der Treuhand¬gesellschaft war hierzu nicht nötig. Vom Eisenwerk Barbarossa ist niemals und nirgends — auf Verlangen stellen wir Ihnen die gesamte Korrespondenz hierüber zur Verfügung — be¬hauptet worden, daß die Treuhandgesellschaft auch den ver¬öffentlichten Abschluß geprüft habe. Einen solchen Auftrag ’jvürde die Treuhandgesellschaft vom Eisenwerk Barbarossa nach dem, was zwischen beiden an Meinungsverschiedenheiten vorgekommen ist, auch nicht erhalten haben. Zu diesen, Mei¬nungsverschiedenheiten zählt, daß die Treuhandgesellschaft für
ihre Mühewaltung ein Honorar von 1400 Mark verlangte, während das Eisenwerk Barbarossa nur einen Anspruch von 700 Mark der getroffenen Vereinbarung gemäß für begründet hält und auch nur so viel gezahlt hat Eine Klage wegen der angeblich restierenden 700 Mark hat die Treuhandgesellschaft bisher nicht angestellt
Die Honorarfrage scheint also in den Differenzen zwischen der Deutschen Treuhandgesellschaft und dem Eisenwerk Bar¬barossa eine nicht unerhebliche Rolle gespielt zu haben. Es ist beachtenswert, daß gerade in den letzten Tagen mit dem Hinweis auf die hohen Kosten Einwände gegen die Hinzuziehung einer Treuhandgesellschaft zur Revision des Statuts auch in der Versammlung der Aktionäre der Ver¬mögensverwaltungsstelle für Offiziere und Beamte geltend ge¬macht wurden.“
Zieht man das Fazit der Tätigkeit der deutschen Revisions-Aktiengesellschaften, so sieht man, daß es sich bei ihnen um Finanz- und Verwaltungsorganisationen handelt, die zu einem sehr kleinen Teil sich auch mit Revisionen befassen, im übrigen aber im Dienste von Großbanken stehen, denen sie ihr Dasein verdanken. Man erkennt weiter, daß, soweit die Revisionen in Betracht kommen, diese meist nicht, wie sich das gebührt, im Auftrage und im Interesse der Aktionäre, sondern von den Verwaltungen, d. h. den Prüflingen ausgehen. Oft ressortieren die Revisionsgesellschaften von Banken, die gerade die Aktien der zu revidierenden Gesellschaften an die Börse gebracht haben. Sie sind also sehr weit entfernt, das zu sein, was die Chartered Accountants in England und die Trustgesellschaften in Amerika sind.
Die Deutsche Treuhandgesellschaft, die, wie gesagt, für die Revisionsgesellschaften auf Aktien, wie sie spöttisch ge¬nannt werden, typisch ist, hängt der von ihr revidierten Bilanz gewöhnlich die Formel an: „Die vorstehende Bilanz nebst zu¬gehörigem Gewinn- und Verlustkonto haben wir mit den ord¬nungsmäßig geführten Büchern der Gesellschaft übereinstimmend gefunden.“ Dieser Vermerk weist eine klaffende Lücke auf, Wo bleiben die Belege, die doch eine Hauptrolle bei der Revision spielen. Denn es müßte ein plumper Stümper sein, der bei seinen Fälschungen vergäße, Buchungsresultat und 118
Bilanzposten in Übereinstimmung zu bringen. Aber die Be¬lege, auf denen die Buchungen beruhen und die den Rechts¬stand ersehen lassen sollen, sind es, die bei der Revision die Hauptsache bilden und einer scharfen Kontrolle unterzogen werden müssen. Es ist daher wichtig, in dem Richtigkeitsbe¬fund der Belege Erwähnung zu tun. Bei den Revisionsgesell-schaften scheint dies anders zu sein. Sie scheinen sich nur mehr auf die formelle Seite der Bücherprüfung zu beschränken, während das Hauptgewicht auf die materielle Seite dieser Prüfung zu legen ist Diese „bilanzmäßige“ Prüfung, die die Treuhandgesellschaften ausüben, hat ihre Gefahren. Sie be¬stehen darin, daß die geprüften Gesellschaften sich auf die Be¬scheinigung der Revisionsgesellschaften berufen können. Es lassen sich, so schrieb seinerzeit „Der Ratgeber“, Fälle denken, in welchen Verwaltungen, von den Verhältnissen gedrängt, in der geschilderten Weise „Herz und Nieren“ des Rechnungs¬wesens untersuchen lassen — nur um sich hierauf von der Treuhandgesellschaft eine Ehrenerklärung in der bekannten Form zu verschaffen. Dies genügt oft, um auf den Durchschnitts¬aktionär wie eine Beruhigungspille zu wirken. Die Prüfungs¬Stelle braucht hierbei auch nicht der Schatten von Schuld zu treffen, und doch kann in der Sache ein Element der Verdunke¬lung liegen, das im Dienste der schuldbewußten Verwaltung entstanden ist Abhilfe kann nur geschaffen werden, wenn die Treuhandgesellschaften das Gebiet der Revisionstätigkeit den Berufsrevisoren überlassen, und diese eine Vereinigung mit einem moralisch und wirtschaftlich festen Untergründe und dem ausschließlichen Zweck der Bücherrevisionen sowie der damit zusammenhängenden Arbeit bilden!
Die Bficherrevisionsfrage in Deutschland
In Deutschland gibt es bis jetzt eigentlich keine Bücher¬revision im Sinne einer Einrichtung, die geschichtlich geworden, d, h. sich allmählich entwickelt hat, infolgedessen auch keine Geschichte einer solchen. Das Handelsgesetzbuch von 1861, welches auf dem Standpunkt der reinen Kapitalhaftung und der staatlichen Privilegierung der Aktiengesellschaften stand, kannte keine Revisionspflicht. Und auch das Aktiengesetz
vom Juni 1870, welches den Standpunkt der Privilegierung* verließ, nahm mit seinen Normativbestimmung*en nur einen schwachen Anlauf zu einer schärferen Kontrolle. Die Aktien¬novelle vom Jahre 1884 statuierte einfach die Pflicht der Prüfung* der Jahresrechnung usw. durch den Aufsichtsrat Das ist aber noch immer keine Revision im eigentlichen Sinne des Wortes. Es sind dies höchstens Ansätze zu einer solchen, an welche sich anreiht der beachtenswerte, aber freiwillige Übergang der Aktien¬gesellschaften zur Wahl sachverständiger Revisoren. Eine weitere geschichtliche Etappe ist die Gründung des Verbandes Deutscher Bücherrevisoren in Berlin. Und in dieser Entwicklung befindet sich die deutsche Bücherrevisorenfrage noch heute.
Trotz des reichen und intensiven Wirtschaftslebens hat sich in Deutschland die Erkenntnis noch nicht Bahn brechen können, daß eine kontinuierliche Rechnungskontrolle durch Buchführungssachverständige als Rechnungsprüfer eine wirt¬schaftliche Notwendigkeit ist, und daß der Bücherrevisor gleich¬wie in England einen wichtigen Faktor der wirtschaftlichen Arbeitsordnung bildet. Man vergißt, daß bei Aktiengesell-schaften die Buchführung die Seele des ganzen Geschäfts¬betriebes ist, daß in die Buchführung in den meisten Fällen der Herd verlegt wird, aus welchem die häßlichsten Auswüchse entspringen, und daß diesem Zustande nur durch eine sach¬verständige und unabhängige Revision des Rechnungswesens abgeholfen werden kann. Dieses Vergessen hat bewirkt, daß das Gesetz zur Ausübung der Buohführungskontrolle gar keine Buchführungssachverständige, sondern Aufsichtsräte, d.h. Finanz¬leute, Kapitalisten, vorgesehen hat. Nur zur Prüfung des Gründungsherganges bei Aktiengesellschaften hat das Handels¬gesetzbuch (§ 192) besondere (gesetzliche) Revisoren vorge¬schrieben, wenn
1. ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates zu den Gründern gehört, oder wenn
2. ein Mitglied des* Vorstandes oder des Aufsichtsrates für die Gründung oder deren Vorbereitung sich eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat, oder wenn
3. auf das Grundkapital von Aktionären Einlagen (apports en nature) gemacht wurden, die nicht durch Barzahlung zu leisten sind (§ 186, Abs. 2), oder wenn
4- vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden (§ 186, Abs. 2).
Nun ist ja wohl auch im § 266 des Handelsgesetzbuches angeordnet, daß die Generalversammlung mit einfacher Stimmen¬mehrheit die Anstellung von Revisoren zur Prüfung der Bilanz beschließen kann. Allein dieses Institut ist mit Bezug auf Tätigkeit und Verantwortung so wenig ausgebaut und die Vorschrift so unverbindlich gehalten („die Generalversammlung kann ...“), daß von ihm so gut wie gar kein Gebrauch ge¬macht wird.
Die öffentliche Anstellung und Vereidigung der zu obigen Zwecken zu ernennenden Revisoren erfolgt durch die zur Wahr¬nehmung der kommerziellen Interessen berufenen Körper¬schaften, die Handelskammern1).
Nach § 36 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich sind verfassungsmäßig zur Beeidigung von Feldmessern, Auktio¬natoren, Bücherrevisoren usw. die hierzu befugten Staats¬oder Kommunalbehörden oder Korporationen zuständig.
Die Befugnis zur Beeidigung ist den Handelskammern übertragen: in Preußen durch das Handelskammergesetz vom 10. August 1897, §42; in Württemberg durch Ministerial- verfügung vom 28. September 1900, § 5; in Baden durch Ministerialvollzugsordnung zur Gewerbeordnung vom 29. Sep¬tember 1900, § 60 (jedoch nur Befugnis zur „Bestallung“, während die Beeidigung durch die Bezirksämter erfolgt); in Hessen durch Handelskammergesetz vom 6. August 1902, § 34. Ferner bestehen ähnliche Bestimmungen für Sachsen-Weimar¬Eisenach, Oldenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß j. L., Hamburg.
Die Handelskammern entscheiden nach freiem Ermessen, wer als Bücherrevisor zu vereidigen ist; es ist jedoch selbst¬verständlich, daß die betreffenden Kandidaten hervorragende Sachkenntnis und praktische Erfahrung besitzen, bezw. auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit sich besonders zu dem Amte qualifizieren müssen.
Von den von den Handelskammern vereidigten Bücher-
*) } 42 des Handeiskammeigesetzes vom 24. Febr. 1878 und 10. Aug. 1897. revisoren sind die gerichtlich ernannten Revisoren zu unter¬scheiden. Letztere werden von den Gerichten vereidigt, um in Prozessen als Sachverständige fungieren zu können. Sie werden gewöhnlich aus dem Kreise der von den Handelskammern ver¬eidigten Bücherrevisoren ausgewählt.
Mit Bezug auf Anstellung und * Ausübung ihres Amtes haben sich die Bücherrevisoren bestimmten Vorschriften zu unterwerfen. So gelten z. B. für den Bereich des Verbandes mitteldeutscher Handelskammern folgende Leitsätze:
A. Anstellungsbedingangen.
§ 1 Die öffentliche Anstellung eines beeideten Bücher¬revisors erfolgt auf jederzeitigen Widerruf und nur für so lange, als er seinen Wohnsitz in dem Bezirke der anstellenden Han¬delskammer hat.
§ 2 Der von einer Handelskammer angestellte Bücher¬revisor hat dieser Kammer rechtzeitig von Änderungen seines Wohnsitzes Kenntnis zu geben.
§ 3 Der Bücherrevisor ist verpflichtet, bei Meinungsver-schiedenheiten mit dem Auftraggeber über seine Tätigkeit oder seine Gebührenforderung sich der Entscheidung der zuständigen Handelskammer zu unterwerfen.
Die Feststellung der Gebührensätze wird im Streitfälle von der Handelskammer einem Schiedsgerichte übertragen, das aus drei Mitgliedern besteht, unter denen sich ein Bücherrevisor befindet.
§ 4 Der Bücherrevisor hat bei der Übernahme eines Auf¬trages seinem Auftraggeber von dem Bestehen dieser Be¬stimmungen Kenntnis zu geben und sie ihm auf Wunsch zur Einsichtnahme vorzulegen. Er hat zu diesem Behufe bei der Ausübung seines Amtes seine Bestallungsurkunde bei sich zu führen.
§ 5 Die Bestallungsurkunde ist der zuständigen Handels¬kammer zurückzugeben, sobald der Bücherrevisor stirbt, sein Amt freiwillig niederlegt, aus dem Kammerbezirke verzieht oder aus der Liste der Bücherrevisoren gestrichen wird.
B. Bestimmungen über die Revisionstfitigkeit
§ 6 Jede Revision ist nach Maßgabe und unter Berück¬sichtigung des Zweckes des erteilten Auftrages nach bestem Wissen und Gewissen vorzunehmen.
Sofern nicht die Umstände ein anderes Vorgehen recht¬fertigen oder der Auftraggeber nicht eine Erweiterung oder Beschränkung der Revision wünscht, hat der Bücherrevisor sein Augenmerk vornehmlich auf folgende Punkte zu richten:
Zunächst hat er sich von der Übereinstimmung der Er- öffhungsbuchungen mit der vorjährigen Bilanz zu überzeugen; sodann hat er die Grundbücher (Kassa-, Memorial-, Ein- und Verkaufsbücher und andere Grundbücher, soweit solche geführt werden) nachzuprüfen, die Belege (Quittungen, Fakturen, Fracht¬briefe, Lohnbücher usw.) mit den Eintragungen zu vergleichen und endlich die Richtigkeit der Übertragungen aus den Grund¬büchern in das Hauptbuch festzustellen.
Ob weitergehende Arbeiten, insbesondere ob die Prüfungen der [Kassen-, Wechsel- und Effektenbestände, der In¬ventur und der darin angenommenen Werte,
der Kalkulation für fertige oder halbfertige Fabrikate zur Inventur,
der Einnahme, z. B. bei Straßenbahnen und Brauereien oder in anderen Geschäften für Barverkäufe, auch der Einnahmen für Zinsen von Kapitalien und Effekten, der Ausgaben für Löhne in großen industriellen Werken, der Buchungen für Steueranlagen oder für Reparaturen und Unterhaltung usw.
vorzunehmen sind, ist vor Beginn der Revisionsarbeit mit dem Auftraggeber zu vereinbaren.
Bei laufenden Revisionen hat der Bücherrevisor nach Mög¬lichkeit mit der Methode seiner Arbeit zu wechseln.
§ 7 In allen Fällen ist zu prüfen, ob die Handelsbücher und Jahresabschlüsse (Inventur, Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz) den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.
§ 8 Der Bücherrevisor ist verpflichtet, Tagebücher zu führen, worin er bei jeder Prüfung Aufzeichnungen über die Art und den Umfang des [Auftrages und der von ihm vor-genommenen Revision, insbesondere über die ihm etwa bei der Prüfung anferlegten Beschränkungen, zu machen hat
Diese Tagebücher sind nach jeder Eintragung eigenhändig von ihm zu unterzeichnen, nach ihrer Schließung mindestens noch 10 Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der Handels¬kammer vorzulegen.
§ 1 Über jede Prüfung hat der Bücherrevisor seinem Auftraggeber einen schriftlichen Bericht, der den Eintragungen im Tagebuch entsprechen muß, zu erstatten, es sei denn, daß ausdrücklich darauf verzichtet wird.
Auch hat er auf Verlangen das Ergebnis der Prüfung unter der Bilanz zu vermerken.
§ 10 Es ist dem Bücherrevisor untersagt, die bei Aus¬übung seines Amtes erlangten Kenntnisse zu seinem Vorteile oder zu anderer Nutzen oder Schaden zu verwerten, oder auch nur Dritten Mitteilungen darüber zu machen.
§ 11 Über Fälle, in denen Bücherrevisoren gegen die vorstehenden Vorschriften verstoßen, entscheidet die zuständige Handelskammer endgültig.
Diese Bestimmungen sind ja zweifellos sehr gut und prak¬tisch, aber sie haben immer nur den Wert einer Halbheit, so¬lange es keinen Verband gibt, der
1. nur theoretisch und praktisch durchgebildete Bücher¬revisoren von makellosem Ruf zu Mitgliedern zuläßt;
2. der, mit den Rechten einer juristischen Person ausge¬stattet, bei der Prüfung seiner Mitglieder den strengsten Ma߬stab anlegt;
3. der es durchsetzt, daß die Aktiengesellschaften gezwungen werden, ihr Rechnungswesen von einem dem Verbände ange¬hörigen, d. i. privilegierten Bücherrevisor, prüfen zu lassen.
Es ist im höchsten Grade bedauerlich und verfehlt, daß das Gesetz bei uns die Zwangsrevision nur den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften auferlegt hat. Als ob Mißwirtschaft und Veruntreuung nicht auch bei den Aktiengesellschaften vor¬kommen könnten. Die Bankkatastrophen und Zusammenbrüche von Aktiengesellschaften, aber auch die vielen Prozesse gegen Vorstände und Aufsichtsräte in den letzten Jahren haben ge¬zeigt, wohin man mit dem heutigen System steuert, und wie ein roter Faden sichtbar läuft das’ Manko der Kontrolle durch die Prozesse hindurch. Auch nicht in einem einzigen Proze߬falle konnte festgestellt werden, daß der Aufsichtsrat sich be¬währt, er seine Aufgabe gelöst habe; vielmehr hat er auf der ganzen Linie als Kontrollorgan abdanken und seine völlige Ohnmacht aktenmäßig besiegeln müssen. Dies ist eine ein¬fache Begleiterscheinung des Amtes selbst, welches gewöhn- 124
lieh nicht etwa der Lohn persönlicher Tüchtigkeit, sondern das Dokument intimer geschäftlicher Beziehungen zwischen der Gesellschaft und der Person des Aufsichtsrates selbst oder einer anderen Gesellschaft ist, zu welcher der Aufsichtsrat in einem nahen Verhältnis steht.
Die allermeisten Aufsichtsratsposten entspringen einem Kundenverhältnis oder einer Kreditoperation; und die Tantieme ist nicht das Entgelt für die Überwachungstätigkeit, die ein tüchtiger Bücherrevisor besser und billiger besorgen könnte, sondern das Honorar für Dienste, die mit der eigentlichen Ver¬waltung der Gesellschaft nicht das mindeste zu tun haben. Zwar wird geflissentlich die Fiktion aufrecht erhalten, als ob die Tantieme in der Tat das Honorar für geleistete Aufsichts¬und Kontrolldienste sei, aber in Wirklichkeit gilt sie der hinter der Aufsichtsratseigenschaft stehenden wirtschaftlichen Macht. Nach den gemachten Erfahrungen hält es schwer, zu glauben, daß die heutige gesetzliche Buchführungsaufsicht eine objektiv¬kritische und technisch-richtige Kontrolle sei. Nicht ohne Ge¬misch von Hohn und Mißachtung wird über das heutige Kontroll¬wesen jeder unabhängige Kenner urteilen.
„Eine wahre Kontrolle *) kann nur von wirklichen Buchfüh¬rungssachverständigen, d. h. von Leuten ausgeübt werden, die sich berufsmäßig mit dem Wesen der Buchführung befassen. Dem Sachverständigen aber in seiner heutigen Vereinzelung fehlt eine hinter ihm stehende Macht, die seine Autorität und Unabhängigkeit deckt Es fehlt der korporative Zusammenschluß mit seinen strengen Aufnahmebedingungen, welcher dem nicht seltenen Vorwurfe die Spitze abbricht, daß die heutigen Revi¬soren ja doch nur die Vertrauenspersonen der Direktion oder des Aufsichtsrates seien und mehr oder weniger auf deren In¬tentionen eingehen, oder, um volkstümlich zu sprechen, nach deren Pfeife tanzen. Auch der in Berlin gegründete Verband Deutscher Bücherrevisoren (eingetragener Verein) scheint das, was uns fehlt, noch nicht zu sein. Es steckt im deutschen Bücherrevisor noch zu viel ängstlicher Mittelstandsgeist und zu wenig Vertrauen auf das eigene Können und die eigene Kraft
') So schrieb unlängst E. Römer, der bekannte Vorkämpfer für deutsche» Revisionswesen, an den Verfasser dieser Schrift.
Eine deutsche Revisionsgesellschaft müßte geschaffen werden, die entweder lediglich oder doch hauptsächlich aus tüchtigen und erfahrenen Berufsrevisoren zu bestehen hätte. Strenge und präzise Vorschriften bezüglich der Revisionsarbeiten müßten erlassen werden, an welche die Mitglieder sich zu halten hätten. Die englischen Revisionsvorschriften sind so scharf formuliert, daß bei einer gewissenhaften Befolgung Unter¬schleife, Schiebungen und sonstige Verschleierungen fast ganz ausgeschlossen sind. Und wie zufriedenstellend die Bestim¬mungen über die Zwangsrevisionen gewirkt haben müssen, das beweist die Ausdehnung derselben auf alle eingetragenen Ge¬' Seilschaftenx). Nach solchen Grundsätzen könnte eine deutsche Revisionsgesellschaft, der man das nötige Kapital ohne Zweifel gern zur Verfügung stellen würde, leicht mit dem Erfolge orga¬nisiert werden, daß sie jeder, auch der größten Revisionsaufgabe gewachsen wäre, ohne doch den Einzelrevisor völlig aufzusaugen. Nur eine solche Gesellschaft würde wahrhaft unabhängig, wahr¬haft unparteiisch, wahrhaft der Allgemeinheit dienstbar sein. Auch die amerikanischen Revisionsgesellschaften sind Ireine Revisionsgesellschaften, und großkapitalistisches Strebertum kennen sie nicht Es wird notwendig sein, daß man auch in Deutschland dem Großkapital die Herrschaft im Revisionswesen nicht in der von ihm erstrebten Weise (durch Gründung von Treuhändergesellschaften) überläßt, sondern daß man möglichst frühzeitig auf die Folgen des Plutokratismus im Re visions wesen entsprechend aufmerksam macht.
Was die materiellen Garantien anlangt so sind diese, wie sie von den heutigen Einzelrevisoren geboten werden, nur sehr
l) Dr. jur. Otto Gertung hält in seiner Schrift „Die Bücherprüfung im englischen Aktienrecht“ (Jena, Hermann Costenoble, 1906) nicht viel von der Zwangsrevision, ebenso nicht von der Einführung der englischen Einrichtung des Audits in Deutschland. Er meint, E. Römer habe Unrecht zu glauben, daß mit dieser Einrichtung auch schon alles Unheil im deutschen Aktienwesen verschwinden würde. Römer hat aber stets nur behauptet, daß mit Einführung des in einem .starken Verband stehenden Berufsrevisors und der Zwangsrevision Betrügereien nach Menschenmöglichkeit eingeschränkt würden. Wenn der Verfasser übrigens (S. 86) John Samuel Purcell sagen läßt, daß in England 50% von den eingetragenen Companies Fehlgeburten sind, so darf er sich nicht wundem, wenn das englische Audit auch in England oft versagt, denn solchen Fehlgeburten gegenüber zerschellt auch die nachhaltigste Revision; für diese gibt es überhaupt kein Heilmittel.
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gering. Anders die Gesamtheit der zu einer Gesellschaft ver¬einigten Bucherrevisoren mit ihrem Stammvermögen. Aber es kommt beim Revisionswesen und speziell bei der Über-wachung von Aktiengesellschaften, auch gar nicht in erster Linie auf materielle Garantien an. Wahr ist, daß in unserer Zeit nur allzuoft und allzuleicht der schnöde Mammon über Wissen und Können und Arbeit gesetzt wird. Oft schon ist es aber auch mit diesem Abgott „schief“ gegangen. Das hat gerade die Aufsichtsratsinstitution des öfteren an ihrem eigenen Leibe erfahren müssen. Damit soll nicht gesagt sein, daß die materielle Garantie, die der heutige Aufsichtsrat bietet, gar nichts wert wäre; aber Tatsache bleibt es darum doch immer, daß die sogenannten materiellen Garantien des Aufsichtsrates sich als durchaus unzureichend, ja im gewissen Sinne sogar als gefährlich erwiesen haben. Unzureichend, weil die Verluste oft größer gewesen sind als das verfügbare Kapital, mit dem gehaftet werden müßte, gefährlich, weil das Publi¬kum ein allzu großes Vertrauen in die Allmacht des Kapitals setzte, die der Aufsichtsrat repräsentiert, und sich vor jedem Schaden gesichert glaubt, ohne zu bedenken, daß Mangel an Verständnis für das Amt schon oft die ganze Kapitalsherrlich-keit in Atome zerstieben ließ. Man mache einmal jedem An¬wärter auf einen Sitz im Aufsichtsrat vor Übernahme seines Amtes klar, welches Arbeitspensum dieses Amt von seinem Träger fordert und welche schwere Verantwortung es ihm auf¬erlegt; daß es nicht bloß nötig ist, Namen, Rang und Titel zu haben, um zum Aufsichtsrat prädestiniert zu sein, und daß man eben bloß gewählt zu werden braucht, um auch schon zu dem Amte die notwendigen Eigenschaften mitzubringen, und man wird sich bald überzeugen können, daß die wahren, für das Amt wirklich befähigten'Leute sehr dünn gesät sind.
Zugegeben soll auch ohne weiteres werden, daß wohl nie¬mand gern so leicht sein Vermögen verlieren möchte, und darin mag für das einzelne Aufsichtsratsmitglied wohl ein gewisser Sporn liegen, es mit seiner Überwachungspflicht nicht allzu¬leicht zu nehmen. Aber was will das besagen, wenn „der Wille gut, die Kraft aber schwach ist“. Die meisten Aufsichts-ratsmitglieder verstehen eben, wie hundertfältig erwiesen, wenig oder nichts vom modernen Rechnungswesen; und über diese
Klippe hilft kein noch so großes Kapital hinweg. Nur ein ganz präzises Rechnungswesen, in Verbindung gebracht mit einer eindringlichen Bücherrevision, vermag das Bild einer wirt¬schaftlichen Unternehmung so treu zu zeichnen, daß daraus klar die gedeihliche oder rückschrittliche Entwicklung des Ganzen und seiner einzelnen Teile ersehen werden kann. Dieses Er¬fordernis kann der Aufsichtsrat, und wäre er hundertmal reicher als der reichste Nabob, mit seinem Gelde nicht erfüllen. Dem¬nach fehlt unsem Aufsichtsräten, ganz abgesehen davon, daß sie vermöge der Kollektivverfassung des Aufsichtsrates als Einzelpersonen völlig machtlos und gar nicht in der Lage sind, für sich allein zu revidieren, meist jede technische Revisions- routine, sodann aber auch die zu einer gründlichen Rechnungs¬prüfung doch nun einmal unbedingt erforderliche Zeit. Es gibt selbst Königliche Kommerzienräte, die sich in ihrer Eigen¬schaft als Aufsichtsratsmitglieder bei Zusammenbrüchen von Aktiengesellschaften damit entschuldigt haben, daß sie von der Buchführung nichts verstanden hätten!
Sollte solchen Zuständen gegenüber der technisch ge¬schulte Berufsrevisor trotz seiner zurzeit noch geringen mate¬riellen Garantien nicht unbedingt den Vorzug verdienen? — Auf dem letzten Verbandstag des Verbandes Deutscher Bücher¬revisoren wurde mit Recht geltend gemacht, daß nicht das Kapital, sondern der Verstand revidiere, und das gilt nicht nur den derzeitigen deutschen Revisionsgesellschaften, sondern auch den deutschen Aufsichtsräten gegenüber. Des weiteren kommt dann wohl auch noch der Umstand in Betracht, daß der Berufsrevisor auch mit seiner Berufs ehre haftet, deren Verlust oft genug den Verlust seiner Existenz bedeutet oder doch bedeuten kann. Der reiche Aufsichtsrat aber verliert seine Existenz mit einem Teil seines Vermögens noch lange nicht! So wenig wie beispielsweise der preußische Staat allein vom Kapital, sondern zu einem recht erheblichen Teil auch von dem preußischen Beamtenstand der guten alten Sorte und von dessen Bildung, Arbeit und Wissen gefördert worden ist, so wenig wird das Revisionswesen in Deutschland allein vom Kapital gefördert, ausgebaut und auf die richtigen Grundlagen gestellt werden können.
Was die Frage der Vorbildung der Bücherrevisoren 128
angeht, so ist zu bemerken, daß die Handelshochschule als Pflanzstätte für Bücherrevisoren zu verwerfen ist1). Bücher¬revisoren können nur in besonderen Fachschulen in Verbindung mit einer entsprechend langen praktischen Lehrzeit zu wirklich tüchtigen und für höhere Aufgaben in Frage kommenden Fach¬männern erzogen werden. Eine feste, wissenschaftlich-theore¬tische Grundlage, ein gutes Maß allgemeiner Bildung und die natürliche Gabe raschen Erfassens und der Findigkeit sind für den Bücherrevisor durchaus erforderliche Eigenschaften. Aber des Guten darf darin auch wieder nicht zu viel getan werden, und jedenfalls muß der Fächerkreis für die Bücherrevisoren nach besonderen, nicht naph allgemeinen Gesichtspunkten ge¬zogen werden. Wissen, das nicht in Können umgesetzt wird, ist gar nichts oder nicht eben sehr viel wert, und das ent¬sprechende praktische Können wird im Bücherrevisorenberuf am wenigsten auf der Schulbank erworben. Nicht lebens¬fremde, sondern lebenskundige Männer müssen die Bücher¬revisoren sein. Ebenso darf die Gründung von Fachschulen für Bücherrevisoren nicht vom Kapital oder vom Staat, sondern allein von den Revisoren selbst ausgehen, denn nur wenn diese nach jeder Richtung hin und in jeder Beziehung voll¬kommen unabhängig sind, werden sie diejenige Stellung sich zu erwerben befähigt sein, die zur wahrhaft kraftvollen und zweckdienlichen Ausübung ihres verantwortungsvollen und schwierigen Berufes unbedingt erforderlich ist. Hier könnte vielleicht der Verband Deutscher Bücherrevisoren mit Erfolg in die Bresche treten, und falls eine Revisionsge¬sellschaft in dem oben erwähnten Sinne gegründet werden sollte, würde auch diese Gesellschaft bei der Errichtung einer Fachschule für Bücherrevisoren sich tätig mit beteiligen können.“
Ob freilich die Entwicklung in Deutschland gleichfalls zu einer korporativen Organisation nach Art des Chartered Institute führen würde, oder ob nicht vielmehr der von der deutschen Gesetzgebung bei der Regelung der Rechtsstellung der Patentanwälte eingeschlagene Weg vorzuziehen sein würde, mag dahingestellt bleiben. Es wäre auch zu berücksichtigen, ob es nicht der deutschen Auffassung mehr ent* sprechen würde, eine gewisse wissenschaftliche Vorbildung, etwa auf den Handels¬akademien, vorzuschreiben. (Dr. Walter Hagens in Holdheims Monatsschrift, Nr. 7 vom Juli 1902, der die Frage in London selbst studiert hat.)
R. Beigel, Theorie und Praxis. 9 I2Q
In der Tat gibt es, um die Bücherrevisorenfrage dem Ziele näher zu bringen, kein anderes Mittel, als einen Zentral¬verband Deutscher Bücherrevisoren mit dem Sitz in Berlin und einem ausgedehnten Filialnetz in Form einer Ein¬getragenen Genossenschaft mit einem ausreichenden Ga¬rantiekapital zu gründen« Zu dieser Vereinigung könnte der heutige Verband Deutscher Bücherrevisoren den willkommenen Grundstock abgeben. Ihm müßte das Institute of Chartered Accountants in England und die Entwicklung der Accountancy dortselbst als Vorbild dienen. Ein Zusammenschluß der heute in der Vereinzelung bestehenden öffentlichen wie privaten Bücherrevisoren, Rechnungsprüfer, Buchsachverständigen, sowie der ein für allemal bestellten Konkursverwalter, Liquidatoren, Treuhänder, Revisoren von Aktiengesellschaften und Genossen¬schaften zu einem einheitlichen, korporativen Verbände würde bei den mannigfachen Beziehungen persönlicher und geschäft¬licher Art, in denen die einzelnen Personen zueinander treten könnten, fraglos eine wesentliche Förderung nicht bloß des Einzelnen, sondern zugleich auch der Interessen der Verbands¬sache herbeiführen. Zugleich würde damit auch ein hohes Interesse für die Organisation beim großen Publikum ausgelöst werden. Daneben würde einem jeden der genannten Geschäfts¬zweige eine erhebliche Förderung dadurch zuteil werden, daß die in der einen Beschäftigungsart erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen auch in der andern Beschäftigungsart nutzbar ge¬macht werden könnten. Außerdem läßt sich annehmen, daß bei dem Bestände eines festgefügten Verbandes mit handels¬gerichtlich protokollierter Firma (die „United States Auditing Company in New-York“ ist Aktiengesellschaft) und den damit gebotenen Garantien auch die Gerichte von dem Institut weit¬gehenden Gebrauch machen und jedenfalls sich geneigter zeigen würden, die Mitglieder des Verbandes mit Funktionen als Konkursverwalter, Liquidatoren usw. zu betrauen, die heute vielfach an nur einseitig gebildete Rechtsanwälte übertragen werden, wenn schon jene Funktionen sehr viel kaufmännisches Wissen erheischen.
Ohne Zweifel würde ein Verband als Bücherrevisions¬instanz im Aktienwesen Großes zu leisten imstande sein. Der Aufsichtsrat würde aufhören, ab Revisionsorgan eine Rolle zu 130
spielen, die ihm absolut nicht liegt und ihm auch gar nicht liegen kann. Dafür wird er mit um so größerer Energie seine geschäftliche Erfahrung bei der Verwaltung des Unternehmens, für welches er verpflichtet ist, nutzbar machen können.
Von großem Nutzen und außerordentlicher Tragweite wäre dann weiter die Schaffung einer (vom Verfasser längst gefor¬derten) „Reichszentralstelle für Aktiengesellschaften“, und dieser Nutzen würde sich nicht bloß für die Bücherrevision und die Revisionsgesellschaft, sondern für das gesamte Aktien¬wesen überhaupt fühlbar machen. Das Arbeitsfeld einer solchen Zentralstelle, besetzt mit juristisch und fachmännisch gebildeten Autoritäten1), wäre ein weites, segensreiches und dankbares. Analoge Einrichtungen bestehen heute in dem „Kaiserlichen Aufsichtsamt für Privatversicherung“ kraft Reichsgesetzes vom 12. Mai 1901, sowie in der gemäß § 3 des Gesetzes vom 13. Juli 1899 eingeführten „Aufsichtsbehörde für Hypothekenbanken“ ).
Heute stehen die in Deutschland vorhandenen 6540 Aktien¬gesellschaften mit einem investierten Kapital von über zwanzig Milliarden Mark ohne jede staatliche Aufsicht, lediglich unter¬worfen den §§ 178—319 des Handelsgesetzbuches. Ob nach diesem Gesetz verfahren wird, die Interpretationen desselben richtig sind, das Riesenkapital gesichert ist u. dergl., das alles ist dem Aufsichtsrate überlassen, oder was ungefähr dasselbe ist: es schwebt in der Luft. Was aber den privaten Versicherungs¬gesellschaften und Hypothekenbanken recht ist, sollte den Aktiengesellschaften billig sein, und zwar von Staats und Rechts wegen!